Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes. Schließung einer Betriebskrankenkasse durch die Aufsichtsbehörde. Folgen für den Bestand eines ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnisses. Rechtsfähigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung. allgemeine Feststellungsklage. Kündigungsschutzklage. Streitgegenstand
Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Anordnung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V, derzufolge die Vertragsverhältnisse der „nicht nach Abs. 3 untergebrachten” Beschäftigten mit dem Tag der Schließung der Innungskrankenkasse enden, findet auf Beschäftigte von Betriebskrankenkassen, deren Arbeitsverhältnisse ordentlich gekündigt werden können, keine entsprechende Anwendung. Da die Vorschrift des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V für diese Beschäftigten wegen § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V nicht gilt, fehlt es an der Voraussetzung, dass zuvor ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung unterbreitet werden musste und abgelehnt wurde.
Orientierungssatz
1. Hat der Arbeitgeber eine Kündigung „vorsorglich” für den Fall erklärt, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aufgrund eines zwischen den Parteien umstrittenen anderen Beendigungstatbestands aufgelöst worden ist, welcher zeitlich vor oder zeitgleich mit der Kündigung Wirkung entfalten soll, so ist ein Kündigungsschutzantrag des Arbeitnehmers, der die „vorsorgliche” Kündigung betrifft, regelmäßig als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass der Arbeitnehmer mit seinem gegen die anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Hauptantrag obsiegt. Er ist dementsprechend nach § 158 Abs. 2 BGB auflösend bedingt durch ein Unterliegen mit dem Hauptantrag. Ein solcher Hilfsantrag wahrt die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG.
2. Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V durch die Aufsichtsbehörde geschlossen, geht sie als ein mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V unter. Dies führt jedoch weder zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher noch zu einer Beendigung der mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse „ipso iure”. Die Betriebskrankenkasse gilt gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt handlungsfähig und hat sie die Rechtsstellung als Arbeitgeberin weiterhin inne. Erst mit dem vollständigen Abschluss der Abwicklung geht sie endgültig unter.
3. Gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von Innungskrankenkassen, die nicht nach Abs. 3 der Vorschrift „untergebracht” werden, mit dem Tag der Schließung der Kasse. Den Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.
4. Diese Regelungen finden nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V auf Betriebskrankenkassen mit der Maßgabe Anwendung, „dass § 164 Abs. 3 Satz 3 nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann”. Die Auslegung der Bestimmungen ergibt, dass die Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die ordentlich gekündigt werden können, nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden. Da Beschäftigte von Betriebskrankenkassen, deren Arbeitsverhältnisse ordentlich kündbar sind, nicht nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V untergebracht werden müssen, findet die Regelung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auf sie keine Anwendung. Zur Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse bedarf es einer Kündigung, die den Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzrechts unterliegt.
Normenkette
SGB V § 155 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 9, § 164 Abs. 3-4; BGB § 49 Abs. 2; KSchG § 4 S. 1; ArbGG § 72 Abs. 5; ZPO § 50 Abs. 1, § 256 Abs. 1, § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen vom 15. März 2010 (MTV) § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2012 – 1 Sa 2/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Schließung der Beklagten.
Die Beklagte ist eine – in Abwicklung befindliche – sog. geöffnete Betriebskrankenkasse mit Hauptsitz in S. Sie beschäftigte im Juni 2011 etwa 400 Arbeitnehmer. An ihren Standorten H, B und S waren Personalräte, am Hauptsitz zudem ein Hauptpersonalrat gebildet.
Die am 1. Juli 1961 geborene Klägerin war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1999 als Sozialversicherungsfachangestellte in S beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV BKK) Anwendung. Dieser enthält in § 20 Abs. 1 die Regelung, dass dem Beschäftigten nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit „nur aus einem in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden” kann.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 an. Grund war deren Überschuldung und eine damit einhergehende dauernde Leistungsunfähigkeit.
Am 20. April und 4. Mai 2011 unterrichtete die Beklagte den Hauptpersonalrat über die bevorstehende Schließung. Sie teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, alle Arbeitsverhältnisse vorsorglich außerordentlich zum 30. Juni 2011, hilfsweise fristgemäß bzw. außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Der Hauptpersonalrat erhob dagegen Einwände.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung am 30. Juni 2011 enden werde. Am 13. Mai 2011 unterbreitete der BKK-Landesverband der Klägerin ein Angebot, bei der S Krankenkasse in V als Sachbearbeiterin weiterbeschäftigt zu werden. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „vorsorglich” außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2011, hilfsweise zum 31. Dezember 2011 als dem von ihr angenommenen „nächst möglichen Termin”.
Die Beklagte unterbreitete der Klägerin ferner ein Angebot zum Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Durchführung von Abwicklungsarbeiten bis zum 30. Juni 2013. Die Klägerin nahm dieses unter dem Vorbehalt an, den Fortbestand des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Da die Beklagte den Vorbehalt nicht akzeptierte, lehnte die Klägerin auch dieses Angebot ab.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Schließung oder einer entsprechenden Erklärung der Beklagten und gegen die Kündigung gewandt. Sie hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis habe nicht kraft Gesetzes geendet. § 164 Abs. 4 SGB V gelte nur für die Dienstordnungsangestellten und die unkündbaren Arbeitnehmer. Zu beiden Personengruppen zähle sie nicht. Verstehe man die Vorschrift dahin, dass sie auch die ordentlich kündbaren Arbeitnehmer erfasse, sei sie verfassungswidrig. Die vorsorglich erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Schließung habe nicht zur Stilllegung des Betriebs geführt. Die Beklagte habe über den Schließungszeitpunkt und den 31. Dezember 2011 hinaus Abwicklungsarbeiten durchgeführt.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Belang – beantragt
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch das Schreiben der Beklagten vom 9. Mai 2011 nicht zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände – insbesondere nicht durch die Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 oder Erklärung der Beklagten – geendet hat, sondern unverändert fortbesteht;
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 19. Mai 2011 weder zum 30. Juni 2011 noch zum 31. Dezember 2011 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, sie über den 30. Juni 2011 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits als Sozialversicherungsfachangestellte zu vertragsgemäßen Bedingungen zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, mit ihrer Schließung habe sie ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Sie sei damit als Arbeitgeberin „untergegangen”. Schon dies habe unmittelbar zur Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse geführt. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft gesetzlicher Anordnung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein Ende gefunden. Die Regelung sei verfassungskonform. Durch die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten einer Innungskrankenkasse und der einer Betriebskrankenkasse werde Art. 3 GG nicht verletzt. Die Unterscheidung sei nicht willkürlich. Die Sicherung eines funktionierenden gesetzlichen Gesundheitssystems stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand ihrer Arbeitsverhältnisse müsse dahinter zurücktreten. Falls es darauf ankomme, sei die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Aufgrund ihrer Schließung seien sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich aller Streitgegenstände zulässig. Dass sie hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu 3. nicht eigens begründet worden ist, ist unschädlich.
I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 120/12 – Rn. 17; 27. September 2012 – 2 AZR 811/11 – Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 811/11 – aaO; 9. April 1991 – 1 AZR 488/90 – zu I der Gründe, BAGE 68, 1).
II. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Revision auch gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 3. zulässig. Zwar fehlt es insoweit an einer Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Berufungsurteil. Dessen bedurfte es jedoch nicht. Erwiese sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Anträge zu 1. und 2. als unrichtig, hätte also das Arbeitsverhältnis der Parteien schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, wäre damit zugleich die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig.
1. Stehen mehrere Beendigungstatbestände in Rede und macht der Kläger die Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen mittels Haupt- und unechten Hilfsantrags geltend, besteht zwischen den Anträgen ein prozessuales Abhängigkeitsverhältnis. Ein unechter Hilfsantrag wird gestellt für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags ist demnach auflösend bedingt durch den Misserfolg des Hauptantrags (BAG 10. März 2009 – 1 ABR 93/07 – Rn. 50, BAGE 130, 1). Sie endet mit Bedingungseintritt rückwirkend, ohne dass es dafür eines besonderen gerichtlichen Ausspruchs bedürfte. Ein über den Hilfsantrag bereits ergangenes, noch nicht formell rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos (BAG 12. August 2008 – 9 AZR 620/07 – Rn. 15, BAGE 127, 214). Auch wenn sich der Revisionsangriff nur gegen die – stattgebende – Entscheidung über den Hauptantrag richtet, tritt in einem solchen Fall bei erfolgreicher – zur Abweisung dieses Antrags führender – Revision die auflösende Bedingung ein. Der erfolgreiche Angriff gegen die Entscheidung über den Hauptantrag reicht damit aus, um das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu Fall zu bringen.
2. So liegt der Fall hier. Der Kündigungsschutzantrag zu 3. ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Die Klägerin will sich gegen die Kündigung nur zur Wehr setzen, falls das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Schließung der Beklagten geendet hat.
a) Eine solchermaßen – auflösend – bedingte Antragstellung entspricht bei mehreren, zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen dem (Kosten-)Interesse des Kündigungsempfängers. Sie trägt überdies der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechnung, nach der die Sozialwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung dann nicht festgestellt werden kann, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines anderen – vor oder gleichzeitig mit Ablauf der Kündigungsfrist wirkenden – Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig oder sie rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11. Februar 1981 – 7 AZR 12/79 – zu B II 1 der Gründe). Gegen die Zulässigkeit eines entsprechend bedingten Antrags bestehen keine Bedenken. Bei der fraglichen Bedingung handelt es sich um eine rein innerprozessuale Rechtsbedingung. Unter eine solche Rechtsbedingung kann jeder Klageantrag gestellt werden. Da der Antrag iSv. § 158 Abs. 2 BGB auflösend – und nicht etwa aufschiebend – bedingt ist, vermag er, rechtzeitig gestellt, auch die Klagefrist des § 4 Abs. 1 KSchG ohne Weiteres zu wahren.
b) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ihrerseits die Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 nur „vorsorglich” für den Fall erklärt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist. Ihre Kündigungserklärung steht damit unter der – ebenfalls zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kraft Gesetzes eingetreten ist (vgl. für den Fall zweier Kündigungen BAG 23. Mai 2012 – 2 AZR 54/12 – Rn. 44). Tritt diese Bedingung ein, liegt schon eine Kündigungserklärung als solche nicht mehr vor. Eine gleichwohl aufrecht erhaltene Kündigungsschutzklage ginge ins Leere und wäre unbegründet (vgl. BAG 16. Januar 1987 – 7 AZR 546/85 –). Auch aus diesem Grund ist der Kündigungsschutzantrag zu 3. als unechter Hilfsantrag zu verstehen, mit dem die Klägerin sich gegen die „vorsorglich” erklärte(n) Kündigung(en) ihrerseits nur „vorsorglich” wehrt (vgl. für das Ergebnis auch HaKo-KSchR/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 64).
c) Falls schon die Schließung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, fallen somit – materiell-rechtlich – die Kündigungserklärung und – prozessrechtlich – der Feststellungsantrag zu 3. samt der zu ihm ergangenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fort. Es genügt damit ein – zulässiger – Revisionsangriff der Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis habe nicht schon kraft Gesetzes sein Ende gefunden, um das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag in Frage zu stellen.
3. Unabhängig vom Stufenverhältnis der Klageanträge ist ein erfolgreicher Angriff der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. auch aus materiell-rechtlichen Gründen ausreichend, um die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig werden zu lassen. Hat das Arbeitsverhältnis schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, kann die Kündigungsschutzklage gegen die – zum selben bzw. einem späteren Termin erklärte(n) – Kündigung(en) keinen Erfolg haben.
B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet erachtet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die Zulässigkeit der Klage setzt die Parteifähigkeit des Beklagten voraus. Die Beklagte ist parteifähig.
a) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Betriebskrankenkassen wie die Beklagte sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 SGB IV, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V). Sie sind damit – im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben (vgl. Krauskopf/Baier SGB IV ≪Stand Februar 2013≫ § 29 Rn. 5) – parteifähig (vgl. MüKoZPO/Lindacher 4. Aufl. § 50 Rn. 21). Streiten die Parteien gerade über die Existenz oder die Parteifähigkeit eines Prozessbeteiligten oder über die sich aus deren Erlöschen ergebenden Folgen, ist die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung zu unterstellen (BAG 24. Juni 2004 – 2 AZR 215/03 – zu B I 1 b der Gründe; 31. August 1983 – 4 AZR 104/81 –; für eine Gebietskörperschaft BGH 21. Oktober 1971 – II ZR 90/68 – zu A I der Gründe). Das Zivilprozessrecht sieht für die Klärung von Rechtsansprüchen stets einen Prozess mit mindestens zwei Parteien vor. Dementsprechend muss auch die Frage, ob eine der Parteien rechtlich existent ist, inter partes geklärt werden können. Andernfalls wäre eine mit materieller Rechtskraft ausgestattete Entscheidung dieser Frage nicht möglich (BAG 24. Juni 2004 – 2 AZR 215/03 – aaO).
b) Danach ist hier die Parteifähigkeit der Beklagten jedenfalls zu fingieren. Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen der Schließung der Beklagten für ihr Arbeitsverhältnis und über die Wirksamkeit der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Kündigung. Diese Frage kann einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung nur zugeführt werden, wenn die Beklagte unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit sie gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiterhin rechtsfähig ist, als parteifähig gilt.
2. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.
a) Die Anträge zu 1. und 2. stellen einen einheitlichen Antrag dar. Dies haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen. Der Feststellungsantrag zu 1. hat erkennbar keine eigenständige Bedeutung. Weder berühmt sich die Beklagte einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ihr Schreiben vom 9. Mai 2011, noch kommt diesem bei objektiver Würdigung ein rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zu. Vielmehr führt die Beklagte dort allein ihre bevorstehende Schließung zum 30. Juni 2011 als – gesetzlichen – Beendigungstatbestand an, ohne dies neben näheren Informationen und Hinweisen mit eigenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu verbinden. Angesichts dessen liegt es fern, dass der Antrag zu 1. sich isoliert und selbständig gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Schreiben vom 9. Mai 2011 und nicht in Wirklichkeit auch gegen die darin angekündigte Schließung richtet. Er ist stattdessen zusammen mit dem Antrag zu 2. als einheitliches Begehren dahin zu verstehen es möge festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Schließung der Beklagten mit Ablauf des 30. Juni 2011 beendet worden ist. So hat das Landesarbeitsgericht das Klagebegehren aufgefasst und mit diesem Tenor hat es ihm entsprochen. Die Klägerin hat sich dagegen mit der Revision nicht gewandt.
b) Der so verstandene Antrag ist ein allgemeiner Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. In der Sache begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 30. Juni 2011 hinaus fortbesteht. Ob auch ein punktueller, dem Kündigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG nachgebildeter Antrag zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung (verneinend) BAG 10. November 2011 – 6 AZR 357/10 – Rn. 13, BAGE 139, 376; 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 15, BAGE 125, 70).
c) Das auf Seiten der Klägerin erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
aa) Der Antrag betrifft den durch die Beklagte mit Verweis auf ihre Schließung in Frage gestellten Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit umfassend zu klären.
bb) Der Antrag ist auch nicht lediglich auf die Klärung einer Frage gerichtet, die im Rahmen der Begründetheit des ebenfalls gestellten Kündigungsschutzantrags als Vorfrage ohnehin beantwortet werden müsste; ein rechtliches Interesse an einem eigenständigen Feststellungsbegehren wäre andernfalls mangels sonstiger möglicher Auflösungstatbestände, die in den entscheidungserheblichen Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung fielen, nicht zu erkennen. Zwar kann der Kündigungsschutzantrag der Klägerin nur Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der mit der Kündigung verbundenen Auslauffrist(en) bestanden hat. Dies wiederum kann positiv nur festgestellt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon am 30. Juni 2011 durch Schließung geendet hat. Das ist folglich auch im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu prüfen. Jedoch ist hier der allgemeine Feststellungsantrag als Haupt-, der Kündigungsschutzantrag als unechter Hilfsantrag gestellt worden. In diesem Fall kann ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Hauptantrag nicht mit der Erwägung verneint werden, der mit ihm angegriffene Auflösungstatbestand sei auch im Rahmen des – möglicherweise gar nicht zu bescheidenden – Hilfsantrags zu überprüfen.
II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder aufgrund der Schließung der Beklagten noch durch die außerordentliche(n) Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 beendet worden.
1. Das Arbeitsverhältnis hat nicht deshalb am 30. Juni 2011 sein Ende gefunden, weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schließung nach § 153 SGB V erloschen und damit als Arbeitgeberin ipso iure weggefallen wäre.
a) Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V geschlossen, verliert sie ihre rechtliche Existenz als mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V (vgl. Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 155 Rn. 2). Deshalb enden sowohl die Mitgliedschaftsverhältnisse als auch die Ämter der Selbstverwaltungsorgane, etwa des Verwaltungsrats (vgl. Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 12; Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 155 aaO; LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 4). Dies führt jedoch nicht zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse vielmehr als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt handlungsfähig und kann beispielsweise, wenn dieser Zweck es verlangt, auch neue Arbeitsverhältnisse begründen (Becker/Kingreen/Mühlhausen aaO Rn. 13, 14; Hänlein aaO Rn. 5; Krauskopf/Baier aaO Rn. 5). Erst mit vollständigem Abschluss der Abwicklung geht sie endgültig unter (vgl. LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 2).
aa) Bereits der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V macht deutlich, dass die Schließung der Betriebskrankenkasse nicht ihren sofortigen Untergang als Rechtssubjekt zur Folge hat. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es nach der Schließung noch der Abwicklung der Kasse bedarf. Sie fingiert zu diesem Zweck den Fortbestand der juristischen Person und damit ihre Fähigkeit, in diesem auf die Abwicklung beschränkten Rahmen weiterhin Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Offenkundig geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige Rechtsträger, der die Abwicklungsaufgaben wahrnimmt, mit dem ursprünglichen identisch ist. Andernfalls könnte von einem „Fortbestehen” nicht die Rede sein (vgl. Rolfs GuP 2013, 8, 11; dens. NZA 2013, 529, 532; Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 155 Rn. 5). Die Auffassung, es entstehe mit der Schließung der Betriebskrankenkasse eine eigenständige „neue Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung” (Bohlen-Schöning KrV 2012, 101, 103; ähnlich Gutzeit NZS 2012, 361, 365), ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (so im Ergebnis auch Rolfs NZA 2013, 529, 533; Wolter FS Bepler S. 675, 680).
bb) Auch aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Kontinuität und Identität der juristischen Person ausgegangen ist. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 SGB V wickelt der bisherige Vorstand die Geschäfte ab. Er bleibt dabei bis zur vollständigen Abwicklung der Geschäfte im Amt. Die Aufsichtsbehörde bestellt gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 SGB V einen Abwicklungsvorstand nur, wenn der alte Vorstand nicht mehr tätig wird.
cc) Der Fortbestand der juristischen Person für die Dauer ihrer Abwicklung entspricht zudem Sinn und Zweck von § 155 SGB V. Die Vorschrift soll die geordnete Beendigung der bestehenden Rechtsbeziehungen und die Erfüllung offener Verbindlichkeiten ermöglichen (Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 ≪Stand Dezember 2012≫ K § 155 Rn. 9a). Beides setzt voraus, dass die ursprüngliche juristische Person jedenfalls für diese Zwecke fortbesteht. Andernfalls bedürfte es der Übertragung der verbliebenen Rechtsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger. Einen solchen Rechtsakt sieht das Gesetz nicht vor.
dd) Die Entstehungsgeschichte von § 155 SGB V belegt ebenfalls, dass die Betriebskrankenkasse als juristische Person erst nach ihrer vollständigen Abwicklung erlischt. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführt. § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB V entspricht der Vorgängerregelung in § 301 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 RVO (vgl. BT-Drucks. 11/2237, S. 211). Nach § 302 Abs. 1 RVO wiederum endeten die Vertragsverhältnisse der Angestellten, Ärzte und Zahnärzte drei, nach dem Einführungsgesetz zur RVO teilweise zwölf Monate nach Mitteilung der bevorstehenden Schließung, frühestens aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Schließung der Betriebskrankenkasse. Dementsprechend konnte die Beendigung der Vertragsverhältnisse ggf. auch erst nach der Schließung eintreten. Sie sollten bis zum Zeitpunkt ihrer Beendigung nach normalen Grundsätzen abgewickelt werden (Kühne Krankenversicherung 2. Aufl. § 302 RVO Nr. 2; Stier-Somlo Komm. zur RVO Bd. 1 § 302 Nr. 1). Daraus folgt, dass jedenfalls der Gesetzgeber der RVO nicht davon ausgegangen ist, die Rechtspersönlichkeit einer Betriebskrankenkasse erlösche ipso iure im Zeitpunkt ihrer Schließung. Dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V dies anders gesehen hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Im Übrigen bliebe andernfalls unerklärlich, warum es einer Regelung wie der des § 164 Abs. 4 SGB V bedurfte.
ee) Auch der zum Vergleich herangezogenen Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB – an die sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Abwicklung von Betriebskrankenkassen angelehnt hat (vgl. Peters in HandB KV Bd. 4 ≪Stand Februar 1996≫ § 155 SGB V Rn. 4 unter Bezugnahme auf S. 194 der Begründung zu § 314 RVO) – ist nicht zu entnehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium „automatisch” ihr Ende fänden. Durch § 49 Abs. 2 BGB wird die Rechtsfähigkeit des Vereins nicht bezüglich bestehender Rechte, sondern allenfalls für den Erwerb neuer Rechte eingeschränkt (BGH 22. März 2011 – IX ZR 373/98 – zu III 2 a aa der Gründe; Wolter FS Bepler S. 675, 680). An die Pflichten aus gegenseitigen Verträgen ist der Verein weiterhin so gebunden wie vor dem Eintritt in die Liquidationsphase. Die Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen richtet sich in diesem Stadium nach allgemeinen Grundsätzen (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 49 Rn. 2 mwN; für die Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösung einer Tarifvertragspartei vgl. BAG 23. Januar 2008 – 4 AZR 312/01 – Rn. 23, BAGE 125, 314).
ff) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Betriebskrankenkassen privatrechtlicher Arbeitgeber, sondern auch für die Betriebskrankenkassen öffentlich-rechtlicher Verwaltungen (§ 156 SGB V). Beide unterliegen denselben Regeln. § 156 SGB V bestimmt, dass die §§ 147 bis 155 Abs. 4 SGB V für Dienstbetriebe von Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden entsprechende Anwendung finden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte trotz ihrer Fusion mit den Betriebskrankenkassen Ba und Be noch die Betriebskrankenkasse einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung – wie wohl ursprünglich – ist.
gg) Aus dem Umstand, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten bei der Fusion von Krankenkassen endet (BAG 29. September 2010 – 10 AZR 588/09 – Rn. 22 ff., BAGE 135, 327), folgt nichts anderes. Das Amtsende beruht auf den Besonderheiten des Datenschutzrechts und der bestehenden Verpflichtung der aus der Fusion hervorgegangenen Krankenkasse, als „neue” öffentliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen. Im Übrigen führt die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nicht zu einer automatischen Beendigung der zu ihr bestehenden Rechtsverhältnisse. Gemäß § 144 Abs. 4 SGB V bestehen diese vielmehr mit der aus der Fusion hervorgegangenen Kasse fort (vgl. BAG 29. September 2010 – 10 AZR 588/09 – Rn. 25, BAGE 135, 327; BSG 2. Dezember 2004 – B 12 KR 23/04 R – zu 2 a der Gründe; jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. ≪Stand Juni 2012≫ § 144 Rn. 28).
b) Zur „Abwicklung der Geschäfte” iSv. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört die „Versorgung” des Personals einer iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V geöffneten Betriebskrankenkasse (Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 13; Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 ≪Stand Dezember 2012≫ K § 155 Rn. 9). Bei den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um – privatrechtliche – Rechtsbeziehungen, deren ordnungsgemäßer Beendigung oder Überleitung die Vorschrift dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer für die Durchführung der Abwicklungsarbeiten benötigt wird oder nicht (aA Gutzeit NZS 2012, 361, 365). Bei den Regelungen in § 301, § 302 Abs. 1 RVO ging der Gesetzgeber davon aus, dass ggf. sämtliche Arbeitsverhältnisse über den Zeitpunkt der Schließung hinaus fortbeständen. § 301 RVO war nicht auf die Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern beschränkt, die für die Abwicklung benötigt wurden. Dass der Gesetzgeber des SGB V eine solche Differenzierung hätte einführen wollen, ist nicht erkennbar.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem Schließungstermin.
a) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von Innungskrankenkassen, „die nicht nach § 164 Abs. 3 SGB V untergebracht werden”, mit dem Tag der Schließung der Kasse. Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Dienstordnungsangestellten verpflichtet, eine vom Landesverband der Innungskrankenkassen nachgewiesene dienstordnungsmäßige Stellung bei ihm oder einer anderen Innungskrankenkasse anzutreten, wenn die Stellung nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Fähigkeiten der Angestellten steht. Den übrigen Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. In § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V ist bestimmt, dass jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen „dienstordnungsmäßige Stellungen” nach Satz 1 nachzuweisen und „Anstellungen” nach Satz 3 anzubieten. Die Regelungen des § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V finden gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V auf Betriebskrankenkassen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V „nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann”.
b) Die Auslegung der Bestimmungen ergibt, dass die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten von Betriebskrankenkassen, die – wie die Klägerin – gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V keinen Anspruch auf Unterbringung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V haben, nicht gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden.
aa) Der Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V, „die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden”, endeten mit dem Tag der Auflösung oder Schließung der Kasse, ist dabei wenig ergiebig. Er lässt offen, ob nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden sollen, denen ein Angebot nach § 164 Abs. 3 SGB V erfolglos unterbreitet worden ist, oder auch die derjenigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Der Wortsinn gibt beides her (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 677).
bb) Der systematische Zusammenhang der Absätze 3 und 4 des § 164 SGB V spricht aber dafür, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse aufgrund Gesetzes nur dann eintreten soll, wenn dem Beschäftigten zuvor eine zumutbare anderweitige Stellung erfolglos nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V angeboten wurde. Gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden nur die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden”. § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet alle Kassen, entsprechend der Anzahl ihrer Versicherten „Anstellungen nach Satz 3 anzubieten”. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, es könnten sich einzelne Kassen unter bestimmten Voraussetzungen weigern, Personal – übersteige dies auch ihren Bedarf – aufzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87 mwN). Die Gesetzesbegründung spricht für das Gegenteil. Mit § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V sollte der Verteilungsmodus für Weiterbeschäftigungsangebote unter den Kassen geregelt werden. Wegen des zunehmenden Wettbewerbs auch zwischen Krankenkassen derselben Kassenart könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese über ein ausreichendes Selbstorganisationspotential verfügten, um den Beschäftigten einer behördlich geschlossenen Kasse Arbeitsplatzangebote in ausreichender Zahl zukommen zu lassen (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Der Gesetzgeber hat folglich die mögliche Überforderung einzelner Kassen durchaus erkannt und berücksichtigt (vgl. Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15; Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. ≪Stand 13. Mai 2013≫ § 164 Rn. 15; wohl auch Baier in Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 164 Rn. 20). Gleichwohl hat er in § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V eine Verpflichtung zur Angebotsabgabe vorgesehen. Für die Annahme, die Verpflichtung könne wegen Überforderung einzelner Kassen entfallen – wenn auch mit der Folge, dass an ihre Stelle ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch des betroffenen Beschäftigten trete (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8) – ist angesichts dessen kein Raum (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 681). Zur Wahrung ihrer Wirtschaftlichkeit bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, nach einer Personalübernahme ggf. Anpassungsmaßnahmen mit den Mitteln des Vertrags- und des Kündigungsrechts vorzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87).
cc) Die Verweisungsnorm des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V hebt diesen systematischen Zusammenhang zwischen den Absätzen 3 und 4 des § 164 SGB V auch für die ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten der Betriebskrankenkassen nicht auf. Sie ordnet zwar die entsprechende Geltung von § 164 Abs. 1 bis 4 SGB V für die Beschäftigten mit ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen mit Ausnahme der Unterbringungspflicht nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V an, ohne auch die Geltung von Abs. 4 Satz 1 der Norm auszunehmen. Versteht man § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V jedoch – zutreffenderweise – als Rechtsgrundverweisung (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 12 und NZA 2013, 529, 533), liegt darin kein Widerspruch.
(1) Schon der Umstand, dass die Geltung von § 164 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V durch § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, obwohl es bei Betriebskrankenkassen keine Dienstordnungsangestellten gibt, spricht dafür, dass es sich bei § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V um eine Rechtsgrundverweisung auf § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V handelt (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 12 und NZA 2013, 529, 533).
(2) Tritt eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse zum Schließungstermin aufgrund von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V – wie ausgeführt – nur dann ein, wenn dem Arbeitnehmer erfolglos eine anderweitige zumutbare Stellung gemäß § 164 Abs. 3 SGB V angeboten worden ist, schließt § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V für die Beschäftigten von Betriebskrankenkassen mit ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen eine Unterbringung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V aber aus, so fehlt es für diese zugleich an einer der nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V erforderlichen Voraussetzungen für eine Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes. Da den Beschäftigten von Betriebskrankenkassen mit ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen ein Angebot auf Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V gar nicht erst unterbreitet werden muss, kommt auch eine Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht in Betracht (ebenso Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Rolfs GuP 2013, 8, 12 und NZA 2013, 529, 533; aA Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 86; Gutzeit NZS 2012, 361, 364).
(3) Dadurch verliert § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V für Betriebskrankenkassen nicht etwa seinen Anwendungsbereich. Die Vorschrift gilt für Beschäftigte in ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnissen. Diese nehmen nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V am Unterbringungsverfahren gemäß § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V teil.
dd) Die Entstehungsgeschichte und der in den Gesetzesbegründungen dokumentierte Sinn und Zweck der Regelungen bestätigen dieses Verständnis.
(1) Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V (vormals § 173 Abs. 2 bis 4 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) tragen nach dem Willen des Gesetzgebers den Interessen des von der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse betroffenen Personals Rechnung. Es soll eine Übernahme der Beschäftigten zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die Vertragsverhältnisse enden (vgl. die Begründung zu § 173 Abs. 3 bis 5 des Entwurfs, BT-Drucks. 11/2237 S. 212). „Nicht möglich” ist die Weiterbeschäftigung angesichts der nach § 164 Abs. 3 Satz 3 (vormals § 173 Abs. 3 Satz 3) SGB V bestehenden Angebotsverpflichtung aber nur, wenn der Beschäftigte eine entsprechende Offerte ausgeschlagen hat.
(2) Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) im Jahr 2008 aufgegriffen. Durch die entsprechende Anwendung von § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V sollten auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten – die es bei diesen Kassen allerdings gar nicht gibt – und die der übrigen Beschäftigten in unkündbarer Stellung insofern gesichert werden, als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stellung entsprechende Stelle anzubieten ist – so wie dies neben den Innungs- auch für die Ortskrankenkassen und generell als Folge von kassenarten-übergreifenden Fusionen in § 171a SGB V bereits geregelt war (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Von einer „Sicherung der Ansprüche” könnte schwerlich die Rede sein, wenn auch ohne Erfüllung dieser Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V die Arbeitsverhältnisse im Schließungszeitpunkt nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V endeten.
(3) Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl alle Vertragsverhältnisse unabhängig von einer Erfüllung des Unterbringungsanspruchs im Zeitpunkt der Schließung auslaufen sollten, etwa um der behördlich geschlossenen Kasse Planungssicherheit in der Abwicklungsphase zu geben oder die Leistungsfähigkeit des Kassenverbunds nicht zu gefährden (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 9 f., 12 und NZA 2013, 529, 531; aA Grau/Sittard KrV 2012, 6, 19; Gutzeit NZS 2012, 361, 366 und NZS 2012, 410, 413 f.). Bei einem solchen Regelungsziel bliebe überdies unklar, warum § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V überhaupt darauf abstellt, ob die Beschäftigten „untergebracht werden”. Es hätte dann näher gelegen, voraussetzungslos die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Schließungszeitpunkt vorzusehen. Im Übrigen wäre die Leistungsfähigkeit der Kassen angesichts der Haftungsregelungen in § 155 Abs. 4 SGB V auch dann betroffen, wenn den Arbeitnehmern – wie im Schrifttum vorgeschlagen – bei Nichterfüllung der Pflicht zur Abgabe eines zumutbaren Angebots Schadenersatzansprüche zuzubilligen wären. Der Einwand, wenn der Gesetzgeber die Unterbreitung eines Angebots vorausgesetzt hätte, hätte er sprachlich ebenso leicht eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf diejenigen Arbeitnehmer beschränken können, die ein zumutbares Stellenangebot nicht annähmen, trägt demgegenüber nicht. Die Formulierung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll ersichtlich beide Alternativen des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V erfassen: den Nachweis einer „dienstordnungsmäßigen Stellung” gegenüber Dienstordnungsangestellten – die diese anzunehmen verpflichtet sind – nach den Sätzen 1 und 2 der Bestimmung und das Angebot einer „Stellung” gegenüber den übrigen Arbeitnehmern nach Satz 3. Auf die erste Alternative passt aber die hypothetische Formulierung nicht.
(4) Eine andere Lesart von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber die Anregung des BKK-Bundesverbands in dessen Stellungnahme zum GKV-OrgWG nicht aufgegriffen hat, die Regelung eben dahin zu fassen, dass die Beendigung nur eintrete, wenn eine Beschäftigung nach § 164 Abs. 3 SGB V abgelehnt werde (Ausschussdrucks. 16(14)0410(30) vom 17. September 2008 S. 3). Nach dem eigenen Bekunden des Verbands sollte dies lediglich der Klarstellung dienen, nicht aber eine sachliche Änderung der gesetzlichen Bestimmung bewirken.
(5) Die Verpflichtung zur Unterbringung ist zudem Ausdruck des Umstands, dass die Schließung bei kassenübergreifender Betrachtung nicht zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die Versicherungsverträge der bei der geschlossenen Kasse versicherten Personen müssen „im System” der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin verwaltet werden. Dementsprechend sieht das Gesetz auch für andere Fälle von Strukturänderungen im Kassenwesen unabdingbare Verpflichtungen zur Übernahme des Personals vor, so bei freiwilligen Vereinigungen von Kassen in § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V, bei Ablehnung der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber in § 147 Abs. 2 Satz 4 ff. SGB V und bei der Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in §§ 212, 213 SGB V.
(6) Der Gesetzgeber hat damit zur Kompensation der Folgen für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten bei der Schließung einer Innungskrankenkasse einen Unterbringungsanspruch zugunsten der von der Schließung betroffenen Beschäftigten vorgesehen. Die daneben geregelte gesetzliche Beendigung der Arbeitsverhältnisse sollte nur greifen, wenn eine Weiterbeschäftigung durch anderweitige Unterbringung nicht möglich wäre (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 212). Ziel der Bestimmungen war ersichtlich eine entsprechende Besserstellung der Beschäftigten. Davon sollten – mit Ausnahme der Beschäftigten in ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen – auch die Arbeitnehmer der Betriebskrankenkassen profitieren, ihre Beschäftigungsansprüche sollten ebenfalls „gesichert” werden (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Soweit den bei Betriebskrankenkassen beschäftigten Arbeitnehmern in ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen ein Anspruch auf Unterbringung nicht ebenfalls eingeräumt wurde, gibt es in den Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese zwar vom Unterbringungsverfahren ausgenommen bleiben, ihre Arbeitsverhältnisse aber dennoch automatisch mit Schließung der Kasse enden sollten. Der Gesetzgeber bezweckte zwar eine Besserstellung derjenigen Beschäftigten von Betriebskrankenkassen, auf welche er das Unterbringungsverfahren übertrug. Es ist aber nicht ersichtlich, dass er die Rechtsposition der übrigen Arbeitnehmer dadurch massiv hätte verschlechtern wollen, dass er sie vom ansonsten bestehenden Kündigungserfordernis und gesetzlichen Kündigungsschutz ausnähme (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 12; ders. NZA 2013, 529, 533). Gegenteilige parlamentarische Äußerungen zur vermeintlichen Rechtslage in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Mai 2011 (vgl. Plenarprotokoll 107/17 S. 12273) sind für die Auslegung der Bestimmungen aus den Jahren 1988 und 2008 unbeachtlich. Dies gilt ebenso für Rechtsansichten, die im Rahmen einer Gesetzesinitiative zur Änderung von § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V im Jahr 2011 geäußert wurden (vgl. BT-Drucks. 17/6485). Zwar kann der Gesetzgeber den Streit über die Auslegung einer Norm durch eine klarstellende (neue) Regelung beseitigen und damit einer von ihm für falsch gehaltenen Auslegung der Gerichte die Grundlage entziehen (vgl. BVerfG 24. November 2010 – 1 BvF 2/05 – Rn. 145, BVerfGE 128, 1). Hier fehlt es aber an einer späteren gesetzlichen Regelung, die Rückschlüsse auf die zutreffende Auslegung von § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V zuließe. Die Gesetzesinitiative wurde vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Die Gründe hierfür sind nicht verlautbart.
ee) Dieses Verständnis der gesetzlichen Bestimmungen führt nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen (so aber Grau/Sittard KrV 2012, 6, 10; Gutzeit NZS 2012, 361, 365; wie hier Rolfs GuP 2013, 8, 12; ders. NZA 2013, 529, 533). Zwar kommt eine gesetzliche Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse bei Betriebskrankenkassen nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V demnach nur für die eigentlich schutzwürdigeren Beschäftigten in ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnissen in Betracht. Diese werden aber durch die Verpflichtung, sie andernorts unterzubringen, zugleich deutlich besser gestellt. Während die Beschäftigten in ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen bei Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzrechts nach § 1 Abs. 2 KSchG die Weiterbeschäftigung lediglich auf einem freien Arbeitsplatz und nur innerhalb desselben Unternehmens beanspruchen können, besteht die Unterbringungspflicht nach § 164 Abs. 3 SGB V bedarfsunabhängig und arbeitgeberübergreifend.
ff) Bei diesem Auslegungsergebnis bedarf es keiner Entscheidung, ob die gesetzliche Regelung andernfalls mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG gegen die Verfassung oder den unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots einer Diskriminierung wegen des Alters verstieße.
c) Danach endete das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht von Gesetzes wegen mit der Schließung der Beklagten am 30. Juni 2011. Die Verpflichtung zur Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V fand wegen § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V auf die Klägerin keine Anwendung. Die Klägerin gehörte im Zeitpunkt der Schließung am 30. Juni 2011 zur Gruppe der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden konnte. Zwar vollendete sie ihr 50. Lebensjahr mit Ablauf des 30. Juni 2011 (§ 188 Abs. 2 Alt. 2 iVm. § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB) und damit zeitgleich mit der Schließung. Der tarifliche Kündigungsschutz setzt jedoch gem. § 20 Abs. 1 MTV BKK erst „nach” diesem Zeitpunkt, dh. hier mit Beginn des 1. Juli 2011 ein.
d) Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Beklagte der Klägerin in der irrigen Annahme, ihr Arbeitsverhältnis sei bereits ordentlich unkündbar, ein „Unterbringungsangebot” unterbreitet hat. Ein solches Angebot, das nach der gesetzlichen Konzeption gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden kann, nicht erforderlich ist, vermag die Beendigungsfolge des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht herbeizuführen. Durch ein überobligatorisches Anerbieten iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V ist die Beklagte nicht in der Lage, die gesetzliche Systematik und die an sie anknüpfenden unterschiedlichen Rechtsfolgen für die beiden Arbeitnehmergruppen zu verändern.
3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch durch die außerordentliche Kündigung vom 19. Mai 2011 nicht beendet worden.
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 24. Januar 2013 – 2 AZR 453/11 – Rn. 22 mwN). Danach ist hier die außerordentliche Kündigung – auch als solche mit Auslauffrist – unwirksam. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tariflich noch nicht ordentlich unkündbar. Der Beklagten wäre es zumutbar gewesen, jedenfalls die geltende Kündigungsfrist einzuhalten.
b) Die Kündigung vom 19. Mai 2011 wäre auch als ordentliche Kündigung nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beschäftigungsbedarf im Betrieb der Beklagten war weder zum 30. Juni noch zum 31. Dezember 2011 vollständig entfallen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschäftigte die Beklagte zunächst mehr als 210, später eine geringere Anzahl von Arbeitnehmern zum Zwecke der Abwicklung sogar noch über den 1. Juli 2012 hinaus weiter. Mit Blick auf die verbliebenen Arbeitsplätze hätte es der Durchführung einer Sozialauswahl bedurft. Diese hat die Beklagte nicht durchgeführt. Es spricht deshalb eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Auswahlergebnis fehlerhaft ist (vgl. BAG 24. Februar 2005 – 2 AZR 214/04 – zu B II 1 a der Gründe; 18. Oktober 1984 – 2 AZR 61/83 – zu B II 3 b der Gründe). Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegt.
4. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.
III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Kreft, Rachor, Rinck, Bartz, Grimberg
Fundstellen
Haufe-Index 6991948 |
BAGE 2014, 353 |
BB 2014, 1844 |