Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragsschluss in deutscher Sprache. ausländischer Arbeitnehmer. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Leitsatz (amtlich)
Die Unterzeichnung eines in deutscher Sprache abgefassten schriftlichen Arbeitsvertrags darf der Arbeitgeber auch dann als Annahmeerklärung verstehen, wenn der Arbeitnehmer der deutschen Sprache nicht oder nicht ausreichend mächtig ist.
Orientierungssatz
1. Für vor dem 17. Dezember 2009 geschlossene Arbeitsverträge bestimmt sich das anwendbare materielle Recht weiterhin nach Art. 27 ff. EGBGB.
2. Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Staaten der Europäischen Union aus, ist gewöhnlicher Arbeitsort iSv. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB der Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt oder – fehlt es an einem Mittelpunkt der Tätigkeit – der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeit verrichtet.
3. Dem Zugang eines schriftlichen Arbeitsvertragsangebots des Arbeitgebers steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer der deutschen Sprache nicht oder nicht ausreichend mächtig ist.
4. Eine analoge Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB auf Arbeitsverträge scheidet aufgrund der klaren gesetzgeberischen Entscheidung in § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB aus.
5. Eine Ausschlussfristenregelung in einem deutschen Recht unterliegenden Arbeitsvertrag ist nicht schon deshalb überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB, weil der Arbeitnehmer der deutschen Sprache nicht oder nicht ausreichend mächtig ist.
6. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nicht allein deshalb intransparent, weil sie nicht in der Muttersprache des Vertragspartners gefasst sind. Wer sich auf einen Arbeitsvertrag in fremder Sprache einlässt, trägt grundsätzlich auch das Sprachrisiko.
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1, §§ 133, 157, 242, 305 Abs. 2, § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 2, § 310 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 2; EGBGB Art. 27 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1-2, Art. 31 Abs. 1-2; InsO §§ 87, 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2; ZPO §§ 240, 545 Abs. 2; EGV 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) Art. 1; EGV 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) Art. 18 Abs. 1; EuGVVO Art. 19 Nr. 1 Fassung: 2000-12-22; EGV 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) Art. 60 Abs. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 – 11 Sa 569/11 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über restliche Vergütung und Aufwendungsersatz.
Der 1970 geborene Kläger ist portugiesischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Portugal und der deutschen Sprache nicht mächtig. Er war bei der Spedition H mit Sitz in P (im Folgenden: Schuldnerin) vom 24. Juli 2009 bis zum 31. März 2011 als Kraftfahrer im internationalen Transport zu einer Bruttomonatsvergütung von 900,00 Euro nebst Reisekostenpauschale beschäftigt. Nach in portugiesischer Sprache geführten Einstellungsverhandlungen unterzeichnete der Kläger einen von der Schuldnerin vorformulierten, in deutscher Sprache abgefassten Arbeitsvertrag, der ua. folgende Regelung enthält:
- Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
- Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb eines Monats nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
- Die Fristen beginnen mit dem Zugang der Erklärung bei der anderen Vertragspartei.”
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 13. April 2011 hat der Kläger mit der am 12. Mai 2011 eingereichten Klage Entgelt für den Monat Dezember 2010 sowie Reisekostenpauschalen für Fahrten in dem Zeitraum März bis September 2010 verlangt. Er hat geltend gemacht, die Nichtanwendung des § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auf Arbeitsverträge sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Einem außerhalb der Bundesrepublik Deutschland tätigen portugiesischen Staatsangehörigen sei der Inhalt der arbeitsvertraglichen AGB zumindest auch in seiner Muttersprache mitzuteilen. Der Schuldnerin sei bekannt gewesen, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
Der Kläger hat in den Vorinstanzen sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 900,00 Euro brutto und 3.870,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.770,00 Euro seit dem 31. März 2011 zu zahlen.
Die Schuldnerin hat Klageabweisung beantragt. Die erhobenen Forderungen seien nach § 12 Nr. 1 Arbeitsvertrag verfallen. Zu einer Übersetzung des Arbeitsvertrags ins Portugiesische sei sie nicht verpflichtet gewesen, zumal der Kläger eine solche nicht verlangt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger zunächst seinen Klageantrag weiterverfolgt.
Das Amtsgericht Pirmasens hat mit Beschluss vom 11. März 2013 – 1 IN 4/13 – über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem dieser die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen vorläufig bestritt, hat der Kläger den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen. Er begehrt nunmehr die Feststellung der Forderungen nebst Zinsen zur Insolvenztabelle. Der Insolvenzverwalter beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen eine Entscheidung darüber, ob auf den Streitfall nur deutsches Recht Anwendung findet, nicht zu. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die deutschen Gerichte auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) oder der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) international zuständig.
a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auch unter Geltung von § 545 Abs. 2 ZPO eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn.13 mwN, BAGE 143, 129).
b) Die Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO erfordert einen Auslandsbezug (EuGH 17. November 2011 – C-327/10 – [Lindner] Rn. 29, Slg. 2011, I-11543). Dieser liegt vor, weil der Kläger portugiesischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Portugal ist (vgl. EuGH 1. März 2005 – C-281/02 – [Owusu] Rn. 26, Slg. 2005, I-1383). Auch der sachliche Geltungsbereich der EuGVVO ist nach deren Art. 1 Abs. 1 Satz 1 eröffnet. Zu den zivilrechtlichen Streitigkeiten im Sinne der Bestimmung gehören auch Streitigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts (BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn. 16 mwN, BAGE 143, 129).
Nachdem die Arbeitgeberin ihren satzungsmäßigen Sitz und damit ihren „Wohnsitz” in Deutschland hat, kann sie grundsätzlich vor den deutschen Gerichten verklagt werden, Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Nr. 1 iVm. Art. 60 Abs. 1 Buchst. a EuGVVO.
c) Sollte die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 Buchst. b EuGVVO eingreifen, weil die Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag als unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgegangen und mit ihm in engem Zusammenhang stehend anzusehen wäre (vgl. zu den Voraussetzungen der Bereichsausnahme EuGH 19. April 2012 – C-213/10 – [F-Tex] Rn. 27, 29; 12. Februar 2009 – C-339/07 – [Deko Marty Belgium] Rn. 21 ff., Slg. 2009, I-767), ergäbe sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für dieses Annexverfahren aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO (vgl. BAG 20. September 2012 – 6 AZR 253/11 – Rn. 19, BAGE 143, 129).
2. Der Kläger hat den durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit wirksam gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen, § 87 iVm. § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO. Das im Gesetz nicht vorgesehene „vorläufige” Bestreiten der angemeldeten Forderung durch den Insolvenzverwalter ist ein Bestreiten iSd. § 179 InsO (BGH 9. Februar 2006 – IX ZB 160/04 – Rn. 8).
3. Der Übergang vom ursprünglichen Leistungsantrag zum Antrag auf Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle ist keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung iSv. § 263 ZPO. Sie ist vielmehr wegen einer „später eingetretenen Veränderung” gemäß § 264 Nr. 3 ZPO zulässig und lässt die Identität des geltend gemachten Anspruchs unberührt. Es handelt sich lediglich um eine verfahrensrechtliche Anpassung des Antrags an die insoweit maßgebenden Vorschriften der Insolvenzordnung (BGH 31.? Oktober 2012 – III ZR 204/12 – Rn. 22, BGHZ 195, 233).
II. Ob und in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen nicht entscheiden. Es steht nicht fest, ob auf den Streitfall – wovon das Landesarbeitsgericht ohne nähere rüfung ausgegangen ist – nur deutsches und nicht (auch) portugiesisches Recht Anwendung findet.
1. Das auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 27 ff. EGBGB. Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (fortan: Rom I-VO) findet gemäß ihrem Art. 28 keine Anwendung. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen. Altverträge unterstehen weiter dem bisherigen Recht (BAG 20. April 2011 – 5 AZR 171/10 – Rn. 11, BAGE 137, 375).
2. Die Parteien haben die Anwendung deutschen Rechts vereinbart.
a) Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich konkludent aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Einzelfalls ergeben (BAG 10. April 2013 – 5 AZR 78/12 – Rn. 24). Gehen die Parteien während eines Rechtsstreits übereinstimmend von der Anwendung deutschen Rechts aus, so liegt darin regelmäßig eine stillschweigende Rechtswahl (BAG 27. August 1964 – 5 AZR 364/63 – zu 1 der Gründe, BAGE 16, 215; 12. Juni 1986 – 2 AZR 398/85 – zu B V 2 b der Gründe; BGH 9. Juni 2004 – I ZR 266/00 – zu II 5 b der Gründe).
b) Der Kläger und die Schuldnerin sind im Prozess stets von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen. Dem ist der Insolvenzverwalter als nunmehriger Beklagter nicht entgegengetreten. Damit ist anzunehmen, dass die Parteien entweder von vornherein ihre Vertragsbeziehungen deutschem Recht unterstellen wollten oder dieser Wille jedenfalls jetzt übereinstimmend bei ihnen besteht. Auch die Orientierung maßgeblicher arbeitsvertraglicher Regelungen an inländischem Arbeitsrecht ist ein gewichtiges Indiz für eine stillschweigende Wahl deutschen Rechts (vgl. BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 100, 130; 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09 – Rn. 28).
3. Ob die Rechtswahl wirksam ist, wird das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren nach Feststellung der erforderlichen Tatsachen zu beurteilen und dabei Folgendes zu beachten haben:
a) Nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Deshalb ist ein Günstigkeitsvergleich anzustellen zwischen den zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts, die dem Arbeitnehmer Schutz gewähren, und denen der gewählten Rechtsordnung (BAG 13. November 2007 – 9 AZR 134/07 – Rn. 35, BAGE 125, 24).
b) Auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse ist bei unterbliebener Rechtswahl objektiv anwendbar das Recht des Staats, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt wird, Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB.
aa) Der Begriff des „gewöhnlichen Arbeitsorts” ist nach der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, die auch für Art. 27 ff. EGBGB maßgeblich ist (Art. 36 EGBGB, vgl. auch Dutta/Volders EuZW 2004, 556), weit zu verstehen. Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten aus, ist gewöhnlicher Arbeitsort der Ort, an dem oder von dem aus er seine berufliche Tätigkeit tatsächlich ausübt, und, in Ermangelung eines Mittelpunkts der Tätigkeit, der Ort, an dem er den größten Teil seiner Arbeit verrichtet. Erst wenn auch danach ein gewöhnlicher Arbeitsort in einem Staat nicht feststellbar ist, darf – in Einklang mit den neuen Kollisionsnormen in Art. 8 Rom I-VO – auf die „einstellende Niederlassung” (Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB) zurückgegriffen werden (EuGH 15. März 2011 – C-29/10 – [Koelzsch] Rn. 43 ff., Slg. 2011, I-1595; 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Rn. 26 ff., Slg. 2011, I-13275).
bb) Das Landesarbeitsgericht wird deshalb feststellen müssen, wo der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat.
Der Einsatz des Klägers im internationalen Fernverkehr legt nahe, dass er regelmäßig in mehreren Staaten tätig war. Darauf deuten auch die zu den Akten gereichten Belege über die von ihm durchgeführten Fahrten hin. Sollte dies zutreffen, wird das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung aller die Tätigkeit des Klägers kennzeichnenden Gesichtspunkte zu prüfen haben, ob gleichwohl eine maßgebliche Verknüpfung mit einem Staat festgestellt werden kann. Dazu ist insbesondere festzustellen, in welchem Staat sich der Ort befindet, von dem aus der Kläger seine Transportfahrten durchführte. Nach dem Vortrag der Schuldnerin begannen die Fahrten am Unternehmenssitz in P, nach dem Vorbringen des Klägers hingegen in Portugal; vom dortigen Büro der Schuldnerin seien die Fahrten auch koordiniert worden. Ferner muss das Landesarbeitsgericht ermitteln, an welchem Ort der Kläger Anweisungen zu seiner Arbeit erhielt, wo diese organisiert wurde und wo sich die Arbeitsmittel befanden. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert wurden und wohin der Kläger nach seinen Fahrten zurückkehrte (vgl. EuGH 15. März 2011 – C-29/10 – [Koelzsch] Rn. 48 f., Slg. 2011, I-1595).
c) Kann das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren einen gewöhnlichen Arbeitsort nicht feststellen, ist für den Günstigkeitsvergleich auf das Recht des Staats abzustellen, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Kläger eingestellt hat, Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB.
aa) Dabei ist Niederlassung jede auf Dauer angelegte arbeitsorganisatorische Einheit eines Unternehmens. Sie muss keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Daher können nicht nur Tochtergesellschaften und Zweigstellen, sondern auch andere Einheiten wie etwa die Büros eines Unternehmens eine Niederlassung sein (EuGH 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Rn. 54, Slg. 2011, I-13275; siehe – zum inhaltsgleichen Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO – ErfK/Schlachter 14. Aufl. Art. 9 Rom I-VO Rn. 16; Palandt/Thorn 73. Aufl. Rom I 8 Rn. 12, jeweils mwN). Abzustellen ist dabei nach der maßgeblichen neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (EuGH 15. Dezember 2011 – C-384/10 – [Voogsgeerd] Rn. 52, aaO; zum Streitstand im Schrifttum siehe BAG 13. November 2007 – 9 AZR 134/07 – Rn. 42 ff., BAGE 125, 24; ErfK/Schlachter 14. Aufl. aaO; Palandt/Thorn 73. Aufl. aaO).
bb) Es wird deshalb zu prüfen sein, ob das von der Schuldnerin im Streitzeitraum unstreitig in Portugal unterhaltene Büro eine Niederlassung iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB ist und diese den Kläger eingestellt hat. Dazu fehlt es bislang an den erforderlichen Feststellungen. Der im Arbeitsvertrag über der Unterschriftenzeile in Druckschrift festgehaltene Ort („P”) deutet nur darauf hin, dass dort die Vertragsurkunde erstellt wurde.
d) Nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB gilt die nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB zu treffende Zuordnung des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht des anderen Staats anzuwenden.
aa) Die Verbindung mit dem anderen Staat muss stärker sein als die durch die Regelanknüpfung zu dem Recht des Arbeitsorts oder der einstellenden Niederlassung hergestellte Beziehung. Dies beurteilt sich ua. nach der Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, dem Sitz des Arbeitgebers und dem Wohnort des Arbeitnehmers. Ergänzend sind die Vertragssprache und die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen (BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – zu B I 2 a dd der Gründe, BAGE 100, 130; 13. November 2007 – 9 AZR 134/07 – Rn. 50 mwN, BAGE 125, 24).
bb) Dazu ist vom Tatsachengericht eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Daran fehlt es bislang. Der Senat kann sie auch nicht selbst vornehmen, weil maßgebliche Tatsachen nicht festgestellt sind. Bei der Nachholung im erneuten Berufungsverfahren wird zu beachten sein, dass die Staatsangehörigkeit nur dann ein wesentliches Kriterium sein kann, wenn beide Parteien dieselbe Nationalität haben. Für die Würdigung der Gesamtumstände iSv. Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB ist neben den erwähnten Gesichtspunkten von Bedeutung, ob wesentliche Entscheidungen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, in Deutschland oder im Büro der Schuldnerin in Portugal getroffen wurden (vgl. BAG 13. November 2007 – 9 AZR 134/07 – Rn. 51, BAGE 125, 24).
e) Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB wäre portugiesisches Recht anzuwenden, hat es zur Prüfung der Wirksamkeit der Rechtswahl einen Günstigkeitsvergleich vorzunehmen, Art. 30 Abs. 1 EGBGB.
Dazu ist zunächst zu prüfen, ob nach portugiesischem Recht zwingende arbeitnehmerschützende Vorschriften auf den Sachverhalt Anwendung finden. Dabei ist es unerheblich, ob diese dem Arbeitsrecht zuzuordnen sind. Auch allgemeine vertragsrechtliche Bestimmungen wie zB Verjährungsregelungen können zwingende Bestimmungen iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB sein (vgl. ErfK/Schlachter 10. Aufl. Art. 27, 30, 34 EGBGB Rn. 14; Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 53; Staudinger/Magnus (2011) Art. 8 Rom I-VO Rn. 75 f.; MünchKommBGB/Martiny 5. Aufl. Art. 8 Rom I-VO Rn. 34; aA MüArbR/Oetker 3. Aufl. Bd. 1 § 11 Rn. 23). Von besonderer Bedeutung wird insoweit sein, ob zwingendes arbeitnehmerschützendes portugiesisches Recht einer Ausschlussfristenregelung wie der in § 12 Arbeitsvertrag entgegensteht.
Maßgeblich für den Günstigkeitsvergleich sind die Ergebnisse der Anwendung der jeweils berührten Rechtsordnungen im Einzelfall (vgl. BAG 29. Oktober 1992 – 2 AZR 267/92 – zu III 2 c der Gründe, BAGE 71, 297; Deinert Internationales Arbeitsrecht § 9 Rn. 59; MünchKommBGB/Martiny 5. Aufl. Art. 8 Rom I-VO Rn. 40; Markovska RdA 2007, 352, 355).
4. Ergibt sich im erneuten Berufungsverfahren die Wirksamkeit der von den Parteien getroffenen Rechtswahl, beurteilt sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags – vorbehaltlich des Art. 31 Abs. 2 EGBGB – nach deutschem Recht.
a) In diesem Falle haben die Parteien – nach bisherigem Sachstand – durch Unterzeichnung einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem aus der Vertragsurkunde ersichtlichen Inhalt geschlossen.
aa) Die Schuldnerin hat dem Kläger durch Vorlage oder Übermittlung des Arbeitsvertrags ein entsprechendes Vertragsangebot unterbreitet. Dieses ging dem Kläger zu (§ 130 Abs. 1 BGB), obwohl er der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
(1) Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt (BAG 4. November 2004 – 2 AZR 17/04 – zu B I 2 a der Gründe mwN), unter Abwesenden, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme beurteilt sich nach den „gewöhnlichen Verhältnissen” und den „Gepflogenheiten des Verkehrs”. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren (BAG 22. März 2012 – 2 AZR 224/11 – Rn. 21 mwN).
(2) Danach steht dem Zugang des Vertragsangebots nicht entgegen, dass der Kläger der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Dies ist ein individueller, allein in der Person des Klägers liegender und damit unbeachtlicher Umstand.
Der Gesetzgeber hat sich in § 130 Abs. 1 BGB bewusst für die Empfangstheorie und gegen die Vernehmungstheorie entschieden; eine Willenserklärung wird danach bereits mit Zugang im dargelegten Sinne wirksam und nicht erst dann, wenn sie vom Empfänger tatsächlich wahrgenommen worden ist (vgl. MüKoBGB/Einsele 6. Aufl. § 130 Rn. 9 ff.). Die Berücksichtigung individueller Sprachkenntnisse des jeweiligen Empfängers widerspräche dieser Gesetzeskonzeption (vgl. Kling Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr S. 289, 292 f.; Dehler Die Zurechnung des Sprachrisikos bei Willenserklärungen 5. 219).
Zudem wären andernfalls – konsequenterweise – jedwede individuellen Defizite zu berücksichtigen. Jedes Schreiben, das der Empfänger nicht lesen kann oder – zB aufgrund von Fremdwörtern oder Fachausdrücken – nicht versteht, ginge ihm danach erst zu, wenn ihm der Inhalt des Schreibens vorgelesen oder nachvollziehbar erläutert worden wäre. Mit dem Gedanken der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes wäre dies unvereinbar (vgl. Kling Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr S. 289).
Die in § 130 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Risikoverteilung ist auch deshalb angemessen, weil regelmäßig nur der Empfänger der Willenserklärung weiß, wie weit seine Sprachkenntnisse gehen und wie hoch demnach das Risiko sprachbedingter Missverständnisse zu veranschlagen ist (Staudinger/Singer (2012) § 119 Rn. 18; Schäfer JZ 2003, 879, 883).
bb) Der Kläger hat durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags diesen mit
seinem Gesamtinhalt angenommen.
(1) Die objektive Erklärungsbedeutung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist dabei verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (BAG 25. September 2013 – 5 AZR 936/12 – Rn. 21; BGH 2. Mai 2007 – XII ZR 109/04 – Rn. 17 ff.; Palandt/Ellenberger 73. Aufl. § 133 Rn. 9, jeweils mwN). Zu beachten ist ferner der Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (st. Rspr., vgl. BAG 25. September 2013 – 5 AZR 936/12 – Rn. 21). Das erfordert die Berücksichtigung des Einflusses, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (BGH 17. Dezember 2009 – IX ZR 214/08 – Rn. 14 mwN).
(2) Die Unterzeichnung eines schriftlichen Arbeitsvertragsangebots darf der Arbeitgeber regelmäßig als Annahmeerklärung des Arbeitnehmers verstehen. Dem stehen fehlende oder mangelhafte Kenntnisse der Vertragssprache nicht entgegen.
Niemand ist verpflichtet, einen Arbeitsvertrag in einer ihm fremden Sprache zu unterschreiben. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, der Bewerber könne sich Bedenkzeit erbeten, um eine Übersetzung des Vertrags bitten oder selbst für eine solche sorgen, bevor er über die Annahme des Vertragsangebots entscheidet. Nutzt er derartige zumutbare Möglichkeiten, sich Kenntnis vom Inhalt des Vertragsangebots zu verschaffen, nicht und schließt stattdessen ohne Zwang einen Arbeitsvertrag in einer Sprache, die er nicht versteht, darf der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer trotz seiner Sprachunkundigkeit eine Erklärung mit dem aus der Vertragsurkunde ersichtlichen Inhalt abgeben wollte (im Ergebnis ebenso die herrschende Meinung, die in diesen Fällen einen Vertragsschluss bejaht, vgl. BGH 27. Oktober 1994 – IX ZR 168/93 – zu II 1 b der Gründe; LAG Niedersachsen 18. März 2005 – 10 Sa 1990/04 – zu II 2 a bb der Gründe; Hessisches LAG 11. September 1986 – 9 Sa 421/86 –; 7. Juni 1974 – 8 Sa 45/74 –; LAG Baden-Württemberg 30. Dezember 1970 – 4 Sa 64/70 –; 12. Juli 1968 – 4 Sa 37/68 –; LAG Hamm 7. September 1992 – 19 Sa 531/92 –; Gola/Hümmerich BlSt Soz ArbR 1976, 273, 275; Freckmann BB 2000, 1402, 1405 f.; Moll/Reichel RdA 2001, 308, 314; Rieble FS Löwisch 2007 S. 229, 232 ff.; Herbert/Oberrath DB 2010, 391, 392; Hinrichs/Stütze NZA-RR 2011, 113, 117; Mückl/Butz ArbRAktuell 2013, 34; allg. (ohne spezifisch arbeitsrechtlichen Bezug) Schäfer JZ 2003, 879, 883; Schlechtriem FS Weitnauer 1980 S. 129, 138; grds. auch Staudinger/Singer (2012) § 119 Rn. 18; Dehler Die Zurechnung des Sprachrisikos bei Willenserklärungen S. 192 f., 292; Kling Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr S. 256, 291; aA Becker/Braasch Recht der ausländischen Arbeitnehmer 3. Aufl. Rn. 154; Jancke Das Sprachrisiko des ausländischen Arbeitnehmers im Arbeitsrecht S. 217 f.).
Der sprachunkundige Arbeitnehmer steht insoweit demjenigen gleich, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt (vgl. BGH 27. Oktober 1994 – IX ZR 168/93 – zu II 1 b der Gründe; MünchKommBGB/Spellenberg 5. Aufl. Art. 10 Rom I-VO Rn. 53). Auch dieser erklärt sich mit dem Inhalt der Urkunde aus der Sicht des Vertragspartners einverstanden (BGH 27. Oktober 1994 – IX ZR 168/93 – zu II 1 b der Gründe mwN). Er kann seine Willenserklärung allenfalls anfechten, soweit er sich von dem Inhalt des Schriftstücks, das er ungelesen unterschrieben hat, eine bestimmte unrichtige Vorstellung gemacht hat (vgl. BAG 27. August 1970 – 2 AZR 519/69 – zu 2 b der Gründe, BAGE 22, 424; 5. April 1990 – 2 AZR 337/89 – zu C I 1 der Gründe; BGH 27. Oktober 1994 – IX ZR 168/93 – zu II 1 b der Gründe; 15. Januar 2002 – XI ZR 98/01 – zu III 1 a der Gründe).
(3) Sonstige Umstände, die einem Verständnis der Unterschriftsleistung als Annahme des angebotenen Arbeitsvertrags entgegenstünden, hat der Kläger nicht vorgebracht. Insbesondere wusste er, dass er ein Arbeitsverhältnis eingeht und hat den Inhalt des Rechtsgeschäfts – jedenfalls in seinen Grundzügen – erkannt. Das belegt schon der Vollzug des Arbeitsverhältnisses in der Folgezeit. Fehlende Detailkenntnis – etwa über die Ausschlussfristenregelung – beruht allein auf der bewussten Entscheidung des Arbeitnehmers, sich vom genauen Vertragsinhalt keine Kenntnis zu verschaffen, und ist daher seiner Risikosphäre zuzuordnen (vgl. BGH 15. April 1997 – IX ZR 112/96 – zu I 4 a der Gründe). Seinen Interessen wird zudem durch die Möglichkeit der Anfechtung gemäß §§ 119 ff. BGB Rechnung getragen (Schäfer JZ 2003, 879, 883; Schlechtriem FS Weitnauer 1980 S. 129, 138 f.).
(4) Ob der Arbeitsvertrag in der Sprache abgeschlossen wird, in der die Vertragsverhandlungen geführt wurden (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH 10. März 1983 – VII ZR 302/82 – zu I 1 der Gründe, BGHZ 87, 112; LAG Niedersachsen 18. März 2005 – 10 Sa 1990/04 – zu II 2 a bb der Gründe), ist unerheblich. Auch wenn die Parteien zunächst in einer anderen Sprache verhandelten, beruht der Abschluss eines Arbeitsvertrags in deutscher Sprache auf einer bewussten Entscheidung des Arbeitnehmers. Die Parteien einigen sich mit der Unterzeichnung des Vertragswerks stillschweigend auf die deutsche als die maßgebliche Vertragssprache (vgl. Dehler Die Zurechnung des Sprachrisikos bei Willenserklärungen S. 90 ff.). Die Verwendung einer Sprache in Vertragsverhandlungen begründet keine Rechtspflicht oder Obliegenheit, in Zukunft Erklärungen nur in dieser Sprache abgeben und entgegennehmen zu müssen, und ist für die zum Vertragsschluss führenden Erklärungen nicht maßgeblich (vgl. MünchKommBGB/Spellenberg 5. Aufl. Art. 10 Rom I-VO Rn. 69). Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
(5) Der sprachunkundige Arbeitnehmer handelt bei Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags regelmäßig mit Rechtsfolgewillen. Er will und weiß, dass er durch die Unterzeichnung des Schriftstücks eine rechtserhebliche Erklärung abgibt und ein Arbeitsverhältnis begründet. Daran ändert eine etwaige unrichtige Vorstellung von einzelnen Vertragsbestimmungen nichts.
cc) Die Annahme des angebotenen Arbeitsvertrags hat der Kläger nicht angefochten. Anfechtungsgründe sind nicht vorgebracht. Der Kläger hat nicht behauptet, er sei durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zur Annahme bestimmt worden (§ 123 BGB). Seinem Vortrag zufolge hat er den Arbeitsvertrag unterschrieben, ohne sich von dessen Inhalt eine bestimmte, unrichtige Vorstellung zu machen. Damit kommt eine Irrtumsanfechtung nicht in Betracht. Irrtum iSv. § 119 Abs. 1 BGB ist nur das unbewusste Auseinanderfallen von Wille und Erklärung und liegt nicht vor, wenn jemand – wie der Kläger – eine Erklärung in dem Bewusstsein abgibt, ihren Inhalt nicht zu kennen (BAG 27. August 1970 – 2 AZR 519/69 – zu 2 b der Gründe, BAGE 22, 424; BGH 30. Oktober 2013 – V ZB 9/13 – Rn. 8; Palandt/Ellenberger 73. Aufl. § 119 Rn. 9 mwN).
b) Nach deutschem Recht ist die Ausschlussfristenregelung in § 12 Arbeitsvertrag Vertragsbestandteil geworden.
aa) Dem steht § 305 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss auf sie hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.
(1) Zwar handelt es sich bei der Ausschlussklausel nach nicht angegriffener rechtlicher Wertung des Landesarbeitsgerichts um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 17. August 2011 – 5 AZR 406/10 – Rn. 11 mwN, BAGE 139, 44), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Jedoch bestimmt § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, dass § 305 Abs. 2 BGB bei der Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen im Arbeitsrecht keine Anwendung findet. Eine analoge Anwendung der Regelung scheidet aufgrund der klaren gesetzgeberischen Entscheidung (BT-Drucks. 14/6857 S. 54) aus (BAG 14. November 2012 – 5 AZR 107/11 – Rn. 17; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert 3. Aufl. § 305 Rn. 40; ErfK/Preis 14. Aufl. §§ 305 – 310 BGB Rn. 26; HWK/Gotthardt 5. Aufl. § 305 BGB Rn. 10; Kreft in Clemenz/Kreft/Krause § 310 BGB Rn. 66, jeweils mwN).
(2) Entgegen der Auffassung der Revision kann die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (fortan: Richtlinie) nichts anderes gebieten. Denn die Richtlinie findet nach ihrem zehnten Erwägungsgrund auf Arbeitsverträge keine Anwendung. Zudem wäre eine Korrektur des § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB contra legem (vgl. Däubler/Bonin/Deinert/Deinert 3. Aufl. § 305 Rn. 41).
bb) Die Klausel ist – nach dem bisherigen Parteivorbingen – nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB.
(1) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte (BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 44 mwN).
(2) Gemessen an diesen Anforderungen ist eine Ausschlussfristenregelung in einem deutschen Recht unterliegenden Arbeitsvertrag nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.
Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (BAG 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – zu IV 3 der Gründe mwN, BAGE 115, 19). Die Regelung findet sich nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle. Sie ist vielmehr in einem mit „Ausschlussfristen” überschriebenen eigenen Paragraphen enthalten, der zudem durch Fettdruck hervorgehoben ist. Der Kläger hat auch nicht vorgebracht, dass er aufgrund des Inhalts der vorangegangenen Vertragsverhandlungen oder wegen sonstiger Umstände, zB aufgrund seiner Erfahrungen mit dem portugiesischen Arbeitsrecht, nicht mit einer derartigen Klausel rechnen musste.
Allein der Umstand, dass die Klausel in deutscher Sprache verfasst ist, begründet keinen Überrumpelungseffekt. Dies war für den Kläger bei Unterzeichnung ohne Weiteres erkennbar. Auch bei sprachunkundigen Arbeitnehmern greift § 305c Abs. 1 BGB nur bei einem inhaltlichen Widerspruch zwischen den Erwartungen des Vertragspartners und dem Inhalt der Klausel (Schäfer JZ 2003, 879, 882; vgl. auch Schlechtriem FS Weitnauer 1980 S. 129, 142).
c) Das Landesarbeitsgericht wird im erneuten Berufungsverfahren aber prüfen müssen, ob die Bindung des Klägers an die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung nach Art. 31 Abs. 2 EGBGB entfallen ist.
aa) Art. 31 Abs. 2 EGBGB bestimmt in Ergänzung zu Abs. 1, dass sich eine Partei unter besonderen Umständen „für die Behauptung, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt”, auf das Recht des Staats ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts berufen kann. Es erfolgt dann – abweichend von Art. 31 Abs. 1 EGBGB – für das Zustandekommen des Vertrags eine ergänzende Sonderanknüpfung an das Aufenthaltsrecht, wenn das ansonsten nach dem Vertragsstatut eintretende Ergebnis für die Partei unbillig wäre (vgl. zum gleichlautenden Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO MünchKommBGB/Spellenberg 5. Aufl. Art. 10 Rom I-VO Rn. 10; Palandt/Thorn 73. Aufl. Rom I 10 Rn. 4). Zweck der Vorschrift ist es, der Partei für ihr Verhalten bei Vertragsabschluss das ihr vertraute Recht des Staats ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts zugutekommen zu lassen. Die Partei soll nicht nach einem ihr fremden Recht rechtsgeschäftlich gebunden werden, mit dessen Geltung sie noch nicht zu rechnen brauchte, so dass sie ihr Verhalten nicht nach diesen fremden rechtsgeschäftlichen Verhaltensregeln ausrichten musste (BGH 19. März 1997 – VIII ZR 316/96 – zu III 1 a aa der Gründe, BGHZ 135, 124).
bb) Der Kläger hat die Geltung des Arbeitsvertrags wegen dessen Abfassung in einer dem Kläger fremden Sprache in Frage gestellt. Damit hat er sich in ausreichender Weise auf Art. 31 Abs. 2 EGBGB berufen (vgl. MünchKommBGB/Spellenberg 4. Aufl. Art. 31 EGBGB Rn. 80 und Münch-KommBGB/Spellenberg 5. Aufl. Art. 10 Rom I-VO Rn. 232; Staudinger/Hausmann (2002) Art. 31 EGBGB Rn. 54; Palandt/Thorn 73. Aufl. Rom I 10 Rn. 4). Allerdings dürfte es naheliegend sein, dass die Unterzeichnung einer Vertragsurkunde auch nach portugiesischem Recht zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung führt unabhängig davon, ob der Vertragspartner den Inhalt der Vertragsurkunde versteht oder nicht. Dies wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben.
d) Ist ein Arbeitsvertrag mit dem aus der Vertragsurkunde ersichtlichen Inhalt zustande gekommen, muss das Landesarbeitsgericht prüfen, ob die Ausschlussfristenregelung nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam ist.
aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich nicht schon deshalb intransparent, weil sie nicht in der Muttersprache des konkreten Vertragspartners gefasst sind, während sie aus Sicht der Vertragssprache klar und verständlich formuliert sind (Schäfer JZ 2003, 879, 882; Staudinger/Krause (2013) Anh. zu § 310 Rn. 244; Klumpp in Clemenz/Kreft/Krause § 307 BGB Rn. 90). Das Sprachrisiko trägt derjenige, der sich auf einen Vertrag in fremder Sprache einlässt. Der aufmerksame und sorgfältige Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr (vgl. BAG 25. September 2008 – 8 AZR 717/07 – Rn. 48; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin 3. Aufl. § 307 Rn. 158, jeweils mwN), der einen Vertrag in einer ihm unbekannten Sprache schließt, wird das damit übernommene Risiko selbst beseitigen, indem er sich den Inhalt des Vertrags übersetzen lässt.
Etwas anderes kann sich allenfalls bei den nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu berücksichtigenden konkret-individuellen Umständen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss ergeben. Zu diesen gehören insbesondere persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, ferner Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation, wie etwa Überrumpelung, Belehrung oder untypische Sonderinteressen des Vertragspartners (BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – zu II 3 c der Gründe, BAGE 115, 372; vgl. auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin 3. Aufl. § 307 Rn. 160 mwN). Die Sprachunkundigkeit des Arbeitnehmers zählt als persönliche Eigenschaft zwar grundsätzlich zu derartigen Begleitumständen (so wohl auch Staudinger/Krause (2013) Anh. zu § 310 Rn. 244; Klumpp in Clemenz/Kreft/Krause § 307 BGB Rn. 90; aA Rieble FS Löwisch 2007 S. 229, 240; Kling Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr S. 593), kann allerdings allein nicht zu einer Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen führen, die einer Inhaltskontrolle nach abstrakt-generellen Kriterien standhalten. Sonst stünde die Wirksamkeit jeder Allgemeinen Geschäftsbedingung – unabhängig von ihrem Inhalt – letztlich unter dem Vorbehalt, dass der Klauselinhalt von dem konkreten Vertragspartner intellektuell verstanden werden konnte. Dies widerspräche dem abstrakt-generellen Prüfungsmaßstab des § 307 Abs. 1 BGB, der durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB lediglich ergänzt, aber nicht vollständig verdrängt wird und führte überdies zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Zur Sprachunkundigkeit des Arbeitnehmers müssen deshalb weitere Umstände hinzukommen, wie etwa das Drängen des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag ohne vorherige Übersetzung zu unterschreiben, oder die Versicherung, der Arbeitsvertrag enthalte keine Regelungsgegenstände, die nicht im Vorfeld erörtert worden seien (vgl. Kling Sprachrisiken im Privatrechtsverkehr S. 590; Preis NZA 2003 Sonderbeilage zu Heft 16 S. 19, 27). Dazu hat der Kläger nichts vorgebracht.
bb) § 12 Nr. 1 Arbeitsvertrag ist – bei isolierter Betrachtung – hinreichend transparent. Der Arbeitnehmer kann erkennen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, „verfallen” (also – untechnisch – in Wegfall geraten), wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 48 f.). Jedoch könnte die Intransparenz aus dem Kontext mit der weiteren Regelung des § 12 Nr. 3 Arbeitsvertrag folgen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BAG 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12 – Rn. 21 ff.). Das wird das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren zu bedenken haben.
§ 12 Nr. 1 Arbeitsvertrag stellt hinsichtlich des Fristbeginns auf die Fälligkeit des Anspruchs ab, also den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann (§ 271 BGB). Im Gegensatz hierzu knüpft § 12 Nr. 3 Arbeitsvertrag – ohne jede Einschränkung – den Fristbeginn an den „Zugang der Erklärung bei der anderen Vertragspartei”. Damit bleibt für den Arbeitnehmer unklar, ob er nach Fälligkeit des Anspruchs mit der schriftlichen Geltendmachung zuwarten kann oder muss, bis er eine wie auch immer geartete „Erklärung” der Gegenseite erhält.
e) Sollten die Forderungen des Klägers nicht verfallen sein, wäre die Klage im Wesentlichen begründet. Weder die Schuldnerin noch der Insolvenzverwalter haben die Erfüllung der erhobenen Ansprüche geltend gemacht. Ob allerdings die Reisekostenpauschalen (in Gänze) aufgrund welcher Vereinbarung netto zu zahlen sind, hat der Kläger bislang nicht schlüssig dargelegt. Dasselbe gilt, soweit er 40,00 Euro als „Restbetrag” für März 2010 fordert. Der Kläger hat – trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Arbeitsgericht – nicht dargelegt, welche Reisetätigkeit er im März 2010 für die Schuldnerin entfaltet hat. Zudem soll er nach dem Vortrag der Schuldnerin im gesamten März 2010 nicht für sie gearbeitet haben.
f) Ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes der Schuldnerin gegen die Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 NachwG bzw. gegen eine etwaige Pflicht zur Aufklärung über den Vertragsinhalt zustehen kann, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, weil es sich dabei um einen anderen Streitgegenstand handeln würde (vgl. BAG 5. November 2003 – 5 AZR 676/02 – zu III 5 der Gründe) und sich der Kläger nicht auf Schadensersatz als Anspruchsgrund für seine Forderungen berufen hat.
Auch zur Tabelle hat der Kläger lediglich Ansprüche auf „Lohn”, also Primäransprüche angemeldet, nur insoweit kann er eine Feststellung zur Insolvenztabelle verlangen, § 181 InsO. Ein auf Schadensersatz bezogener Feststellungantrag wäre hingegen unzulässig, weil ein solcher bislang nicht zur Tabelle angemeldet worden ist (vgl. BAG 22. Februar 2012 – 5 AZR 229/11 (F) – Rn. 29 ff. mwN; BGH 5. Juli 2007 – IX ZR 221/05 – Rn. 19, BGHZ 173, 103).
Unterschriften
Müller-Glöge, Biebl, Weber, A. Christen, Rahmstorf
Fundstellen
Haufe-Index 6991950 |
BAGE 2015, 342 |
BB 2014, 1907 |