Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung. Unterzeichnung der Berufungsschrift. ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift
Leitsatz (amtlich)
Trägt die Berufungsschrift keine Unterschrift, fehlt es an einem von Amts wegen zu prüfenden, für die Zulässigkeit des Rechtsmittels zwingenden und unverzichtbaren Formerfordernis (§ 295 Abs. 2 ZPO), das nicht durch rügelose Einlassung geheilt werden kann (§ 295 Abs. 1 ZPO).
Orientierungssatz
1. Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax tritt an die Stelle der grundsätzlich zwingenden Unterschrift auf der Urkunde die Wiedergabe dieser Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie.
2. Die Klageschrift kann nicht ausschließlich durch Übermittlung einer beglaubigten Abschrift zugestellt werden. Wird sie vom Gericht im Original übermittelt, ist die Zustellung wirksam, auch wenn eine Beglaubigung unterblieben ist.
Normenkette
ZPO § 130 Nr. 6, § 166 Abs. 1-2, § 169 Abs. 2 S. 1, § 224 Abs. 1, § 233 S. 1, § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 S. 2, § 295 Abs. 1-2, § 519 Abs. 1, 4, § 705; ArbGG § 11 Abs. 4 Sätze 1-2, 4, § 64 Abs. 6 S. 1, § 66 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 07.08.2013; Aktenzeichen 4 Sa 37/12) |
ArbG Bamberg (Urteil vom 23.11.2011; Aktenzeichen 5 Ca 626/11) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 7. August 2013 – 4 Sa 37/12 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 23. November 2011 – 5 Ca 626/11 – als unzulässig verworfen wird.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.
Der 1970 geborene Kläger war bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, vom 7. August 2008 bis zum 31. Juli 2009 beschäftigt und wurde während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses den Stadtwerken B (im Folgenden Entleiherin) als Busfahrer überlassen. Er erhielt einen Stundenlohn von 9,07 Euro brutto, ab März 2009 von 9,25 Euro brutto. Zusätzlich gewährte die Beklagte Zuschläge und Sonderzahlungen. Die Entleiherin zahlte angestellten Busfahrern im Überlassungszeitraum einen Grundstundenlohn von 11,60 Euro brutto.
Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 6. August 2008 zugrunde, in dem es ua. heißt:
„1. |
Vertragsgrundlagen |
… |
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b) |
Der Mitarbeiter ist eingestellt als: Busfahrer |
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Seine voraussichtlichen Tätigkeiten belaufen sich auf allg. Tätigkeiten eines Busfahrers |
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Somit wird er in Entgeltgruppe E4 eingestuft. |
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Der Lohn beträgt je Stunde brutto für den Einsatz als Busfahrer Tariflohn 9,07 EUR |
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zuzüglich Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen gemäß dem einschlägigen Manteltarifvertrag zwischen CGZP und AMP. |
c) |
Der Lohn wird nach Abzug der gesetzlichen Beiträge monatlich, bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter anzugebendes Konto überwiesen. |
… |
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7. |
Tarifvertrag / Gesetzliche Vorschriften |
a) |
Soweit in diesem Vertrag nichts anderes geregelt ist, gelten die gesetzlichen Vorschriften bzw. die einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung. |
b) |
Diesem Arbeitsvertrag liegen die tariflichen Bestimmungen des MTV zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA – CGZP – und der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. – AMP – in der jeweils gültigen Fassung zugrunde. |
c) |
Sollte der vorgenannte Tarifvertrag oder Teile aus diesem als ungültig erklärt werden und nicht von den Tarifvertragsparteien gemäß § 25 des MTV neu verhandelt werden, gelten die einschlägigen Tarifbestimmungen der Tarifvereinbarung DGB/BZA. |
d) |
Auf Verlangen des Arbeitnehmers werden ihm die jeweils gewünschten Tarifverträge ausgehändigt. |
…” |
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Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 29. September 2009 und 12. Januar 2011 hat die DGB Rechtsschutz GmbH für den Kläger beim Arbeitsgericht zwei gleichlautende mit Originalunterschriften eines Rechtssekretärs versehene auf den 3. Juni 2011 datierte Klageschriften eingereicht. Die Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts hat dies in einem Vermerk festgehalten und der Beklagten eine der Klageschriften zugestellt. In der Postzustellungsurkunde, die als Datum der Zustellung den 10. Juni 2011 ausweist, ist neben dem Aktenzeichen in der Rubrik „Ggf. weitere Kennz.” vermerkt:
„Kls. 03.06.2011
Ldg. z.T. am 06.07.2011”
Der Kläger hat unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG für den Zeitraum der Überlassung an die Entleiherin die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt verlangt, das die Entleiherin vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt haben soll.
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.334,03 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 16. Januar 2012 beim Landesarbeitsgericht per Telefax und am 18. Januar 2012 als Briefpost eingereichten Schriftsatz vom 16. Januar 2012 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift schließt wie folgt ab:
Die Berufungsbegründungsschrift vom 9. März 2012 ist am selben Tag per Telefax und am 13. März 2012 als Briefpost beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Sie schließt wie folgt ab:
Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift sind auf Briefbögen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gefertigt und mit einem Aktenzeichen der Kanzlei versehen, das ua. den Namen „I” enthält.
Im Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht am 11. Juli 2012 haben die Parteien die Anträge gestellt und zur Sache verhandelt. Erstmals im weiteren Termin am 5. Dezember 2012 hat der Kläger beanstandet, die Unterschrift unter der Berufungsschrift lasse eine Identifizierung des Unterzeichners nicht zu. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat dies als verspätet gerügt. Er habe die Berufungsschrift unterzeichnet. Die Unterschrift entspreche – handschriftlich ausgeführt – dem ersten Buchstaben seines Vornamens im kyrillischen Alphabet. In gleicher Weise seien auch seine Ausweispapiere unterzeichnet. Im Anschluss an den Termin hat er mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2012 für die Beklagte vorgetragen, die Unterschrift gebe die ersten beiden Buchstaben seines Vor- und Nachnamens „Zh” und „Iv” in kyrillischer Schrift wieder. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2013 hat die Beklagte geltend gemacht, die Klageschrift sei ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Sie habe keine beglaubigte Abschrift erhalten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig. Die Beklagte hat dagegen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist formgerecht Berufung eingelegt, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 1 ZPO. Ihre Revision ist deshalb – unter Verwerfung ihrer Berufung als unzulässig – zurückzuweisen.
I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 23. März 2004 – 3 AZR 35/03 – zu I 1 der Gründe; 17. Januar 2007 – 7 AZR 20/06 – Rn. 10 mwN, BAGE 121, 18; 27. Juli 2010 – 1 AZR 186/09 – Rn. 17). Ist die Berufung unzulässig, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung als unzulässig zu verwerfen (vgl. BAG 29. November 2001 – 4 AZR 729/00 – zu I 1 der Gründe; 18. Mai 2011 – 4 AZR 552/09 – Rn. 12).
II. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Die Berufungsschrift trägt keine Unterschrift iSv. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO. Damit fehlt es an einem von Amts wegen zu prüfenden zwingenden und unverzichtbaren Formerfordernis der Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz. Der Mangel konnte – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – nicht nach § 295 Abs. 1 ZPO durch rügelose Einlassung geheilt werden, § 295 Abs. 2 ZPO.
1. Die Berufung wird nach § 519 Abs. 1 ZPO durch eine beim Berufungsgericht einzureichende Berufungsschrift eingelegt. Für sie gelten die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze, § 519 Abs. 4 ZPO. Diese wurden vorliegend nicht eingehalten.
a) Die Berufungsschrift muss als bestimmender Schriftsatz von einem beim Landesarbeitsgericht nach § 11 Abs. 4 Satz 1, 2 und 4 ArbGG vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und eigenhändig unterschrieben sein, § 130 Nr. 6 ZPO (vgl. BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 17). Bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax tritt an die Stelle der grundsätzlich zwingenden Unterschrift auf der Urkunde die Wiedergabe dieser Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie (vgl. BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 21). Die Prüfung der für das Vorliegen einer Unterschrift erforderlichen Merkmale kann vom Revisionsgericht selbständig und ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts vorgenommen werden (vgl. zur Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren: BGH 9. Februar 2010 – VIII ZB 67/09 – Rn. 11; 16. Juli 2013 – VIII ZB 62/12 – Rn. 14).
b) Die Berufungsschrift der Beklagten schließt nicht mit einer Unterschrift ab.
aa) Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich – ohne lesbar sein zu müssen – als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt (st. Rspr., vgl. BAG 30. August 2000 – 5 AZB 17/00 – zu II 1 der Gründe; 25. April 2007 – 10 AZR 246/06 – Rn. 25). Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter, von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichneter Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein (vgl. BGH 16. Juli 2013 – VIII ZB 62/12 – Rn. 11).
bb) Die den Berufungsschriftsatz vom 16. Januar 2012 abschließende Linienführung lässt die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung nicht erkennen. Sie weist zudem (selbst wenn man die darunter gesetzte maschinenschriftliche Namensangabe und die Nennung des Nachnamens im Aktenzeichen berücksichtigt) keine Merkmale auf, die auch nur in Teilen oder einzelnen Buchstaben einer Unterschrift gleichen.
c) Es kann auch nicht aufgrund sonstiger Umstände von einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung ausgegangen werden.
aa) Die eigenhändige Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 17). Das Fehlen einer Unterschrift kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn – ohne Beweisaufnahme – aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. So kann der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben werden, auf der der Beglaubigungsvermerk von dem Prozessbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist oder der in Rede stehende Schriftsatz fest mit einem von dem Rechtsanwalt unterzeichneten Begleitschreiben verbunden war (vgl. BGH 9. Dezember 2010 – IX ZB 60/10 – Rn. 5).
bb) Solche besonderen Begleitumstände sind hier nicht gegeben. Eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten der Beklagten und dessen Willen, die Berufungsschrift in den Rechtsverkehr zu bringen, bieten weder die Verwendung des Briefbogens seiner Kanzlei noch die maschinenschriftliche Wiedergabe seines Namens im Aktenzeichen und am Ende der Berufungsschrift. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren in gleicher oder ähnlicher Weise unterschrieben hätte. Die Schriftzüge, die früher von ihm eingereichte Schriftsätze abschließen, variieren stark. Sie weisen zudem – ebenso wie der unter der Berufungsschrift – keine Merkmale auf, welche die Identität dessen, von dem sie stammen, hinreichend kennzeichneten.
2. Die mangelhafte Form der Berufungsschrift konnte nicht durch rügelose Einlassung des Klägers geheilt werden.
a) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht nach § 295 Abs. 1 ZPO geheilt werden, wenn eine Partei auf ihre Befolgung nicht wirksam verzichten kann, § 295 Abs. 2 ZPO.
b) Die Unterzeichnung der Berufungsschrift bzw. bei deren Übermittlung per Telefax die Wiedergabe der Unterschrift in der bei Gericht erstellten Kopie ist für die wirksame Einlegung der Berufung zwingend und unverzichtbar.
aa) Für die Berufungsschrift als bestimmenden Schriftsatz ist bei den von der Beklagten gewählten Übermittlungsformen die Unterschrift bzw. deren Wiedergabe in der bei Gericht erstellten Kopie zwingendes Wirksamkeitserfordernis der Prozesshandlung (BGH 11. April 2013 – VII ZB 43/12 – Rn. 8 und 16. Juli 2013 – VIII ZB 62/12 – Rn. 11). Die Formulierung „sollen enthalten …” im Eingangssatz von § 130 ZPO ist bezüglich des Unterschriftserfordernisses in Nr. 6 als „müssen” zu interpretieren. In Kenntnis der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. GmS-OGB 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – BGHZ 144, 160) hat der Gesetzgeber auch bei Änderungen des Gesetzes keinen Anlass gesehen, ein anderes Verständnis auszudrücken. Vielmehr hat er bei der im Jahre 2001 in Kraft getretenen Änderung des § 130 Nr. 6 ZPO in seiner Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Neufassung der Vorschrift das Unterschriftserfordernis für Schriftsätze beibehalte (vgl. hierzu BAG 5. August 2009 – 10 AZR 692/08 – Rn. 19 ff.).
bb) Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels sind unverzichtbar. Die zwingenden gesetzlichen Frist- und Formvorschriften über die Einlegung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs, wie die hier in Frage stehende, in § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO geforderte Unterzeichnung der Berufungsschrift, dienen der Rechtssicherheit und Gleichförmigkeit des Verfahrens. Dem entsprechend können Mängel von an Notfristen gebundenen Prozesshandlungen nicht durch Verzicht oder rügelose Einlassung der anderen Partei geheilt werden. Die diesbezüglichen Verfahrensvorschriften dienen, wie zB in § 224 Abs. 1 ZPO deutlich wird, nicht nur dem Schutz der anderen Partei, sondern dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege (vgl. MüKoZPO/Prütting 4. Aufl. § 295 Rn. 25; Musielak/Huber ZPO 11. Aufl. § 295 Rn. 3).
3. Der allgemeine Prozessgrundsatz eines fairen Verfahrens steht der Zurückweisung der Revision und Verwerfung der Berufung der Beklagten als unzulässig nicht entgegen.
a) Die Beklagte hätte eine Verwerfung ihrer Berufung durch einen zumindest vorsorglichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vermeiden können, unterstellt man zu ihren Gunsten, ihr Prozessbevollmächtigter habe, weil seine Art der Unterzeichnung bislang von Gerichten und im Rechtsverkehr nicht beanstandet worden sei, trotz entgegenstehender höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf vertrauen können, diese werde – auch bei bestimmenden Schriftsätzen – als ordnungsgemäß bewertet (vgl. BVerfG 24. November 1997 – 1 BvR 1023/96 – zu II 2 b der Gründe; BGH 11. April 2013 – VII ZB 43/12 – Rn. 11). Aufgrund der Rüge des Klägers im Berufungstermin vom 5. Dezember 2012 musste die Beklagte damit rechnen, die Unterschrift ihres Prozessbevollmächtigten werde nicht als solche anerkannt. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist nach § 233 Satz 1 ZPO hat die Beklagte gleichwohl nicht gestellt.
b) Auch hat es die Beklagte unterlassen, die versäumte Prozesshandlung nach Maßgabe von § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nachzuholen.
aa) Eine erneute, formgerechte Einlegung der Berufung war nicht entbehrlich, weil in der dem Berufungsgericht vorliegenden Berufungsbegründung vom 9. März 2012 zugleich die Prozesshandlung der Berufung enthalten gewesen wäre. Die versäumte Prozesshandlung braucht dann nicht nachgeholt zu werden, wenn sie bereits vor Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenüber dem Gericht vorgenommen worden ist (vgl. BGH 26. September 2002 – III ZB 44/02 – zu II 1 b der Gründe). Die Berufungsbegründung war jedoch ebenfalls nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und entsprach damit nicht den Formerfordernissen einer Berufungsschrift, § 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO. Auch die sie abschließende Linienführung ist nicht als Wiedergabe eines Namens in der Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennbar.
bb) Gleiches gilt für den Schriftsatz der Beklagten vom 5. Dezember 2012.
Ob die später für die Beklagte beim Berufungsgericht eingereichten Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten mit einer Unterschrift abschließen und in ihnen eine Berufungseinlegung enthalten war, kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte hat am 5. Dezember 2012 Kenntnis vom Formmangel erlangt. Die weiteren Schriftsätze wurden erst nach der gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzuhaltenden zweiwöchigen Antragsfrist eingereicht.
III. Die Unzulässigkeit der Berufung der Beklagten steht der Überprüfung des Urteils des Arbeitsgerichts entgegen. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist formell und materiell rechtskräftig. Es kann nicht mehr erfolgreich angefochten werden, § 705 ZPO (vgl. Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 705 Rn. 3). Die Behauptung der Beklagten, die Klage sei nicht wirksam erhoben worden, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Die Rechtshängigkeit der Klage ist mit der von der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts am 10. Juni 2011 bewirkten Zustellung der Klageschrift vom 3. Juni 2011 eingetreten, § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO. Ob der Vermerk der Geschäftsstelle über das Einreichen von zwei Klageschriften als Beglaubigungsvermerk zu werten ist, kann der Senat anhand der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Dies kann jedoch offenbleiben. Wie vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, bedurfte es einer Beglaubigung des zugestellten Originals der Klageschrift durch die Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts nicht.
1. Mit der Beglaubigung wird erklärt, die Abschrift sei vom Ausführenden mit der in seinem Besitz befindlichen Vorlage verglichen worden und stimme mit dieser völlig überein (vgl. MüKoZPO/Häublein 4. Aufl. § 169 Rn. 4). Wird das Schriftstück im Original übermittelt, wie hier durch Postzustellungsurkunde nachgewiesen, ist eine derartige Bestätigung entbehrlich. Dem Empfänger wird mit dem Original nicht weniger als eine beglaubigte Abschrift zugestellt, sondern ein Mehr.
2. Die Annahme der Beklagten, die Zustellung könne ausschließlich durch Übermittlung einer beglaubigten Abschrift bewirkt werden, wird durch den Wortlaut von § 166 Abs. 1 ZPO nicht bestätigt. Der Begriff „Zustellung” ist in § 166 Abs. 1 ZPO als „die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form” definiert. Dokumente, deren Zustellung vorgeschrieben oder vom Gericht angeordnet ist, sind nach § 166 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zuzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 166 Abs. 1 ZPO regelt nicht, in welcher Form das Dokument – Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift – bekannt zu geben ist.
3. § 166 Abs. 1 ZPO bestimmt auch nicht, dass das bekannt zu gebende Dokument, selbst wenn es sich um ein Original handelt, vor der Zustellung zu beglaubigen sei. Demgegenüber sahen die Vorgängerregelungen in § 170 ZPO aF und § 210 ZPO aF noch vor, die Zustellung sei durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift zu bewirken.
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 169 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Danach wird die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke von der Geschäftsstelle vorgenommen. Die Vorschrift regelt allein die funktionelle Zuständigkeit für die Beglaubigung.
5. Der Wirksamkeit der Zustellung steht nicht entgegen, dass sich das Original der zugestellten Klageschrift nicht in der Gerichtsakte befindet. Dies gölte auch dann, wenn der Vermerk der Geschäftsstelle über das Einreichen von zwei Klageschriften im Original nicht als Beglaubigungsvermerk gewertet werden könnte. Bei etwaigen Abweichungen zwischen der zugestellten Klageschrift und der in der Gerichtsakte verbliebenen zweiten Klageschrift wäre – ebenso wie bei einer Abweichung der zugestellten beglaubigten Abschrift vom Original – für die Rechtshängigkeit allein die zugestellte Klageschrift maßgeblich, weil die Beklagte nur anhand dieser ihre Rechte wahrnehmen konnte (vgl. zur Ausfertigung eines Urteils BGH 9. Juni 2010 – XII ZB 132/09 – Rn. 15, BGHZ 186, 22).
IV. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Biebl, Weber, Dombrowsky, Zorn
Fundstellen
Haufe-Index 7711127 |
BAGE 2016, 66 |
BB 2015, 1460 |
DB 2015, 7 |