Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz nach § 113 Satz 3 InsO. Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vergleich
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für den Anspruch nach § 113 Satz 3 InsO ist, dass das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Insolvenzverwalters endet.
2. Schließen die Parteien in einem Kündigungsschutzprozess einen Vergleich, durch den das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf der Höchstfrist des § 113 Satz 3 InsO, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt endet, schließen sie materiell-rechtlich einen Aufhebungsvertrag, der die Kündigung gegenstandslos macht und durch den Prozessvergleich als neuen, eigenständigen Beendigungstatbestand ersetzt. Dies schließt den Schadenersatzanspruch nach § 113 Satz 3 InsO aus.
Normenkette
InsO § 113 S. 3; BGB § 779
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 03.07.2014; Aktenzeichen 5 Sa 224/14) |
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 29.01.2014; Aktenzeichen 7 Ca 2137/13) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. Juli 2014 – 5 Sa 224/14 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ein Schadenersatzanspruch nach § 113 Satz 3 InsO besteht, obwohl der Kläger die in einem Insolvenzplan festgelegte Frist zur Erhebung einer Feststellungsklage versäumt hat.
Der Kläger war bei der Beklagten (vormals firmierend unter N GmbH), der späteren Schuldnerin, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden idF vom 1. April 2005 (künftig MTV) nach Maßgabe des Haustarifvertrags der Beklagten vom 12. April 2005 Anwendung. Danach galt für den Kläger eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende.
Am 1. Juni 2012 wurde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über das Vermögen der Beklagten eröffnet. Im Insolvenzplan war eine Ausschlussfrist für die Erhebung einer Feststellungsklage für bestrittene Forderungen vorgesehen. Am 11. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO zum 31. Oktober 2012. In dem vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzprozess einigten sich die Parteien im Wege des Vergleichs auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2012.
Bereits am 11. Juli 2012 hatte der Kläger eine Schadenersatzforderung zur Tabelle angemeldet. Diese Forderung bestritt der Sachwalter in voller Höhe. Mit seiner am 17. Juli 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger den Ersatz des Verfrühungsschadens.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.447,55 Euro brutto – hilfsweise 7.922,99 Euro brutto – nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
festzustellen, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 113 Satz 3 InsO in Höhe von 17.447,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hat;
hilfsweise
seinen Anspruch auf Zahlung von 17.447,55 Euro brutto – hilfsweise 7.922,99 Euro brutto – im Insolvenzverfahren über das Vermögen der N GmbH zur Insolvenztabelle festzustellen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Leistungsantrag als Hauptantrag und den Feststellungsantrag als Hilfsantrag verstanden. Die Leistungsklage hat es als zulässig, aber unbegründet angesehen. Der Kläger habe die wirksame Ausschlussfrist versäumt.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Berufung zurückgewiesen.
I. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Begründung der Revision den gesetzlichen Anforderungen. Die Revision legt im Einzelnen dar, dass und warum sich der Entstehungsgeschichte der §§ 259a und 259b InsO der Wille des Gesetzgebers entnehmen lasse, in einem Insolvenzplan geregelte Ausschlussfristen seien unwirksam. Damit ist der aus Sicht der Revision vorliegende Rechtsfehler des angegriffenen Urteils hinreichend aufgezeigt. Im Hinblick darauf, dass das Revisionsgericht an die Revisionsgründe nicht gebunden ist, war eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Urteils nicht erforderlich (vgl. BAG in st. Rspr. seit 22. Januar 2009 – 6 AZR 78/08 – Rn. 10, BAGE 129, 170; zuletzt 31. Juli 2014 – 6 AZR 993/12 – Rn. 13).
II. Die Klage ist zulässig.
1. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Rüge der Beklagten den Klageanträgen zu Recht ein Rangverhältnis von Haupt- und Hilfsantrag entnommen, ohne dabei § 308 Abs. 1 ZPO zu verletzen. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 19. November 2015 (– 6 AZR 559/14 – Rn. 15 ff.).
2. Die Leistungsklage ist zulässig. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 19. November 2015 (– 6 AZR 559/14 – Rn. 21) ausgeführt und nimmt darauf Bezug.
III. Die Klage ist unbegründet.
1. Die Ausschlussfrist im Insolvenzplan ist wirksam, hindert aber entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Durchsetzung der Planquote mit der Leistungsklage nicht. Insoweit nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 19. November 2015 (– 6 AZR 559/14 – Rn. 22 ff.) Bezug.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 11. Juli 2012, sondern durch den im Kündigungsschutzprozess geschlossenen Vergleich beendet worden. Das schließt den Anspruch nach § 113 Satz 3 InsO aus.
a) Der Anspruch nach § 113 Satz 3 InsO besteht nur, wenn der Verwalter „kündigt”. Voraussetzung ist also, dass das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Insolvenzverwalters bzw. in der Eigenverwaltung des Schuldners und nicht durch einen anderen Beendigungstatbestand endet, der die Kündigung gegenstandslos macht (BAG 25. April 2007 – 6 AZR 622/06 – Rn. 18 f., 24, BAGE 122, 197).
b) Ein Vergleich iSv. § 779 BGB hat zwar grundsätzlich keine schuldumschaffende Wirkung. Er ändert aber das ursprüngliche Schuldverhältnis insoweit, als in ihm streitige oder ungewisse Punkte geregelt werden. Dies gilt auch für Prozessvergleiche (BGH 8. März 2012 – IX ZR 51/11 – Rn. 33, 35; 23. Juni 2010 – XII ZR 52/08 – Rn. 15).
c) Die Parteien haben in dem im Kündigungsschutzprozess geschlossenen Vergleich vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf der Höchstfrist des § 113 Satz 3 InsO, sondern zu einem späteren Zeitpunkt enden soll. Sie haben insoweit mit dem Prozessvergleich, der eine Doppelnatur hat, materiell-rechtlich einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Das Arbeitsverhältnis sollte nicht mehr aufgrund der einseitigen Willenserklärung der Beklagten mit der gesetzlichen Höchstfrist, sondern zu einem späteren, einvernehmlich festgelegten Zeitpunkt enden. Die Kündigung war damit gegenstandslos geworden und durch den Prozessvergleich als neuen, eigenständigen Beendigungstatbestand ersetzt worden.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Wollensak, W. Kreis
Fundstellen
Haufe-Index 8977013 |
BB 2016, 307 |
DB 2016, 299 |