Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialzuschlag. tarifliche Ausschlußfrist
Normenkette
MTL II §§ 31, 41, 72; BGB §§ 242, 271
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Februar 1992 – 3 Sa 925/91 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen tariflichen Sozialzuschlag in rechnerisch unstreitiger Höhe.
Der Kläger ist seit dem 1. Dezember 1986 bei dem beklagten Land als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung gilt der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL II). Obwohl der Kläger bei dem Einstellungsgespräch die Geburtsurkunden seiner beiden unterhaltsberechtigten Töchter vorgelegt hatte, erhielt er den ihm nach § 41 MTL II zustehenden Sozialzuschlag zunächst nicht. Als der Kläger im Mai 1990 in das Angestelltenverhältnis übernommen wurde, entdeckte das beklagte Land sein Versäumnis und zahlte den Sozialzuschlag ab Dezember 1989 nach. Für die Zeit davor berief es sich darauf, die tarifliche Ausschlußfrist nach § 72 MTL II sei abgelaufen.
Mit der Klage hat der Kläger den Sozialzuschlag auch für die Zeit von Dezember 1986 bis November 1989 begehrt.
Der Kläger hat gemeint, durch Vorlage der Geburtsurkunden und der Lohnsteuerkarten sowie durch eine Änderungsmitteilung des Regierungspräsidenten an das Landesamt für Besoldung und Versorgung vom Dezember 1986 habe er den Anspruch auf Sozialzuschlag rechtzeitig geltend gemacht. Das beklagte Land handele rechtsmißbräuchlich, wenn es sich auf die tarifliche Ausschlußfrist berufe, denn es habe die für den Kläger nicht erkennbare fehlerhafte Bearbeitung zu vertreten.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 10.975,14 DM brutto nebst 4 % Zinsen
- aus jeweils 261,60 DM seit dem 1. Januar 1987, 1. Februar 1987, 1. März 1987, 1, April 1987, 1. Mai 1987, 1. Juni 1987. 1. Juli 1987, 1. August 1987, 1. September 1987, 1. Oktober 1987, 1. November 1987, 1. Dezember 1987, 1. Januar 1988, 1. Februar 1988, 1. März 1988.
- aus jeweils 275,22 DM seit dem 1. April 1988, 1. Mai 1988, 1. Juni 1988, 1. Juli 1988, 1. August 1988, 1. September 1988, 1. Oktober 1988, 1. November 1988, 1. Dezember 1988, 1. Januar 1989,
- aus jeweils 278,66 DM seit dem 1. Februar 1989, 1. März 1989, 1. April 1989, 1. Mai 1989, 1. Juni 1989, 1. Juli 1989, 1. August 1989, 1. September 1989, 1. Oktober 1989, 1. November 1989, 1. Dezember 1989,
- aus 369.48 DM seit dem 1. Januar 1988,
- aus 375.22 DM seit dem 1. Januar 1989,
- aus 378,66 DM seit dem 1. Januar 1990
zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten der Anspruch verfalle auch dann, wenn der Fehler im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers liege und der Arbeitnehmer die Leistung nach Fälligkeit nicht fordere.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter, während das beklagte Land um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Ohne Rechts fehler hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Sozialzuschlag nach § 41 MTL II für die Zeit von Dezember 1986 bis November 1989 ist erloschen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
1. Der Anspruch mußte nach § 72 MTL II innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Diese Frist hat der Kläger versäumt.
a) Soweit der Kläger meint, er habe den Anspruch bereits dadurch geltend gemacht, daß er dem beklagten Land bei der Einstellung die Geburtsurkunden seiner Töchter vorgelegt hat, beruft er sich auf eine Handlung, die vor dem Zahltag (§ 31 Abs. 2 MTL II) und damit vor Fälligkeit (§ 271 BGB) des Anspruchs lag. Gleichwohl bedarf es keiner Stellungnahme dazu, ob bei tariflichen Regelungen, die, wie die vorliegende, für den Beginn der Ausschlußfrist auf die Fälligkeit des Anspruchs abstellen, der Gläubiger den Anspruch auch bereits vor Beginn der Ausschlußfrist wirksam geltend machen kann (so z.B. Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1355; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 511; a.A. – jedenfalls grundsätzlich – Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Dezember 1992, § 70 Rz 27). Die Angaben, die der Kläger bei der Einstellung gemacht hat, können bereits deshalb nicht als Geltendmachung angesehen werden, weil sie den Anspruch auf Sozialzuschlag nicht konkretisierten. Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen, daß an die Erklärung des Gläubigers und an ihren Zugang keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Ausreichend ist, wenn ein Arbeitgeber bei vernünftiger Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers erkennen kann, dieser wolle eine ihm zustehende Leistung fordern (vgl. Scheuring/Steingen/Banse, MTL II, Stand 1. November 1992, § 72 Erl. 5 a). Zum Mindestinhalt der Geltendmachung gehört jedoch, daß in ihr der Anspruch als solcher bezeichnet wird (vgl. Däubler, a.a.O., Rz 1356). Daran hat der Kläger es fehlen lassen. Mit der Vorlage der Geburtsurkunden seiner Töchter hat der Kläger dem beklagten Land nur tatsächliche Grundlagen geliefert, die neben anderen (z.B. Lebensalter, Art der Tätigkeit, Dauer der Arbeitszeit) für die Berechnung der Ansprüche des Klägers von Bedeutung waren. Dadurch hat der Kläger den Anspruch auf Sozialzuschlag nach § 41 MTL II jedoch nicht als solchen bezeichnet. Die Klarstellungsfunktion der Ausschlußfrist hätte jedoch diese sachliche Konkretisierung erfordert. Der Sinn von Ausschlußfristen, schnell für klare Verhältnisse zu sorgen, würde verfehlt, wenn der Schuldner, der sich darauf beruft, der Anspruch sei nach Fristablauf verfallen, vom Gläubiger auf Unterlagen verwiesen werden könnte, die dieser ihm zu Beginn des Arbeitsverhältnisses als Berechnungsgrundlage für künftige Ansprüche überlassen hatte.
b) Die in den vorgelegten Lohnsteuerkarten des Klägers enthaltenen Angaben stellen schon deshalb nicht die Geltendmachung des Anspruchs auf Sozialzuschlag dar, weil Lohnsteuerkarten weder dazu bestimmt noch dafür geeignet sind, die Erfüllung von Ansprüchen zu fordern. Soweit sie Eintragungen über die Zahl der Kinder enthalten, dient dies ausschließlich dem Zweck der richtigen Berechnung der Lohn- und Kirchensteuer. Wegen dieser dem Arbeitnehmer bekannten begrenzten Zwecksetzung kann in der Einreichung der Lohnsteuerkarte keine ordnungsgemäße Geltendmachung eines Teils des Arbeitslohns gesehen werden.
c) Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, daß die personalführende Stelle in der an das Landesamt für Besoldung gerichteten „Änderungsmitteilung zur Neueinstellung eines Arbeiters” vom 29. Dezember 1986 an der Stelle „Kinder, die zum Bezug von Kindergeld und/oder Sozialzuschlag berechtigen” den Vermerk „Ja” angebracht hat. Auch darin lag keine Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger. Die Änderungsmitteilung verfolgte nur behördeninterne Zwecke und war nicht vom Kläger verfaßt. Auch handelte die personalführende Stelle nicht in Vertretung des Klägers.
2. Der Verfall des Klageanspruchs ist nicht durch § 242 BGB ausgeschlossen.
a) Der Gläubiger kann dem Ablauf der tariflichen Ausschlußfrist mit der Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung begegnen, wenn ihn der Schuldner durch aktives Handeln von der Einhaltung der Ausschlußfrist abgehalten oder wenn dieser es pflichtwidrig unterlassen hat, ihm Umstände mitzuteilen, die ihn zur Einhaltung der Ausschlußfrist veranlaßt hätten (vgl. BAG Urteil vom 11. Juni 1980 – 4 AZR 443/78 – AP Nr. 7 zu § 70 BAT; BAG Urteil vom 29. April 1982 – 5 AZR 1229/79 – n.v.). Der Einwand greift auch durch, wenn der öffentliche Arbeitgeber in dem Arbeitnehmer die Ansicht hervorgerufen oder bestärkt hat, es komme ihm auf eine fristgerechte Geltendmachung der Ansprüche im tariflichen Sinne nicht an bzw. er werde unabhängig von der Beachtung der tariflichen Formerfordernisse die Ansprüche erfüllen (vgl. BAGE 14, 140 = AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG; BAG Urteil vom 28. Januar 1970 – 4 AZR 153/69 – AP Nr. 1 zu § 70 BAT; BAG Urteil vom 9. November 1983 – 4 AZR 304/81 – n.v.). Keine dieser Fallgestaltungen ist vorliegend gegeben.
b) Das Versehen des beklagten Landes vermag dessen Arglist nicht zu begründen, wenn es sich auch über längere Zeit zum Nachteil des Klägers ausgewirkt hat.
Die Berufung auf die Ausschlußfrist ist nicht schon dann rechtsmißbräuchlich, wenn der Arbeitgeber fahrlässig einen Anspruch des Arbeitnehmers nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt hat, z.B. bei falscher Vergütungsfestsetzung. Insoweit hat auch der Arbeitnehmer die Pflicht, Vergütung und Lohn zu überprüfen, falsche Berechnungen zu beanstanden und sich in Zweifelsfällen Gewißheit zu verschaffen (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand 1. Oktober 1992, § 70 Erl. 3). Dazu wäre der Kläger anhand der ihm unstreitig erteilten Abrechnungen in der Lage gewesen. Das beklagte Land war nicht verpflichtet, von Zeit zu Zeit die Gehaltsmitteilungen des Klägers ohne besonderen Anlaß auf die Richtigkeit der im Rahmen der Datenverarbeitung eingegebenen Grundangaben zu überprüfen. Im Hinblick auf die Masse der Fälle und den dadurch entstehenden Verwaltungsmehraufwand, war hier eher dem Kläger nach Treu und Glauben zuzumuten zu prüfen, ob das beklagte Land richtig erfüllt hatte. Die von der Revision angeführte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 6. März 1986 – 9 Sa 154/85 – DB 1986, 2677) ist nicht einschlägig. Dort ging es um die Prüfungspflicht eines Arbeitgebers, der die Rückzahlung überzahlter Bezüge forderte. Ob bei dieser Fallgestaltung die Grundsätze in Treu und Glauben zu einer anderen Beurteilung führen können, kann dahinstehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Schliemann, Dr. Armbrüster, Schmidt, Ostkamp
Fundstellen