Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwicklung nach Einigungsvertrag

 

Normenkette

Einigungsvertrag Art. 13, 20 Abs. 1, Art. 39; Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

BezirksG Leipzig (Urteil vom 01.04.1992; Aktenzeichen 2 Sa 84/91)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 17.10.1991; Aktenzeichen 5 A 1109/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bezirksgerichts Leipzig, Senat für Arbeitsrecht, vom 1. April 1992 – 2 Sa 84/91 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Kreisgerichts Leipzig-Stadt vom 17. Oktober 1991 – 5 A 1109/91 – abgeändert und die Klage gegen die Beklagte abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag (EV) in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Absatz 2 Sätze 2 und 5 (im folgenden: Nr. 1 Abs. 2 EV) in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 geruht und mit Ablauf dieser Frist geendet hat.

Der am 24. September 1943 geborene Kläger war seit August 1978 am Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig (FKS) als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 1.860,00 DM tätig. Nach Inkrafttreten des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – (BGBl 1990 II S. 889) beauftragte der Freistaat Sachsen den Direktor des FKS mit der Abwicklung des FKS und ordnete die Aushändigung von Wartestandsschreiben an die Bediensteten an. Am 21. Dezember 1990 wurde dem Kläger das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar 1991 bis zu dessen Beendigung am 30. Juni 1991 mitgeteilt. Das Schreiben enthält den Hinweis, daß das Bundesministerium des Innern in Absprache mit dem Freistaat Sachsen entsprechend Art. 39 EV vorgesehen habe, ein Forschungsinstitut für den Sport in angemessener Rechts form aufzubauen und zu finanzieren; jeder Mitarbeiter des in Abwicklung befindlichen FKS könne sich für eine Tätigkeit an diesem Institut bewerben.

Das FKS wurde zunächst ab dem 1. Januar 1991 unter maßgeblicher finanzieller Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Sachsen als Außenstelle des Landessportbundes Sachsen in den ehemaligen Räumen, mit den dortigen Betriebsmitteln und unter Verwendung vorhandener Arbeitsergebnisse fortgeführt. Vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 waren 27 ehemalige Mitarbeiter des FKS mit befristeten Arbeitsverträgen zum Freistaat Sachsen als sogenannte Abwicklungsgruppe tätig. Sie führten die Spitzensportforschung im Auftrag von Sportverbänden zusammen mit weiteren ehemaligen Mitarbeitern fort. Anschließend arbeiteten etwa 200 ehemalige Mitarbeiter, darunter auch der Kläger, bis zum 31. Dezember 1991 mit befristeten Arbeitsverträgen des Landessportbundes Sachsen e. V. weiter.

Am 12. März 1992 wurde das Institut für angewandte Trainingswissenschaft (IAT) e. V. unter Beteiligung der Sportverbände, der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Sachsen mit vergleichbarer Zielsetzung wie das frühere FKS gegründet. Das IAT wird über das Bundesinstitut für Sportwissenschaften, eine nicht rechtsfähige Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, finanziell unterstützt. Die Bundesrepublik Deutschland ist hinsichtlich der Fortführung oder Abwicklung des FKS nicht tätig geworden. Die nach den Vorschriften des Einigungsvertrages zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Zuständigkeiten im Rahmen der Aufgaben gebildete Clearingstelle hält den Freistaat Sachsen für die mit dem FKS zusammenhängenden Aufgaben für zuständig.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Abwicklungsentscheidung des Freistaates Sachsen sei unter Verstoß gegen die Ordnung des Grundgesetzes erfolgt und daher nichtig, da die verklagte Bundesrepublik Deutschland für die überregionale Forschungsförderung zuständig sei. Die Bundesrepublik fördere den Hochleistungssport als Beitrag zur politischen und nationalen Selbstdarstellung, woraus eine ungeschriebene Zuständigkeit des Bundes folge. Die Finanzierungszuständigkeit des Bundes begründe im Lichte des Art. 104 a GG eine ungeschriebene Verwaltungszuständigkeit. Dies rechtfertige auch die Zuständigkeit der Bundesrepublik für erhaltenswerte wissenschaftliche Einrichtungen des ehemaligen Spitzensports der DDR, zumal Art. 39 EV die Erhaltung ausdrücklich in dem dort festgelegten Rahmen fordere. Zudem habe die Mitteilung an den Kläger keinerlei Ausführungen über die nach Art. 13 EV erforderliche Abwicklungsentscheidung enthalten. Der Freistaat habe nicht die Abwicklung entschieden und geregelt, sondern unter Verletzung der Vorschriften des EV lediglich erklärt, das FKS nicht als Landeseinrichtung zu übernehmen. Diese wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG nichtige Entscheidung unterliege gerichtlicher Überprüfung.

Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, eine wirksame Abwicklungsentscheidung liege nicht vor, weil das FKS tatsächlich nicht aufgelöst worden sei. Eine vollständige und auf Dauer angelegte Auflösung sei wegen Art. 39 EV auch gar nicht zulässig. Folgerichtig sei daher die Fortsetzung der früheren Arbeit des FKS im Rahmen des im März 1992 mit wesentlicher Beteiligung der Bundesrepublik und des Freistaates Sachsen gegründeten IAT gewesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich gegen den Freistaat Sachsen (Beklagter zu 1) und gegen die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte zu 2) Klage erhoben und beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Abwicklungsentscheidung des Beklagten zu 1 vom 4. Dezember 1990 zum Ruhen gebracht worden ist und am 30. Juni 1991 endet, sondern über den 31. Dezember 1990 hinaus zu unveränderten Bedingungen mit dem Beklagten zu 1 fortbesteht,

hilfsweise:

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Abwicklungsentscheidung des Beklagten zu 1 vom 4. Dezember 1990 zum Ruhen gebracht worden ist und am 30. Juni 1991 endet, sondern über den 31. Dezember 1990 hinaus zu unveränderten Bedingungen mit dem Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 fortbesteht.

höchst hilfsweise:

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Abwicklungsentscheidung des Beklagten zu 1 vom 4. Dezember 1990 zum Ruhen gebracht worden ist und am 30. Juni 1991 endet, sondern über den 31. Dezember 1990 hinaus zu unveränderten Bedingungen mit der Beklagten zu 2 fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1 hat vorgetragen, die Abwicklungsentscheidung sei nur vorsorglich im Interesse der Mitarbeiter erfolgt. Die Kompetenz für die ausschließlich den Bereich des gesamtdeutschen Spitzensports erfassende Forschungsaufgabe liege als Gemeinschaftsaufgabe im Sinne des Grundgesetzes bei der Beklagten zu 2. Diese hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht passiv legitimiert. Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes seien für den Sport die Länder zuständig. Finanzielle Unterstützung des Spitzensportes bedinge keine Zuständigkeit für die von der Bundesrepublik Deutschland als staatliche Aufgabe nicht vorgesehene Förderung einer wissenschaftlichen Sportforschung. Zudem trete das Ruhen mit späterer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst der früheren DDR nach dem Beitritt stets ein, wenn keine ausdrückliche Überführungsentscheidung getroffen sei.

Das Kreisgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 durch die Mitteilung des Beklagten zu 1 vom Dezember 1990 nicht zum Ruhen gebracht worden sei und nicht am 30. Juni 1991 geendet habe, sondern über den 31. Dezember 1990 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehe. Es hat die Kosten des Rechtsstreits auf die Beklagten je zur Hälfte verteilt. Das Bezirksgericht hat die Berufung der Beklagten zu 2 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre Revision, mit der sie weiterhin das Ziel der Klagabweisung verfolgt.

 

Entscheidungsgründe

In der Revisionsinstanz ist nur die Klage gegen die Beklagte zu 2 angefallen. Schon das Bezirksgericht hat nur hierüber entschieden, nachdem allein die Beklagte zu 2 gegen das Urteil des Kreisgerichts Berufung eingelegt hatte. Gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts hat wiederum allein die Beklagte zu 2 (im folgenden: Beklagte) Revision eingelegt.

Die Revision ist begründet.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat schon in zweiter Instanz von der unzulässigen bedingten Klägerhebung Abstand genommen. Mit seinem Antrag, die Berufung zurückzuweisen, hat er die Klage auf die Beklagte beschränkt und damit auch der prozessualen Rechtslage Rechnung getragen. Sein erstinstanzlicher Hauptantrag und erster Hilfsantrag sind ohne (Anschluß-)Berufung nicht in der Berufungsinstanz angefallen (vgl. nur Zöller/Schneider, ZPO, 18. Aufl., § 537 Rz 12; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 260 Rz 18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 537 Rz 6). Entweder hat das Kreisgericht, ohne dies ausdrücklich auszusprechen, den Haupt- und ersten Hilfsantrag (rechtskräftig) abgewiesen. Oder es hat diese Anträge übergangen mit der Folge, daß die Rechtshängigkeit insoweit erloschen ist (vgl. BGH Urteil vom 29. November 1990 – I ZR 45/89 – NJW 1991, 1683, 1684; Zöller/Schneider, a.a.O., § 537 Rz 3; MünchKommZPO-Rimmelspacher, § 537 Rz 6 f.; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 537 Rz C I; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 537 Rz 2).

Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat ab dem 1. Januar 1991 geruht und mit Ablauf des 30. Juni 1991 geendet.

I.1. Gemäß Art. 13 Abs. 1 und 2 EV regelt die zuständige Landesregierung oder die zuständige oberste Bundesbehörde die Überführung oder Abwicklung der Verwaltungsorgane und sonstigen der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen. Zu diesen Einrichtungen gehören u.a. auch solche der Wissenschaft und des Sports, deren Rechtsträger die öffentliche Verwaltung ist (Art. 13 Abs. 3 EV). Soweit Einrichtungen ganz oder teilweise auf den Bund überführt werden, bestehen die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer zum Bund. Entsprechendes gilt bei Überführung auf bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Arbeitsverhältnisse der übrigen Arbeitnehmer ruhen ab dem Tage des Wirksamwerdens des Beitritts oder eines um bis zu drei Monate hinausgeschobenen Zeitpunkts. Wird der Arbeitnehmer nicht innerhalb von sechs Monaten weiter verwendet, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf dieser Frist; hat der Arbeitnehmer am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts das 50. Lebensjahr vollendet, beträgt die Frist neun Monate (Nr. 1 Abs. 2 EV). Die genannten Vorschriften gelten gemäß Nr. 1 Abs. 3 EV entsprechend für die Arbeitnehmer bei Einrichtungen, die Aufgaben der Länder wahrnehmen.

2.a) Die Überführung einer Einrichtung gemäß Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Diese Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag = DB 1993, 44, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Sie konnte formfrei ergehen, also auch konkludent verlautbart werden.

Eine Einrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Überführung erforderte eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O.). Bedeutsam sind die Übernahme der Grundstücke, der Büro- und Diensträume, der Arbeitsmittel, der Arbeitsergebnisse, der Leitungsstrukturen sowie der Aufgaben, die der alten Einrichtung das Gepräge gaben. Dies können i.d.R. nur konkrete Aufgaben sein. Ob die jeweiligen Rechtsgrundlagen des Verwaltungshandelns der Einrichtung das Gepräge geben, ist im Einzelfall festzustellen.

b) Gesetzliche Folge der Nichtüberführung ist die Abwicklung. Es bedurfte hierzu keiner besonderen Abwicklungsentscheidung (BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992, a.a.O.). Weil die Abwicklung immer dann eintrat, wenn es an einer positiven, ggf. auch konkludenten Überführungsentscheidung fehlte, war nur durch sie die Abwicklung der Einrichtung zu verhindern. Folglich trat die Abwicklung auch dann ein, wenn wegen negativer Kompetenzkonflikte sich kein neuer Träger öffentlicher Verwaltung berufen fühlte, (rechtzeitig) eine Entscheidung gem. Art. 13 EV zu fällen. Die Abwicklung einer Einrichtung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Jedoch konnte sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen. Einer besonderen Form bedurfte diese Bekanntgabe nicht. Das Unterlassen einer Überführungsentscheidung gem. Art. 13 EV ist arbeitsgerichtlich nur auf Willkür überprüfbar, § 242 BGB (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag = DB 1993, 585, a.a.O., zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

Die Abwicklung war auf die Liquidation der Einrichtung gerichtet. In diesem Falle ruhten die Arbeitsverhältnisse der in der abzuwickelnden Einrichtung Beschäftigten gem. Nr. 1 Abs. 2 oder 3 EV grundsätzlich ab dem 3. Oktober 1990. Dieser Ruhensbeginn konnte um bis zu 3 Monate hinausgeschoben werden. Die Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechtes durften allerdings nicht durchbrochen werden. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde (BAG Urteil vom 3. September 1992, a.a.O.).

Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(Teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992, a.a.O.; BAG Urteil vom 21. Januar 1993 – 2 AZR 162/92 – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen; BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O.).

3. Die Revisionserwiderung gibt keine Veranlassung, die dargestellte Rechtsprechung des Senats zu ändern. Der Senat teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Revisionserwiderung nicht.

Wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 24. April 1991 (– 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG) ausgesprochen hat, ist der mit Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV verbundene Eingriff in das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes im wesentlichen (soweit nicht dadurch die Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechts durchbrochen werden) mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Regelung dient der Abwehr von Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Nach dem Beitritt der DDR mußte möglichst rasch eine moderne, effektive und nach rechtsstaatlichen Maßstäben arbeitende Verwaltung aufgebaut werden (BVerfG, a.a.O., zu C III 3 c der Gründe). Es erscheint verfassungsrechtlich unbedenklich, daß Einrichtungen der Sportförderung der ehemaligen DDR nicht auf die öffentliche Hand der Bundesrepublik überführt werden, weil die Sportförderung nach dem Verständnis der Bundesrepublik nicht im Rahmen des öffentlichen Dienstes verwirklicht wird. Ein damit verbundener Verlust von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst ist hinzunehmen. Entgegen der Revisionserwiderung kommt es nicht darauf an, ob der Bestand der Bundesrepublik oder die Leistungsfähigkeit der Verwaltung und der Wirtschaft innnerhalb der Bundesrepublik gerade von der Abwicklung des FKS abhängen. Vielmehr muß insgesamt den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Zielen Rechnung getragen werden; das kann nur gelingen, wenn die öffentliche Hand von der durch den Einigungsvertrag eingeräumten Möglichkeit zur Abwicklung nach allgemeinen Maßstäben Gebrauch macht.

II. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich:

1. Die Beklagte hat keine ausdrückliche Überführungsentscheidung getroffen. Sie hat das FKS auch nicht fortgeführt oder in die neue Verwaltung eingegliedert. Vielmehr wurde das FKS ab dem 1. Januar 1991 zunächst vorübergehend als Außenstelle des Landessportbundes Sachsen e. V. weitergeführt und später vom Institut für angewandte Trainingswissenschaft e. V. übernommen. Eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit hat nicht stattgefunden; die Aufgabenstellung des FKS wurde außerhalb der öffentlichen Verwaltung von einem neuen Träger in privatrechtlicher Form weitergeführt. Dementsprechend hat der Freistaat Sachsen 27 ehemalige Mitarbeiter des FKS mit befristeten Arbeitsverträgen für sechs Monate als sogenannte Abwicklungsgruppe beschäftigt. Anschließend haben der Landessportbund Sachsen e. V. und das IAT e. V. als private Rechtsträger Arbeitsverträge abgeschlossen und Aufgaben des früheren FKS übernommen. Aus der Sicht des Einigungsvertrags ist die so vollzogene „Privatisierung” Abwicklung. Die Einrichtung der öffentlichen Verwaltung wird als solche ungeachtet eines realen Fortbestands nicht weiter fortgeführt, eben liquidiert (vgl. BAG Urteil vom 9. Juni 1993 – 8 AZR 535/92 – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Damit bestehen die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer nicht zum Bund. Die Kündigungsmöglichkeit für die öffentliche Hand nach Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 EV wird erst bedeutsam, wenn sie die Einrichtung ganz oder teilweise fortführt. Selbst wenn eine zeitweilige Portführung des FKS durch die Beklagte anzunehmen wäre, wäre diese nur vorübergehend und zu Zwecken der Abwicklung, nämlich der geordneten Übergabe in die neue private Trägerschaft erfolgt. Von einer faktischen Überführung auf die Beklagte kann daher entgegen der Auffassung des Klägers keine Rede sein.

Auf die Zuständigkeit der Beklagten für die Sportförderung oder die überregionale Forschungsförderung kommt es ebensowenig an wie auf die Finanzierung der privaten Rechtsträger. Der von der Revisionserwiderung in den Vordergrund gestellte Arbeitnehmerschutz läßt sich nicht dadurch verwirklichen, daß Arbeitsverhältnisse zu öffentlichen Rechtsträgern angenommen werden, die tatsächlich nicht Betriebsinhaber sind und eine Beschäftigung nicht gewährleisten können.

2. Das Unterbleiben einer Überführungsentscheidung gem. Art. 13 EV war nicht willkürlich. Wie ausgeführt geht es bei der Überführung um die dauerhafte Fortsetzung der Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Verwaltung. Sportförderung durch Forschung findet in der Bundesrepublik Deutschland jedoch regelmäßig außerhalb der öffentlichen Verwaltung statt, wenn auch unter finanzieller Förderung durch die öffentliche Hand. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn diese bewährten Strukturen des demokratischen Rechtsstaats auf die neuen Bundesländer übertragen werden. Vielmehr entspricht dies gerade dem Art. 39 Abs. 1 und 2 EV, wonach einerseits Umstellung auf Selbstverwaltung, andererseits Förderung im Rahmen der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Regeln und Grundsätze vorgesehen ist.

3. Nach Art. 39 Abs. 2 Satz 3 EV wird das FKS in der angemessenen Rechtsform als Einrichtung im vereinten Deutschland in erforderlichem Umfang fortgeführt oder bestehenden Einrichtungen angegliedert. Damit ist keine positive Überführungsentscheidung im Sinne von Art. 13 EV getroffen. Die Fortführung oder Angliederung erfolgt im Rahmen der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Regeln und Grundsätze sowie in der angemessenen Rechtsform. Die Ausgliederung aus der öffentlichen Verwaltung und Übergabe in private Trägerschaft wird also als eine von mehreren Möglichkeiten zumindest gestattet. Art. 39 Abs. 2 Satz 3 EV garantiert nicht die Übernahme in die öffentliche Verwaltung. Die Fortführung im Rahmen des IAT e. V. war daher zulässig und nicht mit einer Überführung nach Art. 13 EV verbunden.

4. Als gesetzliche Folge der unterlassenen Überführung des FKS trat am 1. Januar 1991 das Ruhen des Arbeitsverhältnisses des Klägers ein (Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Fußnote 2 EV). Die Beklagte ist nicht deshalb gehindert, sich hierauf zu berufen, weil die Bekanntgabe der Ruhensfolge nicht durch sie, sondern durch den Freistaat Sachsen erfolgt ist. Sinn der formlos möglichen Bekanntgabe war es, den Arbeitnehmer über die Abwicklung nicht im Ungewissen zu halten, ihn nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu überraschen. Deshalb genügt es nach dem Schutz zweck der Norm, wenn derjenige, der abwickelt, die Ruhensfolge mitteilt, auch wenn er an sich nicht zuständig ist. Dem entspricht es, daß bei Fehlen einer positiven Überführungsentscheidung die Abwicklung eintrat, ohne daß es auf die (mitunter sehr zweifelhafte) Zuständigkeit für die Abwicklung ankam (vgl. oben I 2 b). Weil es zu keiner Weiterverwendung des Klägers bei der Beklagten kam, endete sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des gesetzlichen Ruhenszeitraumes (Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 EV).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Dr. Haible, Mache

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1080765

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Krankenhaus Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge