Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug und Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Erhebt der Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsübergangs gegenüber dem früheren Betriebsinhaber eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage, so muß der neue Inhaber den gegenüber dem früheren Inhaber eingetretenen Annahmeverzug ebenso wie eine diesem gegenüber erfolgte tarifliche Geltendmachung (§ 16 Abs 1 BauRTV) aufgrund des Schutzzwecks des § 613a BGB gegen sich gelten lassen.
Orientierungssatz
Ein Berufungsurteil eines Landesarbeitsgerichts, welches die Revision nicht zugelassen hat, wird erst dann rechtskräftig, wenn die Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde abgelaufen ist.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 30. Oktober 1990 - 1 Sa 160/90 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen nur vom ausgeurteilten Netto-Betrag zu zahlen sind.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 12. März 1973 bei der R GmbH als Baufacharbeiter zu einem Stundenlohn von 13,51 DM brutto beschäftigt. Diese kündigte ihm mit Schreiben vom 29. Juni 1984 zum 31. August 1984. Der Kläger erhob hiergegen beim Arbeitsgericht Neumünster eine am 10. Juli 1984 zugestellte Klage. Am 6. August 1984 wurde über das Vermögen dieser Firma das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter nahm den Rechtsstreit auf. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied durch Urteil vom 15. Juni 1988 - 3 Sa 746/87 -, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die Kündigung der Gemeinschuldnerin nicht aufgelöst worden, sondern bestehe unverändert fort. Es begründete dies damit, die R GmbH sei gem. § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten; von einer betriebsbedingten Stillegung könne deshalb nicht die Rede sein. Das Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen wurde, wurde den Parteien am 1. Juli 1988 zugestellt. Nichtzulassungsbeschwerde wurde nicht eingelegt.
Der Kläger nimmt nunmehr die R GmbH aus Annahmeverzug in Anspruch.
Mit Anwaltsschreiben vom 14. November 1984 teilte der zuvor erkrankte Kläger dem Konkursverwalter mit, er sei wieder arbeitsfähig und biete seine Arbeitskraft an. Mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 1987 bot er auch der Beklagten seine Arbeitskraft an. Diese antwortete mit Schreiben vom 4. Januar 1988, sie sei nicht Rechtsnachfolgerin der KG und habe daher keine Veranlassung, sein Angebot anzunehmen. Gleichwohl bat der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 1988 unter Hinweis auf das inzwischen ergangene Urteil des Landesarbeitsgerichts um Mitteilung, wann er die Arbeit bei der Beklagten aufnehmen könne. Gleichzeitig machte er für die Zeit ab 1. September 1984 eine Lohnforderung von monatlich 2.500,00 DM geltend. Mit einem am 10. August 1988 zugegangenen Schreiben vom 9. August 1988 übersandte der Kläger der Beklagten außerdem einen Klageentwurf und erhob am 29. August 1988 beim Arbeitsgericht Neumünster die vorliegende Zahlungsklage, die sich auf den Zeitraum September 1984 bis Juli 1988 bezog und am 8. September 1988 zugestellt wurde. Mit einem am 11. August 1989 beim Arbeitsgericht Neumünster eingegangenen, am 23. August 1989 zugestellten Schriftsatz vom 10. August 1989 hat der Kläger seine Klage auf den Zeitraum August 1988 bis zum 2. Februar 1989 erweitert. Er hat seinen Berechnungen jeweils einen monatlichen Arbeitslohn von 2.500,00 DM brutto zugrunde gelegt.
Der Kläger hat vorgetragen, der Betrieb sei im August 1984 auf die Beklagte übergegangen, wegen der Einzelheiten werde auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15. Juni 1988 verwiesen. Er sei Anfang Dezember 1984 im Betrieb der Beklagten erschienen, um weiterzuarbeiten. Ihm sei gesagt worden, daß er dort nicht mehr arbeiten könne. Er habe zu diesem Zeitpunkt einen Arbeitslohn in Höhe von 2.500,00 DM brutto monatlich bezogen. Er hat in I. Instanz für den Zeitraum September 1984 bis zum 2. Februar 1989 zuletzt unter Berücksichtigung anderweitiger Bezüge 43.138,47 DM brutto gefordert und beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
43.138,47 DM brutto nebst 4 % Zinsen per anno
seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unverän-
derten Arbeitsbedingungen weiterzube-schäf-ti-
gen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, sie sei nicht Rechtsnachfolgerin der T GmbH & Co. KG. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15. Juni 1988 gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus und sei für sie nicht bindend. Der Kläger habe Anfang September 1984 im Betrieb seine Arbeitskraft nicht angeboten. Sein Vortrag sei insoweit unsubstantiiert. Er habe auch nicht dargelegt, wie er den monatlichen Betrag von 2.500,000,000,00ttelt habe. Die Ansprüche für 1984 und 1985 seien verjährt. Darüberhinaus griffen die Ausschlußfristen des allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrages für das Baugewerbe ( BRTV-Bau ) ein.
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 2) stattgegeben und den Klageantrag zu 1) mit der Begründung abgewiesen, die vor Dezember 1985 fälligen Ansprüche seien verjährt und alle weiteren Ansprüche mit Ausnahme derer für die Zeit von April bis August 1988 wegen Nichteinhaltung der Frist für die schriftliche Geltendmachung im Sinne von § 16 BRTV-Bau verfallen. Für die Monate April bis August 1988 könne der Kläger Arbeitsentgelt nicht beanspruchen, da lediglich der unstreitige Stundenlohn von 13,51 DM zugrundezulegen sei und der anderweitig erzielte Verdienst den auf dieser Basis zu beanspruchenden Verdienst übersteige.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Zahlungsanspruch eingeschränkt und nur noch Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Dezember 1985 bis 31. Juli 1988 gefordert, und zwar weiterhin unter Zugrundelegung eines Bruttolohnes von 2.500,00 DM pro Monat. Seine Gesamtforderung hat er im einzelnen auf 31.252,63 DM brutto beziffert. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts dahingehend abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 26.854,73 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 8. September 1988 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Klageabweisung, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zurecht von einer Betriebsübernahme nach § 613 a BGB und einem Anspruch des Klägers aus § 615 BGB ausgegangen. Der Anspruch ist auch - soweit er in der Berufungsinstanz weiterverfolgt wurde - nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung teilweise stattgegeben, die Beklagte sei im August 1984 gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers mit der T GmbH & Co. KG eingetreten, da die Beklagte dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers unter Hinweis auf die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein im Urteil vom 5. Juni 1988 nicht substantiiert entgegengetreten sei. Da die mit Schreiben vom 29. Juni 1984 ausgesprochene Kündigung unwirksam und der Kläger für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht aufgefordert worden sei, die Arbeit wieder aufzunehmen, sei mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Annahmeverzug eingetreten, ohne daß es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurft hätte. Daß der Kläger bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht arbeitsbereit oder -fähig gewesen sei, sei von der Beklagten nicht behauptet worden. Sie sei auch bei Ablauf der Kündigungsfrist nach § 613 a BGB bereits Arbeitgeberin des Klägers gewesen.
Der Kläger könne folglich gem. § 615 Satz 1 BGB für den streitigen Zeitraum Arbeitsvergütung in Höhe von 13,51 DM brutto pro Stunde beanspruchen, eine monatliche Bruttovergütung von 2.500,00 DM sei nicht bewiesen. Der streitige Zeitraum umfasse einschließlich der Wochenfeiertage 695 Arbeitstage. Davon seien 76 Arbeitstage abzuziehen, die in die Zeit vom 15. Oktober 1986 bis 15. Dezember 1986, 19. Dezember 1986 bis 31. Dezember 1986 und 1. Januar 1987 bis 2. Februar 1987 gefallen seien, denn der Kläger gehe insoweit zugunsten der Beklagten davon aus, daß er ebenso viel verdient hätte wie bei dieser. Demnach verblieben 619 Arbeitstage zu acht Stunden je 13,50 DM, also 66.852,00 DM brutto. Dieser Betrag sei um das anderweitige Einkommen in Höhe von 13.024,05 DM plus 546,00 DM plus 13.312,07 DM = 39.997,27 DM brutto zu mindern. Die Differenz in Höhe von 26.854,73 DM brutto stehe somit dem Kläger zu.
Diese Forderung sei auch nicht gem. § 16 BRTV-Bau verfallen. Die Frist des § 16 Abs. 1 BRTV-Bau für die schriftliche Geltendmachung sei durch die Erhebung und Durchführung der Kündigungsschutzklage gegen die Gemeinschuldnerin gewahrt worden. Dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, obwohl sie nicht Partei des Kündigungsschutzprozesses gewesen sei, wie sich aus dem Schutzzweckgedanken der §§ 265, 325 ZPO ergebe. Die Verfallfrist des § 16 Abs. 2 BRTV-Bau von zwei Monaten für die gerichtliche Geltendmachung sei durch die Zustellung der Zahlungsklage am 8. September 1988 gewahrt worden, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15. Juni 1988 erst mit Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, also mit dem 1. August 1988, rechtskräftig geworden sei.
II. Der Senat tritt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis und teilweise in der Begründung bei.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 26.854,73 DM gem. §§ 615 Satz 1, 611 Abs. 1 BGB, da zwischen den Parteien seit August 1984 ein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs vorliegt, die Voraussetzungen des Annahmeverzuges vorliegen und der entsprechende Anspruch auch nicht gem. § 16 BRTV-Bau verfallen ist.
1. Zwischen den Parteien besteht seit August 1984 ein Arbeitsverhältnis, da die Beklagte nach den für den Senat bindenden Feststellungen der Berufungsgerichts (§ 561 ZPO) in das zwischen dem Kläger und der T GmbH & Co. KG bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB eingetreten ist. Diese Feststellungen werden von der Revision nicht angegriffen. Der Kläger hatte sich zur Begründung des Betriebsübergangs auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 15. Juni 1988 berufen. Die Beklagte hat dieses Vorbringen - wie das angefochtene Urteil des Landesarbeitsgerichts annimmt - nicht substantiiert bestritten. Diese Schlußfolgerung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie wird im übrigen indiziell dadurch bestätigt, daß die Beklagte auch das Weiterbeschäftigungsurteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 14. März 1990, in dem ebenfalls auf einen Betriebsübergang auf die Beklagte abgestellt wird, nicht angegriffen hat.
2. Im Verhältnis zur Beklagten liegt auch Annahmeverzug vor.
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bedeutet der vollständige Eintritt des Betriebsübernehmers in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers nicht nur eine Nachfolge in rechtlichen Beziehungen, der Übernehmer muß sich auch Gegebenheiten zurechnen lassen, die als Tatbestandsmerkmale für spätere Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das gilt z.B. für ein Angebot, das der Arbeitnehmer gegenüber seinem früheren Arbeitgeber zur Begründung von Annahmeverzug gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1987 - 2 AZR 467/86 - nicht veröffentlicht, zu II 2 der Gründe und vom 8. April 1988 - 2 AZR 681/87 - n.v., zu II 3 der Gründe). Dies entspricht dem Zweck des § 613 a BGB, der unter anderem darin besteht, eine Regelung der Haftung des alten und neuen Betriebsinhabers zu schaffen (vgl. BAGE 32, 326, 331 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB, zu II 2 der Gründe; 34, 34, 36 = AP Nr. 23 zu § 613 a BGB, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 11. November 1986 - 3 AZR 179/85 - AP Nr. 60 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; KR-Wolf , 3. Auflage, § 613 a BGB Rz 3). Der Arbeitnehmer soll nicht eines Anspruchs nur deshalb verlustig gehen, weil der Betrieb übergeht, obwohl er vorher alle Voraussetzungen für einen Anspruch gegen den alten Inhaber des Betriebes geschaffen hatte. Aus diesem Grund ist auch § 425 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, sofern dort auf den Verzug verwiesen wird, denn aus dem besonderen Übernahmeschuldverhältnis im Sinne des § 613 a BGB ergibt sich "etwas anderes" im Sinne von § 425 Abs. 1 BGB.
b) Die Beklagte muß demnach den gegenüber der Gemeinschuldnerin eingetretenen Verzug (§ 615 Satz 1 BGB) gegen sich gelten lassen.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gerät der Arbeitgeber im Fall einer unwirksamen Kündigung in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer nicht - im Fall der ordentlichen Kündigung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist - aufgefordert hat, die Arbeit wieder aufzunehmen (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; Urteile des erkennenden Senats vom 21. März 1985 - 2 AZR 201/84 - AP Nr. 35 zu § 615 BGB und vom 19. April 1990 - 2 AZR 591/89 - EzA § 615 BGB Nr. 66, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
bb) Dies ist unstreitig nicht geschehen. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht - für den Senat bindend (§ 561 ZPO) - festgestellt, die Beklagte habe selbst nicht behauptet, der Kläger sei etwa bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht arbeitsbereit oder -fähig gewesen. Auch diese Feststellung wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Kläger nicht nur durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Gemeinschuldnerin, sondern dieser und der Beklagten auch zusätzlich noch seine Arbeitskraft angeboten hat.
3. Der Verzugslohnanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist auch nicht gem. § 16 BRTV-Bau verfallen, der wie folgt lautet:
Dort heißt es in § 16:
"Ausschlußfristen
1. Alle beiderseiten Ansprüche aus dem Arbeits-
verhältnis und solche, die mit dem Arbeits-
verhältnis in Verbindung stehen, verfallen,
wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten
nach der Fälligkeit gegenüber der anderen
Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder
erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wo-
chen nach der Geltendmachung des Anspruchs,
so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb
von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem
Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Ar-
beitnehmers, die während eines Kündigungs-
schutzprozesses fällig werden und von seinem
Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt
die Verfallfrist von zwei Monaten nach
rechtskräftiger Beendigung des Kündigungs-
schutzverfahrens."
a) § 16 BRTV-Bau begründet eine sogenannte zweistufige Ausschlußfrist. Hierin wird zunächst die schriftliche Erhebung der beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zwei Monate nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei (§ 16 Abs. 1 BRTV-Bau , erste Stufe) und - sofern sich dies als fruchtlos erweist - nach Ablehnung oder Fristablauf von weiteren zwei Wochen eine entsprechende gerichtliche Geltendmachung (§ 16 Abs. 2 BRTV-Bau , zweite Stufe) vorgeschrieben. Das Bundesarbeitsgericht läßt in ständiger Rechtsprechung eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers als schriftliche Geltendmachung der damit zusammenhängenden weiteren Ansprüche auf der ersten Stufe zu (BAGE 46, 359 = AP Nr. 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 21. Juni 1978 - 5 AZR 144/77 - AP Nr. 65 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu I 1 der Gründe, jeweils m.w.N.). Die zweite Stufe wird durch die Kündigungsschutzklage jedoch nicht gewahrt, weil im Kündigungsschutzprozeß nur das Weiterbestehen des gekündigten Arbeitsverhältnisses prozessualer Streitgegenstand ist, nicht aber die damit verbundenen Forderungen (BAGE 30, 135 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAGE 46, 359 = AP, aaO). Der Arbeitnehmer muß daher auf der zweiten Stufe auch dann gesondert Zahlungsklage erheben, wenn er zuvor Kündigungsschutzklage erhoben hat.
Die zweite Stufe beginnt gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 BRTV an sich mit der Ablehnung der schriftlichen Geltendmachung. Diese Ablehnung wird im Rahmen der Kündigungsschutzklage im Abweisungsantrag des Arbeitgebers gesehen (BAGE 46, 359, 361 f. = AP, aaO, zu I der Gründe). § 16 Abs. 2 Satz 3 BRTV-Bau modifiziert diese Rechtslage zugunsten des Arbeitnehmers: Danach beginnt die Frist für die Zahlungsklage erst nach rechtskräftiger Beendigung der Kündigungsschutzklage.
b) Die dargestellte Rechtslage gilt auch für Ansprüche auf Annahmeverzugslohn. Ansprüche aus § 615 BGB im Anschluß an eine unwirksame Kündigung des Arbeitgebers werden nämlich nicht erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung fällig. Der Eintritt und die Fortdauer des Annahmeverzugs des Arbeitgebers hängen zwar davon ab, daß die Kündigung unwirksam ist und auch nicht nach § 7 KSchG wirksam wird. Wenn das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden ist, muß der Arbeitnehmer deswegen durch rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG die Unwirksamkeit der Kündigung geltendmachen, damit die Fiktion des § 7 KSchG nicht eingreift. Die Rechtskraft eines Urteils, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, ist darüber hinaus jedoch keine Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütungsansprüche nach dem Zeitpunkt der unwirksamen Kündigung. Diese Ansprüche werden vielmehr künftig zu denselben Terminen fällig, wie bei einer weiteren Arbeitsleistung. Das Urteil, das der Kündigungsschutzklage stattgibt, wirkt nicht konstitutiv, sondern stellt nur die objektiv bestehende Rechtslage deklaratorisch fest (vgl. Senatsurteil vom 8. August 1985 - 2 AZR 459/84 - AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2 a der Gründe, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
c) Werden nach diesen Grundsätzen unter Einhaltung der entsprechenden Fristen durch den Arbeitnehmer die Ansprüche auf der ersten Stufe gegenüber dem alten, auf der zweiten Stufe aber gegenüber dem neuen Inhaber geltend gemacht, so muß im Rahmen eines Betriebsüberganges der neue Inhaber dies gegen sich gelten lassen. Er kann sich nicht darauf berufen, der Arbeitnehmer habe den alten Inhaber mit der Zahlungsklage überziehen müssen. Das ist auch nicht - wie die Revision meint - unbillig, sondern eine gesetzliche Folge des Betriebsübergangs, ohne daß auf Sinn und Zweck der §§ 265, 325 ZPO abgestellt zu werden braucht. Gegen eine Anwendung dieser Bestimmungen spräche im übrigen, daß es vorliegend um zwei verschiedene Streitgegenstände (Kündigungsschutzklage und Zahlungsklage) geht.
aa) Wie oben zu II 2 a bereits ausgeführt wurde, muß sich der Betriebsübernehmer aufgrund der Nachfrage in den restlichen Beziehungen auch Gegebenheiten zurechnen lassen, die als Tatbestandsmerkmale für spätere Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Wenn dies für den Verzugsbeginn gilt, ist es nur folgerichtig, dies auch für die Geltendmachung von Forderungen im Rahmen von tariflichen Ausschlußfristen gelten zu lassen. Auch dies wird vom Schutzzweck des § 613 a BGB mit umfaßt, der gerade sicherstellen will, daß erworbene Rechtspositionen - wie auch die Geltendmachung eines Anspruchs gemäß Stufe 1 des § 16 Abs. 1 BRTV-Bau - infolge des Betriebsübergangs nicht geschmälert werden sollen. Das gilt insbesondere für die vorliegende Tarifklausel, weil die Tarifpartner die Erhebung einer Kündigungsschutzklage der Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs gleichgestellt haben und § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich die Fortgeltung der Tarifnormen bestimmt.
bb) Entgegen der Meinung der Revision hatte der Kläger auch eine Kündigungsschutzklage erhoben, wie der Klageschrift im Vorprozeß zu entnehmen ist. Im Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15. Juni 1988 wird auch ausgeführt, aufgrund der Betriebsübernahme spreche alles dafür, daß der Betrieb nicht endgültig stillgelegt werden sollte. Damit fehle es an einem betrieblichen Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG (BAGE 47, 13, 21 f. = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu III 1 der Gründe).
cc) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die Ausschlußfristen in beiden Stufen gewahrt:
Er hat die Frist der ersten Stufe gegenüber der alten Inhaberin eingehalten, da dieser seine Kündigungsschutzklage am 10. Juli 1984 zugestellt wurde, also bereits vor Beginn der Wirkungen des Annahmeverzuges. Auf diesen Zeitpunkt der Zustellung kommt es an (BAGE 25, 475 = AP Nr. 4 zu § 345 ZPO, BAG Urteile vom 4. November 1969 - 1 AZR 141/69 - AP Nr. 3 zu § 469 ZPO; vom 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - AP Nr. 4 zu § 496 ZPO und vom 13. Februar 1974 - 4 AZR 192/73 - AP Nr. 4 zu § 70 BAT, zu II 4 der Gründe). Nach diesem Termin brauchte er die Forderungen für die nächsten Monate im Rahmen der schriftlichen Geltendmachung durch die Kündigungsschutzklage (erste Stufe) nicht zusätzlich geltend zu machen.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch die Frist der zweiten Stufe eingehalten, da seine Zahlungsklage der Beklagten innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 16 Abs. 2 BRTV-Bau am 8. September 1988 zugestellt wurde (wobei es im Rahmen der zweiten Stufe noch nicht einmal auf die Zustellung, sondern auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit ankommt, vgl. § 270 Abs. 3 ZPO); denn der Kündigungsschutzprozeß war erst mit Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, also mit dem 1. August 1988 rechtskräftig entschieden.
Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß das Berufungsurteil eines Landesarbeitsgerichts, welches die Revision nicht zugelassen hat, erst dann rechtskräftig wird, wenn die Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde abgelaufen ist (BAGE 31, 253 = AP Nr. 12 zu § 103 BetrVG 1972, bestätigt durch Senatsurteil vom 25. Oktober 1989 - 2 AZR 342/89 - n.v., zu II der Gründe; BGHZ 109, 211, 212; beide jeweils mit weiteren Nachweisen).
4. Wie daraus folgt, ist die auf die Beklagte übergegangene Lohnforderung nicht verfallen. Die Berechnung der Forderungshöhe ist von der Revision nicht angegriffen worden, eine Rechtsverletzung ist auch insoweit nicht ersichtlich.
Hilllebrecht Dr. Ascheid Bitter
Thieß Dr. Kirchner
Fundstellen
Haufe-Index 438072 |
DB 1991, 1886-1887 (LT1) |
DStR 1991, 1198-1198 (T) |
EWiR 1991, 883 (L) |
NZA 1991, 726-728 (LT1) |
RdA 1991, 318 |
RzK, I 13b Nr 17 (LT1) |
AP § 615 BGB (LT1), Nr 49 |
EzA § 615 BGB, Nr 68 (LT1) |