Leitsatz (redaktionell)
1. |
Nach § 2 Abs. 1 Buchst. a TV soziale Absicherung erhält ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist, eine Abfindung. Diese Tarifbestimmung ist nicht nur anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von Art. 20 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 Einigungsvertrag, sondern auch, wenn es nach Außerkrafttreten dieser Bestimmung gekündigt wurde, weil der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist. Soweit aus dem Urteil vom 10. November 1994 (- 6 AZR 427/94 - AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR) auf eine gegenteilige Rechtsauffassung des Senats geschlossen werden kann, wird daran nicht festgehalten. |
2. |
Erhebt ein Arbeitnehmer gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB Widerspruch, lehnt er im Sinne des Klammerbeispiels in § 2 Abs. 5 Buchst. a TV soziale Absicherung einen anderen angebotenen Arbeitsplatz ab. Die Annahme des Arbeitsplatzes im Betrieb des Erwerbers ist dem Arbeitnehmer nicht schon deshalb unzumutbar, weil er sein Widerspruchsrecht wirksam ausgeübt hat. |
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Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger verlangt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien von dem Beklagten eine Abfindung.
Der Kläger war seit dem 22. August 1984, zuletzt bei dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Landkreis N , als Straßenbauer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Organisationszugehörigkeit der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 (im folgenden: TV soziale Absicherung) Anwendung.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 1993 teilte der Landrat des Landkreises N dem Kläger mit, ein privater Erwerber habe mit Wirkung vom 1. Januar 1994 den kommunalen Straßenbaubetrieb, in dem der Kläger beschäftigt war, durch Kauf übernommen. Der Erwerber habe sich verpflichtet, den Kläger zu übernehmen und mindestens ein Jahr lang weiterzubeschäftigen. Die vom Landkreis anerkannten Dienstzeiten würden bei der Erbringung gesetzlicher, tariflicher oder freiwilliger Leistungen angerechnet. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber. Daraufhin kündigte der Beklagte am 21. Februar 1994 das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1994.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Abfindung nach § 2 Abs. 1 Buchst. a TV soziale Absicherung in - rechnerisch unstreitiger - Höhe von 6.372,11 DM. Der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis wegen mangelnden Bedarfs gekündigt, nachdem er die Straßenbauarbeiten an eine neu gegründete Betreiberfirma vergeben habe. Der Abfindungsanspruch sei auch weder nach § 2 Abs. 5 Buchst. a noch nach § 2 Abs. 5 Buchst. b TV soziale Absicherung ausgeschlossen. § 2 Abs. 5 Buchst. a TV soziale Absicherung betreffe lediglich das Angebot eines anderen Arbeitsplatzes mit geänderten Arbeitsbedingungen. Hier gehe es jedoch um denselben Arbeitsplatz, da lediglich ein Arbeitgeberwechsel stattgefunden habe. Diesen Fall regele § 2 Abs. 5 Buchst. b TV soziale Absicherung, der einen Anspruchsausschluß allerdings nur bei der Übernahme des Arbeitsverhältnisses durch einen öffentlichen Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT-O/BAT vorsehe. Eine solche sei hier jedoch nicht erfolgt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn als Abfindung aus dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 6.372,11 DM nebst 4 Zinsen seit Fälligkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, § 2 Abs. 5 Buchst. a TV soziale Absicherung beziehe sich nicht auf die "Planstelle" beim bisherigen Arbeitgeber, sondern ganz allgemein auf den Arbeitsplatz an der bisherigen Beschäftigungsstelle. Der Arbeitsplatz des Klägers habe jedoch unstreitig im Betrieb des Betriebserwerbers fortbestanden, so daß die Weiterverwendung des Klägers möglich gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.
I. Allerdings sind die in § 2 Abs. 1 TV soziale Absicherung geregelten Voraussetzungen des Klageanspruchs gegeben. Diese Vorschrift hat, soweit hier von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
"Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil
a) er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder
b) die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaus der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist,
erhält eine Abfindung. ..."
Eine Kündigung durch den Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 1 TV soziale Absicherung lag vor. Es handelte sich bei ihr auch um eine Kündigung wegen mangelnden Bedarfs im Sinne des Buchstaben a dieser Bestimmung. Daran ändert nichts, daß die Kündigung erst am 21. Februar 1994 ausgesprochen wurde. Zwar lag dieser Zeitpunkt später als der 31. Dezember 1993, der Tag, an dem die Bestimmungen des Einigungsvertrags über die sogenannte "Bedarfskündigung" (vgl. Art. 20 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 Einigungsvertrag - im folgenden: Abs. 4 EV - i.V.m. dem Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 - BGBl. I S. 1546 -) außer Kraft getreten sind. § 2 Abs. 1 Buchst. a TV soziale Absicherung gilt jedoch auch für nach dem 31. Dezember 1993 ausgesprochene Kündigungen wegen mangelnden Bedarfs. Der Senat hält an seiner gegenteiligen Auffassung, die er im Urteil vom 10. November 1994 (- 6 AZR 427/94 - AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR) näher begründet hat, nicht mehr fest.
1. In dem dortigen Rechtsstreit war das Arbeitsverhältnis zuvor vereinbarungsgemäß durch "ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung zum 30. Juni 1992" beendet worden. Der Senat verneinte einen Abfindungsanspruch unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Tarifvertrages, dem er eine bewußte Grenzziehung der Tarifvertragsparteien zwischen der sog. Einigungsvertrags-Kündigung und der allgemeinen betriebsbedingten Kündigung entnahm. Er stützte seine Auffassung hauptsächlich darauf, daß in der tariflichen Abfindungsregelung ein Ausgleich für die bei der Bedarfskündigung nach dem Einigungsvertrag fehlende Sozialauswahl liege. In einem weiteren Urteil vom 30. Januar 1997 (- 6 AZR 859/95 - AP Nr. 18 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz) konnte die Rechtsfrage als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
2. Diese Rechtsauffassung war im Schrifttum und in der Praxis auf Kritik gestoßen (vgl. Kothe, ArbuR 1996, 124 ff.; Meist, ZTR 1996, 13 ff.; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT-O, Stand Januar 1998, Soziale Absicherung Anm. 3; Clemens/Scheuring/ Steingen/Wiese, BAT-O, ATB-Ang, Stand Januar 1998, R 1, Sozialtarifvertrag Erl. 5; Sächsisches LAG Urteil vom 20. Juli 1995 - 4 Sa 520/95 - AuA 1996, 27; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 8. Oktober 1997 - 3 Sa 508/96 -). Es wurde geltend gemacht, die Tarifvertragsparteien hätten dadurch, daß sie den Tarifvertrag zur sozialen Absicherung durch den Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 25. April 1994 mit Wirkung vom 1. April 1994, und damit von einem Zeitpunkt an, der nach Außerkrafttreten der Kündigungsregelung in Abs. 4 EV lag, geändert hätten, deutlich gemacht, daß auch weiterhin die Kündigungen wegen mangelnden Bedarfs den Anspruch auf Abfindung begründeten. Außerdem sei der Zweck, den der Senat im Urteil vom 10. November 1994 der Abfindung zugesprochen habe, seit der Entscheidung des Achten Senats vom 19. Januar 1995 (- 8 AZR 914/93 - BAGE 79, 128 = AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag) nicht mehr als Argument tragfähig. Zwar habe der öffentliche Arbeitgeber bei Kündigungen nach Abs. 4 EV keine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG durchführen müssen, er sei aber nach dem Urteil des Achten Senats dennoch zu einer Auswahlentscheidung nach vernünftigen sachlichen Gesichtspunkten (§§ 242, 315 Abs. 1 BGB) verpflichtet gewesen, bei der auch soziale Gesichtspunkte ausreichend zu berücksichtigen gewesen seien.
3. Nach erneuter Prüfung gibt der Senat seine im Urteil vom 10. November 1994 (aaO) vertretene Rechtsauffassung auf. Die Auslegung des TV soziale Absicherung ergibt insbesondere unter Berücksichtigung des Änderungstarifvertrags Nr. 1 vom 25. April 1994, daß es für den Abfindungsanspruch nach § 2 Abs. 1 TV soziale Absicherung nicht darauf ankommen kann, ob eine wirksam gewordene Kündigung, die der öffentliche Arbeitgeber deshalb ausgesprochen hat, weil der Arbeitnehmer wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist, ihre Rechtsgrundlage in Abs. 4 Nr. 2 EV hat.
a) Zwar spricht die Übernahme des Wortlauts des Abs. 4 Satz 1 Ziff. 2 und 3 EV in § 2 Abs. 1 Buchst. a und b TV soziale Absicherung zunächst für die im Senatsurteil vom 10. November 1994 (aaO) vertretene Rechtsauffassung. Andererseits wurde aber entgegen § 54 Abs. 3 BAT-O bzw. § 53 Abs. 3 BAT-O a.F. gerade nicht auf die gesamte Kündigungsregelung nach dem Einigungsvertrag verwiesen und somit die Abfindungsregelung auf diese Tatbestände beschränkt. Jedenfalls kann das Tarifmerkmal "wegen mangelnden Bedarfs" auch vorgelegen haben, wenn die Kündigung nach Außerkrafttreten des Abs. 4 EV ausgesprochen wurde. Daß sie dann nicht mehr nach dieser Bestimmung wirksam sein konnte, sondern nur noch, wenn sie als betriebsbedingte Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt war (§ 1 KSchG) ändert nichts daran, daß es sich bei ihr nach wie vor um eine Kündigung wegen mangelnden Bedarfs im Tarifsinne handelte.
b) Auch Sinn und Zweck der Tarifbestimmung und der tarifliche Gesamtzusammenhang sprechen für dieses Ergebnis. Mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 25. April 1994 haben die Tarifvertragsparteien mit Wirkung vom 1. April 1994 in § 2 Abs. 2 TV soziale Absicherung einen weiteren Unterabsatz eingefügt und dabei die bisherige Höchstgrenze von 10.000,00 DM nach Unterabs. 1 für Auflösungsverträge aufgehoben und auf das Siebenfache der in Unterabs. 1 genannten Bezüge heraufgesetzt. Da die Tarifvertragsparteien diese Fortschreibung und Erweiterung der Abfindungsregelung zu einem Zeitpunkt vorgenommen haben, als die Bedarfskündigungsregelung nach Abs. 4 EV bereits seit vier Monaten außer Kraft war, und dabei den für Kündigungen geltenden Unterabsatz 1 nicht nur unverändert gelassen, sondern auf ihn sogar Bezug genommen haben, muß angenommen werden, daß sie auch Bedarfskündigungen als abfindungsrelevant ansehen wollten, die nach dem 31. Dezember 1993 erklärt worden waren oder würden.
c) Demgegenüber kann nicht angenommen werden, im ÄnderungsTV Nr. 1 seien nur vor dem 1. Januar 1994 ausgesprochene Kündigungen gemeint, in denen die Abfindungsrechtsstreite am 1. April 1994 noch anhängig waren. Diese Auffassung würde zu einem Wertungswiderspruch führen. Sie könnte nicht erklären, warum diese früheren Kündigungen begünstigt werden, die Regelung Auflösungsverträge jedoch nur erfaßt, wenn sie nach dem 31. März 1994 abgeschlossen worden sind (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/ Pühler, BAT-O, aaO, Soziale Absicherung Fußnote 1 zu § 2 Abs. 2 Unterabs. 2). Außerdem hätte, wenn eine solche übergangsähnliche Regelung gewollt gewesen wäre, die zeitliche Befristung ihrer Geltungsdauer nahegelegen. Von einer solchen wurde aber nicht nur im Änderungstarifvertrag Nr. 1, sondern auch im TV soziale Absicherung selbst abgesehen. Auch deshalb spricht nichts dafür, daß dieser Tarifvertrag, der erst am 6. Juli 1992 abgeschlossen wurde, in § 3 das Datum seines Inkrafttretens genau regelte und in einer Protokollnotiz zu § 2 ausdrücklich auch vor dem 15. Juni 1992 ausgesprochene Kündigungen einbezog, aber zum Endzeitpunkt seiner Geltung nichts bestimmte, mit dem Außerkrafttreten des Abs. 4 Nr. 2 EV seine Geltung verlieren sollte.
d) Im übrigen ist jede Bestimmung dieses Tarifvertrages im Zusammenhang mit den Vorbemerkungen vor § 1 auszulegen. Dort haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich festgehalten, daß Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich sind, hierbei aber die "Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten unter Nutzung aller bestehenden Möglichkeiten Vorrang hat gegenüber Entlassungen". Die Abfindungsregelung dient somit der Förderung eines unvermeidlichen Umstrukturierungsprozesses, den sie abfedern soll. Dieser Prozeß war Ende 1993 unbestrittenermaßen aber noch nicht abgeschlossen und konnte daher nur mit Hilfe von weiteren Bedarfskündigungen, die nunmehr freilich nicht mehr auf Abs. 4 EV gestützt werden konnten, fortgeführt werden (LAG Brandenburg Urteil vom 27. September 1996 - 5 Sa 359/96 -; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/ Pühler, aaO, Soziale Absicherung Anm. 3; Meist, ZTR 1996, 13, 14).
4. Da die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger wegen Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs ausgesprochen wurde, sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Abfindung nach § 2 Abs. 1 Buchst. a TV soziale Absicherung erfüllt.
II. Gleichwohl steht dem Kläger ein Anspruch auf Abfindung nicht zu. Das folgt aus § 2 Abs. 5 TV soziale Absicherung.
Diese Vorschrift enthält in Buchst. a und b zwei Ausschlußtatbestände, von denen der erste die Kündigung und der zweite die einvernehmliche Vertragsaufhebung betrifft (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 784/95 - AP Nr. 22 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz, zu II 2 der Gründe). Vorliegend kommt allein die Bestimmung in § 2 Abs. 5 Buchst. a TV soziale Absicherung in Betracht.
Nach ihr steht eine Abfindung nicht zu, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt ist, den der gekündigte Arbeitnehmer zu vertreten hat. Erläutert wird dieser Ausschlußtatbestand durch das Klammerbeispiel. Danach ist der Anspruch auf Abfindung z.B. ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz ablehnt, dessen Annahme ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise zugemutet werden kann. So liegt der Fall hier.
1. Der Kläger hat einen anderen Arbeitsplatz abgelehnt, den ihm der Rechtsvorgänger des Beklagten angeboten hatte. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1993 hatte dieser den Kläger darüber unterrichtet, daß der kommunale Straßenbaubetrieb zum 1. Januar 1994 verkauft worden sei, der Erwerber in die Arbeitsverhältnisse nach § 613 a BGB eintreten werde und gleichzeitig eine mindestens einjährige Weiterbeschäftigung garantiere.
Damit war dem Kläger ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Tarifbestimmung angeboten worden. Wenn der Ausschlußtatbestand des § 2 Abs. 5 Buchst. a TV soziale Absicherung bei der Ablehnung eines Arbeitsplatzes mit veränderten Arbeitsbedingungen eingreift, muß dies erst recht gelten, wenn der Arbeitnehmer die Beschäftigung auf seinem bisherigen Arbeitsplatz zu unveränderten vertraglichen Arbeitsbedingungen ablehnt und lediglich ein Wechsel in der Person des Arbeitgebers stattfindet. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Tarifbestimmung und dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Wie die Tarifvertragsparteien in den Vorbemerkungen ausdrücklich niedergelegt haben, verfolgt der Tarifvertrag den Zweck, bei den erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen vorrangig Beschäftigungsmöglichkeiten zu sichern. Dabei geht es nicht nur um Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst, sondern um den Erhalt von Arbeitsplätzen schlechthin. Nicht anders kann der Hinweis verstanden werden, die Beschäftigungsmöglichkeiten seien "unter Nutzung aller bestehenden Möglichkeiten" zu sichern. Zu diesen gehört auch die Erhaltung eines Beschäftigungsbetriebs durch dessen Übertragung auf einen Erwerber.
Die gegenteilige Auffassung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts (Urteil vom 20. Juli 1995 - 4 Sa 520/95 - AuA 1996, 27, 28) überzeugt nicht. Soweit das Sächsische Landesarbeitsgericht sich auf die Regelungen in § 2 Abs. 5 Buchst. b und § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung beruft, läßt es unberücksichtigt, daß es im erstgenannten Fall nicht um eine Kündigung, sondern um einen Aufhebungsvertrag geht und § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung die Wiedereinstellung nach erfolgter Kündigung betrifft. Beim hier gegebenen Fall des Betriebsübergangs kommt es jedoch erst gar nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern der Arbeitsplatz bleibt erhalten, so daß die Möglichkeit der Beschäftigungssicherung feststeht.
2. Die Annahme des auf den Erwerber übergegangenen Arbeitsplatzes war dem Kläger nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht unzumutbar. Die arbeitsplatzbezogenen Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers haben sich durch den Arbeitgeberwechsel nicht verändert. Andere Gesichtspunkte kommen nach der Senatsrechtsprechung nicht in Betracht. Weder persönliche, noch familiäre oder soziale Gründe sind von den Tarifvertragsparteien als berücksichtigungsfähig angesehen worden. Das gleiche gilt für einen erhöhten Wegezeitaufwand (Senatsurteile vom 26. Oktober 1995 - 6 AZR 928/94 - AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR, zu 1 b der Gründe; 18. April 1996 - 6 AZR 607/95 - AP Nr. 14 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz, zu II 2 a der Gründe; 30. Januar 1997 - 6 AZR 859/95 - AP Nr. 18 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz, zu II 2 a der Gründe).
3. Soweit sich der Kläger darauf beruft, daß er von dem ihm zustehenden Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht habe und er deswegen nicht benachteiligt werden dürfe, genügt dies nicht, um einen Anspruchsausschluß zu verhindern.
Ob ein angebotener Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer zumutbar ist, richtet sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB; Senatsurteil vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 895/95 - AP Nr. 18 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz, zu II 3 der Gründe). Die beiderseitigen Interessen sind zu wahren und abzuwägen, wobei allerdings vor dem Hintergrund des Tarifzwecks der Beschäftigungssicherung grundsätzlich von einem weiten Zumutbarkeitsbegriff auszugehen ist (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, R 1, Sozialtarifvertrag Erl. 9 S. 17; Rundschreiben des BMI vom 15. Juli 1992 zitiert bei Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, aaO, Soziale Absicherung, Hinweis 1). Für ein überwiegendes, berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers an einer Ablehnung des Arbeitsplatzes beim Betriebserwerber bedarf es daher besonders gewichtiger Gründe. Maßgeblich sind somit die Widerspruchsgründe des Arbeitnehmers. Die Zumutbarkeitsfrage ist hier in gleicher Weise zu beurteilen wie die Frage der Berücksichtigung des Widerspruchs im Rahmen der Sozialauswahl bei einer aufgrund des Widerspruchs erfolgten Kündigung durch den Betriebsveräußerer. Auch dies ist anhand von § 242 BGB zu prüfen (BAG Urteil vom 7. April 1993 - 2 AZR 449/91 B - AP Nr. 22 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu II 5 b der Gründe; ebenso LAG Berlin Urteil vom 26. Mai 1997 - 9 Sa 19/97 - LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 20; LAG Hamm Urteil vom 19. Juli 1994 - 6 Sa 30/94 - AP Nr. 27 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; LAG München Urteil vom 19. Dezember 1996 - 4 Sa 856/95 - n.v.; zum Meinungsstand im Schrifttum KR-Pfeiffer, 4. Aufl. 1996, § 613 a BGB Rz 65; Ingelfinger, ZfA 1996, 591, 603 ff.; Küttner/Kreitner, Personalbuch 1997, 4. Aufl., Betriebsübergang Rz 44). Ähnliches gilt für die Frage, ob der Widerspruch zum Verlust eines Sozialplananspruchs führt. Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 5. Februar 1997 (- 10 AZR 553/96 - AP Nr. 112 zu § 112 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe, m.w.N. aus dem Schrifttum) bei der Auslegung eines Sozialplans, der einen Abfindungsanspruch bei Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzes ausschloß, allein im Wechsel der Person des Arbeitgebers keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit gesehen. Selbst ungünstigere tarifliche Arbeitsbedingungen beim Betriebserwerber hat er insoweit nicht genügen lassen, da einmal erreichte Arbeitsbedingungen auch bei dem Betriebsveräußerer nicht auf Dauer garantiert seien. Außerdem kann der Widerspruch im Ergebnis zur Minderung eines Nachteilsausgleichsanspruchs führen (vgl. BAG Urteil vom 10. Dezember 1996 - 1 AZR 290/96 - AP Nr. 32 zu § 113 BetrVG 1972, zu B II der Gründe) und ein böswilliges Unterlassen des Erwerbs beim neuen Betriebsinhaber i.S. d. § 615 Satz 2 BGB darstellen (BAG Urteil vom 19.März 1998 - 8 AZR 139/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Für das Vorliegen von Gründen, die dem Kläger die Annahme des Arbeitsplatzes bei dem Betriebserwerber unzumutbar machten, bietet der Sachvortrag des Klägers keine Anhaltspunkte. Dieser hat lediglich angegeben, daß es sich bei dem Übernehmer um ein neu gegründetes Unternehmen handele. Dies allein führt aber nicht zu einer Unzumutbarkeit im tariflichen Sinne.
4. Die Berücksichtigung der Widerspruchsgründe im Rahmen der Zumutbarkeitsbeurteilung stellt keine unzulässige Beschränkung des Widerspruchsrechts des Klägers dar. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, nach der Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber widersprochen haben und denen deshalb gekündigt werden muß, ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht von tariflichen Abfindungsansprüchen ausgeschlossen werden können (vgl. Urteil vom 10. November 1993 - 4 AZR 184/93 - AP Nr. 43 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, zu B III 1 der Gründe; Urteil vom 5. Februar 1997 - 10 AZR 553/96 AP Nr. 112 zu § 112 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 440733 |
BAGE, 109 |
BB 1998, 2320 |
BB 1999, 959 |
FA 1998, 359 |
FA 1998, 392 |
NZA 1998, 1239 |
RdA 1998, 378 |
SAE 1999, 40 |
ZAP-Ost 1998, 654 |
ZIP 1998, 2067 |
ZTR 1998, 560 |
AP, 0 |
AuA 1999, 90 |
PersR 1998, 441 |
RiA 1999, 66 |