Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgezogene Altersgrenze und Insolvenzschutz
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bestimmung einer "festen Altersgrenze" im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 (2. Halbsatz) BetrAVG ist grundsätzlich frei und nicht an "Regelgrenzen" gebunden.
2. Für den gesetzlichen Insolvenzschutz ist die Vereinbarung einer vorgezogenen "festen Altersgrenze" nur verbindlich, soweit die vorgesehenen Leistungen als "Altersversorgung" im Sinne von § 1 Abs 1 Satz 1 BetrAVG anzusehen sind. Das ist der Fall, wenn die Leistungen dazu dienen sollen, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dessen Ausscheiden aus dem Beruf oder aus dem Erwerbsleben zu sichern.
3. Wird einem leitenden Angestellten das Recht eingeräumt, mit Vollendung des 60. Lebensjahres auszuscheiden und eine Betriebsrente zu beanspruchen, so ist im Zweifel davon auszugehen, daß die Betriebsrente der Versorgung des Angestellten dienen soll.
Orientierungssatz
Siehe auch das früher ergangene Urteil des BAG vom 2.8.1983, 3 AZR 370/81 = AP Nr 19 zu § 7 BetrAVG.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 242; BetrAVG §§ 1-2, 6-7
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 13.09.1984; Aktenzeichen 8 Sa 547/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 12.03.1984; Aktenzeichen 17/11 Ca 5094/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie hoch die Betriebsrente des Klägers ist, für die der Beklagte einzustehen hat.
Der Kläger ist am 7. Januar 1923 geboren. Er war vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Oktober 1979 bei der R OHG in B beschäftigt. Im April 1965 übernahm er die technische und kaufmännische Leitung des Unternehmens. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt 11.500,-- DM. Außerdem bezog er Tantiemen.
Mit Schreiben vom 5. Januar 1962 erhielt der Kläger eine Versorgungszusage, die mit Schreiben vom 2. April 1965 verbessert und zuletzt in § 4 eines Anstellungsvertrages vom 1. Januar 1974 ergänzt wurde. Danach sollte das betriebliche Ruhegeld des Klägers 75 % der durchschnittlichen Monatsbezüge der letzten drei Jahre betragen und mit Vollendung des 60. Lebensjahres oder bei dauernder Arbeitsunfähigkeit fällig werden. In dem Schreiben vom 2. April 1965 heißt es:
"Falls Du bis zur Vollendung des 60. Lebens-
jahres in der Firma bleibst und dann den
Wunsch hast, auszuscheiden, erhältst Du von
der Firma ein monatliches Ruhegehalt in Höhe
von 75 % der durchschnittlichen Monatsbezüge
der letzten drei Jahre. Diese Ruhegeldzusage
gilt auch für den Fall, daß Du vor Vollendung
des 60. Lebensjahres, aber während des Dienstes
bei der Firma, dauernd arbeitsunfähig werden
solltest."
Spätestens im Jahre 1979 geriet die Gesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Unter dem Druck der Kreditgeber schlossen der Kläger und die Gesellschaft am 2. November 1979 einen Vertrag, durch den das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Oktober 1979 beendet wurde. Nr. 4 des Vertrages lautet:
"Herr B tritt mit dem 1. November 1979 auf der
Grundlage seines Pensionsvertrages vom 1. Februar
1962, 1. April 1965 und 1. Januar 1974 in Pension
und bezieht vom 1. November 1979 ab die ihm zuge-
sagte Betriebsrente. Bei der Berechnung dieser
Betriebsrente ist gemäß des Pensionsvertrages von
den durchschnittlichen Bezügen des Herrn B in
den letzten 3 Jahren, mithin von DM 557.800,-- : 36 =
DM 15.494,-- auszugehen. Dieser hiernach ermittelte
Betrag ist für jeden Monat, den Herr B vor Er-
reichen des 60. Lebensjahres in Pension geht, näm-
lich 38 Monate, um 0,5 % je Monat zu kürzen. Dies
ergibt eine Pensionszahlung ab 1. November 1979 in
Höhe von DM 12.550,14. Die Tantiemezahlungen wurden
bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Die ge-
kürzte Rente soll das vorzeitige Inkraftsetzen der
Betriebsrente ausgleichen, so daß eine Anhebung mit
Erreichen des 60. Lebensjahres nicht erfolgt."
Die Sanierung mißlang; am 1. Februar 1980 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger erhielt die vereinbarte Rente nicht. Er nahm daraufhin den Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung auf Zahlung der Rente für den Monat Februar 1980 in Anspruch. Die Klage wurde in letzter Instanz durch das Urteil des Senats vom 2. August 1983 - 3 AZR 370/81 - (AP Nr. 19 zu § 7 BetrAVG) mit der Begründung abgewiesen, daß die zugesagten Leistungen bis zur vorgesehenen Altersgrenze keine betriebliche Altersversorgung seien, für die der Beklagte einzustehen habe.
Der Kläger ist gemäß Bescheid des Versorgungsamts München vom 2. Dezember 1982 zu 60 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Er wurde am 7. Januar 1983 60 Jahre alt. Seit dem 1. Februar 1983 bezieht er vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen anerkannter Schwerbehinderung. Seither gewährt ihm auch der Beklagte Versorgungsleistungen, und zwar in Höhe von 7.859,10 DM monatlich. Diesen Betrag hat der Beklagte wie folgt berechnet:
Durchschnittsgehalt der letzten
drei Jahre gemäß Vertrag vom
2. November 1979
557.800 : 36 = 15.494,44 DM
Davon 75 % = 11.620,83 DM
Versicherungsmathematischer
Abschlag
0,5 % x 36 Monate = 18 % = 2.091,75 DM
11.620,83 ./. 2.091,75 = 9.529,08 DM
Zeitanteilige Kürzung bei
Pensionsalter 63 (erreicht
am 7. Januar 1986)
349 : 423 = 0,824747 = 7.859,10 DM
===========
Der Kläger hält diese Berechnung in mehrfacher Hinsicht für falsch: Das maßgebliche Bruttogehalt habe 933.246,50 DM betragen. Außerdem dürfe der Beklagte keinen versicherungsmathematischen Abschlag vornehmen. Schließlich sei der Zeitwertfaktor falsch berechnet; der Beklagte dürfe nicht von einem Rentenalter 63 ausgehen; Altersgrenze sei das 60. Lebensjahr, so daß der Kürzungsfaktor 0,9018 betrage. Als Rente errechne sich damit ein Betrag von 17.535,16 DM monatlich, der wegen Überschreitung des Dreifachen der Bemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 15.000,-- DM monatlich zu kürzen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn
für die Monate Februar, März, April
und Mai 1983 insgesamt DM 28.561,20
nebst 4 % Zinsen aus DM 7.140,30
jeweils ab 1.3., 1.4., 1.5. und 1.6.
1983 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe einen insolvenzgesicherten Rentenanspruch nur in Höhe von 7.859,10 DM monatlich. Als Berechnungsgrundlage sei das im Vertrag vom 2. November 1979 festgelegte Durchschnittsgehalt maßgebend. Davon stünden dem Kläger gemäß dem Vertrag vom 1. Januar 1974 nur 75 % zu; die Erhöhung der Rente auf 100 % des Bemessungsentgelts im Vertrag vom 2. November 1979 sei dem Träger der Insolvenzsicherung gegenüber nach § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG unwirksam, da sie im letzten Jahr vor dem Eintritt des Sicherungsfalles vereinbart worden sei. Die Anhebung um 25 % bedeute eine Verbesserung im Vergleich zu dem gleichzeitig vereinbarten versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % monatlich für 38 Monate. Beim Zeitwertfaktor sei auf das 63. Lebensjahr abzustellen. Die im Vertrag vorgesehene Pensionsgrenze von 60 Jahren könne nicht als Altersgrenze anerkannt werden. Der Träger der Insolvenzsicherung dürfe auch versicherungsmathematische Abschläge vornehmen; das habe der Senat im Urteil vom 20. April 1982 entschieden (BAG 38, 277 = AP Nr. 4 zu § 6 BetrAVG mit Anm. von Klaus Heubeck). Hier könne nicht deshalb etwas anderes gelten, weil die Zusage Rentenzahlungen schon bei Erreichen des 60. Lebensjahres vorgesehen habe. Die bis dahin gezahlten Übergangsgelder seien für den Beklagten nicht maßgeblich. Daß der Kläger tatsächlich seit dem 60. Lebensjahr vom PSV Leistungen erhalte, habe seinen Grund allein in § 6 BetrAVG und nicht in dem vom Kläger geschlossenen Vertrag.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger über den vom Beklagten gezahlten Betrag hinaus eine zusätzliche monatliche Rente von 588,66 DM zuerkannt. Das Berufungsgericht hat dem Kläger eine monatliche Rente von 11.371,82 DM zugesprochen, also 3.458,72 DM monatlich mehr als vom Beklagten anerkannt.
Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger verlangt mit der unselbständigen Anschlußrevision über die Entscheidung des Berufungsgerichts hinaus zusätzlich 1.232,32 DM monatlich, insgesamt also eine Rente von 12.550,14 DM.
Entscheidungsgründe
Beide Parteien haben mit ihren Angriffen gegen das angefochtene Urteil teilweise Erfolg.
I. Das Berufungsgericht ist bei der Rentenberechnung von der im Vertrag vom 2. November 1979 festgelegten Bemessungsgrundlage ausgegangen. Das ist nicht zu beanstanden.
1. Nach der Zusage der früheren Arbeitgeberin vom 2. April 1965 sollte das Ruhegeld nach den durchschnittlichen Monatsbezügen der letzten drei Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis berechnet werden. Diese Bezüge wurden in dem Vertrag vom 2. November 1979 mit 15.494,-- DM monatlich angegeben; von ihnen ist das Berufungsgericht bei der Rentenberechnung ausgegangen.
Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe die Regelung im Vertrag vom 2. November 1979 mißverstanden; die hier genannten Beträge seien nur Berechnungsgrundlage für die bis zum Erreichen der Altersgrenze zu zahlenden Übergangsgelder, nicht aber für die danach fällige Betriebsrente. Bei der Ermittlung der Rente müßten zusätzlich die bezogenen Tantiemen berücksichtigt werden, so daß sich bei Bezügen von insgesamt 933.246,50 DM in den letzten drei Jahren ein monatliches Durchschnittseinkommen von 25.923,51 DM errechne. Daß sich der Vertrag vom 2. November 1979 mit den dort genannten Beträgen nur auf die Übergangsgelder beziehe, ergebe sich auch aus dem Urteil des Senats vom 2. August 1983 (aa0).
2. Die Angriffe der Anschlußrevision sind nicht überzeugend. Der Kläger kann keine Auslegungsfehler des Berufungsgerichts aufzeigen.
a) Es trifft nicht zu, daß die im Vertrag vom 2. November 1979 genannte Bemessungsgrundlage nur die Ansprüche des Klägers bis zum Einsetzen der Betriebsrente betrifft. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Vertrag eine solche Unterscheidung nicht kennt, daß er vielmehr die Ansprüche des Klägers insgesamt regelt, d.h. auch für die Zeit nach Erreichen der Altersgrenze. Damit ist die Bemessungsgrundlage für sämtliche Ansprüche des Klägers nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einheitlich festgelegt worden, mag es sich dabei in der rechtlichen Bewertung auch zunächst um Übergangsgelder gehandelt haben, die erst im Laufe der Zeit zu einer betrieblichen Altersrente wurden.
Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch gestützt, daß der versicherungsmathematische Abschlag von 0,5 % pro Monat zwar nach der Zeit vom Ausscheiden bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers berechnet wurde, aber für die gesamte Rentenlaufzeit gelten und den vorzeitigen Beginn der Rente ausgleichen sollte. Der Versorgungsanspruch des Klägers wurde mithin als ein einheitlicher Anspruch betrachtet, dessen Höhe sich vor und nach der ursprünglich vorgesehenen Altersgrenze auf der Grundlage der im Vertrag vom 2. November 1979 genannten Zahlen errechnen sollte. Wenn, wie der Kläger behauptet, die Tantiemen nach den ursprünglichen Versorgungszusagen einzubeziehen gewesen sein sollten, haben die Vertragsparteien in dem Vertrag vom 2. November 1979 insoweit eine abändernde Regelung getroffen; wie in einem Vergleich haben sie die Höhe des Anspruchs rechnerisch ermittelt und festgelegt.
b) Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, der Senat habe in seinem Urteil vom 2. August 1983 anders entschieden. Der Senat hatte allein darüber zu befinden, ob die vom Kläger für den Monat Februar 1980 begehrte Zahlung insolvenzgeschützt war. Das hat der Senat mit der Begründung verneint, daß es sich bei dem geltend gemachten Betrag um eine Art von Übergangsgeld handele und der Insolvenzschutz erst einsetze, wenn die ursprünglich versprochenen Versorgungsleistungen fällig würden (zu 2 a) und b) der Gründe). Die Frage, nach welcher Bemessungsgrundlage der Anspruch zu berechnen ist, stellte sich nicht.
II. Entgegen der Regelung im Vertrag vom 2. November 1979 kann der Kläger nicht 100 %, sondern nur 75 % des Bemessungsentgelts als insolvenzgeschützte Rente verlangen. Insoweit kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden.
1. Während dem Kläger nach den Versorgungszusagen vom 2. April 1965 und 1. Januar 1974 eine Betriebsrente in Höhe von 75 % des Bemessungsentgelts zustehen sollte, bildet nach dem Vertrag vom 2. November 1979 das Bemessungsentgelt selbst den Betrag der Betriebsrente. Damit wurde die Versorgungszusage auf 100 % des Bemessungsentgelts erhöht. Der Beklagte hält diese Änderung der Versorgungszusage zu Recht für unwirksam, soweit der gesetzliche Insolvenzschutz betroffen ist. Das Berufungsgericht, das von den im Vertrag vom 2. November 1979 genannten Zahlen ausgegangen ist, hat § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG nicht beachtet.
a) Nach dieser Vorschrift werden Verbesserungen der Versorgungszusagen bei der Bemessung der Leistungen des Trägers der Insolvenzsicherung nicht berücksichtigt, soweit sie in dem letzten Jahr vor Eintritt des Sicherungsfalls größer gewesen sind als in dem diesem Jahr vorausgegangenen Jahr. Das Gesetz sieht hier zwingend einen Leistungsausschluß vor, der den PSV vor Mißbrauch schützen soll. Er beruht auf der unwiderlegbaren Vermutung, daß Leistungsverbesserungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Arbeitgebers auf spekulativen Erwägungen beruhen und den Zweck verfolgen, voraussichtlich nicht erfüllbare Zusagen dem Träger der Insolvenzsicherung aufzubürden (Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 7 Rz 159; Schoden, Betriebliche Altersversorgung, 2. Aufl., § 7 BetrAVG Rz 20).
b) Unter "Verbesserungen" sind alle Änderungen zu verstehen, die den Begünstigten im Vergleich zu der bis dahin geltenden Zusage mit Wirkung für den Insolvenzschutz besserstellen wollen. Verbesserungen, die ohnehin nach dem Leistungsplan eintreten sollten, werden von der Beschränkung des Insolvenzschutzes nicht erfaßt (Höfer/Abt, aa0, § 7 Rz 161; Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 7 Rz 88; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 7 Rz 301).
Die Erhöhung der Betriebsrente des Klägers im Vertrag vom 2. November 1979 stellt eine Verbesserung im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG dar. Daß zugleich ein versicherungsmathematischer Abschlag von 19 % vorgesehen wurde, schließt den Tatbestand einer Verbesserung schon rechnerisch nicht aus. Zudem steht der versicherungsmathematische Abschlag nicht mit der Anhebung der Rente von 75 % auf 100 % des Bemessungsentgelts in Zusammenhang. Er dient allein dazu, eine weitere Verbesserung der Versorgungsregelung auszugleichen, nämlich die im Vergleich zu den früheren Zusagen um 38 Monate längere Laufzeit.
c) Die Verbesserung im Vertrag vom 2. November 1979 ist innerhalb eines Jahres vor dem Sicherungsfall zugesagt worden. Das Konkursverfahren über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin des Klägers wurde am 1. Februar 1980 eröffnet, also bereits drei Monate nach dem Vertragsschluß.
2. Der Ausschluß von der Insolvenzsicherung hinsichtlich der Leistungsverbesserung führt nicht nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des ganzen Vertrages. Auf die Bindung der Vertragsparteien hat § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG keinen Einfluß. Ohne nähere Anhaltspunkte für die Annahme des Gegenteils ist davon auszugehen, daß die Verbesserung auch dann vereinbart worden wäre, wenn den Vertragsparteien bewußt gewesen wäre, daß insoweit kein Insolvenzschutz bestehen konnte, falls der Sicherungsfall innerhalb eines Jahres eintreten sollte.
III. Der Kläger muß hinnehmen, daß seine Betriebsrente wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung zeitanteilig gekürzt wird. Der Auffassung des PSV, bei der Berechnung des Kürzungsfaktors sei auf die Vollendung des 63. Lebensjahres abzustellen, kann jedoch nicht gefolgt werden. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Vollendung des 60. Lebensjahres als Altersgrenze und damit als maßgeblichen Zeitpunkt für den Versorgungsfall angenommen.
1. a) Der Kläger verlangt vom PSV Leistungen für die Zeit ab 1. Februar 1983, also nicht vom Sicherungsfall, sondern erst von der Vollendung des 60. Lebensjahres an. Seither erbringt der PSV auch Zahlungen, er behandelt den Kläger aber bei der Rentenberechnung so, als sei dieser nach der Versorgungszusage verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres also bis zum 1. Februar 1983 zu arbeiten. Der PSV geht davon aus, dem Kläger stehe bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres keine Altersrente, sondern eine vom gesetzlichen Insolvenzschutz nicht erfaßte sonstige Versorgungsleistung zu. Wenn der Kläger gleichwohl schon seit dem 60. Lebensjahr Leistungen erhalte, so habe das seinen Grund allein in § 6 BetrAVG; denn seither erhalte er als Schwerbehinderter ein vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der eigentliche Versorgungsfall wegen Alters sei aber erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres eingetreten. Mithin müsse bei der zeitanteiligen Rentenkürzung auf den 1. Februar 1983 abgestellt werden. Diese Auffassung überzeugt nicht.
b) Nach § 7 Abs. 2 BetrAVG erhalten Personen, die bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers oder in einem gleichgestellten Sicherungsfall eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Anwartschaft haben, bei Eintritt des Versorgungsfalles einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung. Die Höhe dieses Anspruchs richtet sich nach § 2 Abs. 1 BetrAVG; die Rente des Arbeitnehmers, der vor Erreichen der Altersgrenze und bereits vor dem Sicherungsfall ausscheidet, ist im Verhältnis von erreichter zu erreichbarer Betriebszugehörigkeit zu kürzen. Erreichbar ist die Betriebszugehörigkeit bis zur "Altersgrenze".
§ 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG bestimmt, was unter "Altersgrenze" bei der Berechnung des Zeitwertfaktors zu verstehen ist: Die Vollendung des 65. Lebensjahres oder das Erreichen der in der Versorgungszusage bestimmten "festen Altersgrenze". Das Gesetz geht davon aus, daß die Parteien des Arbeitsvertrags eine vorgezogene Altersgrenze vereinbaren können. Es eröffnet ihnen ausdrücklich die Möglichkeit, ein geringeres Lebensalter als die Vollendung des 65. Lebensjahres vorzusehen. Es hat auch nicht verboten, dabei das Lebensalter von 63 Jahren zu unterschreiten. Der gesetzlichen Regelung liegt ersichtlich die Annahme zugrunde, daß die an der Versorgungsregelung Beteiligten am besten wissen und entscheiden können, mit welchem Alter der Arbeitnehmer aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden und die betrieblichen Versorgungsleistungen einsetzen sollen.
Demgemäß hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 22. Februar 1983 (BAG 41, 414, 418 = AP Nr. 15 zu § 7 BetrAVG, zu 4 b) der Gründe) und vom 12. November 1985 (- 3 AZR 606/83 - zur Veröffentlichung vorgesehen) näher zu dem Begriff der festen Altersgrenze Stellung genommen. Das Merkmal bezeichnet die als Grundlage der Vollrente erreichbare Höchstdauer des Arbeitsverhältnisses. Es hat allein die Funktion, eine Berechnungsgrundlage für die Bestimmung des erdienten Teils einer Versorgungsanwartschaft zu liefern und ist damit von der "flexiblen Altersgrenze" zu unterscheiden, die es nach § 6 BetrAVG dem Arbeitnehmer ermöglicht, ohne Rücksicht auf die im Versorgungsvertrag vorgesehene Altersgrenze vorzeitig vom Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu verlangen (BAG, Urteil vom 12. November 1985, aa0, zu I 1 der Gründe).
c) Dem Beklagten ist zuzugeben, daß der gesetzliche Insolvenzschutz an Voraussetzungen gebunden ist, die nicht zur freien Disposition der Arbeitsvertragsparteien stehen. Das gilt vor allem für die Art der geschützten Versorgungsleistungen. Es muß sich um "Altersversorgung" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG handeln; Übergangshilfen, Kündigungsabfindungen u.ä. sind nicht insolvenzgeschützt (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 28. Januar 1986 - 3 AZR 312/84 - zur Veröffentlichung bestimmt). Das ist auch bei der Bestimmung des Begriffs der Altersgrenze zu beachten. Nicht jeder beliebige Stichtag, der nach dem Willen der Vertragspartner Rentenansprüche erwachsen läßt, ist eine Altersgrenze im Sinne des Betriebsrentengesetzes. Gemeint ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einsetzen sollen, weil die Parteien damit rechnen, daß der Arbeitnehmer aus dem Berufs- oder Erwerbsleben ausscheiden und deshalb auf Versorgungsleistungen angewiesen sein werde. Maßgebend ist also der Zweck der Leistungen, die mit der Altersgrenze fällig werden. Weitergehende Zusagen sind für den Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung unverbindlich.
Die Einschränkung der Vertragsfreiheit geht jedoch nicht so weit, daß eine "Regelgrenze" als Altersgrenze vorgeschrieben würde (besonders nachdrücklich Höhne bei Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl., § 1 Rz 24; aber ebenso Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz 16; im Ergebnis auch Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., ArbGr. Rz 20, der allerdings Alters- und Invaliditätsleistungen unterscheiden will). Eine solche "Regelgrenze" läßt sich auch nicht aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ableiten. Dort werden Massentatbestände schematisch geregelt; demgegenüber steht der betrieblichen Altersversorgung ein weiter Regelungsspielraum offen, der es erlaubt, betrieblichen und individuellen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Im übrigen kennt auch das Sozialversicherungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen die Zahlung einer vorgezogenen Altersrente bereits mit der Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 25 AVG, § 1248 RVO, § 48 RKG). Das Betriebsrentengesetz geht demgegenüber davon aus, daß es Sache der unmittelbar Betroffenen sein muß, den konkreten Versorgungsbedürfnissen Rechnung zu tragen. Eine regelmäßige Altersgrenze, deren Unterschreitung grundsätzlich die Annahme einer Altersversorgung ausschließt, ist angesichts der Vielgestaltigkeit der Arbeitsverhältnisse und der unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen an die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern im fortgeschrittenen Alter in der betrieblichen Altersversorgung nicht anzuerkennen.
Der PSV kann sich für seine Auffassung, vor Vollendung des 63. Lebensjahres scheide eine Versorgung wegen Alters aus, nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen. In seinen Urteilen vom 16. März 1981 - II ZR 222/79 - und 28. September 1981 - II ZR 181/80 - (AP Nr. 10 und 12 zu § 7 BetrAVG) hat es der Bundesgerichtshof gerade offengelassen, ob vertragliche Regelungen, die einen Zeitpunkt zwischen der Vollendung des 60. und 63. Lebensjahres allgemein als Altersgrenze festlegen, im Rahmen des gesetzlichen Insolvenzschutzes als verbindlich anzusehen sind; selbst eine vor Vollendung des 60. Lebensjahres einsetzende Altersrente sei unter ganz besonderen Voraussetzungen möglich (Urteil vom 28. September 1981, aa0, zu V 1 der Gründe). Dabei war der Ansatzpunkt der Prüfung des Bundesgerichtshofs ein anderer als im vorliegenden Verfahren. Es war zu entscheiden, ob Übergangsgelder mit Erreichen eines bestimmten Alters Leistungen der betrieblichen Altersversorgung wurden und dadurch Insolvenzschutz erhielten. Bei der Beantwortung dieser Frage hat der Bundesgerichtshof angenommen, das Betriebsrentengesetz regele typische Leistungen der Altersversorgung, die Wahl eines Ruhestandsalters vor Erreichen des 63. Lebensjahres müsse auf "sachlichen, nicht außerhalb des Dienstverhältnisses liegenden Gründen" beruhen (Urteil vom 28. September 1981, aa0, zu V 1 der Gründe). Auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 1984 (- II ZR 259/83 - LM Nr. 17 BetrAVG § 7) kann der PSV nichts herleiten. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil ausgeführt, mit dem Kläger jenes Verfahrens sei keine vorgezogene feste Altersgrenze vereinbart worden; zur Zeit des Sicherungsfalles habe nicht einmal eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft bestanden. Soweit der Bundesgerichtshof im übrigen von Regel- und Ausnahmetatbeständen spricht, ist das offenbar typologisch gemeint und so gesehen auch nach den Erfahrungen des Senats zutreffend: Je niedriger das Lebensalter ist, in welchem die volle Betriebsrente erdient sein soll, desto seltener wird es sich um Altersversorgung handeln.
2. Hiernach begegnet es im Streitfall keinen Bedenken, daß die Altersgrenze für den Kläger vertraglich wirksam auf das 60. Lebensjahr festgelegt wurde. Der Kläger war Mitglied der Geschäftsführung und sollte das Recht haben, bei Vollendung des 60. Lebensjahres auszuscheiden und in diesem Falle eine Betriebsrente zu beanspruchen. Diese Regelung fällt nicht so sehr aus dem Rahmen, daß ohne weitere Anhaltspunkte Zweifel am Versorgungszweck der versprochenen Leistungen angebracht wären. Tatsächlich wurde der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu dieser Zeit zu 60 % schwerbehindert, so daß er seither auch die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält.
3. Gleichwohl muß der Kläger eine Kürzung der für das 60. Lebensjahr zugesagten Vollrente hinnehmen, da er die vorausgesetzte volle Betriebszugehörigkeit nicht erbracht hat, sondern schon am 1. November 1979, also 38 Monate vorher, ausgeschieden ist. Zwar wurde er in dem Auflösungsvertrag vom 2. November 1979 so gestellt, als habe er die für das Erreichen der Vollrente notwendige Betriebszugehörigkeit erbracht. Es wurde lediglich wegen der um 38 Monate längeren Rentenlaufzeit ein versicherungsmathematischer Abschlag, aber keine ratierliche Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG vorgesehen. Jedoch waren die Leistungen bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wie der Senat im Urteil vom 2. August 1983 (zu 2 der Gründe) bereits entschieden hat. Der Versorgungsfall trat erst am 1. Februar 1983 mit der Vollendung des 60. Lebensjahres ein. Der Kürzungsfaktor beträgt, wie das Berufungsgericht richtig festgestellt hat, 0,9018087 und nicht, wie der PSV meint, 0,824747.
IV. Der PSV will die Betriebsrente des Klägers nicht nur zeitanteilig, sondern wegen des nach seiner Ansicht vorzeitigen Rentenbezugs in der Zeit vom 60. bis zum vollendeten 63. Lebensjahr nochmals versicherungsmathematisch um 0,5 % pro Monat, zusammen also um 18 % kürzen. Diese Kürzung ist unberechtigt.
Das Urteil des Senats vom 20. April 1982 (BAG 38, 277 = AP Nr. 4 zu § 6 BetrAVG), auf das sich der PSV bezieht, betrifft einen anderen Fall und kann im vorliegenden Rechtsstreit eine Rentenkürzung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen nicht rechtfertigen. In jenem Urteil - und seither wiederholt - hat der Senat die Auffassung vertreten, daß ein Arbeitnehmer, der das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt und deshalb auch berechtigt ist, ein vorgezogenes betriebliches Altersruhegeld nach § 6 BetrAVG zu verlangen, einen versicherungsmathematischen Abschlag des Trägers der Insolvenzsicherung hinnehmen müsse, wobei eine Kürzung um 0,5 % pro Monat des vorzeitigen Rentenbezugs nicht unbillig erscheine. Im Streitfall nimmt der Kläger kein vorgezogenes Ruhegeld in Anspruch. Sein Arbeitsvertrag sah den Versorgungsfall wegen Alters und die ungekürzte Vollrente mit dem 60. Lebensjahr vor. Ein vorgezogenes betriebliches Ruhegeld gemäß § 6 BetrAVG beansprucht er hier nicht.
V. Eine andere Frage ist es, ob sich die im Vertrag vom 2. November 1979 vereinbarte versicherungsmathematische Kürzung von 0,5 % pro Monat für die Zeit bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres noch auswirken kann. Das Landesarbeitsgericht hat einen versicherungsmathematischen Abschlag von 19 % für wirksam gehalten. Diese Ansicht hält einer Nachprüfung nicht stand.
Der im Vertrag vom 2. November 1979 vorgesehene versicherungsmathematische Abschlag war kraft ausdrücklicher Regelung allein dazu bestimmt, die längere Laufzeit der Rente vom Ausscheiden des Klägers bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres auszugleichen. Wie der Senat im Vorprozeß entschieden hat, war der PSV berechtigt, für diese Zeit den Insolvenzschutz zu verweigern, weil es sich insoweit nicht um betriebliche Altersversorgung handelte (Urteil vom 2. August 1983, aa0, zu 2 der Gründe). Hat der PSV aber für die der Altersgrenze vorausgehende Zeit nicht einzustehen, dann kann er die entsprechenden Leistungen auch nicht auf den späteren Bezug anrechnen. Der Einwand, auch der solvente Arbeitgeber brauche nach Erreichen der Altersgrenze keine höhere als die um den versicherungsmathematischen Abschlag gekürzte Rente zu zahlen, überzeugt nicht. Der solvente Arbeitgeber hätte die Rente 38 Monate länger zahlen müssen und nur mit Rücksicht darauf die Rente für die gesamte Laufzeit um den vereinbarten Anteil kürzen dürfen. Der PSV hat sich jedoch - zu Recht und mit Erfolg - gerade gegen die mit dem Arbeitgeber vereinbarte vorzeitige Fälligkeit zur Wehr gesetzt. Dann darf er auch keinen Abschlag wegen der vorzeitigen Fälligkeit vornehmen, ohne sich dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens auszusetzen.
VI. Hiernach ergibt sich folgendes Rechenwerk:
Bemessungsgrundlage
lt. Vertrag vom
2. November 1979 15.494,44 DM
75 % 11.620,83 DM
Ratierliche Kürzung
Faktor 0,9018087 10.479,77 DM
------------
Der PSV hat gezahlt 7.859,10 DM
Der Kläger hat Anspruch
auf die Differenz 2.620,67 DM
Für die vier Monate des
Klagezeitraums ergibt dies 10.482,68 DM.
=============
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Lichtenstein Weinmann
Fundstellen
Haufe-Index 438723 |
BAGE 52, 226-238 (LT1-3) |
BAGE, 226 |
BB 1987, 1041 |
BB 1987, 1041-1042 (LT1-3) |
DB 1987, 587-589 (LT1-3) |
BetrAV 1987, 192-193 (LT1-3) |
JR 1987, 264 |
KTS 1987, 303-309 (LT1-3) |
NZA 1987, 309-311 (LT1-3) |
RdA 1987, 60 |
ZIP 1987, 393 |
ZIP 1987, 393-397 (LT1-3) |
AP § 7 BetrAVG (LT1-3), Nr 33 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung VI Entsch 50 (LT1-3) |
AR-Blattei, ES 460.6 Nr 50 (LT1-3) |
EzA § 7 BetrAVG, Nr 20 (LT1-3) |
VersR 1987, 473-475 (LT1-3) |