Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen unterbliebener Umschulung
Normenkette
BGB §§ 611, 615; KSchG § 1 Abs. 2; BPersVG § 8; BetrVG § 78
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 26.04.1994; Aktenzeichen 5/11 Sa 914/93) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.03.1993; Aktenzeichen 10 Ca 173/92) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. April 1994 – 5/11 Sa 914/93 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen vertragswidriger Beschäftigung und unterbliebener Umschulung.
Der Kläger ist bei der beklagten Bedarfsfluggesellschaft, einer Tochtergesellschaft der Deutsche Lufthansa AG (DLH), seit 1971 beschäftigt. Er ist Mitglied der Personalvertretung und wird als Flugkapitän von seinem Beschäftigungsort Düsseldorf aus eingesetzt. Im Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1971 heißt es:
„Im übrigen liegen Ihrem Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge für das Bordpersonal sowie Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften zu Grunde. Wir behalten uns ausdrücklich Ihren jederzeitigen Einsatz bei unserer Muttergesellschaft, der Deutschen Lufthansa AG, vor.”
Im Herbst 1990 musterte die Beklagte ihre B 737-Flotte aus. Der Kläger, der auf diesem Flugzeugmuster eingesetzt war, wurde ab Dezember 1990 im Wege einer vorläufigen personellen Maßnahme zur DLH abgestellt. Er flog dort ebenfalls die B 737 und bezog entsprechende Vergütung. Bei der Beklagten waren zunächst nur noch die höherwertigen Flugzeugmuster Airbus und DC-10 vorhanden. Das Flugzeugmuster Airbus wurde planmäßig im September 1991 ausgemustert.
Im Januar 1992 wandte sich der Kläger gerichtlich gegen die Abordnung zur DLH. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main stellte durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 25. November 1992 (– 10/9 Ca 16/92 –) fest, daß der Kläger nicht verpflichtet sei, Arbeitsleistungen für die DLH zu erbringen. Die Beklagte wurde ferner verurteilt, „es zu unterlassen, den Kläger als Flugkapitän zur Arbeitsleistung auf Dauer an die DLH abzustellen”, und verpflichtet. „den Kläger von Düsseldorf aus auf Fluggerät der Beklagten arbeitsvertraglich ordnungsgemäß zu beschäftigen.
Etwa ab Februar 1993 setzte die Beklagte den Kläger wieder selbst auf der B 737 ein, da sie nach einer Fusion mit der Südflug AG wieder über dieses Muster verfügte. Ab dem 1. November 1993 wurde der Kläger dann für das Flugzeugmuster B 757 umgeschult. Er fliegt auf diesem seit Januar 1994 und wird entsprechend vergütet.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei rechtswidrig zur DLH abgestellt worden. Die Beklagte hätte ihn auf eigenem Fluggerät beschäftigen müssen. Sein Arbeitsvertrag sei nicht auf ein bestimmtes Flugzeugmuster beschränkt; früher sei er auf der B 707 geflogen. Demnach hätte die Beklagte entweder das Flugzeugmuster B 737 beschaffen oder ihn entsprechend den tarifvertraglichen Vorschriften auf die vorhandenen Flugzeugmuster Airbus oder DC-10 umschulen müssen. Auf diesen seien statt dessen noch mehrere Kapitäne über die Altersgrenze, 55 Jahre, hinaus beschäftigt worden. Er habe das erforderliche Dienstalter für eine Umschulung auf den Airbus 310 gehabt. Der Arbeitnehmer E. sei mit höherer Senioritätsnummer als Airbuskapitän beschäftigt worden. Die DC-10 werde frühestens 1997 ausgemustert. Im übrigen sei aus betrieblichen Gründen schon mehrfach außerhalb der Seniorität geschult worden. Die Beklagte habe ihn auch als Personalvertreter benachteiligt. Sie schulde ihm wegen der rechtswidrigen Abordnung und der unterbliebenen Umschulung auf ein höherwertiges Muster Schadensersatz, da sie zumindest fahrlässig gehandelt habe. Die gewöhnlich zweimonatige Umschulung hätte ab November 1990 stattfinden können. Der Mehrverdienst als Kapitän eines Airbusses oder einer DC-10 hätte zwischen dem 1. Februar 1991 und Ende Februar 1993 57.657,99 DM betragen. Der Anspruch folge entweder aus positiver Vertragsverletzung oder aus Annahme Verzug.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 57.657,99 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der verweigerten Umschulung und erfolgten Abstellung ab Dezember 1990 entstanden sei, bzw. entstehen werde.
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger so zu stellen, als sei er seit dem 1. Februar 1991 auf den Flugzeugmustern Airbus oder DC-10 beschäftigt gewesen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine schuldhafte Vertragsverletzung liege nicht vor. Der Beschäftigungsanspruch des Klägers auf der B 737 sei erfüllt worden. Die Abordnung habe der Vermeidung einer Kündigung gedient. Einen Umschulungsanspruch bei der Ausmusterung eines Flugzeugs gebe es nicht. Die Umschulung auf den Airbus sei nicht zumutbar gewesen, da dieser kurz danach ausgemustert worden sei. Insoweit sei der Kläger nach der Seniorität zwar infrage gekommen; entsprechende Ausschreibungen seien aber nur von der DLH erfolgt, der Kläger habe sich dafür nicht beworben. Der Flugzeugführer E. sei kein Mitarbeiter der Beklagten. Für eine Umschulung auf die DC-10 habe keinerlei Bedarf bestanden; entsprechende Ausschreibungen seien nicht erfolgt, der Kläger habe auch die erforderliche Seniorität nicht besessen. Gemäß einer Konzernbetriebsvereinbarung vom 15. März 1991 habe den über fünfundfünfzigjährigen Kapitänen eine Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses angeboten werden müssen. Diese Verpflichtung habe auch schon vor der Abstellung des Klägers zur DLH bestanden. Die Berechnung des Mehrverdienstes sei aus verschiedenen Gründen unrichtig. U.a. müsse der Wegfall der Checkzulage auf dem höheren Flugzeugmuster und die Möglichkeit von höheren Flugstundenprämien auf der B 737 berücksichtigt werden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
I. Aus der rechtswidrigen Abordnung zur DLH ergibt sich nichts zugunsten des Klägers.
1. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1992 – 10/9 Ca 16/92 – ist davon auszugehen, daß die Abordnung des Klägers zur DLH rechtswidrig war. Die Beklagte hätte den Kläger selbst beschäftigen müssen. Ein Anspruch aus Annahmeverzug (§§ 615, 611 BGB) folgt daraus jedoch nicht, weil der Kläger nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die vereinbarte Vergütung erhalten hat.
2. Die rechtswidrige Abordnung zur DLH stellte eine positive Vertragsverletzung der Beklagten dar. Allein hierdurch ist der vom Kläger geltend gemachte Schaden aber nicht entstanden. Der Kläger hat die vereinbarte Vergütung weiterhin erhalten. Schadensersatz steht ihm nur unter der weiteren Voraussetzung zu, daß er den Einsatz auf einem höheren Flugzeugmuster beanspruchen konnte (dazu unten II). Ob die Beklagte schuldhaft gehandelt hat, kann deshalb dahingestellt bleiben.
II. Auch aus der unterbliebenen Umschulung auf ein höheres Flugzeugmuster kann der Kläger nichts für sich herleiten.
1. Der auf die höhere Vergütung gerichtete Anspruch aus Annahmeverzug (§§ 615, 611 BGB) setzt voraus, daß die Beklagte mit der Annahme der Dienste auf einem höherwertigen Flugzeugmuster in Verzug gekommen ist. Der Kläger müßte ab Februar 1991 einen Beschäftigungsanspruch als Flugkapitän im Airbus oder in der DC-10 gehabt haben. Das war nicht der Fall. Der Kläger besaß die entsprechenden Musterberechtigungen nicht, er durfte nicht als Flugkapitän auf den genannten Mustern tätig werden.
2. Die unterbliebene Umschulung des Klägers führt nicht zu einem Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung. Dem Kläger stand kein Anspruch auf Umschulung auf ein höherwertiges Flugzeugmuster zu.
a) Eine Pflicht zur Umschulung folgte nicht aus der rechtskräftig festgestellten Verpflichtung der Beklagten zur eigenen vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers. Der Arbeitsvertrag des Klägers und das Urteil des Arbeitsgerichts vom 25. November 1992 begründeten keinen Förderungsanspruch. Beide beinhalteten eine Arbeitsleistung entsprechend der bisher erfolgten Beschäftigung. Die Beklagte konnte ihrer vertraglichen Beschäftigungspflicht dadurch genügen, daß sie den Kläger weiterhin als Flugkapitän auf der B 737 einsetzte. Wie sie dieses Ziel erreichte, war ihre Sache. Das tatsächliche Verhalten der Beklagten (Ausmusterung der B 737-Flotte) war nicht geeignet, die Rechtslage zu verändern. Aus der Verletzung des Beschäftigungsanspruchs folgt keine Verpflichtung, eine höherwertige Arbeit zur Verfügung zu stellen. Die rechtswidrige Abordnung und die damit ggf. verbundene Möglichkeit für den Kläger, die Arbeitsleistung bei der DLH zu verweigern, führen als solche ebenfalls nicht zu einem Anspruch auf Umschulung und höherwertige Beschäftigung. Der Kläger macht selber geltend, es hätte ein vertragsgemäßes Verhalten der Beklagten dargestellt, das Flugzeugmuster B 737 zu beschaffen.
b) Eine Pflicht zur Umschulung ergab sich nicht aus § 10 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit den §§ 3 und 6 ff. des einzelvertraglich in Bezug genommenen „2. Abkommens zum Schutze der Mitarbeiter im DLH-Konzern vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen (Schutzabkommen Bordpersonal)” in der Fassung des 2. Änderungs- und Ergänzungstarifvertrags vom 15. September 1984 zwischen der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. und der DAG/ÖTV. Die hier maßgeblichen Vorschriften dieses Tarifvertrags lauten wie folgt:
§ 2 Zielsetzung
Die Tarifparteien stimmen überein, daß die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse eine vorrangige Bedeutung hat. Die Fortsetzung eines Beschäftigungsverhältnisses mit einem von einer Maßnahme gemäß §§ 3 und 4 betroffenen Mitarbeiter zu geänderten, angemessenen Bedingungen im DLH-Konzern – vorrangig im fliegerischen Beschäftigungsverhältnis – ist daher vornehmliches Ziel der nachfolgenden Vorschriften.
§ 3 Betriebliche Veränderungen für erhebliche Teile der Belegschaft
Als Maßnahme im Sinne dieses Tarifvertrages gelten Betriebsänderungen gemäß § 94 Tarifvertrag Personalvertretung, die wesentliche Nachteile für das Cockpitpersonal oder erhebliche Teile davon bzw. für das Kabinenpersonal oder erhebliche Teile davon zur Folge haben können.
…
§ 6 Mittel der Sicherung des fliegerischen Beschäftigungsverhältnisses
(1) Mittel zur Sicherung der fliegerischen Beschäftigungsverhältnisses sind
- die Übernahme eines Mitarbeiters von einer Konzerngesellschaft in die gleiche Funktion bei der anderen Konzerngesellschaft;
- die Umbesetzung innerhalb einer oder von einer zur anderen Konzerngesellschaft im Sinne von § 10 Tarifvertrag Förderungsaufstieg.
(2)a) Eine Übernahme im Sinne von Abs. 1 a) liegt vor, wenn ein Mitarbeiter des Cockpitpersonals unter Beibehaltung seiner bisherigen Funktion als Flugzeugführer bzw. als Flugingenieur auf dem gleichen Flugzeugmuster oder ein Mitarbeiter des Kabinenpersonals unter Beibehaltung seiner bisherigen Funktion als Flugbegleiter in einer vergleichbaren Flugzeugmustergruppe auf Dauer bei der anderen Konzerngesellschaft eingesetzt wird.
b) Eine Umbesetzung im Sinne von Absatz 1 b) liegt vor, wenn ein Mitarbeiter
aa) unter Beibehaltung seiner bisherigen Funktion als Flugzeugführer, Flugingenieur bzw. Flugbegleiter auf einem anderen, aber gleich vergüteten Flugzeugmuster
oder
bb) unter Beibehaltung seiner bisherigen Funktion als Flugzeugführer, Flugingenieur bzw. Flugbegleiter auf einem anderen, geringer vergüteten Flugzeugmuster
oder
cc) unter Beibehaltung seiner bisherigen Tätigkeit als Flugzeugführer bzw. als Flugbegleiter in einer geringer vergüteten Funktion (CPT wird F/O, PUR wird STWD)
auf Dauer eingesetzt wird.
§ 7 Sicherung bei personellem Überbestand auf Dauer
(1) Bewirkt eine Maßnahme gemäß §§ 3 und 4, daß bei einer Konzerngesellschaft absehbar auf Dauer ein Überbestand an Mitarbeitern entsteht, die eine bestimmte Punktion im Sinne von § 6 Abs. 2 a) auf einem bestimmten Flugzeugmuster bzw. in einer bestimmten Flugzeugmustergruppe erfüllen, hat eine Übernahme gemäß § 6 Abs. 1 a) stattzufinden, sofern und soweit bei der anderen Konzerngesellschaft ein entsprechender Personalbedarf in dieser Funktion besteht.
(2) Bewirkt eine Maßnahme gemäß §§ 3 und 4, daß absehbar auf Dauer ein Überbestand an Mitarbeitern entsteht, die eine bestimmte Funktion auf einem Flugzeugmuster bzw. in einer bestimmten Flugzeugmustergruppe erfüllen, die durch eine Übernahme nach Abs. 1 nicht ausgeglichen werden kann, ist eine Umbesetzung gemäß § 6 Abs. 2 b) in Verbindung mit § 10 Tarifvertrag Förderungsaufstieg vorzunehmen.
(3) Einer Maßnahme gemäß §§ 3 und 4 steht eine Umbesetzung nach Abs. 2 gleich.
(4) Die vorstehenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung, wenn durch eine Maßnahme gemäß §§ 3 und 4 bei einer Konzerngesellschaft bisher eingesetztes Fluggerät absehbar auf Dauer bei der anderen Konzerngesellschaft eingesetzt wird.
…
§ 10 Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses im übrigen
(1) Bewirkt eine Maßnahme gemäß § 3 den Verlust des derzeitigen Arbeitsplatzes und ist eine Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses nach Maßgabe der §§ 6 ff. nicht möglich, ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber gleichwohl nicht zulässig, wenn eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern (DLH/CFG/LSG) – vorzugsweise im fliegerischen Beschäftigungsverhältnis – möglich ist und der Mitarbeiter dazu sein Einverständnis erklärt hat, insbesondere
- wenn eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Tätigkeit im fliegerischen Beschäftigungsverhältnis nach zumutbarer Umschulung möglich ist und der Mitarbeiter sein Einverständnis erklärt hat,
- wenn der Mitarbeiter in einer zumutbaren Tätigkeit in den Bodenbetrieben des Konzerns am gleichen oder an einem anderen Ort weiterbeschäftigt werden kann,
- wenn eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Buchstaben b) nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und der Mitarbeiter sein Einverständnis zu Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen erklärt hat.
§ 10 Abs. 1 Buchst. a Schutzabkommen Bordpersonal regelt in Anlehnung an § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KSchG die Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn zumutbare Umschulungsmaßnahmen zum Zwecke der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen trotz des Einverständnisses des Arbeitnehmers nicht gewährt werden. Ein selbständiger Anspruch des Arbeitnehmers auf Umschulung ist damit nicht verbunden. Der Arbeitgeber kann ebensogut von der Kündigung absehen und eine vertragsgemäße Beschäftigung des Arbeitnehmers anderweitig, z.B. durch Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes, sicherstellen. Das Angebot einer zumutbaren Umschulung stellt nur eine Obliegenheit des Arbeitgebers dar, um die Unwirksamkeit einer Kündigung zu vermeiden. Ein Umschulungsanspruch kann sich nur aus anderen – allgemeinen oder speziellen – Rechtsgrundlagen ergeben.
Dieses Verständnis der Tarifnorm entspricht ihrem Wortlaut und dem in § 2 des Tarifvertrages normierten Sinn und Zweck, die Beschäftigungsverhältnisse innerhalb des Konzerns zu sichern. Die Sicherung zielt auf „angemessene” Vertragsbedingungen und einen „zumutbaren” Arbeitsplatz. Die Förderung durch Schulungsmaßnahmen ist demgegenüber in einem anderen Tarifvertrag gesondert geregelt (dazu unten c). Schließlich wird auch für die vergleichbare Norm des § 1 Abs. 2 Sätze 2, 3 KSchG nicht angenommen, daß sie einen selbständigen Anspruch auf Umschulung begründe (vgl. Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 539; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 395 ff.; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 188, 269; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 400 ff.; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 308 ff.; für § 102 BetrVG: Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 102 Rz 48; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 69 ff., u.v.a.; für § 79 BPersVG: Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 79 Rz 73 f.; Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Aufl., § 79 Rz 14, u.v.a.).
c) Dem Kläger stand kein Anspruch auf Umschulung gemäß § 6 des einzelvertraglich in Bezug genommenen „Tarifvertrags über den Förderungsaufstieg und andere damit zusammenhängende Regelungsgegenstände” (TV-Förderungsaufstieg) vom 9. Februar 1979 in der Fassung des Änderungs- und Ergänzungstarifvertrages vom 16. Juli 1984 zu. Die hier maßgeblichen Vorschriften dieses Tarifvertrags lauten wie folgt:
§ 1
(1) Unter Seniorität ist eine besondere Art des Dienstalters zu verstehen, das nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen festzustellen und zu berücksichtigen ist.
(2) Anhörige des Bordpersonals, die aufgrund eines Zeitvertrages bei DLH oder CFG beschäftigt sind, nehmen nicht an der Förderungsregelung teil.
§ 2
(1) Jedes Jahr werden gemeinsame – nach Berufsgruppen getrennte – Senioritätslisten für alle bei DLH und CFG beschäftigten Flugzeugführer (einschließlich Fluglehrer), Flugingenieure und Flugbegleiter, die vom jeweils gültigen MTV Bord erfaßt werden, erstellt.
…
§ 5
(1) Die nach § 2 Abs. 1 erstellten Senioritätslisten werden von DLH geführt und zum 01.04. eines jeden Jahres der Konzernvertretung zugeleitet. Danach werden sie vorläufig veröffentlicht.
…
(5) Senioritätslisten werden von der DLH zum 01.07. eines Jahres endgültig veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Gleichzeitig verlieren die jeweils veröffentlichten Senioritätslisten ihre Gültigkeit.
(6) Ansprüche aus diesem Tarifvertrag stehen nur der Konzernvertretung zu.
§ 6
(1) Jede freie Stelle, die im Wege der Förderung besetzt werden soll, wird unter Bekanntgabe der vom Bewerber zu erfüllenden Bedingungen durch Aushang in geeigneter Weise bekanntgemacht.
Für die in § 2 Abs. 1 genannten Berufsgruppen erfolgt die Bekanntmachung gleichzeitig bei beiden Gesellschaften.
Die Konzernvertretung ist bei der Festsetzung der Bedingungen zu hören.
(2) Unter Förderung im Sinne dieses Tarifvertrages sind nur solche Personalveränderungen zu verstehen, die die Erhöhung der Gesamtvergütung (§ 5 a), b), c) MTV Bordpersonal) bewirken. Die Übertragung einer Prüffunktion oder einer Tätigkeit mit Leitungsbefugnis gilt nicht als Förderung im Sinne dieser Bestimmung. Dies gilt auch für Fluglehrer.
(3) Erfüllen mehrere geeignete Bewerber die festgesetzten Bedingungen, werden die ausgeschriebenen Stellen nach der Seniorität besetzt, es sei denn, der Bewerber hat eine vorgeschriebene Verweildauer noch nicht erfüllt bzw. seine Förderung würde eine Umschulungsquote übersteigen.
(4) Gehört der Bewerber, der nach Abs. 3 zur Förderung ansteht, der jeweils anderen Gesellschaft an, so setzt der Vollzug der Förderung den Wechsel des Arbeitgebers voraus.
…
§ 7
Ist es nicht möglich, freiwerdende oder neu entstehende Planstellen in Anwendung der §§ 1 bis 6 zu besetzen, so kann zu diesem Zweck neues Personal eingestellt werden.
Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Kläger aus § 6 TV-Förderungsaufstieg Ansprüche herleiten kann; denn Ansprüche stehen nach § 5 Abs. 6 nur der Konzernvertretung zu. Jedenfalls hat der Kläger die tariflichen Voraussetzungen für eine Förderung nach § 6 nicht erfüllt: § 6 Abs. 3 setzt eine Bewerbung des Arbeitnehmers auf eine ausgeschriebene Stelle voraus. Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er sich für eine Umschulung auf das Flugzeugmuster Airbus beworben habe. Er ist dem Vortrag der Beklagten, Ausschreibungen für das Flugzeugmuster DC-10 seien wegen fehlenden Bedarfs nicht erfolgt, nicht entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Auf die Frage der Seniorität kommt es demnach nicht weiter an.
d) Ein Umschulungsanspruch des Arbeitnehmers kann sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben. Welche besonderen Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, bedarf keiner Entscheidung. Der Anspruch des Klägers kann im Regelfall jedenfalls nicht weitergehen als nach den speziellen Voraussetzungen des TV-Förderungsaufstieg. Die Tarifvertragsparteien haben bestimmte Vorschriften für die Förderung innerhalb des Konzerns geschaffen. Damit ist unabhängig davon, ob dem einzelnen Arbeitnehmer ein Anspruch eingeräumt werden sollte, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert worden. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Umschulung besteht allenfalls dann, wenn besondere individuelle Verhältnisse vorliegen. Im Streitfalle kommt insoweit allein das Amt des Klägers als Mitglied der Personalvertretung in Frage.
e) Mitglieder der Personalvertretung dürfen auch im Hinblick auf ihre berufliche Entwicklung wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden (§§ 8 BPersVG, 78 BetrVG, 58 des Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal der DLH vom 15. November 1972 in der Fassung der Tarifverträge vom 25. Juni 1976 und 29. Oktober 1980 und die entsprechende Bestimmung im Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal der CFG vom 19. Dezember 1972). Ein Anspruch auf bevorzugte Beförderung könnte dazu dienen, den Arbeitgeberwechsel nach den §§ 6, 7 Schutzabkommen Bordpersonal und damit die Beendigung des Mandats zu verhindern. Es kann dahinstehen, ob sich ein Umschulungsanspruch mit dieser Zielsetzung aus dem Benachteiligungsverbot herleiten ließe. Da die Umschulung auf den Typ Airbus nur durch die DLH erfolgt ist, hätte sie nach § 6 Abs. 4 TV-Förderungsaufstieg einen Wechsel des Arbeitgebers vorausgesetzt. Jedenfalls hätte der Kläger dann nur kurz bei der Beklagten eingesetzt werden können, da die Ausmusterung des Flugzeugmusters Airbus bevorstand. Wenn der Kläger geltend macht, er hätte einem Wechsel zur DLH nach entsprechender Umschulung zugestimmt, so zeigt das nur, daß es nicht um die Vermeidung eines Nachteils, sondern um eine ungerechtfertigte Besserstellung ging. Der Kläger wurde von der Ausmusterung der B 737 wie jeder andere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen. Erst recht hätte die Umschulung auf die DC-10 trotz fehlenden Bedarfs, fehlender Ausschreibungen und fehlender Seniorität eine ungerechtfertigte objektive Besserstellung und damit eine gesetzwidrige Begünstigung des Klägers bedeutet.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, E. Schmitzberger, Morsch
Fundstellen