Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückständige Betriebsrenten als Masseschulden
Leitsatz (redaktionell)
1. Rückständige Rentenansprüche sind im Konkurs nur dann bevorrechtigt, wenn sie als betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes vereinbart wurden. Das setzt voraus, daß die Rentenleistungen dazu dienen sollten, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dessen Ausscheiden aus dem Beruf oder aus dem Erwerbsleben zu sichern.
2. Ergibt der Inhalt des Vertrages in Verbindung mit den Begleitumständen, daß der Arbeitnehmer die Rentenleistungen als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes zusätzlich zu seinem Verdienst aus beruflicher Tätigkeit verlangen kann, so liegt keine betriebliche Altersversorgung vor; daß der Arbeitsvertrag die Renten als "Ruhegeld" bezeichnet, ist dann unerheblich.
Normenkette
KO § 61; VRG § 5; BGB §§ 284, 288, 133; VglO § 26; BGB §§ 157, 242; BetrAVG §§ 1, 7, 17; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 13.04.1984; Aktenzeichen 14/6 Sa 1643/83) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.10.1983; Aktenzeichen 13 Ca 11/83) |
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf rückständige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geltend.
Der am 23. Dezember 1923 geborene Kläger war seit 1. Juni 1952 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war er Chefsyndikus. Seine Arbeitsbedingungen richteten sich nach dem Arbeitsvertrag vom 18. April 1973. Dieser war bis 31. Dezember 1976 befristet, konnte aber verlängert werden. In § 7 des Vertrags war für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein Übergangsgeld zugesagt. § 8 sah ein lebenslängliches Ruhegehalt vor. Die Voraussetzungen waren u.a. in § 5 geregelt. Diese Vertragsklausel betraf die Fälle des Ausscheidens nach Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 5 Nr. 9), des Todes während der Laufzeit des Dienstvertrags (§ 5 Nr. 3), der Invalidität (§ 5 Nr. 4), des Ausscheidens auf Wunsch des Arbeitgebers (§ 5 Nr. 5), der Ablehnung der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger (§ 5 Nr. 6 und 7) und der fristgemäßen Kündigung nach Vollendung des 59. Lebensjahres des Klägers (§ 5 Nr. 8).
Aufgrund einer Vereinbarung vom 7. Dezember 1976 schied der Kläger am 31. Dezember 1976, also im Alter von 53 Jahren, aus den Diensten der Beklagten aus. Nach dem Auflösungsvertrag bezog er ab 1. Januar 1977 das in § 8 des Vertrags vom 18. April 1973 vorgesehene Ruhegeld von 5.750,-- DM monatlich, das später auf 6.440,-- DM monatlich an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt wurde. In Abweichung von dem ursprünglichen Vertrag brauchte der Kläger sich auf dieses Ruhegeld kein Arbeitseinkommen anrechnen zu lassen. Es stand ihm frei, eine andere Tätigkeit aufzunehmen, ohne an das in dem ursprünglichen Vertrag enthaltene Wettbewerbsverbot gebunden zu sein. Seine Tätigkeit hatte er bis zur Ernennung seines Nachfolgers, längstens jedoch bis zum 30. Juni 1977, weiterzuführen. Bis zum 30. Juni 1982 hatte er darüber hinaus dem Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten zu Auskünften und zur Beratung zur Verfügung zu stehen. Für das Jahr 1977 erhielt er neben dem Ruhegeld einen Betrag von 46.000,-- DM. Für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum 30. Juni 1982 stand ihm als Gegenleistung für seine Tätigkeit ein Betrag von jährlich 101.000,-- DM zu.
Am 9. August 1982 stellte der Vorstand der Beklagten deren Zahlungsunfähigkeit fest und beantragte das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses. Für die Monate August, September und Oktober 1982 zahlte die Beklagte dem Kläger kein Ruhegehalt. Am 31. Oktober 1982 wurde das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet und am 18. März 1983 der von der Gläubigerversammlung angenommene Vergleichsvorschlag gerichtlich bestätigt. Gemäß Nummer 3 dieses Vorschlags zahlt die Beklagte seit November 1982 monatlich 40 v.H. des Ruhegehalts des Klägers. Den Anspruch des Klägers gegen den Pensionssicherungsverein auf Zahlung der Differenz zwischen der Vergleichsquote und dem vollen Ruhegehalt wies das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 25. Januar 1983 (7 Sa 1130/83) ab, weil es sich nicht um Altersversorgung im Sinne des § 7 BetrAVG handele. Mit der Klage begehrt der Kläger die Zahlungen für die Monate August, September und Oktober 1982 in voller Höhe.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Forderung auf Zahlung der Rückstände für diese Monate sei nach § 26 Abs. 2 Satz 2 VglO in Verb. mit § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO bevorrechtigt. Die Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben, wenn sie die Verbindlichkeit, die sie im Falle ihrer Solvenz voll erfüllt hätte, jetzt nicht erfüllen wolle. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
19.320,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen
aus je 6.440,-- DM brutto seit dem 1.
September 1982, 1. Oktober 1982 und
1. November 1982 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Leistungen an den Kläger seien keine Altersversorgung im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO. Diese Bestimmung habe zu Lasten der Konkursgläubiger keinen weitergehenden Schutzbereich als § 7 BetrAVG bezüglich des Pensionssicherungsvereins. Die Parteien des Arbeitsvertrags hätten es nicht in der Hand, Arbeitnehmern dadurch ein Vorrecht gegenüber anderen Konkursgläubigern zu verschaffen, daß sie mit ihnen vereinbarten, bestimmte Leistungen des Arbeitgebers seien "Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung" im Sinne des Gesetzes.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg.
I. Die Klage ist in Höhe von 7.728,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 18. September 1984 begründet.
1. Nach Nr. 1 und 2 des Vergleichsvorschlags erhalten alle Vergleichsgläubiger mit Forderungen über 10.000,-- DM zum vollständigen Ausgleich ihrer Ansprüche und unter Erlaß des Restes Befriedigung in Höhe von 40 v.H. ihrer Vergleichsforderungen; die entsprechenden Zahlungen sind fällig am Tage des Ablaufs einer Frist von 18 Monaten nach Vergleichsbestätigung. Der rückständige Betrag für die Monate August bis Oktober 1982, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, fällt unter diese Nummern des Vergleichsvorschlags. Er beläuft sich auf 19.320,-- DM brutto. Die dem Kläger zustehende Vergleichsquote in Höhe von 40 v.H. beträgt 7.728,-- DM.
2. Von diesem Betrag schuldet die Beklagte 4 % Zinsen seit 18. September 1984. Das folgt aus § 288 BGB. Der Beschluß über die Bestätigung des Vergleichs ist am 18. März 1983 ergangen. Der Betrag wurde somit am 18. September 1984 fällig; an diesem Tage geriet die Beklagte ohne Mahnung in Verzug (§ 284 Abs. 2 BGB).
3. Allerdings liegt der Fälligkeitszeitpunkt nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (13. April 1984). Dennoch bestehen keine Bedenken, die zwischenzeitlich eingetretene Fälligkeit in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung läßt dies zu, wenn das Berufungsgericht die Fälligkeit in ihrer Bedeutung für den Anspruch bereits gewürdigt hat (vgl. BGH LM § 240 BGB Nr. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 561 Anm. 2 B). Zwar fehlt es vorliegend an einer ausdrücklichen Feststellung des Fälligkeitstages im Berufungsurteil, der Inhalt des Vergleichsvorschlags ist jedoch unstreitig. Außerdem hat die Beklagte selbst angekündigt, nach Ablauf der achtzehnmonatigen Frist 40 v.H. der Klagesumme zu zahlen. Bei dieser Sachlage sieht der Senat keinen Hinderungsgrund, den Eintritt der Fälligkeit seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
II. In Höhe der übrigen 60 v.H. des rückständigen Betrags ist die Klage unbegründet. Der Anspruch des Klägers genießt im Vergleichsverfahren über das Vermögen der Beklagten nicht das Vorrecht nach § 26 Abs. 2 Satz 2 VglO in Verb. mit § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO.
1. Das Landesarbeitsgericht ist der Auffassung, bei der Klageforderung handele es sich, obwohl der Kläger bei Beginn der Rentenzahlungen erst 53 Jahre und bei der Fälligkeit des streitgegenständlichen Betrags erst 58 Jahre alt war, um Ansprüche "auf Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung" und damit um Masseschulden im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO. Diese Bestimmung habe nicht den gleichen Schutzbereich wie § 7 BetrAVG. Die solidarisch haftenden Arbeitgeber dürften nicht durch ungewöhnlich weitgehende Versorgungszusagen ihrer Mitglieder unangemessen belastet werden. Im Konkursfall dagegen stünden dem Gemeinschuldner Forderungsinhaber gegenüber, die aufgrund von Ansprüchen aus sehr unterschiedlichen Verträgen eine Gläubigergemeinschaft bildeten. Dem späteren Gemeinschuldner sei es unbenommen, Geschäfte zu beliebigen Bedingungen abzuschließen und dabei auch einzelne Gläubiger zu begünstigen, indem er ihnen z. B. Eigentumsvorbehalte einräume, die zur Aussonderung berechtigten. Er könne auch nicht daran gehindert werden, außergewöhnliche Ruhegeldzusagen zu machen und damit einzelne Gläubiger für den Konkursfall zu bevorrechtigen. Die anderen Konkursgläubiger seien demgegenüber nur auf die Möglichkeiten der Konkursanfechtung verwiesen. Diese schütze auch vor einer Gläubigerbenachteiligung, die durch die fälschliche Bezeichnung einer bestimmten Leistung als "betriebliche Altersversorgung" entstehen könne. Im übrigen seien die Folgen des Konkursvorrechts nicht so erheblich, daß dessen Angleichung an die Sicherungstatbestände des gesetzlichen Insolvenzschutzes geboten sei. Während der Pensionssicherungsverein bei einer vorgezogenen festen Altersgrenze jahrelang Leistungen erbringen müsse, gehe es bei einem Streit um Konkursvorrechte der vorliegenden Art nur um Rentenrückstände für höchstens sechs Monate.
Aber selbst wenn man dem nicht folge, sei das Ergebnis kein anderes. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Insolvenzschutz bei vorzeitigem Ruhestand sei es Sache des Beklagten, darzulegen und zu beweisen, daß dem Versorgungsberechtigten Vergünstigungen zugebilligt worden seien, die über das Maß dessen hinausgingen, das unter vergleichbaren Verhältnissen im Rahmen des Üblichen zugebilligt werde. Für eine solche Fallgestaltung habe die Beklagte aber nichts vorgetragen. Im übrigen habe der Bundesgerichtshof offengelassen, ob nicht unter besonderen Voraussetzungen auch eine vor Vollendung des 60. Lebensjahres einsetzende Altersrente in Frage kommen könne. Zwar sei die vorliegende Zusage eines Ruhegeldes ab dem 53. Lebensjahr ganz ungewöhnlich, sie sei aber durch ungewöhnliche Umstände gerechtfertigt. Auch habe die Beklagte nicht dargelegt, daß ein anderer Zweck als die Alterssicherung des Klägers verfolgt worden sei. Außerdem sei der Kläger bei Vergleichseröffnung bereits 58 Jahre alt gewesen. Ruhegeldzusagen für dieses Lebensalter seien keine Ausnahme mehr, wie das inzwischen in Kraft getretene Vorruhestandsgesetz zeige.
Schließlich verhalte die Beklagte sich widersprüchlich. Sie habe vor dem Vergleichsverfahren mehr als fünf Jahre lang das Ruhegeld gezahlt und sogar an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt. Auch für die Zeit nach Vergleichsbestätigung gehe die Beklagte offenbar davon aus, daß es sich um betriebliche Altersversorgung handele, denn sie nehme den Aufschub der Fälligkeit allgemeiner Vergleichsforderungen nach Nummer 2 des Vergleichsvorschlags hierfür nicht in Anspruch.
2. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist nicht überzeugend.
a) Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung hat in § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO (auch § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d KO) die gleiche Bedeutung wie in § 1 Abs. 1 BetrAVG. Er bezeichnet Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind. Dies folgt aus der Begründung zu Art. 2 § 1 Nr. 1 Buchst. a des Regierungsentwurfs zum Gesetz über das Konkursausfallgeld (BT-Drucks. 7/1750, S. 16 f.), durch den § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO die für den vorliegenden Streitfall maßgebende Fassung erhielt. Der Gesetzgeber wollte durch die Einfügung der Regelung in § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO allein "der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassung Rechnung" tragen, "daß die Ansprüche früherer Arbeitnehmer auf Ruhegeld das Vorrecht des § 61 Nr. 1 der Konkursordnung genießen". Damit wurde angeknüpft an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Juli 1969 (BAG 22, 105 = AP Nr. 6 zu § 61 KO), in dem der erkennende Senat entschieden hatte, Forderungen auf rückständige betriebliche Versorgungsleistungen seien im Konkurs des früheren Arbeitgebers ebenso wie rückständige Lohnforderungen der Arbeitnehmer nach Maßgabe und in den Grenzen des § 61 Nr. 1 KO (a.F.) bevorrechtigt. Darüber hinaus sollte nach der Gesetzesbegründung der gesamte Personenkreis einbezogen werden, der "von § 7 Abs. 1 des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BT-Drucks. 7/1281)" erfaßt wird, "also auch Hinterbliebene und Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind". § 7 Abs. 1 des Entwurfs entsprach dem heutigen § 17 Abs. 1 BetrAVG. Der Begriff der Altersversorgung im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d KO (und § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d KO) entspricht somit genau demjenigen des Betriebsrentengesetzes.
Ein Rentenanspruch betrifft Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und genießt im Konkurs Vorrang, wenn er bestimmte Merkmale erfüllt. Es genügt nicht, daß die Parteien Leistungen als betriebliche Altersversorgung bezeichnen. Vielmehr muß der Tatbestand der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrAVG erfüllt sein. Ob das der Fall ist, ergibt sich zwar aus dem Inhalt der Versorgungszusage, aber die begriffliche Einordnung ist eine Rechtsfrage, die nicht zur Disposition der Parteien steht.
Das kennzeichnende Merkmal der betrieblichen Altersversorgung ist ihr Zweck. Sie dient dazu, die Versorgung des Arbeitnehmers nach dessen Ausscheiden aus dem Beruf oder aus dem Erwerbsleben zu sichern. Das kann sogar bei Kapitalzahlungen anzunehmen sein. So hat der Senat die Gutschrift einer Gewinnbeteiligung auf einem Darlehenskonto, über das der Arbeitnehmer erst nach Eintritt des Versorgungsfalls verfügen kann, als eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung angesehen (Urteil vom 30. Oktober 1980 - 3 AZR 805/79 - BAG 34, 242 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG). Nach dem durch Auslegung der Zusage zu ermittelnden Zweck der Leistung bestimmt sich auch, ob Zahlungen, die schon vor Erreichen der allgemein üblichen oder bisher maßgebenden Altersgrenze (hier: 65. Lebensjahr, vgl. § 5 Nr. 9 des Vertrags vom 18. April 1973) gewährt werden, als betriebliche Altersversorgung anzusehen sind.
b) Im vorliegenden Fall sollten die Leistungen, die dem Kläger im Vertrag vom 7. Dezember 1976 versprochen wurden, nicht als betriebliche Altersversorgung des Klägers dienen.
Nach Abschnitt V Nr. 1 der Vereinbarung vom 7. Dezember 1976 trat allerdings die in § 8 des Vertrags vom 18. April 1973 enthaltene Pensionsregelung am 1. Januar 1977 in Kraft. Diese Klausel betrifft das "Ruhegeld" und nicht das "Übergangsgeld", das in § 7 geregelt ist. Dennoch folgt daraus nicht, daß es sich bei den versprochenen Leistungen um solche der betrieblichen Altersversorgung handelte. Die Auslegung der Vereinbarung vom 7. Dezember 1976 ergibt, daß die Parteien dem Kläger lediglich den Übergang in einen anderen Beruf erleichtern wollten. An ein Ausscheiden des erst 53jährigen Klägers aus dem Beruf oder aus dem Erwerbsleben war nicht gedacht. Dies folgt aus dem Zeitpunkt, zu dem die Vereinbarung geschlossen wurde und aus einzelnen Vertragsbestimmungen.
Die Zusage, daß ab 1. Januar 1977 die in § 8 des Vertrags vom 18. April 1973 vorgesehene Pensionsregelung in Kraft trete, wurde dem Kläger kurz vor Vollendung seines 53. Lebensjahres erteilt. Scheidet ein Arbeitnehmer dieses Alters aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne berufs- oder erwerbsunfähig zu sein, so spricht dies im allgemeinen nicht dafür, daß die Beendigung oder Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit erwartet wird. Auch im Falle des Klägers war dies nicht so. Wie sich aus den Abschnitten II und IV der Vereinbarung vom 7. Dezember 1976 ergibt, hatte er bis zur Übergabe an einen Nachfolger, spätestens bis 30. Juni 1977, zunächst seine bisherigen Aufgaben weiterzuführen. Anschließend hatte er bis zum 30. Juni 1982 dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu Auskünften und zur Beratung zur Verfügung zu stehen. Für beide Tätigkeiten hatte der Kläger Anspruch auf Vergütung. Für die Weiterführung der bisherigen Aufgaben im Jahre 1977 erhielt er 46.000,-- DM, für die Auskunfterteilung und Beratung in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1978 und dem 30. Juni 1982 jährlich 101.000,-- DM. Außerdem zeigt die Aufhebung der Anrechnungsklausel in § 8 Nr. 7 des Vertrags vom 18. April 1973, daß die als "Ruhegeld" bezeichneten Leistungen in das ab dem 1. Januar 1977 geänderte aber fortbestehende Vertragsverhältnis einbezogen waren, also nicht als "Versorgung" angesehen wurden. Die Aufhebung des Wettbewerbsverbots in Abschnitt III der Vereinbarung mit dem ausdrücklichen Hinweis, dem Kläger stehe frei, andere Tätigkeiten aufzunehmen, rechtfertigt ebenfalls den Schluß, daß an den Übergang des Klägers in ein neues Beschäftigungsverhältnis, nicht aber an seine Versorgung im Ruhestand gedacht war. All dies spricht dagegen, die Leistungen, die dem Kläger zustanden, als solche der betrieblichen Altersversorgung anzusehen. Nach der Gesamtregelung vom 7. Dezember 1976 ist vielmehr davon auszugehen, daß der Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes entschädigt werden sollte.
Unerheblich ist, daß der Kläger bei Eröffnung des Vergleichsverfahrens das 58. Lebensjahr bereits vollendet hatte. In diesem Zusammenhang hält das Landesarbeitsgericht einen Hinweis auf das Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen (Vorruhestandsgesetz - VRG) vom 13. April 1984 (BGBl. I, 601) für bedeutsam. Das Vorruhestandsgesetz zeige, daß Versorgungsleistungen in diesem Alter nicht mehr als Ausnahmefall anzusehen seien. Dabei wird jedoch übersehen, daß die Leistungen nach dem Vorruhestandsgesetz nicht unter den Begriff der betrieblichen Altersversorgung fallen. Sie werden vielmehr schon gewährt, während Versorgungsanwartschaften noch bestehen, und zwar bis zu deren Erstarken zu einem Anspruch auf Betriebsrente (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 VRG, § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG).
c) Die Auffassung des Senats steht auch nicht in Widerspruch zur herrschenden Lehre und zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, daß durch Vertragsauslegung zu ermitteln ist, ob Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne der Begriffsbildung des Betriebsrentengesetzes zugesagt wurden. In Zweifelsfällen ist die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Einl. Rz 16; ähnlich Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl., § 1 Rz 24; enger Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., Arb.Gr. Rz 20, der schärfer zwischen Alters- und Invaliditätsversorgung unterscheiden will). Nichts anderes meint der Bundesgerichtshof, wenn er von "typischen Leistungen" spricht und bei einer Altersgrenze unter 63 Jahren auf die Gründe abstellt, die für die Vereinbarung eines so frühen Rentenbeginns maßgebend waren (Urteil vom 28. September 1981 - II ZR 181/80 - AP Nr. 12 zu § 7 BetrAVG, zu V 1 der Gründe).
3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verhält sich die Beklagte nicht widersprüchlich und damit treuwidrig (§ 242 BGB), indem sie die Zahlung verweigert.
Daß die Parteien die Zahlungen vor dem Vergleichsverfahren als Ruhegeld angesehen haben, konnte die vergleichs- und konkursrechtliche Lage nicht berühren, weil die Konkursvorrechte nicht zur Disposition des insolventen Schuldners stehen. Der Kläger hat für die drei Monate vor Vergleichseröffnung 60 v.H. seiner Forderung verloren. Er ist insoweit als Vergleichsgläubiger von der Vergleichsregelung betroffen.
Daß die Beklagte den Anspruch des Klägers nach Abschluß des Vergleichs als Betriebsrentenanspruch ansah und sofort mit Zahlungen begann, ohne die achtzehnmonatige Frist nach Nummer 2 des Vergleichsvorschlags auszunutzen, führt ebenfalls für die umstrittenen drei Monatsraten zu keiner anderen Beurteilung. Das Verhalten nach der Vergleichsbestätigung begründet keine Pflichten für die Monate vor der Vergleichseröffnung und steht auch nicht im Widerspruch zu der Ablehnung eines Konkursvorrechts.
Dr. Dieterich Griebeling
zugleich für den Richter am BAG
Dr. Peifer, der durch Urlaub an
der Unterschriftsleistung gehin-
dert ist; ferner für den ehrenamt- Halberstadt
lichen Richter Dr. Bermel, dessen
Amtszeit geendet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 438501 |
BAGE 51, 51-59 (LT1-2) |
BAGE, 51 |
DB 1987, 52-53 (LT1-2) |
BetrAV 1987, 62-63 (LT1-2) |
JR 1987, 176 |
KTS 1987, 121-125 (LT1-2) |
NZA 1987, 126-128 (LT1-2) |
RdA 1986, 401 |
ZIP 1986, 1582 |
ZIP 1986, 1582-1585 (LT1-2) |
AP § 59 KO (LT1-2), Nr 18 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 175 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 175 (LT1-2) |
EzA § 59 KO, Nr 14 (LT1-2) |
VersR 1987, 216-218 (LT1-2) |
VersR 1987, 216-218 (ST1-2) |