Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch bei Betriebsübergang
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1, § 315
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. Februar 1995 – 6 Sa 140/94 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger war seit Mai 1979 als angestellter Reisender zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 5.000,– DM bei der Beklagten zu 2. beschäftigt. Diese vertrieb die Produkte, die bei der Muttergesellschaft der Beklagten zu 2., der VP-S. AG, bzw. deren Tochtergesellschaften hergestellt wurden. Dazu gehörten in untergeordnetem Umfang auch Babyhygieneartikel der Marke „M.”. Dem Kläger oblag zuletzt der Verkauf der gesamten Produktpalette im Raum Berlin bei vorgegebenen Kunden einschließlich Kundenbetreuung und -pflege.
Nachdem die Europäische Kommission die kartellrechtliche Zustimmung zur geplanten Übertragung aller Aktien der VP-S. AG von der S.-Unternehmensgruppe auf die P. GmbH davon abhängig gemacht hatte, daß die VP-S. AG sich zuvor u.a. von dem Geschäftsbereich „Höschenwindeln” trenne, wurden Produktion und Vertrieb der Babyhygieneartikel auf die von der VP-S. AG gegründete Beklagte zu 1. übertragen. Aus diesem Anlaß schlössen die VP-S. AG, die Beklagte zu 2. sowie weitere Tochtergesellschaften mit verschiedenen Betriebsräten am 30. Dezember 1993 eine „Vereinbarung über die Gründung der M. GmbH & Co. KG”, in der u.a. die Übernahme verschiedener Außendienstmitarbeiter der Beklagten zu 2., zu denen auch der Kläger gehörte, durch die Beklagte zu 1. vorgesehen war. Anlage 2 dieser Vereinbarung bildete eine Erklärung der Beklagten zu 1., jeden aus einem Arbeitsverhältnis der VP-S. AG oder deren Tochtergesellschaften rekrutierten Mitarbeiter zu den gleichen Arbeitsbedingungen wie bisher zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 30. Dezember 1993 teilte die Beklagte zu 2. dem Kläger mit, daß sie mit Wirkung vom 30. Januar 1994 den Vertrieb „Babyhygiene” auf die Beklagte zu 1. übertragen werde, die in alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintrete. Der Kläger wurde zum Zeichen seines Einverständnisses um Rückgabe der unterzeichneten Zweitschrift dieses Schreibens gebeten. Nachdem eine Einverständniserklärung des Klägers nicht eingegangen war, fand ein Gespräch in Nürnberg am 24. Januar 1994 statt. Anläßlich dieses Gespräches wurde dem Kläger ein Schreiben der Beklagten zu 1. vom 13. Januar 1994 übergeben. Danach sollte der Kläger mit Übergang seines Arbeitsverhältnisses ab 1. Februar 1994 die Produkte der Beklagten zu 1. vertrieblich betreuen. Damit sollte eine neue Gebietseinteilung verbunden sein. In dem Gespräch wurde dem Kläger eine Überlegungsfrist bis zum 26. Januar 1994 eingeräumt. An diesem Tag teilte der Kläger mit, daß er einem Wechsel nicht zustimme. Die Schreiben vom 30. Dezember 1993 und 13. Januar 1994 unterzeichnete er nicht.
Mit Schreiben vom 28. Februar 1994 kündigte die Beklagte zu 2. dem Kläger wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes ordentlich. Die Beklagte zu 1. lehnte unter dem 18. April 1994 eine Beschäftigung des Klägers wegen anderweitiger Besetzung des für ihn vorgesehen gewesenen Arbeitsplatzes ab.
Mit der am 11. Mai 1994 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei aufgrund Betriebsteilübergangs auf die Beklagte zu 1. übergegangen. Diese habe Aufgaben und Warenzeichen der Beklagten zu 2. übernommen. Wie sich aus der Vereinbarung vom 30. Dezember 1993 ergebe, sei die Beklagte zu 2. in zwei selbständige Betriebsteile aufgeteilt und der nunmehr selbständige Betriebsteil „Babyhygiene” auf die Beklagte zu 1. übertragen worden. Sofern sein Arbeitsverhältnis nicht auf die Beklagte zu 1. übergegangen sei, sei die Kündigung der Beklagten zu 2. unwirksam, weil sein Arbeitsplatz nicht weggefallen sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß ab 30. Januar 1994 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. bestehe,
hilfsweise
- daß das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. durch die Kündigung vom 24. Februar 1994 nicht aufgelöst worden sei,
- weiterhin hilfsweise, die Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte zu 2. nachträglich zuzulassen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, es liege kein Übergang eines Betriebsteiles vor.
Das Arbeitsgericht hat die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage als unbegründet, die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich der Beklagten zu 1. zurückgewiesen und insofern die Revision zugelassen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2. hat es die Berufung als unzulässig verworfen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 1. weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers mit Recht zurückgewiesen, denn das Arbeitsgericht hat die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Feststellungsklage zutreffend als unbegründet abgewiesen. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. hat kein Arbeitsverhältnis bestanden.
I. Ein Arbeitsverhältnis dieser Parteien ist nicht kraft Gesetzes gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB begründet worden. Hierzu bedarf es keiner Erörterung, ob die Voraussetzungen eines Betriebsteilübergangs im Sinne dieser Vorschrift vorgelegen haben, denn in jedem Falle ist es zu keinem Übergang des Arbeitsverhältnisses gekommen, weil der Kläger dieser Rechtsfolge widersprochen hat.
1. Nach gefestigter ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht es jedem von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer frei, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses ohne Angabe von Gründen zu widersprechen (vgl. etwa BAG Urteil vom 22. April 1993 – 2 AZR 50/92 – AP Nr. 103 zu § 613 a BGB, zu II 2 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Die Einräumung dieses Widerspruchsrechts ist mit dem EG-Recht vereinbar (vgl. EuGH Urteil vom 16. Dezember 1992 – 1 Rs C 132/91, 138/91 und 139/91 – AP Nr. 97 zu § 613 a BGB). Dieses Rechtsfolgenverweigerungsrecht kann auch konkludent ausgeübt werden, so wenn der Arbeitnehmer sich weigert, die Arbeit beim neuen Arbeitgeber aufzunehmen (KR-Pfeiffer, 4. Aufl., § 613 a BGB Rz 62; RGRK-Ascheid, 12. Aufl., § 613 a Rz 163).
2. Im Streitfall hat der Kläger einem etwaigen Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger dem ihm mit Schreiben der Beklagten zu 2. vom 30. Dezember 1993 und Schreiben der Beklagten zu 1. vom 13. Januar 1994 jeweils angebotenen Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht zugestimmt, sondern am 26. Januar 1994 ausdrücklich seine Zustimmung verweigert. Damit konnten die Beklagten dem gesamten Verhalten des Klägers nur entnehmen, daß dieser nicht bereit war, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit bei der Beklagten zu 1. als neuer Arbeitgeberin aufzunehmen. Dem entspricht es, wenn der Kläger noch am 20. März 1994 der Beklagten zu 2. seinen weiteren Einsatz anbot.
3. Der Wirksamkeit des aus der Sicht des Erklärungsempfängers objektiv erklärten Widerspruchs steht es nicht entgegen, wenn der Kläger prozessual geltend macht, er habe dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht grundsätzlich widersprechen, sondern eine Änderung seines Arbeitsgebietes verhindern wollen.
a) Aus welchen Gründen der Arbeitnehmer sich weigert, die Arbeit beim neuen Arbeitgeber fortzusetzen, ist grundsätzlich unerheblich. Die Angabe eines besonderen Grundes ist für die Ausübung des einseitig gestalteten Widerspruchs nicht erforderlich. Darüber, ob er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen will, entscheidet allein der Arbeitnehmer. Er muß die Gründe und das mit einem Widerspruch verbundene Risiko eigenverantwortlich beurteilen (BAG Urteil vom 15. Februar 1984 – 5 AZR 123/82 – BAGE 45, 140, 143 f. = AP Nr. 37 zu § 613 a BGB, zu II 3 der Gründe).
b) Ob etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer ein ihm nachteiliges Änderungsangebot des neuen Arbeitgebers ablehnt, kann hier dahinstehen, denn die Beklagten haben ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 1. zu vertragsgemäßen Bedingungen angeboten. Die darüber hinausreichende Frage, ob der Arbeitgeber einseitig im Wege der Ausübung des Direktionsrechts das Aufgabengebiet eines Reisenden ändern kann, richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Da im Falle des Betriebsübergangs der neue Arbeitgeber in die zu dieser Zeit bestehenden Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, konnte die Beklagte zu 1. wie die Beklagte zu 2. das so umschriebene Weisungsrecht bei einem Übergang des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Kläger ausüben. Der entsprechend angebotene neue Vertriebsbereich war auch nicht, wie der Kläger unterstellt, unzumutbar. Das Weisungsrecht kann zwar entsprechend § 315 BGB nur in den Grenzen billigen Ermessens ausgeübt werden, doch hat der Kläger einen Ermessensfehlgebrauch nicht dargelegt. Einen vertraglichen Anspruch auf Vertrieb allein der M-Produkte im gleichbleibenden Berliner Raum bei gleichbleibendem Gehalt hatte der Kläger jedenfalls nicht.
II. Ein Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 1. ist auch nicht einzelvertraglich begründet worden. Der Kläger hat das Vertragsangebot der Beklagten nicht angenommen. Die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind von der Revision nicht angegriffen worden.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Krause, E. Schmitzberger
Fundstellen