Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Überbrückungsbeihilfe. Besitzstandszulage
Leitsatz (redaktionell)
Eine Besitzstandszulage nach § 2 Buchst. A der Änderungsvereinbarung Nr. 14 v. 13. Dezember 1980 gehört nicht zur Grundvergütung, die für die Berechnung der Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Abs. 3 TV SozSich i.V.m. § 16 Ziff. 1 a TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971 maßgebend ist.
Normenkette
Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) § 16; Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) § 1 Abs. 2, § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.10.1995; Aktenzeichen 13 Sa 17/95) |
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 24.11.1994; Aktenzeichen 7 Ca 426/94) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. Oktober 1995 – 13 Sa 17/95 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Überbrückungsbeihilfe.
Der Kläger war seit dem Jahre 1959 bei den in der Bundesrepublik stationierten kanadischen Streitkräften als Schreinervorarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) und der Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) Anwendung.
Das Arbeitsverhältnis wurde wegen des Abzugs der kanadischen Streitkräfte aus der Bundesrepublik zum 31. Dezember 1993 beendet. Der Kläger erhielt zuletzt einen Tabellenlohn in Höhe von 3.429,– DM brutto, einen Vorarbeiterzuschlag in Höhe von 532,– DM brutto und eine Besitzstandszulage in Höhe von 115,– DM brutto. Die Beklagte gewährte dem Kläger eine Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich, bei deren Berechnung sie die Besitzstandszulage nicht berücksichtigte.
Die Bestimmungen des TV SozSich zur Berechnung der Höhe der Überbrückungsbeihilfe haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:
„§ 4 Abs. 3
a (1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1 a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1 a TV AL II, die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand (…).”
In § 1 Abs. 2 TV SozSich ist bestimmt:
„Soweit der Tarifvertrag auf Vorschriften des TV AL II oder des KSch TV vom 16.12.1966 Bezug nimmt, ist von der bei Abschluß dieses Vertrages geltenden Fassung auszugehen, …
Protokollnotiz:
Diejenigen Vorschriften des TV AL II und des KSch TV, auf die der Tarifvertrag Bezug nimmt, sind dem Vertrag in der bei seinem Inkrafttreten geltenden Fassung als Anlage beigefügt.”
Die Bestimmung des § 16 Ziff. 1 a TV AL II in der in der Anlage aufgeführten Fassung vom 31. August 1971 hat folgenden Wortlaut:
„§ 16
Berechnung des Arbeitsverdienstes
1. Entlohnungsbestandteile
Grundvergütung
(1) Tabellenlohn/Gehalt unter Berücksichtigung der Lohngruppe (…) sowie der Altersklasse (…)
(2) Lohnstufenzulage (…)
(3) Leistungszulage (…)
(4) persönliche Zulagen einschl. Zulage (§ 1 Ziffern 5, 6 KSch TV)
(5) Akkorderlös (…)
(6) Vorarbeiterzuschlag (…) Meisterzuschlag (…)
(7) Zulage bei vertretungsweiser Ausübung von höherwertigen Tätigkeiten (…)
- …”
Die dem Kläger gewährte Besitzstandszulage beruhte auf dem Tarifvertrag zur Neuordnung der Vergütungsstruktur des Lohntarifs A TV AL II vom 13. Dezember 1980 (Änderungsvertrag Nr. 14 – III). Die sich durch die Neustrukturierung des Lohntarifs, u.a. bei Vorarbeitern wie dem Kläger, ergebenden Lohnnachteile wurden nach § 2 Buchst. A der Änderungsvereinbarung Nr. 14 durch eine Besitzstandszulage ausgeglichen. In § 2 Buchst. A Ziff. 2 b der Änderungsvereinbarung Nr. 14 ist bestimmt:
„Die Besitzstandszulage ist Bestandteil der Grundvergütung.
In der Berechnungsfolge (§ 16 Ziffer 7) wird sie in § 16 Ziffer 1 a zwischen den als Pos. (6) und Pos. (7) aufgeführten Entlohnungsbestandteilen eingeordnet.”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Besitzstandszulage sei bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Abs. 3 Buchst. a (1) TV SozSich zu berücksichtigen. Es handele sich um eine persönliche Zulage i.S.v. § 16 Ziff. 1 a (4) TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971. Zumindest gehöre sie zum Vorarbeiterzuschlag nach § 16 Ziff. 1 a (6) TV AL II, da sie als Ausgleich für einen vor der Änderung der Tarifstruktur gezahlten höheren Vorarbeiterzuschlag gedient habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die persönliche Zulage gem. § 16 Ziff. 4 TV AL II in Höhe von 115,– DM Bestandteil der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Überbrückungsbeihilfe ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Besitzstandszulage sei bei der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe nicht zu berücksichtigen. Die Tarifvertragsparteien hätten in die Bemessung der Überbrückungsbeihilfe bewußt nur die Lohnbestandteile einbeziehen wollen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des TV SozSich am 31. August 1971 zur Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL gehörten. Die Besitzstandszulage sei hingegen erst bei der Änderung der Tarifstruktur zum 1. August 1981 eingeführt worden, so daß sie nicht zur Bemessungsgrundlage gehöre. Diese Regelung habe darauf beruht, daß die Leistungen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses von dem jeweiligen Arbeitgeber, hier den kanadischen Streitkräften, zu erbringen seien, während sie nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Bundesrepublik Deutschland getragen werden müßten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine höhere Überbrückungsbeihilfe nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Besitzstandszulage sei bei der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Abs. 3 Buchst. a (1) TV SozSich nicht zu berücksichtigen. Maßgebend sei die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II. Insoweit sei gem. § 1 Abs. 2 TV SozSich die Regelung über die Grundvergütung in § 16 Ziff. 1 a TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971 heranzuziehen. Danach gehöre die Besitzstandszulage nicht zur Grundvergütung, da sie erst mit der Neustrukturierung des Tarifsystems zum 1. August 1981 mit § 2 der Änderungsvereinbarung Nr. 14 eingeführt worden sei. Dabei hätten die Tarifvertragsparteien ausdrücklich bestimmt, daß die Besitzstandszulage zwischen den in Position (6) und Position (7) aufgeführten Entlohnungsbestandteilen einzuordnen sei. Dies schließe ihre Zuordnung zur Position (4) als persönliche Zulage aus.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die Besitzstandszulage ist bei der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe nicht zu berücksichtigen.
1. Bemessungsgrundlage für die Überbrückungsbeihilfe ist nach § 4 Abs. 3 Buchst. a (1) TV SozSich die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II. Welche Lohnbestandteile zur Grundvergütung gehören, ist nach § 16 Ziff. 1 a TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971 zu ermitteln. Dies folgt daraus, daß die Tarifvertragsparteien in § 4 Abs. 3 Buchst. a (1) TV SozSich auf jene Bestimmung des TV AL II Bezug nehmen und damit gem. § 1 Abs. 2 TV SozSich von der bei Abschluß des Tarifvertrages geltenden Fassung des § 16 Ziff. 1 a TV AL II auszugehen ist, die gem. der Protokollnotiz zu § 1 TV SozSich in der Anlage zum Tarifvertrag aufgeführt ist. Es handelt sich somit nicht um eine dynamische, sondern um eine statische Verweisung auf § 16 Ziff. 1 a TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971. Diese tarifliche Regelung beruht darauf, daß der Umfang der Überbrückungsbeihilfe, die unstreitig von der Beklagten und nicht von den Stationierungsstreitkräften getragen wird, auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV SozSich tariflich geregelten Lohnbestandteile beschränkt werden sollte.
2. Die Besitzstandszulage gehört nicht zu den Lohnbestandteilen, die in § 16 Ziff. 1 a TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971 aufgeführt sind.
a) Die Besitzstandszulage ist keine „persönliche Zulage einschl. Zulage (§ 1 Ziffern 5, 6 KSch TV)” i.S.d. Position (4).
aa) Die Besitzstandszulage kann nicht als eine Zulage nach § 1 Ziffern 5, 6 des KSch TV vom 16. Dezember 1966 (Anlage zum TV SozSich) angesehen werden, da diese Zulage nur Einkommensminderungen bei Herab- und Umgruppierungen betrifft.
bb) Die Besitzstandszulage gehört auch nicht zu den persönlichen Zulagen i.S.d. Position (4).
Zu den persönlichen Zulagen, die in den tariflichen Bestimmungen des TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971 vorgesehen waren, kann die Besitzstandszulage schon deshalb nicht gehören, weil sie erst zum 1. August 1981 durch § 2 der Änderungsvereinbarung Nr. 14 eingeführt wurde.
Der Tarifwortlaut des § 2 Buchst. A Ziff. 2 b der Änderungsvereinbarung Nr. 14 läßt auch nicht den Schluß zu, die Tarifvertragsparteien hätten die Besitzstandszulage den persönlichen Zulagen i.S.d. Position (4) zuordnen wollen. Nach § 2 Buchst. A Ziff. 2 b Satz 2 der Änderungsvereinbarung Nr. 14 wird die Besitzstandszulage in der Berechnungsfolge (§ 16 Ziff. 7) in § 16 Ziff. 1 a zwischen den als Position (6) und (7) aufgeführten Entlohnungsbestandteilen eingeordnet.
Zwar bezieht sich diese tarifliche Regelung unmittelbar nur auf die Berechnungsfolge i.S. § 16 Ziff. 7, die für die Erstellung der Lohnabrechnung im Hinblick auf die unterschiedlichen Lohnbestandteile Grundvergütung, Zulagen/Zuschläge und sonstige Entlohnungsbestandteile von Bedeutung ist; darin kommt jedoch, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, eindeutig zum Ausdruck, daß die Tarifvertragsparteien die Besitzstandszulage nicht der Position (4) zuordnen, sondern sie als gesonderten Entlohnungsbestandteil ausweisen wollten. Als solcher gehörte sie deshalb nicht zur Grundvergütung i.S.v. § 16 Ziff. 1 a i.d.F.v. 31. August 1971.
b) Die Besitzstandszulage kann auch nicht dem Vorarbeiterzuschlag i.S.d. Pos. (6) zugeordnet werden. Dem stehen der Tarifwortlaut und der tarifliche Gesamtzusammenhang entgegen.
Der Vorarbeiterzuschlag ist in den tariflichen Bestimmungen eindeutig definiert und wird von der Beklagten bei der Bemessung der Überbrückungsbeihilfe auch berücksichtigt.
Die Besitzstandszulage ist auch nicht anstelle des früher höheren Vorarbeiterzuschlags getreten. Die Besitzstandszulage ist nach § 2 Buchst. A Ziff. 2 a der Änderungsvereinbarung Nr. 14 der Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der dem Arbeiter ab 1. August 1981 je Arbeitsstunde zustehenden Entlohnungsbestandteile und der Summe der ihm vor diesem Zeitpunkt zustehenden Entlohnungsbestandteile. Sie hat damit eine allgemeine Ausgleichsfunktion und kann daher nicht dem Vorarbeiterzuschlag zugeordnet werden, auch wenn sie im Ergebnis rechnerisch dazu bestimmt ist, dessen auf struktureller Neuregelung beruhende Änderung auszugleichen.
c) Im übrigen kommt ein Wille der Tarifvertragsparteien, Ausgleichszulagen für geringere oder wegfallende Lohnbestandteile in die Grundvergütung i.S.v. § 16 Ziff. 1 a TV AL II i.d.F.v. 31. August 1971 mit einzubeziehen, in den tariflichen Bestimmungen nicht zum Ausdruck. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr erst in § 16 Ziff. 1 a (4) i.d.F.v. 13. Dezember 1980 ausdrücklich Einkommensschutzzulagen neben persönlichen Zulagen als Bestandteil der Grundvergütung geregelt. Daraus folgt, daß derartige Zulagen nicht den Lohnbestandteilen zugeordnet werden können, die in der Fassung des § 16 Ziff. 1 a vom 31. August 1971 bezeichnet waren.
3. Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht deshalb aus, daß bei der nach Tarifwortlaut und tariflichem Gesamtzusammenhang eindeutigen tariflichen Regelung die Einbeziehung der Besitzstands Zulage in die Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe, auch wenn man sie von deren Sinn und Zweck her als gerechtfertigt ansehen könnte, nicht in Betracht kommt. Eine Überprüfung, ob die von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung zweckmäßig und sachgerecht ist, ist den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt (BAGE 70, 62, 69 = AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG 1985, zu II 2 b cc der Gründe).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Augat, Bruse
Fundstellen