Entscheidungsstichwort (Thema)
MfS-Tätigkeit;. Fragebogenlüge. Flughafen öffentliche Verwaltung oder Privatwirtschaft? Angestellter in der Flugsicherung, später Flugplanung;. Vertragsauslegung
Orientierungssatz
Auch bei einem Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, der unter Anrechnung seiner früheren Beschäftigungszeit nach dem Beitritt übernommen worden ist, kann eine frühere Tätigkeit für das MfS je nach den Umständen und dem Tätigkeitsbereich des Betreffenden einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer zwar bei einem privatrechtlich organisierten Arbeitgeber beschäftigt wird, dort aber Aufgaben zu erledigen hat, die der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind oder jedenfalls mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben eng verbunden sind.
Verkehrsflughäfen sind schon wegen ihrer Monopolstellung der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen.
Es sind auch in der Privatwirtschaft Arbeitsplätze denkbar, bei denen eine frühere Tätigkeit des Einzustellenden für das MfS derart gravierende Eignungsmängel erkennen läßt, daß der Betreffende eine entsprechende Frage des Arbeitgebers wahrheitsgemäß zu beantworten hat.
Normenkette
BGB § 626; BAT-O § 54
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Mai 2000 – 3 Sa 773/99 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 5. Mai 1999 – 2 Ca 14146/97 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der 1948 geborene Kläger (verheiratet, drei Kinder) ist seit 19. März 1990 bei der Beklagten beschäftigt. Er war zunächst Betriebsleiter vom Dienst in der Abteilung Flugsicherung des Flughafens. Zuvor war er bereits vom 1. Mai 1968 bis 1989 im Bereich Flugsicherung des Flughafens tätig gewesen. Ob ihm diese Beschäftigungszeit als Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten anzurechnen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Die ihm in einem von der Beklagten vorgelegten Fragebogen gestellten Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS beantwortete der Kläger am 10. Februar 1992 mit „nein”, ebenso entsprechende Fragen in einem Antrag vom 20. Juli 1992 auf Anerkennung seiner früheren Beschäftigungszeiten nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren BAT-O. Auf der Rückseite des Vordruckfragebogens gab der Kläger an, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit für die Flugsicherung Kontakte zum MfS gehabt.
Im Jahre 1996 wurde bei der Beklagten eine inoffizielle Tätigkeit des Klägers für das MfS bekannt. Auf einer Betriebsratssitzung am 6. Dezember 1996 erklärte der Kläger, der seit 1991 im Betrieb der Beklagten Betriebsratsvorsitzender war, auf entsprechenden Vorhalt: „Ja, dazu kann ich euch etwas sagen. Das stimmt, ich war von 1975 bis zum Ausscheiden aus dem Betrieb Flugsicherung 1988 für das MfS tätig”. Am gleichen Tag legte der Kläger sein Betriebsratsamt nieder. Am 12./18. Dezember 1996 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Danach wurde das bisherige Arbeitsverhältnis des Klägers als Betriebsleiter vom Dienst, in dem der Kläger zuletzt als Betriebsratsvorsitzender freigestellt war, zum 7. Dezember 1996 einvernehmlich beendet. Ab 7. Dezember 1996 sollte der Kläger als vollbeschäftigter Angestellter in der Stabsstelle Flugplanung bei der Beklagten weiterbeschäftigt und nach Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 zum BAT-O bezahlt werden. Art. II § 11 des Vertrages lautet:
„Herr E. verpflichtet sich, eine allumfassende Selbstauskunft bei der „Gauck-Behörde” über seine frühere Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit zu beantragen und diese nach Erhalt vollständig der Geschäftsführung der Flughafen GmbH vorzulegen. Sollten sich im Rahmen dieser Selbstauskunft Tatsachen ergeben, die es als unzumutbar erscheinen lassen, Herrn E. nach der Tätigkeit nach Artikel II § 1 dieses Vertrages zu beschäftigen, behält sich die Flughafen GmbH ausdrücklich vor, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden. Herr E. verzichtet unwiderruflich bei einer entsprechenden Kündigung auf den Einwand, die Flughafen GmbH habe mit der vorliegenden Änderung des Arbeitsvertrages oder dem nachfolgenden Zeitablauf ihr Recht auf Kündigung verwirkt.”
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1996 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich. In einem Vorprozeß wurde rechtskräftig die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt.
Am 11. Dezember 1996 stellte der Kläger einen Antrag auf Akteneinsicht beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) und bat am 15. Dezember 1996 den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes um Beschleunigung der Akteneinsichtsmöglichkeit. Am 13. November 1997 erteilte der BStU über den Kläger folgende Auskunft:
„Aus den bisher erschlossenen Unterlagen haben sich folgerichtige Hinweise auf eine inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ergeben:
1. Kategorie/Bezeichnung, unter der die Person vom Staatssicherheitsdienst geführt wurde: IMS (inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit)
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5. |
Umfang der Akten: |
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Teil I (Personalakte) |
1 Band |
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175 Seiten |
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Teil II (Arbeits-/Berichtsakte) |
2 Bände: |
Band 1 |
489 Seiten |
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Band 2 |
107 Seiten |
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11. Übertragene Aufgaben:
- Meldung von Verstößen gegen Ordnung und Sicherheit sowie Vorkommnissen und Störungen im Arbeitsbereich
- Informationen über Kontakte von Angestellten der Interflug zu Fluggesellschaften sowie Bürgern aus dem NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet).
- Einschätzung von Personen aus dem Kollegenkreis, dabei insbesondere deren fachliche Fähigkeiten, politische Einstellung und Leitungstätigkeit
- Ausbau des Kontaktes zu operativ interessanten Personen u.a. durch gemeinsame Gaststättenbesuche, um deren politische Haltung, Meinungen sowie Verbindungen nach dem NSW abzuschöpfen
…
15. Art und Anzahl der Berichte:
139 |
Treffberichte der Führungsoffiziere bzw. des HFIM |
5 |
Berichte der Führungsoffiziere bzw. des HFIM nach Informationen des IM |
220 |
handschriftliche, mit Decknamen unterzeichnete IM-Berichte |
2 |
Tonbandabschriften |
16. Inhalt der Berichte:
Herr E. nahm Einschätzungen von Kollegen hinsichtlich ihrer fachlichen Fähigkeiten, Bewältigung der Arbeitsaufgaben, politischen Einstellung sowie ihres Leitungsstils vor und machte dabei auch Angaben zu ihren familiären und finanziellen Verhältnissen. Er gab Diskussionen und Meinungsäußerungen im Kollegenkreis zur wirtschaftlichen Situation in der DDR, zur Versorgungslage und zu aktuell-politischen Themen wieder.
Herr E. berichtete über Störungen und Vorkommnisse im Flugbetrieb, die zum Teil durch Kollegen verursacht wurden, über die Auswertung dieser Vorkommnisse im Kollektiv und über die Vorbereitung und Durchführung des Messesonderflugverkehrs. Weiterhin informierte er das MfS über Besuch aus der BRD bei Angehörigen sowie deren Reisen in die BRD. Er nannte Kollegen, bei denen er Westkontakte vermutete bzw. festgestellt hatte.
17. Bemerkungen:
…
In den vorliegenden Beurteilungen wird Herr E. als zuverlässiger und ehrlicher IM eingeschätzt. Hervorgehoben werden seine Einsatzbereitschaft und Treffdisziplin sowie seine guten Ergebnisse bei der Klärung der Frage „Wer ist wer?” im Schwerpunktbereich Verkehrsflug.
In Ergänzung seiner EEK (Einsatz- und Entwicklungskonzeption) vom 20.03.1978 erhielt Herr E. im Februar 1980, im März 1982 und im Mai 1983 konkrete personenbezogene Aufträge, die u.a. die Führung vertraulicher Gespräche vorsahen, um diese Personen zu Meinungsäußerungen über aktuell-politische Probleme und die Versorgungslage zu veranlassen sowie das Vorhandensein von Verbindungen in das westliche Ausland aufzuklären.
Im Frühjahr 1989 nahmen die beruflichen Probleme und der in Erwägung gezogene Arbeitsstellenwechsel Herrn E. einen breiten Raum bei der Treffdurchführung ein. Der letzte in der Akte dokumentierte Treff fand am 03.08.1989 statt. Bei diesem erklärte Herr E., daß er auf seiner neuen Arbeitsstelle mehr Möglichkeiten hätte, operativ bedeutsame Hinweise zum Personal der Interflug zu erarbeiten.
Für die Treffdurchführung wurden verschiedene KW (Konspirative Wohnung), u.a. „Konrad”, „Barock” und „Krüger”, genutzt.”
Am 4. Dezember 1997 wurde dem Geschäftsführer der Beklagten der Inhalt der Auskunft mitgeteilt. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1997 hörte die Beklagte den bei ihr gewählten Betriebsrat zu ihrer Absicht an, dem Kläger außerordentlich, vorsorglich ordentlich zum 31. März 1998 zu kündigen. Der Betriebsrat stimmte der Kündigungsabsicht mit Schreiben vom 10. Dezember 1997 zu. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10. Dezember 1997, dem Kläger am 11. Dezember 1997 zugegangen, außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. März 1998.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat geltend gemacht, durch Abschluß des neuen Arbeitsvertrages habe die Beklagte in ihm das Vertrauen geweckt, eine Kündigung wegen der MfS-Tätigkeit werde unterbleiben. Die dennoch erfolgte Kündigung stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Außerdem stütze die Beklagte die erneute Kündigung auf dieselben Kündigungsgründe, die schon Gegenstand des rechtskräftig zu seinen Gunsten entschiedenen Vorverfahrens gewesen seien. Der Beklagten sei schon bei Ausspruch der ersten Kündigung bekannt gewesen, daß er von 1975 bis 1988 für das MfS tätig gewesen sei. Der Geschäftsführer der Beklagten, der zu DDR-Zeiten Parteifunktionär der SED gewesen sei, habe gewußt, daß ein IM Berichte verfaßt habe. Die Intensität seiner 13-jährigen Tätigkeit für das MfS sei nicht besonders groß gewesen. Die Auskunft des BStU habe deshalb keine wesentlichen neuen Tatsachen ergeben. Jedenfalls liege kein ausreichender Kündigungsgrund vor. Er habe keine Verpflichtungserklärung unterzeichnet. Zu einer Zusammenarbeit mit dem MfS sei es auf dessen Druck gekommen. Eine enge Verstrickung in den Apparat des MfS habe es nicht gegeben. Er habe nur 220 Berichte gefertigt. Mit Nichtwissen werde bestritten, daß 139 Treffberichte vorlägen. Ein Präsent habe er nicht erhalten. Zu berücksichtigen sei auch, daß er nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber angestellt und nicht in einem sicherheitsrelevanten Bereich tätig sei. Die Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS habe er nicht falsch beantwortet.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentlich ausgesprochene Kündigung vom 10. Dezember 1997, ihm zugegangen am 11. Dezember 1997, aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, nunmehr lägen Erkenntnisse vor, die belegten, daß der Kläger nicht nur dienstliche Kontakte zum MfS gehabt habe, sondern inoffiziell und unter einem Decknamen für das MfS tätig gewesen sei. Anzahl und Inhalt der Berichte belegten eine erhebliche Intensität der Tätigkeit. Die Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS habe der Kläger vorsätzlich falsch beantwortet. Wegen seiner langjährigen konspirativen Tätigkeit für das MfS biete der Kläger keine hinreichende Gewähr mehr für die in einem solch sicherheitsrelevanten Bereich wie dem Flughafen erforderliche persönliche Verläßlichkeit. Der von ihr betriebene Flughafen sei auch dem öffentlichen Dienst zuzurechnen. Auf den neuen Arbeitsvertrag und das Vorverfahren wegen der ersten Kündigung könne sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen. Im Dezember 1996 habe der Kläger nur pauschal, ohne Nennung weiterer Einzelheiten eine Tätigkeit für das MfS mitgeteilt. Der Grad seiner Verstrickung sei erst durch die Auskunft des BStU bekannt geworden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die außerordentliche Kündigung könne sich nicht auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Abs. 5 Ziff. 2 zum Einigungsvertrag (im folgenden: Abs. 5 EV) stützen. Der Kläger sei nicht Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Der von der beklagten GmbH betriebene Verkehrsflughafen stelle keine unmittelbare Verwaltungsaufgabe dar. Es könne deshalb offenbleiben, ob nicht durch den neuen Arbeitsvertrag nach Wirksamwerden des Beitritts ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Auch ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB sei nicht gegeben. Die mögliche Falschbeantwortung von Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS sei außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht kündigungsrelevant. Zur Beurteilung der früheren Tätigkeit des Klägers für das MfS fehlten nähere Tatsachen, die erkennen ließen, inwieweit die Zuverlässigkeit des Klägers als Angestellter in der Stabsstelle Flugplanung durch eine zum Zeitpunkt der Kündigung mindestens acht Jahre zurückliegende IM-Tätigkeit des Klägers betroffen und beeinträchtigt sein solle. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei aus denselben Gründen sozial ungerechtfertigt.
B. Dem folgt der Senat nicht. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu § 626 BGB halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Nach § 626 Abs. 1 BGB (gleichlautend § 54 Abs. 1 BAT-O) kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
1. Die Entscheidung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat(vgl. etwa Senatsurteile 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP BGB § 626 Nr. 97 = EzA BGB § 626 nF Nr. 109 und 9. Mai 1996 – 2 AZR 387/95 – AP BGB § 273 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 161). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.
2. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, daß eine frühere Tätigkeit für das MfS außerhalb des öffentlichen Dienstes je nach den Umständen des Einzelfalls einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen kann.
a) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann eine bewußte Tätigkeit für das frühere MfS sowie die Weitergabe von Informationen oder Schriftstücken an das MfS je nach den Umständen auch ohne vorherige Abmahnung geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung eines im öffentlichen Dienst in einem sensiblen Bereich beschäftigten Arbeitnehmers nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen(Senat 6. Februar 1997 – 2 AZR 51/96 – nv.; 1. Juli 1999 – 2 AZR 540/98 – NZA-RR 1999, 635).
b) Auch bei einem Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft kann eine frühere Tätigkeit für das MfS je nach den Umständen und dem Tätigkeitsbereich des Betreffenden einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen(Sächsisches LAG 23. Februar 1999 – 10 Sa 1251/97 – AfP 1999, 392 [Redakteur in einem Presseunternehmen]; LAG Hamm 1. Juli 1992 – 3 TaBV 30/92 – LAGE BetrVG 1972 § 118 Nr. 17 [Geheimdiensttätigkeit für das MfS bei einem Beschäftigten eines Gewerkschaftsunternehmens]; Müller-Glöge Arbeitsrecht in den neuen Bundesländern Rn. 459). Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, daß ernsthafte Störungen des Betriebsfriedens und der betrieblichen Verbundenheit möglich sind, wenn sich herausstellt, daß der Arbeitnehmer frühere eigene Arbeitskollegen bespitzelt hat. Auch kann arbeitsplatzbezogen die frühere MfS-Tätigkeit des Betreffenden einen solch gravierenden persönlichen Eignungsmangel darstellen, daß ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung anzunehmen ist.
c) Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer zwar bei einem privatrechtlich organisierten Arbeitgeber beschäftigt wird, dort aber Aufgaben zu erledigen hat, die der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind oder jedenfalls mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben eng verbunden sind. So liegt der Fall hier. Verkehrsflughäfen sind schon wegen ihrer Monopolstellung der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen(vgl. § 6 LuftVG; §§ 38 ff. Luft-VZO; BGH 10. Juli 1969 – KZR 13/68 – MDR 1970, 214; Hofmann/Grabherr Luft-VG Stand August 2001 § 6 Rn. 151). Auch wenn ein Verkehrsflughafen in privatrechtlicher Form, etwa durch eine GmbH betrieben wird, was regelmäßig unter maßgeblicher Beteiligung des Bundes, eines Landes bzw. einer kommunalen Gebietskörperschaft geschieht, erfüllt die Flughafengesellschaft durch ihre Tätigkeit eine öffentliche Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge. Die frühere Tätigkeit des Klägers in der Flugsicherung und seine derzeitige Tätigkeit in der Flugplanung sind dabei eng verzahnt mit hoheitlichen Tätigkeiten, die durch staatliche Organe erledigt werden(§§ 27 a bis 27 d Luft-VG; vgl. BVerw 19. August 1988 – 4 C 47.86 – Buchholz 442.40 § 29 a Luft-VG Nr. 1). Sowohl die Flugsicherung als auch die Flugplankoordinierung, also die vorausplanende Verteilung nachgefragter Start- und Landezeiten auf die vorhandene Flugplatz- und Flugsicherungskapazität (§ 27 a Abs. 1 Luft-VG) kann sinnvoll nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den zuständigen staatlichen Stellen und den einzelnen Flughäfen erledigt werden. Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers, der in einem Flughafenbetrieb mit Flugplanung beschäftigt ist, ist damit äußerst eng mit der staatlichen Aufgabe der Flugplankoordinierung verbunden. Berücksichtigt man dies, so macht es bei der Prüfung, ob die frühere MfS-Tätigkeit eines Beschäftigten mit den Aufgaben des Klägers in der Flugplanung an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen, keinen entscheidenden Unterschied mehr, ob man den von der Beklagten betriebenen Flughafen dem öffentlichen Dienst zurechnet oder, wie der Kläger und das Landesarbeitsgericht meinen, von einer Tätigkeit des Klägers außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeht. Dies gilt um so mehr, weil eine herausgehobene Tätigkeit in einem Verkehrsflughafen, wie sie der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung verrichtet hat, stets öffentliche Sicherheitsinteressen tangiert. Der Bayerische VGH(15. September 1993 – 20 Cs 93.2547 – nv.) weist in einer Entscheidung zur Entziehung der Zutrittsberechtigung eines früheren Mitarbeiters des MfS zu den sicherheitsempfindlichen Bereichen eines Verkehrsflughafens zutreffend auf das hohe Gefährdungspotential des Luftverkehrs hin, dem § 29 d Luft-VG Rechnung trägt. Es gilt Gefahren abzuwenden, die dem Luftverkehr durch daran teilnehmende Personen (Passagiere) drohen, und ebenso zu verhindern, daß sicherheitsgefährdende Handlungen von am Flughafen Beschäftigten (sogenannten Innentätern) begangen werden. Von daher kann es bei der Prüfung der Zuverlässigkeit und damit der persönlichen Eignung eines Beschäftigten in einem Verkehrsflughafen eine erhebliche Rolle spielen, daß dieser früher über viele Jahre hinweg inoffiziell für das MfS gearbeitet und dabei auch Angaben über Kolleginnen und Kollegen an das MfS weitergeleitet hat.
d) Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst beschäftigt war. Immerhin ist auch eine als juristische Person des Privatrechts organisierte Gesellschaft, die ihr gesetzlich zugewiesene und geregelte öffentliche Aufgaben wahrnimmt, als Teil der öffentlichen Verwaltung anzusehen(BVerfG 2. Oktober 1995 – 1 BvR 1357/94 – NJW 1996, 584).
3. Nicht zu folgen ist der Annahme des Landesarbeitsgerichts, die mehrfache Falschbeantwortung der Frage nach einer früheren MfS-Tätigkeit sei in der Privatwirtschaft schon an sich nicht geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 26. August 1993 – 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120; 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Nr. 53 = EzA Einigungsvertrag Art. 20 Nr. 46), von der auch das Landesarbeitsgericht ausgeht, kann die Falschbeantwortung der Frage nach einer Tätigkeit für das MfS bei einem Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB darstellen. Im öffentlichen Dienst dürfen nur solche Angestellte beschäftigt werden, die zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes stehen. Bei dieser Sachlage sind Fragen, die für die Eignung des Arbeitnehmers für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst von Bedeutung sind, zulässig. Die wahrheitswidrige Versicherung, nicht für das MfS tätig gewesen zu sein, begründet deshalb erhebliche Zweifel, ob der Betreffende für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst geeignet ist.
b) Auch bei einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft, wie sie das Landesarbeitsgericht beim Kläger angenommen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, eine Frage des Arbeitgebers nach einer früheren MfS-Tätigkeit des Betreffenden sei grundsätzlich unzulässig und diese Frage könne deshalb stets ohne kündigungsrechtliche Folgen falsch beantwortet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei der Einstellung nach Umständen befragen, die ernsthafte Zweifel an seiner Eignung für die beabsichtigte Tätigkeit aufkommen lassen(BAG 5. Dezember 1957 – 1 AZR 594/56 – BAGE 5, 159; Senat 20. Mai 1999 – 2 AZR 320/98 – BAGE 91, 349). Je nach Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes kann etwa bei einem Bankkassierer nach Vorstrafen auf vermögensrechtlichem Gebiet, bei einem Chauffeur nach verkehrsrechtlichen Vorstrafen und bei einem Angestellten des Verfassungsschutzamtes nach Vorstrafen auf politischem Gebiet gefragt werden. Soweit solche Fragen nach der Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes für die Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers erforderlich sind, sind sie vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß zu beantworten. Es sind auch in der Privatwirtschaft Arbeitsplätze denkbar, bei denen eine frühere Tätigkeit des Einzustellenden für das MfS derart gravierende Eignungsmängel erkennen läßt, daß der Betreffende eine entsprechende Frage des Arbeitgebers wahrheitsgemäß zu beantworten hat. Entsprechendes kann gelten, wenn der Arbeitgeber nach Begründung des Arbeitsverhältnisses zulässige Fragen stellt.
4. Danach kann mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung nicht angenommen werden, die Tätigkeit des Klägers für das MfS und die Verneinung der Fragen nach einer MfS-Tätigkeit seien schon an sich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht geeignet.
a) Was die frühere Tätigkeit des Klägers für das MfS anbelangt, so hat das Landesarbeitsgericht schon nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Tätigkeit des Klägers zumindest mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben eng verknüpft war und sich in einem Bereich abgespielt hat, in dem im öffentlichen Interesse stark erhöhte Sicherheitsanforderungen gelten. Das Interesse der Beklagten, in einer derartigen Tätigkeit nur solche Arbeitnehmer zu beschäftigen, die eine der im öffentlichen Dienst erforderlichen vergleichbare persönliche Zuverlässigkeit aufweisen, ist deshalb schon von der Aufgabe eines derartigen Flughafenbetriebs her gerechtfertigt. Eine frühere MfS-Tätigkeit von erheblichem Gewicht eines Arbeitnehmers mit den Aufgaben des Klägers kann deshalb erhebliche Zweifel an dessen persönlicher Zuverlässigkeit begründen. Es reicht daher nicht aus, mit dem Landesarbeitsgericht allein darauf abzustellen, die IM-Tätigkeit des Klägers sei unbeachtlich, weil sie im Zeitpunkt der Kündigung mindestens acht Jahre zurückgelegen habe und sich auch Arbeitskollegen des Klägers nicht geweigert hätten, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten.
b) Auch die Falschbeantwortung der berechtigten Frage des Beklagten nach einer früheren Tätigkeit des Beklagten für das MfS ist entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Der Tätigkeitsbereich des Klägers, (sogar mehr noch der der Flugsicherung, für den er eingestellt worden ist, als der der Flugplanung) steht jedenfalls dem öffentlichen Dienst so nahe, daß die Beklagte ein vergleichbares berechtigtes Interesse wie ein öffentlicher Arbeitgeber daran hatte, bei der Einstellung zu erfahren, ob der einzustellende Arbeitnehmer im selben Flughafenbetrieb zuvor über viele Jahre hinweg inoffiziell für das MfS tätig war. Die Tätigkeit des Klägers unterlag zudem im öffentlichen Interesse erheblichen Sicherheitsanforderungen. Bei dem zweiten Fragebogen kam entscheidend hinzu, daß an die Anrechnung der früheren Beschäftigungszeit des Klägers finanzielle Ansprüche geknüpft waren, die entfielen, wenn im Hinblick auf seine MfS-Tätigkeit die Beschäftigungszeit seit 1975 nicht zu berücksichtigen war. Vor allem dies begründete ein Fragerecht der Beklagten.
Diese Fragen hat der Kläger falsch beantwortet, selbst wenn man berücksichtigt, daß er auf der Rückseite des Fragebogens angegeben hat, er habe im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit für die Flugsicherung Kontakte zum MfS gehabt. Umfang und Inhalt der IM-Berichte des Klägers enthielten zahlreiche Angaben über persönliche Belange von Arbeitskollegen und waren deshalb als Berichte über rein dienstliche Belange nicht mehr auszulegen. Dies muß auch dem Kläger bekannt gewesen sein, zumal eine dienstliche Zusammenarbeit mit dem MfS jedenfalls nicht beinhaltete, daß der Betreffende heimlich als IM Arbeitskollegen ausspionierte und aushorchte.
Es wäre deshalb durch das Landesarbeitsgericht zu prüfen gewesen, ob die Falschbeantwortung der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hat.
II.1. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht, wie der Kläger geltend macht, im Hinblick darauf im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO), daß die Beklagte dem Kläger bereits im Dezember 1996 außerordentlich gekündigt hatte und diese Kündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist. Bei der Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 1997 handelt es sich nicht um eine auf schon zur Begründung der Kündigung vom 19. Dezember 1996 vorgebrachte Gründe gestützte Wiederholungskündigung(vgl. dazu BAG 26. August 1993 – 2 AZR 159/93 – BAGE 74, 143). Die Kündigung vom 11. Dezember 1996 konnte die Beklagte mangels besserer Kenntnis lediglich auf die Tatsache der MfS-Tätigkeit des Klägers als solche stützen. Einzelheiten über diese Tätigkeit hatte ihr der Kläger nicht mitgeteilt und waren ihr auch sonst nicht bekannt. Erst die Auskunft des BStU verschaffte der Beklagten genaue Kenntnis über den Kündigungssachverhalt, der der Kündigung vom 10. Dezember 1997 zugrunde liegt.
2. Hinsichtlich dieses neuen Sachverhaltes ist die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde dem Geschäftsführer der Beklagten der Inhalt der Auskunft des BStU am 4. Dezember 1997 mitgeteilt. Die Kündigung ist dem Kläger bereits am 11. Dezember 1997 zugegangen.
3. Die Kündigung ist auch, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, nicht wegen einer fehlerhaften Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat dem Betriebsrat insbesondere unter Einbeziehung der Informationen aus der Auskunft des BStU den Kündigungssachverhalt hinreichend konkret mitgeteilt und der Betriebsrat hat daraufhin der Kündigung zugestimmt. Nach dieser abschließenden Stellungnahme durfte die Beklagte sofort kündigen.
III. Der Senat konnte nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, da der Sachverhalt durch das Landesarbeitsgericht erschöpfend festgestellt ist, weiteres tatsächliches Vorbringen nach einer Zurückverweisung nicht mehr zu erwarten ist und damit die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Interessenabwägung, die das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht vorgenommen hat, kann der Senat selbst nachholen. Insoweit ist im Ergebnis und in entscheidenden Teilen der Begründung dem klageabweisenden Urteil des Arbeitsgerichts zu folgen. Die fristlose Kündigung ist nach § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT-O schon deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger die berechtigte Frage der Beklagten nach seiner früheren MfS-Tätigkeit mehrfach bewußt falsch beantwortet hat.
1. Seine ihm auf Grund des Arbeitsvertrages obliegenden Verhaltenspflichten hat der Kläger in gravierender Weise schon dadurch verletzt, daß er in dem Fragebogen zur Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten seine Tätigkeit für das MfS verschwiegen hat. Die Beklagte war berechtigt, diese Fragen zu stellen, von der die Höhe des Einkommens des Klägers abhing. Die vertragswidrige Falschbeantwortung der Fragen durch den Kläger barg die Gefahr in sich, daß die Beklagte sein Gehalt zu hoch berechnete und er über Jahre hinweg dadurch unberechtigte Vermögensvorteile erzielte.
Das Fehlverhalten des Klägers stellte auch keine einmalige Pflichtverletzung dar. Schon bei seiner Einstellung war die Beklagte angesichts des sicherheitsrelevanten Tätigkeitsbereichs, in dem der Kläger eingesetzt werden sollte, berechtigt, eine Sicherheitsüberprüfung seiner Person vorzunehmen. Dazu gehörte auch die Frage nach einer früheren MfS-Tätigkeit, die möglicherweise Rückschlüsse auf seine persönliche Eignung für den in Aussicht genommenen Posten zuließ. Auch diese Frage hat der Kläger falsch beantwortet.
Die Falschbeanwortung erscheint auch nicht etwa deshalb in einem milderen Licht, weil, wie der Kläger geltend macht, nur von einer geringfügigen Verstrickung auszugehen wäre. Der Kläger war nach der eingeholten Auskunft seit 1975 bis zu dessen Auflösung für das MfS tätig und hat dabei ua. dem MfS über die politische Einstellung von Kollegen und deren Meinungsäußerung zur wirtschaftlichen Situation in der DDR, zur Versorgungslage und zu aktuell-politschen Themen berichtet, das MfS über Besuche aus der BRD bei Angehörigen von Kollegen sowie deren Reisen in die BRD informiert und dem MfS Kollegen benannt, bei denen er Westkontakte vermutete bzw. festgestellt hatte. Schon die Anzahl der nach Darstellung des Klägers „nur” 220 Berichte weist auf eine über die ganze Zeit der Tätigkeit des Klägers für das MfS andauernde, beachtliche Verstrickung des Klägers hin.
Zu Unrecht macht der Kläger geltend, die Falschbeantwortung der Fragen sei vor seiner Neueinstellung im Dezember 1996 erfolgt. Zum einen können auch Verhaltensverstöße vor der Einstellung des Arbeitnehmers den Arbeitgeber je nach den Umständen zur Kündigung berechtigen. Außerdem ist in dem Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 1996, der in erster Linie der Überbrückung des Arbeitsverhältnisses bis zur Einholung der Auskunft des BStU durch den Kläger diente, nicht die Neubegründung eines anderen Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich ein Änderungsvertrag zu dem fortbestehenden, mit der Beklagten ursprünglich begründeten Arbeitsverhältnis zu sehen.
2. Der Interessenabwägung des Arbeitsgerichts ist jedenfalls im Ergebnis zu folgen. Das Arbeitsgericht hat nicht verkannt, daß der im Kündigungszeitpunkt 49-jährige, verheiratete Kläger nicht zuletzt angesichts seiner langen Beschäftigungszeit einen erheblichen sozialen Besitzstand hatte. Trotzdem hat es die fristlose Kündigung als nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam angesehen, weil es der Beklagten nicht zuzumuten sei, den Kläger als Mitarbeiter in der Flugplanung und damit in einem hochsicherheitsrelevanten Aufgabengebiet weiterzubeschäftigen. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, daß der Kläger im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des zwischen den Parteien ausgehandelten Änderungsvertrages die Beklagte wiederum über die Intensität seiner Zusammenarbeit mit dem MfS getäuscht habe. In dem bereits genannten Erklärungsbogen habe der Kläger jeweils eine Zusammenarbeit mit dem MfS verschwiegen und zunächst auch mit einem klaren „Nein” geantwortet. Der Kläger habe lediglich auf einen reinen dienstlichen Zusammenhang hingewiesen und seine darüber hinausgehenden Aktivitäten, die durch die Auskunft des BStU unstreitig belegt seien, verschwiegen. Es habe keinesfalls zu den Aufgaben des Klägers im Zusammenhang mit seiner Dienstverrichtung gehört, aus dem Privatbereich seiner Kollegen zu berichten. Der Kläger hätte erkennen müssen, daß die Beklagte auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen nach einer MfS-Tätigkeit großen Wert gelegt habe.
Diesen Ausführungen folgt der Senat. Die zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigende lange Betriebszugehörigkeit ist teilweise dadurch entwertet worden, daß der Kläger in einem Zeitraum von mehr als 13 Jahren im Auftrag des MfS Arbeitskollegen bespitzelt hat, was nicht nur seine persönliche Eignung für eine Weiterbeschäftigung auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tangiert, sondern auch Probleme in der Zusammenarbeit mit seinen derzeitigen Arbeitskollegen befürchten läßt. Die Beharrlichkeit jedenfalls, mit der der Kläger eine MfS-Tätigkeit zunächst verneint und auch nach Aufdeckung der Sache die Offenlegung seiner MfS-Tätigkeit jeweils auf das Notwendigste beschränkt hat, ließ eine weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist als unzumutbar erscheinen. Angesichts der fortgesetzten wahrheitswidrigen Erklärungen des Klägers und des dadurch verursachten Verlusts des Vertrauens in die Zuverlässigkeit des Klägers konnten der Beklagten auch mildere Formen der Reaktion (ordentliche Kündigung, Abmahnung, Versetzung) nicht zugemutet werden.
IV. Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob auch die Tätigkeit des Klägers für das MfS nach den Gesamtumständen einen wichtigen Grund zur Kündigung des Klägers iSv. § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT-O dargestellt hat. Ebenso kann dahinstehen, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst gehandelt hat und deshalb möglicherweise die außerordentliche Kündigung nach Abs. 5 EV wirksam ist.
V. Auch die soziale Rechtfertigung der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG kann unerörtert bleiben.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Rosendahl, Bartel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.10.2001 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
ARST 2002, 187 |
NZA 2002, 639 |
ZTR 2002, 346 |
EzA |
ZLW 2003, 131 |
NJOZ 2002, 1333 |