Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgezogene Betriebsrente eines vorzeitig Ausgeschiedenen. Teilrentenberechnung nach § 2 Abs. 5 BetrAVG bei vereinbarter Berücksichtigung des durchschnittlichen Beschäftigungsgrades
Leitsatz (amtlich)
1. Die vorgezogene Betriebsrente (§ 6 BetrAVG) des vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist unter Rückgriff auf die Grundsätze des Betriebsrentengesetzes zu errechnen. Eine gesetzliche Berechungsregel gibt es hierfür nicht.
2. Dies bedeutet für den Regelfall, daß wegen seines vorzeitigen Ausscheidens die von dem Arbeitnehmer bis zum Erreichen der festen Altersgrenze erreichbare Vollrente in unmittelbarer Anwendung von § 2 BetrAVG zeitanteilig zu kürzen ist. Im zweiten Schritt kann der so zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens ermittelte erdiente Versorgungsbesitzstand wegen des früheren und längeren Bezuges ein zweites Mal gekürzt werden. Soweit die Versorgungsordnung dies vorsieht, kann deshalb ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen werden. In diesem Falle scheidet eine weitere mindernde Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Ruhestand und der in der Versorgungsordnung festgelegten festen Altersgrenze grundsätzlich aus(Bestätigung des Senatsurteils vom 23. Januar 2001 – 3 AZR 164/00 – DB 2001, 1887 = ZIP 2001, 1971; Aufgabe der Senatsrechtsprechung vom 13. März 1990 – 3 AZR 338/89 – AP BetrAVG § 6 Nr. 17 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 13; 12. März 1991 – 3 AZR 102/90 – BAGE 67, 301, 307 ff.).
3. Sieht eine Versorgungsordnung keine versicherungsmathematischen Abschläge vor, kann die Kürzung zum Ausgleich für den früheren und längeren Bezug des Erdienten statt dessen in der Weise erfolgen, daß die fehlende Betriebstreue zwischen vorgezogener Inanspruchnahme und fester Altersgrenze entsprechend der früheren Rechtsprechung des Senats zusätzlich mindernd berücksichtigt wird („unechter versicherungsmathematischer Abschlag”).
4. Sieht eine Versorgungsordnung bei einem Arbeitnehmer, der im Arbeitsverhältnis sowohl vollzeit- als auch teilzeitbeschäftigt war, vor, daß die Vollrente unter Berücksichtigung eines Herabsetzungsfaktors berechnet wird, der sich aus dem Verhältnis der insgesamt vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit ergibt, ist die Teilrente des vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers auf der Grundlage des bis zu dessen vorzeitigem Ausscheiden tatsächlich erreichten durchschnittlichen Beschäftigungsgrades zu ermitteln. In einem solchen Fall ist es unzulässig, die zuletzt vereinbarte Teilzeit für die Zeit bis zum Erreichen der festen Altersgrenze zu fingieren und auf dieser Grundlage den Herabsetzungsfaktor zu ermitteln.
Orientierungssatz
1. Der Senat hat seine Rechtsprechungsänderung zur Berechnung der vorgezogenen Betriebsrente nach vorzeitigem Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft durch Urteil vom 23. Januar 2001(– 3 AZR 164/00 –) für eine typische Versorgungsregelung bestätigt. Bei untypischen Zusagen, bei denen der sich aus dieser Rechtsprechung ergebende Rechenweg zu mit den Grundwertungen des Betriebsrentengesetzes im Widerspruch stehenden Ergebnissen führen würde, wird der Senat im Streitfall zu prüfen haben, mit Hilfe welcher Rechenschritte auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen eine Korrektur zu erfolgen hat. Ein solcher Fall läge etwa dann vor, wenn die Betriebsrente des vorzeitig Ausgeschiedenen höher läge, als diejenige eines bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme betriebstreu Gebliebenen.
2. Der Senat hatte die folgende Versorgungsregelung anzuwenden:
„War der Mitarbeiter immer oder zeitweise teilzeitbeschäftigt, so wird die Versorgungsleistung unter Zugrundelegung der gesamten anrechenbaren Betriebszugehörigkeit im Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit herabgesetzt.”
Auf der Grundlage dieser Regelung ist die Betriebsrente eines vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft Ausgeschiedenen von einer Vollrente ausgehend zu berechnen, die entsprechend dem bis zum vorzeitigen Ausscheiden erreichten durchschnittlichen Beschäftigungsgrad zu kürzen ist (§ 2 Abs. 5 BetrAVG).
Normenkette
BetrAVG §§ 6, 2 Abs. 1, 5
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 18. April 2000 – 6 Sa 616/99 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 20. Mai 1999 – 7a Ca 16021/98 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.104,00 DM nebst 6,5 % Zinsen aus je 48,00 DM seit dem 1. Januar 1997, 1. Februar 1997, 1. März 1997, 1. April 1997, 1. Mai 1997, 1. Juni 1997, 1. Juli 1997, 1. August 1997, 1. September 1997, 1. Oktober 1997, 1. November 1997, 1. Dezember 1997, 1. Januar 1998, 1. Februar 1998, 1. März 1998, 1. April 1998, 1. Mai 1998, 1. Juni 1998, 1. Juli 1998, 1. August 1998, 1. September 1998, 1. Oktober 1998 und 1. November 1998 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden Betriebsrentenanspruchs.
Der Kläger ist am 21. November 1936 geboren. Er war vom 1. Oktober 1979 bis zum 31. Oktober 1993 bei der Beklagten beschäftigt, davon bis zum 31. März 1990 als Vollzeit-Angestellter. Ab dem 1. April 1990 betrug seine monatliche Arbeitszeit 113 Stunden. Die tarifliche Arbeitszeit in diesem Zeitraum belief sich auf 169 Arbeitsstunden. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages.
Die Beklagte erbringt an ihre früheren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie richteten sich ursprünglich aufgrund einer entsprechenden Betriebsvereinbarung nach den Versorgungsrichtlinien der H AG und wurden unter Einschaltung einer Unterstützungskasse durchgeführt. Zuletzt galt eine Betriebsvereinbarung vom 1. März 1990 über rechtsverbindliche unmittelbare Pensionszusagen (BV) der Beklagten, welche die Regelungen der ursprünglichen Unterstützungskassen-Richtlinien inhaltlich übernahm, aber die Beklagte selbst zur Zahlung verpflichtete. In diesen Richtlinien heißt es im hier wesentlichen:
„4. Leistungsvoraussetzungen
4.1 Altersrente erhält der Mitarbeiter, dessen Betriebszugehörigkeit nach der Vollendung des 65. Lebensjahres endet oder der vor dem Erreichen dieser festen Altersgrenze Altersruhegeld oder Knappschaftsruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt (Versorgungsfall).
…
5. Höhe der Versorgungsleistungen
5.1 Für jedes vollendete Jahr der anrechenbaren Betriebszugehörigkeit wird ein nach Leistungsgruppen gestaffelter Betrag als Ruhegeld gezahlt. …
5.2 Für jeden Monat der Inanspruchnahme der Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres wird die Altersrente um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % während ihrer gesamten Laufzeit gekürzt.
…
6. Bemessungsgrößen
6.1 Die anrechenbare Betriebszugehörigkeit im Sinne dieser Vereinbarung ist die Zeit, während der ein Arbeits- bzw. ein Ausbildungsverhältnis zur Firma bestand. …
6.3 War der Mitarbeiter immer oder zeitweise teilzeitbeschäftigt, so wird die Versorgungsleistung unter Zugrundelegung der gesamten anrechenbaren Betriebszugehörigkeit im Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit herabgesetzt. …”
Der Kläger, dessen Leistungsgruppen-Betrag iSv. Nr. 5.1 BV sich auf 17,70 DM beläuft, bezieht seit dem 1. Dezember 1996 vorgezogene gesetzliche Altersrente sowie von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 138,00 DM. Diesen Betrag hat die Beklagte wie folgt errechnet, wobei sie die Zwischenbeträge und den Endbetrag jeweils zugunsten des Klägers gerundet hat: Im ersten Rechenschritt ermittelte sie die bei einer Betriebstreue bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme erreichbare Betriebsrente. Bei den bis dahin erreichbaren 17 Dienstjahren hätte sich bei durchgängiger Vollzeitbeschäftigung für den Kläger ein Betrag von 301,00 DM ergeben. Unter Berücksichtigung einer Teilzeitbeschäftigung vom 1. April 1990 bis zum Zeitpunkt der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente legte die Beklagte einen Beschäftigungsgrad von 87,311 % zugrunde, kürzte den zunächst ermittelten Betrag also auf 263,00 DM. Nach Durchführung des vereinbarten versicherungsmathematischen Abschlags von 18 % verblieb eine bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme erreichbare Betriebsrente von 216,00 DM. Diesen Betrag kürzte die Beklagte abschließend im Hinblick auf das vorzeitige Ausscheiden des Klägers nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig, wobei sie hierfür das Verhältnis der tatsächlichen Dienstzeit von 169 Monaten zur theoretisch möglichen Dienstzeit bis zur Altersgrenze 65 von 265 Monaten, das sind 63,774 %, zugrunde legte.
Der Kläger hat demgegenüber eine um 48,00 DM monatlich höhere Betriebsrente verlangt und die nach seiner Auffassung bestehenden Rückstände für die Zeit zwischen dem 1. Dezember 1996 und dem 31. Oktober 1998 in Höhe von insgesamt 1.104,00 DM geltend gemacht. Er hat den Standpunkt eingenommen, bei der Ermittlung des Beschäftigungsgrades nach Nr. 6.3 BV dürfe nur die tatsächliche Teilzeitbeschäftigung vom 1. April 1990 bis zu seinem tatsächlichen Ausscheiden am 31. Oktober 1993 zugrunde gelegt werden. Hieraus ergebe sich ein Kürzungsfaktor von 91,712 %. Da er insgesamt 14 Jahre im Betrieb der Beklagten zurückgelegt habe, sei dieser Kürzungsfaktor auf einen erdienten Besitzstand von 14 × 17,70 DM, also 247,80 DM anzuwenden. Hieraus ergebe sich als Zwischenbetrag eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 227,26 DM. Kürze man diesen Betrag um den vereinbarten versicherungsmathematischen Abschlag von 18 %, also 40,91 DM, ergebe sich eine geschuldete Rente von abgerundet 186,00 DM statt der tatsächlich gezahlten 138,00 DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.104,00 DM nebst 6,5 % Zinsen aus je 48,00 DM monatlich seit dem 1. Januar 1997 bis 1. November 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Bei der Berechnung der erreichbaren Betriebsrente sei der Kläger nach § 2 Abs. 5 BetrAVG so zu behandeln, als wäre er bis zum vorgezogenen Versorgungsfall – wie zuletzt – teilzeitbeschäftigt gewesen. Im übrigen schreibe das Gesetz vor, daß die bis zum vorgezogenen Versorgungsfall erreichbare Betriebsrente mit dem Unverfallbarkeitsfaktor des § 2 Abs. 1 BetrAVG zu multiplizieren sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision des Klägers ist zulässig. Die Beklagte rügt zu Unrecht, die Begründung der Revision decke nicht den Revisionsantrag ab. Der Kläger hat zunächst im ersten Teil seiner Revisionsbegründung die Rechtsauffassungen wiederholt, die er bereits in den Vorinstanzen zur Berechnung seines weiter verfolgten Betriebsrentenanspruchs vertreten hat. Im zweiten Teil hat er dann – vorsorglich und auch nur teilweise -die rechtlichen Ansätze des Landesarbeitsgerichts aufgegriffen und ist auf dieser Grundlage zu einem höheren als dem tatsächlich ausgezahlten, aber niedrigeren als dem mit dem Klageantrag geltend gemachten Betriebsrentenanspruch gekommen.
B. Die Revision des Klägers ist auch begründet. Die Berechnung des Betriebsrentenanspruchs durch die Beklagte und das Landesarbeitsgericht ist unrichtig. Dem Kläger steht statt der von der Beklagten gezahlten 138,00 DM zumindest der von ihm errechnete Rentenanspruch in Höhe von 186,00 DM monatlich und damit auch der von ihm für 23 Monate geltend gemachte Nachzahlungsbetrag von 1.104,00 DM zu. Allerdings entspricht auch der von ihm zugrunde gelegte Rechenweg nicht in allen Punkten der Rechtslage.
I. Die Beklagte hat die vorgezogene Betriebsrente des vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Klägers in den Rechenschritten ermittelt, die der Senat in seiner früheren Rechtsprechung für einen solchen Fall für richtig gehalten hat(vgl. BAG 13. März 1990 – 3 AZR 338/89 – AP BetrAVG § 6 Nr. 17 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 13; 12. März 1991 – 3 AZR 102/90 – BAGE 67, 301, 307 ff.; 29. Juli 1997 – 3 AZR 134/96 – AP BetrAVG § 6 Nr. 24 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 20). Sie hat zunächst die bei einer Betriebstreue bis zum Zeitpunkt der vorgezogenen Inanspruchnahme erreichbare Betriebsrente ermittelt; dabei sind die Steigerungsbeträge außer Ansatz geblieben, welche der Kläger bis zum Erreichen der festen Altersgrenze hätte erdienen können. Den sich hieraus ergebenden Betrag hat die Beklagte im zweiten Schritt im Hinblick auf das vorzeitige Ausscheiden des Klägers nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in dem Verhältnis der tatsächlich zurückgelegten Beschäftigungszeit zu der bis zum Erreichen der festen Altersgrenze möglichen Beschäftigungszeit gekürzt.
II. Diese Berechnung führt im Ergebnis dazu, daß die fehlende Beschäftigungszeit zwischen dem Zeitpunkt der vorgezogenen Inanspruchnahme und dem Erreichen der festen Altersgrenze, vom Ausgangspunkt der Vollrente bei Erreichen der festen Altersgrenze aus gesehen, zweimal mindernd berücksichtigt wird: Zunächst wird für die Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG eine Ausgangsrente errechnet, welche diese Beschäftigungszeit nicht mit berücksichtigt. Diese Ausgangsrente wird dann mit einem Unverfallbarkeitsquotienten multipliziert, der nicht dem Verhältnis von erreichter zu für die Ausgangsrente erforderlicher Beschäftigungszeit entspricht, sondern dem Verhältnis von erreichter zu für die Vollrente notwendiger Beschäftigungszeit. Hinzu kommt, daß die frühere Rechtsprechung ihren Ausgangspunkt, der Gesetzgeber habe keine Regelungen für die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente aufgestellt(BAG 1. Juni 1978 – 3 AZR 216/77 – BAGE 30, 333, 335 f.), verlassen hat.
Der Senat hat seine Rechtsprechung deshalb am 23. Januar 2001(– 3 AZR 164/00 – ZIP 2001, 1971) im Anschluß an seinen Hinweis im Urteil vom 21. März 2000(– 3 AZR 93/99 – AP BetrAVG § 6 Nr. 25 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 21 = DB 2001, 206 mit Anm. Schumann = RdA 2001, 118 mit Anm. Höfer) modifiziert:
1. Ausgangspunkt dieser neuen Rechtsprechung ist die Feststellung, daß § 2 Abs. 1 BetrAVG keine Aussage dazu enthält, wie die vorgezogene Betriebsrente eines vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers zu berechnen ist. Die Bestimmung geht mit der „ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung” von der Versorgungsleistung aus, die ein Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er bis zu einem der in der Versorgungszusage definierten Versorgungsfälle Alter, Invalidität oder Tod im Betrieb verblieben wäre. Dabei ist mit dem im Singular und im ersten Abschnitt des Betriebsrentengesetzes angesprochenen Versorgungsfall Alter nur das Erreichen der in der Versorgungszusage festgelegten oder subsidiär vom Gesetz bestimmten festen Altersgrenze gemeint. § 2 Abs. 1 BetrAVG legt in diesem Zusammenhang nur fest, welche Versorgungsleistungen ein vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer in dem Versorgungsfall „Erreichen der festen Altersgrenze” wegen der bis zum vorzeitigen Ausscheiden nur teilweise erbrachten Gegenleistung zu beanspruchen hat.
Für die Berechnung der vorgezogenen Betriebsrente eines solchen Arbeitnehmers enthält § 2 Abs. 1 BetrAVG keine Aussage. Die hierfür maßgeblichen Regeln sind den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentengesetzes zu entnehmen.
2. Dabei geht der Senat in seiner neueren Rechtsprechung davon aus, daß jede Versorgungsordnung die vom Arbeitgeber im Versorgungsfall „Erreichen der festen Altersgrenze” zu erbringende Leistung nach Höhe, Fälligkeit und Bezugsdauer und die dafür vom Arbeitnehmer erwartete Gegenleistung privatautonom festlegt und auch festlegen kann. In dieses Äquivalenzverhältnis wird bei vorgezogener Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG stets zweifach eingegriffen, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt betriebstreu geblieben oder vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschieden ist.
a) In beiden Fällen erbringt der Arbeitnehmer nur einen Teil der für die Vollrente erwarteten Gegenleistung. Der Arbeitgeber ist im Hinblick hierauf grundsätzlich berechtigt, die dem Arbeitnehmer bei Betriebstreue bis zum Erreichen der festen Altersgrenze versprochene Betriebsrente zu kürzen, bei vorzeitigem Ausscheiden mit einer unverfallbaren Anwartschaft in unmittelbarer Anwendung des § 2 BetrAVG, bei Betriebstreue bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme nach dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift. Im Ergebnis unterscheiden sich beide Fälle nur quantitativ, nicht qualitativ: Mit dem beschriebenen Rechenschritt wird festgestellt, welchen Versorgungsbesitzstand der Arbeitnehmer im Hinblick auf die bei Betriebstreue bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Altersrente bei seinem Ausscheiden erdient hat, welche Betriebsrente er also bei Erreichen der festen Altersgrenze verlangen könnte. Diese Kürzung muß bei einem vorzeitigen Ausscheiden vor Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente naturgemäß größer sein als bei einer Betriebstreue bis zu diesem Zeitpunkt.
Dabei bedarf die zeitratierliche Kürzung im Falle des § 6 BetrAVG keines ausdrücklichen Vorbehaltes in der Versorgungszusage(BAG 1. Juni 1978 – 3 AZR 216/77 – BAGE 30, 333, 339). Die Versorgungsordnung kann einer gegenüber der erwarteten Gegenleistung für die Vollrente verringerten Betriebstreue auch dadurch Rechnung tragen, daß sie anordnet, die Betriebsrentenanwartschaft solle entsprechend den in Aussicht gestellten Steigerungssätzen nur bis zum Ausscheiden vor Erreichen der festen Altersgrenze ansteigen (sog. aufsteigende Berechnung).
b) Die zweite Verschiebung des in der Versorgungsordnung festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung ergibt sich im Falle des § 6 BetrAVG daraus, daß der Arbeitnehmer die erdiente Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt. Zum Ausgleich für diese wesentlich von der Lebenserwartung des Betriebsrentners beeinflußte Verschiebung hat die Praxis versicherungsmathematische Abschläge in der Größenordnung von 0,3 bis 0,6 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme entwickelt. Diese stellen eine angemessene Reaktion auf den auszugleichenden Eingriff in das Äquivalenzverhältnis dar. Jedenfalls bei dem wohl am häufigsten gewählten Abschlag in Höhe von 0,5 % werden nach bisherigen Erkenntnissen nicht nur die längere Rentenlaufzeit bei Inanspruchnahme des § 6 BetrAVG, sondern auch die dort entstehenden Zinsverluste und die höhere Erlebenswahrscheinlichkeit eines Versorgungsfalles ausgeglichen(Höfer BetrAVG Bd. I Stand Juli 2000 § 6 Rn. 2643; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand August 1999 Teil 9 A Rn. 1740, 1744). Aber auch wenn die Versorgungszusage einen niedrigeren versicherungsmathematischen Abschlag vorsieht, bleibt dieser verbindlich. Die Versorgungszusage bringt mit einer solchen Festlegung zum Ausdruck, welche Kürzung der bis dahin erdienten Betriebsrente sie im Hinblick auf die vorgezogene Inanspruchnahme zum Ausgleich für die genannten Faktoren für angemessen und ausreichend hält. Ein solcher versicherungsmathematischer Abschlag ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn er in der Versorgungszusage selbst vorgesehen ist(BAG 11. September 1980 – 3 AZR 185/80 – AP BetrAVG § 6 Nr. 3 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 4).
Auch was diese Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses und ihren in der Versorgungszusage vorgesehenen Ausgleich angeht, ist es unerheblich, ob die vorgezogen in Anspruch genommene Betriebsrente durch Betriebstreue bis zu diesem Zeitpunkt oder nur bis zu einem vorzeitigen Ausscheiden mit unverfallbaren Anwartschaft erdient worden ist.
c) Mit den beiden beschriebenen Kürzungen der bis zum Erreichen der festen Altersgrenze erreichbaren Vollrente zur Ermittlung der vorgezogenen Betriebsrente eines vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist den beiden gesetzlich eröffneten Eingriffen in das von der Versorgungszusage bestimmte Äquivalenzverhältnis Rechnung getragen. Für eine zusätzliche mindernde Berücksichtigung der fehlenden Beschäftigungszeit zwischen dem vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand und dem Erreichen der festen Altersgrenze gibt es grundsätzlich keine sachliche Rechtfertigung. Sie würde in die gesetzlich vorgesehene Proportionalität eingreifen und so zu nach den Grundwertungen des Betriebsrentengesetzes nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen.
3. Der so beschriebene allgemeine Rechenweg gilt jedenfalls für die vom Senat bisher behandelten typischen Versorgungsregelungen. Bei untypischen Zusagen, bei denen dieser Rechenweg zu mit den Grundwertungen des Betriebsrentengesetzes im Widerspruch stehenden Ergebnissen führen würde, wird der Senat im Streitfall zu prüfen haben, mit Hilfe welcher Rechenschritte auf der Grundlage der gesetzlichen Wertungen eine Korrektur zu erfolgen hat. Ein solcher Fall läge etwa dann vor, wenn die Betriebsrente des vorzeitig Ausgeschiedenen höher läge als diejenige eines bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme betriebstreu Gebliebenen.
4. Sieht eine Versorgungsordnung keinen versicherungsmathematischen Abschlag vor, bleibt es demgegenüber bei den in der früheren Rechtsprechung aufgestellten Berechnungsregeln. In solchen Fällen ist in aller Regel eine zweite mindernde Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen der vorgezogenen Inanspruchnahme und dem Erreichen der festen Altersgrenze zulässig – dies allerdings nicht im Hinblick auf die fehlende Betriebstreue des Arbeitnehmers, sondern als Ausgleich für den wahrscheinlicheren, früheren und längeren Bezug der Betriebsrente; dieser Rechenschritt ist als „untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag” anzusehen. Das ergibt sich in aller Regel aus einer ergänzenden Auslegung solcher Versorgungsregelungen(BAG 23. Januar 2001 – 3 AZR 164/00 – aaO, zu II 2 b cc der Gründe).
III. Der Kläger kann nach den dargelegten Grundsätzen von der Beklagten jedenfalls eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 186,00 DM verlangen, so daß die Beklagte auch die geltend gemachte Nachzahlung für die Monate Dezember 1996 bis Oktober 1998 in Höhe von 1.104,00 DM schuldet.
1. Ausgangswert für die im ersten Rechenschritt erforderliche Ermittlung des vom Kläger bis zu seinem vorzeitigen Ausscheiden erdienten Versorgungsbesitzstandes ist die von ihm ohne das vorzeitige Ausscheiden bis zum Erreichen der festen Altersgrenze im Betrieb erreichbare Vollrente. Da der Kläger bei der Beklagten bis zum Erreichen der Altersgrenze insgesamt etwas mehr als 22 Beschäftigungsjahre zurückgelegt hätte, hätte er an sich 22 mal den für ihn maßgeblichen Leistungsgruppenbetrag von 17,70 DM, also insgesamt 389,40 DM, erdienen können.
Dieser Betrag muß allerdings im Hinblick auf die zeitweise Teilzeitbeschäftigung des Klägers nach Nr. 6.3 BV unter Zugrundelegung der gesamten anrechenbaren Zeit der Betriebszugehörigkeit im Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit herabgesetzt werden. Dabei beläuft sich der für den Kläger maßgebliche Herabsetzungsfaktor entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf 87,311 %, sondern auf 91,7117 %. Nach § 2 Abs. 5 BetrAVG kommt es nur auf den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad während der Zeit der tatsächlichen Beschäftigung bis zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens an. Es ist von Rechts wegen ausgeschlossen, für die Berechnung des Teilanspruches eine Fortdauer der zuletzt vereinbarten Teilzeitbeschäftigung bis zum Erreichen der festen Altersgrenze zu fingieren und auf dieser Grundlage den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad und damit den Herabsetzungsfaktor zu ermitteln.
a) Grundgedanke des § 2 Abs. 5 BetrAVG ist es, daß für diejenigen Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versorgungsfalles mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, die Höhe ihrer Anwartschaft nicht von einer ungewissen zukünftigen Entwicklung abhängig sein soll. Alle Bemessungsgrundlagen, auch die Höhe anderer Versorgungsbezüge, werden auf den Zeitpunkt des Ausscheidens festgeschrieben. Die Anwartschaft und der bei Eintritt des Versorgungsfalles auf ihr beruhende Anspruch sind so zu berechnen, als hätten die für die Höhe des Versorgungsanspruchs maßgeblichen Bezugsgrößen bis zum Versorgungsfall unverändert fortbestanden(BAG 12. März 1991 – 3 AZR 63/90 – AP BetrAVG § 7 Nr. 68 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 41; 12. November 1991 – 3 AZR 520/90 – BAGE 69, 19, 24 f.).
b) Bemessungsgrundlage im Sinne von § 2 Abs. 5 BetrAVG ist nach Nr. 6.3 BV der Herabsetzungsfaktor selbst, also das Verhältnis der vereinbarten zur tariflichen Arbeitszeit während der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Nach § 2 Abs. 5 BetrAVG festzuschreibende Bemessungsgrundlage ist nicht die aktuelle Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt seines Ausscheidens. Es gibt deshalb keinen Rechtsgrund dafür, diesen Beschäftigungsgrad für die Zeit nach dem vorzeitigen Ausscheiden bis zur festen Altersgrenze zu fingieren, um auf dieser Grundlage den Herabsetzungsfaktor nach Nr. 6.3 BV zu berechnen. Es kommt auf den im gesamten Arbeitsverhältnis erreichten durchschnittlichen Beschäftigungsgrad an. Dieser Durchschnittswert ist die maßgebliche Bemessungsgrundlage für den Vollanspruch. Damit ist auch nur er im Rahmen des § 2 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 5 BetrAVG auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens anhand der bisher zurückgelegten Dienstzeiten zu errechnen und festzuschreiben.
Eine andere Berechnungsweise stünde im Widerspruch zu dem in § 2 Abs. 5 BetrAVG zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Es soll kein Vertragszustand für die Zeit nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis fingiert werden, der zu einer Veränderung der eigentlichen Bemessungsgrundlage führen würde. Würde man die letzte Teilzeitbeschäftigung fortschreiben, würde dies die bis zum vorzeitigen Ausscheiden erreichte Bemessungsgrundlage verändern, weil unterstellt werden müßte, das Arbeitsverhältnis wäre ohne das vorzeitige Ausscheiden unverändert bis zum Versorgungsfall fortgesetzt worden. Daß eine solche Unterstellung nicht allgemein gerechtfertigt ist, zeigen gerade die Arbeitsverhältnisse, die in den Anwendungsbereich von Nr. 6.3 BV fallen. Im übrigen würde eine fiktive Ermittlung des Herabsetzungsfaktors bei der Errechnung der Invalidenrente eines mit einer unverfallbaren Anwartschaft vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers, der zuletzt noch nur teilzeitbeschäftigt war, zu einem kaum vertretbaren Ergebnis führen. Der Herabsetzungsquotient würde bei gleicher Arbeitsleistung während des aktiven Beschäftigungsverhältnisses um so höher, und damit auch die Betriebsrente um so höher, je früher der Arbeitnehmer nach seinem vorzeitigen Ausscheiden erwerbsunfähig würde.
c) Damit kommt es bei Versorgungsordnungen, die auf den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad abstellen, auch dann auf den während der tatsächlichen Beschäftigungszeit bis zum Ausscheiden erreichten durchschnittlichen Beschäftigungsgrad an, wenn es um die Berechnung der Betriebsrente des vorzeitig Ausgeschiedenen geht(ebenso Kemper Die Unverfallbarkeit betrieblicher Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern 1977 S 112 mwN; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert Betriebsrentengesetz 2. Aufl. § 2 Rn. 61; Höfer BetrAVG Bd. I Stand Juli 2000 § 2 Rn. 1920, 1921; aA wohl Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Teil 10 B Rn. 418, 419; Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 2 Rn. 410 ff.).
d) Da der Kläger vom Beginn der Beschäftigung bis zum vorzeitigen Ausscheiden arbeitsvertraglich insgesamt 26.645 Arbeitsstunden von tariflichen vorgesehenen 29.053 Arbeitsstunden zu leisten hatte, ergibt sich für ihn ein Herabsetzungsfaktor von 91,7117 %, so daß seine ohne das vorzeitige Ausscheiden erreichbare Vollrente iSv. § 2 Abs. 1 BetrAVG 357,13 DM beträgt.
2. Diese erreichbare Vollrente ist nach § 2 Abs. 1 BetrAVG im Verhältnis der erreichten zur bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Beschäftigungszeit zu kürzen. Legt man hierbei entsprechend den Berechnungen der Beklagten 169 erreichte und 265 erreichbare Beschäftigungsmonate zugrunde, ergibt sich ein Kürzungsfaktor von 63,77 % und somit eine zeitanteilig erdiente Betriebsrente von 227,75 DM, welche der Kläger ab Vollendung seines 65. Lebensjahres hätte verlangen können.
3. Kürzt man diesen Betrag abschließend im Hinblick auf den vorzeitigen Bezug entsprechend dem vereinbarten versicherungsmathematischen Abschlag um 18 %, ergibt sich zugunsten des Klägers eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 186,76 DM, also jedenfalls die von ihm im Rahmen seines Nachzahlungsbegehrens geltend gemachten 186,00 DM.
IV. Der Kläger kann auch die von ihm geltend gemachten Zinsen nach § 284 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB verlangen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger ständig mit Bankkredit in mindestens der Höhe der Klageforderung arbeitet, für den er jedenfalls 6,5 % Zinsen jährlich zu zahlen hat.
Unterschriften
Reinecke, Bepler, Breinlinger, G. Hauschild, Rödder
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.07.2001 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 676212 |
BAGE, 212 |
BB 2002, 997 |
DB 2002, 588 |
NWB 2002, 624 |
ARST 2002, 119 |
EWiR 2002, 843 |
FA 2002, 121 |
NZA 2002, 672 |
RdA 2002, 311 |
SAE 2002, 116 |
ZAP 2002, 335 |
ZIP 2002, 493 |
ZTR 2002, 190 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 19 |
EzA |
PERSONAL 2002, 43 |
PERSONAL 2002, 60 |
AUR 2002, 76 |