Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Bezugnahmeklausel. Bezugnahme auf einen Tarifvertrag. unbedingte zeitdynamische Verweisung. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
Eine nach dem 31. Dezember 2001 einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird (“unbedingte zeitdynamische Verweisung”; Bestätigung der Rechtsprechung des Senats, vgl. BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – BAGE 122, 74).
Orientierungssatz
1. Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag ist jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird (“unbedingte zeitdynamische Verweisung”).
2. Bei der Änderung der Rechtsprechung zu einer Auslegungsregel für allgemein verwendete Vertragsklauseln trifft das Risiko dieser Änderung zunächst allein den Verwender der Klausel. Eine Einschränkung einer sich daraus ergebenen Rückwirkung ist jedoch geboten, wenn und soweit die davon nachteilig betroffene Partei auf die Weiterführung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Auffassung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde.
3. Mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 ist ein wertungsrelevanter Paradigmenwechsel vorgenommen worden, der für den darauf folgenden Zeitraum zu einer abweichenden Gewichtung der beiderseitigen Interessen und damit zum Wegfall der Annahme einer für den Arbeitgeber unzumutbaren Härte führt.
4. Eine in einem vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarte dynamische Verweisung auf die für den Arbeitgeber einschlägigen Tarifverträge kann nur dann als eine Gleichstellungsabrede iSd. der früheren Senatsrechtsprechung bewertet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihrer vertraglichen Vereinbarung an diese Tarifverträge gemäß § 3 TVG gebunden ist.
Normenkette
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag, §§ 3, 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 613a, 305c; EGBGB Art. 229 § 5; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. August 2007 – 15 Sa 170/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Geltung eines tariflichen Lohnabkommens für das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis und daraus resultierende Vergütungsansprüche des Klägers.
Der Kläger ist Mitglied der IG Metall und seit dem 1. April 1964 in Vollzeit als Schlosser bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Am 2. Mai 2002 schlossen der Kläger und eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, die S… Maschinenbau GmbH, einen Formulararbeitsvertrag. Der Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:
“Anstellungsvertrag für Tarifangestellte/gewerbliche Mitarbeiter
…
§ 3
1.) Der Anspruch auf Entlohnung besteht nach der von dem Angestellten jeweils ausgeübten Tätigkeit und zwar in Höhe des entsprechenden Tarifgehaltes des jeweils gültigen Gehaltstarifvertrages für die kaufmännischen und technischen Angestellten Metall- u. Elektroindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen.
2.) Entsprechend seiner zur Zeit ausgeübten Tätigkeit wird der Arbeitnehmer in die Lohngruppe 7 eingestuft.
…
§ 8
Auf das Arbeitsverhältnis finden die jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen für die metallverarbeitenden Industrie im Lande NRW Anwendung.
§ 9
Anrechenbare Beschäftigungsverhältnisse:
Eintritt: 1.4.64.”
Nach diesem Vertragsschluss ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die zu diesem Zeitpunkt tarifgebundene Beklagte über. Jedenfalls bis zum 31. Dezember 2005 war die Beklagte Mitglied im Arbeitgeberverband für die Gebiete Paderborn, Büren, Warburg und Höxter e. V. (nachfolgend: Arbeitgeberverband) und der Fachgruppe Metall des Verbandes. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob die Beklagte ab dem 1. Januar 2006 noch tarifgebundenes Mitglied des Arbeitgeberverbandes war oder sie ab diesem Zeitpunkt wirksam eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung – sog. OTMitgliedschaft – begründet hatte.
Am 22. April 2006 vereinbarten der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen und die IG Metall ein Abkommen über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (nachfolgend: Lohnabkommen). Nach § 2 Abs. 2 und Abs. 3 des Lohnabkommens steht Vollzeitbeschäftigten ein tariflicher Einmalbetrag iHv. 310,00 Euro brutto und mit Wirkung ab dem 1. Juni 2006 eine Erhöhung des gemeinsamen Ecklohns der Monatsgrundlohntabelle um 3 % zu.
Der Kläger hat mit seiner Klage von der Beklagten nach erfolgloser vorgerichtlicher Geltendmachung unter Hinweis auf das Lohnabkommen den Einmalbetrag und für den Monat Juni 2006 die dreiprozentige Erhöhung seiner Vergütung iHv. 93,39 Euro brutto verlangt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sei der Formulararbeitsvertrag vom 2. Mai 2002. Dessen § 8 sei nicht zu entnehmen, dass lediglich nicht tarifgebundene wie tarifgebundene Arbeitnehmer behandelt werden sollten, solange der Arbeitgeber selbst tarifgebunden sei. Angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne der Kläger auf der Grundlage der vereinbarten dynamischen Verweisungsklausel auch bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit der Beklagten die vereinbarte Tariflohnerhöhung nach dem Lohnabkommen verlangen. Bei dem anlässlich eines Betriebsübergangs am 2. Mai 2002 geschlossenen Vertrag handele es sich um eine neue vertragliche Regelung. Anderenfalls wäre es ausreichend gewesen, den unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen. Der Anspruch ergebe sich zudem aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass sie ihre Mitgliedschaft mit Tarifbindung beendet und eine ohne Tarifbindung begründet habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 403,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Seit dem 1. Januar 2006 sei sie nicht mehr tarifgebunden. Sie habe ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bereits am 16. Juni 2005 fristgerecht zum Jahresende gekündigt und durch eine neue Beitrittserklärung mit Wirkung vom 1. Januar 2006 eine sog. OT-Mitgliedschaft in diesem Arbeitgeberverband begründet. An das Lohnabkommen sei sie daher nicht mehr gebunden. Aus der Bezugnahmeklausel in § 8 des Arbeitsvertrages könne der Kläger seine Ansprüche nicht ableiten. Die Klausel sei als Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszulegen, die lediglich die fehlende Tarifgebundenheit eines Arbeitnehmers ersetzen soll. Darüber hinaus müsse bei deren Auslegung berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits seit 1964 bei der Beklagten sowie ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und Mitglied der IG Metall sei. Schließlich habe der Vertrag vom 2. Mai 2002 nicht konstitutiv ein neues Arbeitsverhältnis begründen wollen. Die Abrede habe lediglich deklaratorisch zum Ausdruck bringen sollen, dass die bisherigen vertraglichen Beziehungen fortbestünden. Unabhängig davon genieße die Beklagte Vertrauensschutz im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Gleichstellungsabreden. Der Senat habe noch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in der Entscheidung vom 19. März 2003 (– 4 AZR 331/02 –) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach eine dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag im Arbeitsvertrag eines tarifgebundenen Arbeitgebers als Gleichstellungsabrede zu verstehen sei. Als Stichtag für die Umsetzung der Rechtsprechungsänderung komme entweder der 1. Januar 2003 oder aber, nachdem der Senat am 14. Dezember 2005 seine Rechtsprechungsänderung angekündigt habe, der 15. Dezember 2005 in Betracht. Mit der Rechtsprechungsänderung weiche der Senat zudem von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts ab. Eine Bindung der Beklagten an das Lohnabkommen würde zudem dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2006 (– C-499/04 – [Werhof]) widersprechen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung nach dem Lohnabkommen und demzufolge auf Zahlung des in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 Lohnabkommen geregelten Einmalbetrags sowie einer um 3 % erhöhten Vergütung für den Monat Juni 2006.
I. Das Lohnabkommen findet aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 8 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
1. Die Auslegung eines Formulararbeitsvertrages wie des streitgegenständlichen durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur Senat 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – BAGE 95, 296). Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Erklärung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Dies gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 24, BAGE 122, 74, 81).
2. Die Auslegung der Klausel ergibt, dass § 8 des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2002 eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die “jeweiligen tariflichen Bestimmungen für die metallverarbeitende Industrie im Lande NRW” enthält, die auch das Lohnabkommen vom 22. April 2006 erfasst. Die Voraussetzungen einer Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats, wonach eine dynamische Verweisung in einem Arbeitsvertrag ab dem Eintritt bestimmter Umstände, namentlich dem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, nur noch statisch wirkt (Senat 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9, 14 mwN), sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Bezugnahmeklausel wurde nicht von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vereinbart.
a) Eine Gleichstellungsabrede ist eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag, mit der dieser die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie tarifgebunden sind oder nicht, so stellen will, als wären sie an dieses Tarifwerk gebunden. Die dahin gehende Auslegung einer Bezugnahmeklausel setzt voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Vereinbarung der Bezugnahme selbst an den in Bezug genommenen Tarifvertrag tarifgebunden war. Nur dann hatte er die Pflicht, gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern den in Bezug genommenen Tarifvertrag anzuwenden. Und nur unter dieser Voraussetzung konnte sich für ihn ein durch den Wegfall seiner Tarifgebundenheit auflösend bedingtes Interesse ergeben, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen gleichzustellen, dh. sie vertragsrechtlich so zu stellen, wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 TVG tarifrechtlich steht (Senat 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04 – BAGE 113, 40; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9, 14, jew. mwN).
Eine Tarifgebundenheit der S… Maschinenbau GmbH ist von der Beklagten nicht dargetan worden. Soweit die Beklagte in einem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenem Schriftsatz geltend macht, “dass die Produktionsgesellschaft S… Maschinenbau GmbH … bis Ende 2005 Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband war”, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unbeachtlichen neuen Sachvortrag. Dem Vorbringen lässt sich zudem nicht entnehmen, dass die Tarifgebundenheit der S… Maschinenbau GmbH, die erst nach der am 16. Februar 2002 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Rechtsvorgängerin neu gegründet worden war, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger am 2. Mai 2002 bestanden hat.
Der nachfolgende Eintritt der tarifgebundenen Beklagten in das Arbeitsverhältnis im Wege der Rechtsnachfolge führt zu keiner anderen Auslegung der Bezugnahmeklausel (Senat 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9, 14 mwN).
b) Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, bei dem Vertragsschluss am 2. Mai 2002 sei tatsächlich “nicht konstitutiv ein neues Arbeitsverhältnis begründet” worden, sondern die Parteien des Arbeitsverhältnisses hätten nur diejenigen Arbeitsbedingungen deklaratorisch wiederholt, die bereits bei der Rechtsvorgängerin der S… Maschinenbau GmbH gegolten hätten. Auch in diesem Fall würde es sich bei der Bezugnahmeklausel nicht um eine Gleichstellungsabrede handeln. Denn eine Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der S… Maschinenbau GmbH ist gleichfalls nicht dargetan. Bei dem Vortrag der Beklagten hierzu in dem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz handelt es sich gleichfalls um einen in der Revisionsinstanz unbeachtlichen neuen Tatsachenvortrag. Diesem kann zudem weder entnommen werden, wann die Rechtsvorgängerin die einschlägige Bezugnahmeklausel mit dem Kläger abgeschlossen haben soll und ob zu diesem Zeitpunkt eine Tarifbindung bestand, noch, ob die Rechtsvorgängerin durchgängig seit dem 1. April 1964 tarifgebunden gewesen ist.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten und einigen in der Literatur geäußerten Stimmen (Nicolai DB 2006, 670, 673; Simon/Kock/Halbsguth ZIP 2006, 726, 727 f.; Löwisch/Feldmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32; Schiefer SAE 2008, 22, 24; Olbertz BB 2007, 2737, 2739; Simon/Weninger BB 2007, 2127, 2128; Zerres NJW 2006, 3533, 3537; diff. Melot de Beauregard NJW 2006, 2522, 2525; aA Bayreuther Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53; Heinlein NJW 2008, 321, 324; Reichold JZ 2006, 725, 727; Houben SAE 2007, 109, 113; Reinecke BB 2006, 2637, 2641; Thüsing NZA 2006, 473, 474 f.; Buschmann AuR 2006, 203, 204; Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35; Brecht-Heitzmann/Lewek ZTR 2007, 127, 131) steht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2006 (– C-499/04 – [Werhof] EuGHE I 2006, 2397) der wortlautorientierten Auslegung der Verweisungsklausel nicht entgegen.
Zwar beruht im vorliegenden Rechtsstreit die Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages auf einer mit der tarifungebundenen Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen individualvertraglichen Bezugnahmeklausel und damit auch auf den Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs. Insoweit ist Art. 3 RL 77/187/EWG bzw. 2001/23/EG ein möglicher Prüfungsmaßstab (so auch Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35; Nicolai DB 2006, 670, 672). Die in Frage stehende Auslegung der streitgegenständlichen Verweisungsklausel allein hat aber offensichtlich keine europarechtlichen Bezüge (vgl. nur Thüsing NZA 2006, 473, 475; weiterhin Senat 19. September 2007 – 4 AZR 711/06 – Rn. 33, AP BGB § 613a Nr. 328 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 78; Heinlein NJW 2008, 321, 324; Hanau RdA 2007, 180, 182; Reinecke BB 2006, 2637, 2641; Buschmann AuR 2006, 203, 204; Houben SAE 2007, 109, 113; Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35).
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18. April 2007 (– 4 AZR 652/05 – Rn. 37, BAGE 122, 74, 84 f.) ausgeführt, dass eine Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit im hier behandelten Zusammenhang nicht angenommen werden kann. Denn die negative Koalitionsfreiheit schützt den Arbeitgeber hier allenfalls davor, normativ an Tarifverträge gebunden zu werden, die von einem Verband abgeschlossen werden, in dem er nicht Mitglied ist (s. auch Senat 19. September 2007 – 4 AZR 711/06 – AP BGB § 613a Nr. 328 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 78). Eine solche Bindung besteht vorliegend jedoch nicht. Die Beklagte ist aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel nicht normativ an einen (fremden) Tarifvertrag gebunden, sondern lediglich schuldrechtlich an eine Vereinbarung in einem von ihrer Rechtsvorgängerin geschlossenen Arbeitsvertrag. Die Wirksamkeit der individualvertraglichen Inbezugnahme von Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung als Ausdruck privatautonomer Gestaltungsmacht berührt weder die negative Koalitionsfreiheit dessen, der das Arbeitsverhältnis vertraglich der einschlägigen tarifvertraglichen Ordnung unterstellen wollte und dies auch durch Zustimmung des Arbeitnehmers zum Vertragsschluss erreicht hat, noch diejenige der Personen, die aufgrund privatautonomer Entschließung in diese Rechtsposition eingetreten sind (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 37, BAGE 122, 74, 85 f.; Bayreuther Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53; Brecht-Heitzmann Anm. EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35; Brecht-Heitzmann/Lewek ZTR 2007, 127, 131; Thüsing NZA 2006, 473, 474 f.).
3. Im Übrigen ist die Klage auch dann begründet, wenn die S… Maschinenbau GmbH zurzeit des Vertragsschlusses am 2. Mai 2002 tarifgebunden gewesen sein sollte. Die Auslegung der Klausel in § 8 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 2. Mai 2002 ergibt auch in diesem Fall, dass es sich um eine unbedingte dynamische Bezugnahme ua. des Lohnabkommens handelt, die nicht von der Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abhängig ist. Ein etwaiger späterer Wechsel der Beklagten in eine sog. OT-Mitgliedschaft ist deshalb für deren arbeitsvertragliche Verpflichtungen ohne Bedeutung.
a) Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf die jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen ist jedenfalls dann, wenn die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird (“unbedingte zeitdynamische Verweisung”).
aa) Während nach der früheren Rechtsprechung des Senats bei Tarifbindung des Arbeitgebers Verweisungsklauseln wie diejenige aus dem Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen waren, hat der Senat im Urteil vom 14. Dezember 2005 (– 4 AZR 536/04 – BAGE 116, 326) angekündigt, diese Rechtsprechung dahingehend zu ändern, dass sich die Auslegung von Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind, in erster Linie am Wortlaut der Verweisungsklausel zu orientieren hat. Soweit ein Vertragspartner Regelungsziele verfolgt, die im Wortlaut keinen Niederschlag gefunden haben, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für den Vertragspartner in anderer Weise mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen.
bb) In der Entscheidung vom 18. April 2007 (– 4 AZR 652/05 – BAGE 122, 74) hat der Senat diese Ankündigung umgesetzt. Eine individualvertragliche Klausel, die ihrem Wortlaut nach ohne Einschränkung auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung verweist, ist im Regelfall dahingehend auszulegen, dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung gelten soll und dass diese Geltung nicht von Faktoren abhängt, die nicht im Vertrag genannt oder sonst für beide Parteien ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind. Diese Auslegungsregel gilt nicht nur, wenn auf einen bestimmten Tarifvertrag verwiesen wird, sondern auch, wenn – wie vorliegend – ohne Einschränkung das gesamte Tarifwerk einer Branche in Bezug genommen wird. Das hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2005 ausgeführt (– 4 AZR 536/04 – BAGE 116, 326). Die Bezugnahmeklausel kann bei einer etwaigen Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag grundsätzlich keine andere Wirkung haben als bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber. In beiden Fällen unterliegt die Dynamik der Bezugnahmeklausel keiner auflösenden Bedingung. Der Senat hat diese Rechtsprechungsänderung in seiner Entscheidung vom 18. April 2007 begründet und sich mit den in der Literatur erhobenen Bedenken bereits ausführlich auseinandergesetzt (– 4 AZR 652/05 – Rn. 35 mwN, BAGE 122, 74, 84 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat ausdrücklich fest.
Die Klausel ist mit dem gewählten Wortlaut vom Arbeitgeber gestellt worden. Er hat deshalb auch die Rechtsfolgen einer solchen Erklärung und deren mögliche Risiken zu tragen. Will er die unmittelbar aus dem Wortlaut folgenden Rechtswirkungen vermeiden, kann und muss er selbst dafür sorgen, dass entsprechende Vorbehalte in einer für seinen Vertragspartner, den Arbeitnehmer, hinreichend erkennbaren Form zum Ausdruck kommen. Ein Betriebserwerber, der – wie hier – selbst nicht am Abschluss des Arbeitsvertrages beteiligt war, kann durch eine Überprüfung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Betriebsveräußerers im Vorfeld des Erwerbs diejenigen Rechte und Pflichten feststellen, in die er nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eintritt (Melot de Beauregard NJW 2006, 2522, 2524; Kast BB 2008, 450). Darüber hinaus gibt es für ihn verschiedene rechtsgeschäftliche Möglichkeiten, sich von der unbedingt zeitdynamischen Bindung zu lösen (vgl. Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 35 mwN, BAGE 122, 74, 84 f.). Schließlich ist die unbedingt zeitdynamische Wirkung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auch bislang schon in den Fällen eingetreten, in denen der Arbeitgeber bei Vertragsschluss nicht tarifgebunden war, weil hier ein Gleichstellungszweck nicht bestehen kann (vgl. Senat 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04 – BAGE 113, 40, 42 mwN).
cc) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2006 (– C-499/04 – [Werhof] EuGHE I 2006, 2397) steht dieser Auslegung nicht entgegen (oben unter 2 c).
dd) Einer Anrufung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 2 ArbGG bedarf es nicht. Die Rechtsprechungsänderung ist nur für die Auslegung von Verweisungsklauseln entscheidungserheblich, die nach dem 31. Dezember 2001 vereinbart worden sind. Hinsichtlich der Auslegung einer solchen Klausel liegt keine der jetzigen Rechtsprechung des Senats entgegenstehende Rechtsprechung eines anderen Senats oder des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vor (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 38, BAGE 122, 74, 86). Das gilt namentlich für die von der Revision angeführte Entscheidung des Siebten Senats (21. Juli 2004 – 7 AZR 589/03 – Rn. 17, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 5), die einen sog. Altvertrag vom 9. Juni 1989 zum Gegenstand hatte.
b) In Anwendung dieser Grundsätze bei der Vertragsauslegung erweist sich die Verweisungsklausel in § 8 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 2. Mai 2002 bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut als eine unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf das einschlägige Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung, die auch das Lohnabkommen vom 22. April 2006 erfasst, und die nicht von der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin abhängig ist.
aa) Nach dem Wortlaut von § 8 des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2002 “finden die jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen für die metallverarbeitende Industrie im Lande NRW Anwendung”. Dass dies nur so lange gelten soll, wie die Arbeitgeberin tarifgebunden ist, und dass dies aus der Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten bei Vertragsschluss am 2. Mai 2002 folgt, ist dem Wortlaut der Klausel nicht zu entnehmen.
bb) Auch sonstige Umstände, die für eine Einschränkung des Vertragswortlauts sprechen könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere die Mitgliedschaft des Klägers in der IG Metall führt nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass der S… Maschinenbau GmbH die Tarifgebundenheit des Klägers bekannt gewesen ist. Von daher ist schon nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger, wie es die Beklagte meint, habe erkennen können, dass ihm einzelvertraglich nicht mehr versprochen werden sollte als ihm tarifrechtlich zustand.
Soweit die Revision sich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom 21. August 2002 (– 4 AZR 263/01 – BAGE 102, 275) bezieht, übersieht sie, dass der Senat im Urteil vom 18. April 2007 (– 4 AZR 652/05 – BAGE 122, 74) diese Rechtsprechung ausdrücklich nicht aufgegriffen, sondern die Vertragsauslegung auf ihre Grundnormen in §§ 133, 157 BGB zurückgeführt hat. Wenn ein Vertragspartner vom Wortlaut des Vertrages abweichende Regelungsziele verfolgt, können diese nur dann in die Auslegung eingehen, wenn sie für den anderen Teil mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Dass die Parteien der Tarifbindung des Klägers besondere Bedeutung beigemessen hätten, hat im Vertragstext keinen Niederschlag gefunden und ist auch sonst nicht ersichtlich. Mögliche Motive der Vertragsparteien können für sich genommen keinen entscheidenden Einfluss auf die Auslegung der Verweisungsklausel haben (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 29, 32, BAGE 122, 74, 82 ff.).
c) Gegenüber der gerichtlichen Anwendung dieser Auslegungsregeln kann sich die Beklagte nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen. In der Entscheidung vom 18. April 2007 (– 4 AZR 652/05 – BAGE 122, 74) hat der Senat ausführlich begründet, welche Faktoren für die Gewährung eines Vertrauensschutzes und die Festlegung des Stichtags 1. Januar 2002 für die Änderung seiner Rechtsprechung zur Auslegung von arbeitsvertraglichen Verweisungsklauseln maßgeblich sind. Hieran hält der Senat auch in Anbetracht der zwischenzeitlich geäußerten Kritik (Höpfner NZA 2008, 91, 93; Spielberger NZA 2007, 1086, 1089; Schiefer SAE 2008, 22, 26; Gaul/Naumann DB 2007, 2594, 2596; Simon/Weninger BB 2007, 2127, 2128; Bayreuther Anm. AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53; Clemenz NZA 2007, 769, 773; Olbertz BB 2007, 2737, 2740) fest.
aa) Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt damit keine vergleichbare Rechtsbindung (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 47 mwN, BAGE 122, 74, 88 f.). Deshalb kann ein Gericht grundsätzlich ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von einer früheren Rechtsprechung abweichen, selbst wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauung nicht eingetreten ist. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes liegt in einer solchen Rechtsprechungsänderung jedenfalls dann nicht, wenn diese sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. nur BVerfG 4. August 2004 – 1 BvR 1557/01 – NVwZ 2005, 81, 82; BVerfG 6. Mai 2008 – 2 BvR 1926/07 – NZA-RR 2008, 607; BGH 5. März 2008 – VIII ZR 95/07 – NJW 2008, 1438, 1439; sowie Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 47 mwN, BAGE 122, 74, 88 f.).
bb) Eine Einschränkung der Rückwirkung der Rechtsprechungsänderung ist jedoch geboten, wenn die mit der Rückwirkung belastete Partei auf die Weiterführung der Rechtsprechung vertrauen durfte und die Anwendung der geänderten Rechtsauffassung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Prozessgegners eine unzumutbare Härte bedeuten würde (ausf. Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 49 mwN, BAGE 122, 74, 89). Zur Ermittlung des Zeitpunkts, ab welchem es den Klauselverwendern zumutbar war, auf hinreichende Klarheit der von ihnen abgegebenen Erklärungen hinzuwirken und die Folgen möglicher Unklarheiten und Unvollkommenheiten in den von ihnen selbst gestellten typischen Verweisungsklauseln auch selbst zu tragen, ist eine typisierende Abwägung der Parteiinteressen vorzunehmen (ausf. Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 54, BAGE 122, 74, 91). Diese Interessenabwägung führt im Ergebnis zu einer Stichtagsregelung, die auch im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zur Gewährung eines Vertrauensschutzes und zu seiner zeitlichen Begrenzung erforderlich und geeignet ist.
cc) Maßgeblich für die Festlegung des Stichtags ist nicht allein “die Einführung der AGB-Prüfung im Arbeitsrecht” (Spielberger NZA 2007, 1086, 1087). Die erstmalige Kodifizierung der Inhaltskontrolle von vorformulierten Arbeitsverträgen ist für die vollzogene Rechtsprechungsänderung nicht entscheidend. Vorrangig von Bedeutung ist der damit einhergehende, vom Gesetzgeber ausgelöste Paradigmenwechsel. Die damit verbundene Festlegung des Zeitpunktes eines relevanten Wertewandels markiert die Zeitgrenze, die auch und gerade im Arbeitsrecht bei der Festlegung von Vertrauensschutz zu einer neuen Gewichtung der beiderseitigen berechtigten Interessen führen muss. Der Gesetzgeber hat mit der Schuldrechtsnovelle ua. eine erneute nachhaltige Aufforderung an die Verwender von Formularverträgen erhoben, das von ihnen Gewollte auch in der entsprechenden verständlichen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) Form eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Der Senat sieht es deshalb unter diesem Gesichtspunkt unter Berücksichtigung der gegenläufigen und nunmehr ab dem 1. Januar 2002 weiter gestärkten berechtigten Interessen der Arbeitnehmer für die Arbeitgeber ab Inkrafttreten der Schuldrechtsreform nicht mehr als unzumutbare Härte an, wenn sie die Rechtsfolgen der von ihnen selbst nach diesem Zeitpunkt hervorgebrachten Differenz zwischen dem Erklärten und dem Gewollten auch selbst zu tragen haben (so schon Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 58 mwN, BAGE 122, 74, 93 f.).
dd) Durch die Entscheidung des Senats vom 19. März 2003 (– 4 AZR 331/02 – BAGE 105, 284) wird der Stichtag nicht in Frage gestellt (so aber Schiefer SAE 2008, 22, 26; Gaul/Naumann DB 2007, 2594, 2596; Simon/Weninger BB 2007, 2127, 2128; Spielberger NZA 2007, 1086, 1087; Olbertz BB 2007, 2737, 2740). Gegenstand dieser Entscheidung war ein sog. Altvertrag aus dem Jahr 1997. Für solche Verträge wendet der Senat die Grundsätze der früheren Rechtsprechung nach wie vor an (s. etwa BAG 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 37). Deshalb kommt dieser Entscheidung bei der typisierten Interessenabwägung (unter bb) und bei der Beurteilung der maßgeblichen Faktoren für die Festlegung des Stichtags (unter cc) keine maßgebliche Bedeutung zu. Für die Beklagte kann diese Entscheidung darüber hinaus schon deshalb kein schützenswertes Vertrauen begründet haben, weil die hier in Frage stehende Bezugnahmeklausel bereits am 2. Mai 2002 vereinbart wurde.
ee) Die Festlegung des Stichtags für die Gewährung von Vertrauensschutz für sog. Altverträge steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht in einem Wertungswiderspruch zu den Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Die Revision übersieht, dass die Senatsrechtsprechung sich nicht auf eine Anwendung der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen stützt. Maßstab der Auslegung der Vertragsklausel sind die §§ 133, 157 BGB (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 24, BAGE 122, 74, 81). Deshalb besteht keine Vergleichbarkeit mit den Fällen, die das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB regelt. Daher kann bei der Festlegung eines Stichtages, bis zu dem Vertrauensschutz gewährt werden soll, kein Wertungswiderspruch zu einer gesetzlichen Übergangsregelung bestehen, die sich mit einem anderen Sachverhalt befasst.
Selbst wenn man jedoch mit der Beklagten annehmen wollte, die Wertung der Übergangsbestimmung des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB spielte im vorliegenden Zusammenhang eine Rolle, würde sich daraus kein Vertrauensschutz für die Beklagte ergeben können. Die Übergangsregelung befasst sich nur mit der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf bereits vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Dauerschuldverhältnisse. Für die danach abgeschlossenen Arbeitsverträge sind ausschließlich die §§ 305 ff. BGB nF einschlägig.
ff) Die Gewährung von Vertrauensschutz kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil eine Regelung in einem sog. Altvertrag zu beurteilen ist, wie es die Beklagte meint. Maßgeblich ist der Inhalt des Arbeitsvertrages vom 2. Mai 2002. Durch diese vertragliche Abrede haben der Kläger und die S… Maschinenbau GmbH das gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf sie übergegangene Arbeitsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt, die für die Auslegung der Bezugnahmeklausel einschlägig ist. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handelt es sich dabei nicht nur um eine schriftliche “deklaratorische” Fixierung bestehender Arbeitsbedingungen.
Für eine arbeitsvertragliche Regelung spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung. Das Formular ist überschrieben mit “Anstellungsvertrag für Tarifangestellte/gewerbliche Mitarbeiter”, was darauf schließen lässt, dass hier eine konstitutive Vereinbarung der vertragsschließenden Parteien geschlossen oder dokumentiert wird, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses unmittelbar regelt (s. auch Senat 12. Dezember 2007 – 4 AZR 998/06 – AP TVG § 4 Nr. 29 = EzA TVG § 4 Nr. 44). Auch verwendet die S… Maschinenbau GmbH ein vollständiges und eigenständiges Vertragsformular. Darüber hinaus wird in § 1 des Arbeitsvertrages der Beginn des Vertrages mit dem 17. Mai 2002 festgelegt und in § 9 lediglich der “Eintritt” in den Betrieb als anzurechnendes Beschäftigungsverhältnis festgehalten, was gleichfalls gegen einen lediglich deklaratorischen Nachweis der bereits bestehenden Arbeitsbedingungen spricht. Anhaltspunkte dafür, dass lediglich ein Nachweis geführt werden soll, sind dem Vertragsformular nicht zu entnehmen. Sonstige Umstände, die trotz des unterzeichneten Vertrages für eine solche Annahme sprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat schon nicht dargetan, welche vertraglichen Regelungen zuvor bei der Rechtsvorgängerin gegolten haben sollen. Ein Vergleich war damit nicht möglich. Nur aus ihm hätte sich trotz des auf einen neuen, eigenständigen Vertragsschluss deutenden Wortlauts des Vertrages vom 2. Mai 2002 möglicherweise ergeben können, dass lediglich ein Nachweis von früher Vereinbartem erfolgen sollte.
Gegen die Annahme einer neuen vertraglichen Regelung spricht auch nicht eine von der Beklagten angeführte “Veränderungssperre” nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Sperre betrifft ausschließlich Rechte und Pflichten, die sich vor dem Betriebsübergang beim Veräußerer aus einem normativ geltenden Tarifvertrag ergaben. Einzelvertragliche Vereinbarungen, auch eine Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk, die beim Betriebsveräußerer getroffen worden sind, sind von Betriebserwerber und übernommenem Arbeitnehmer jederzeit abänderbar; es kann auch ein insgesamt neuer Arbeitsvertrag vereinbart werden (vgl. BAG 7. November 2007 – 5 AZR 1007/06 – AP BGB § 613a Nr. 329 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 79). Von daher trifft auch das Argument der Beklagten nicht zu, es habe wegen der früheren Tarifgeltung keine Regelungsnotwendigkeit gegeben. Ebenso wenig kann aus der Mitgliedschaft des Klägers in der IG Metall ein fehlender Rechtsbindungswille der S… Maschinenbau GmbH gefolgert werden, weil das in Bezug genommene Tarifwerk bereits aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung gegolten hätte. Es fehlt bereits an einer Darlegung, dass der Rechtsvorgängerin die Tarifgebundenheit des Klägers bekannt gewesen ist. Darüber hinaus enthält der Vertrag auch eigenständige Regelungen, etwa zum Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der S… Maschinenbau GmbH, in dem das Arbeitsverhältnis bei der vorangegangenen Arbeitgeberin des Klägers lediglich als “anrechenbares Beschäftigungsverhältnis” gekennzeichnet wird.
gg) Schließlich ist ein Vertrauensschutz auch nicht für den Fall zu gewähren, dass eine der Bezugnahme im Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2002 entsprechende Vereinbarung auch schon vor dem 1. Januar 2002 enthalten gewesen sein sollte. Bei dem neuen Arbeitsvertragsschluss, der nicht lediglich einen Nachweis von früher Vereinbartem darstellt, bestand hinreichender Anlass, das Gewollte deutlich zum Ausdruck zu bringen (Senat 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 60, BAGE 122, 74, 94 f.).
II. Ob der Anspruch des Klägers auch infolge kongruenter Tarifgebundenheit der Parteien begründet ist, kann vorliegend dahinstehen. Von daher ist nicht darüber zu entscheiden, ob der Senat die gut nachvollziehbar dargelegten Bedenken des Landesarbeitsgerichts teilt, die Satzung des Arbeitgeberverbandes genüge nicht denjenigen Anforderungen, die an die wirksame Begründung einer sog. OT-Mitgliedschaft (vgl. dazu etwa Senat 4. Juni 2008 – 4 AZR 419/07 – Rn. 37 ff., NZA 2008, 1366, 1369 f.) zu stellen sind.
III. Der Zinsanspruch ist nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 15 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 MTV Metallindustrie, § 2 Abs. 2 Lohnabkommen im geltend gemachten Umfang begründet.
IV. Die Kosten der erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.
Unterschriften
Bepler, Creutzfeldt, Treber, Hardebusch, Th. Hess
Fundstellen
Haufe-Index 2126858 |
BAGE 2010, 185 |
BB 2008, 2457 |
BB 2009, 1022 |
DB 2009, 962 |