Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsmißbrauch bei Anpassung der Betriebsrenten
Leitsatz (redaktionell)
1. Zusagen eines Arbeitgebers auf Leistung der betrieblichen Altersversorgung unterliegen der Kontrolle auf Mißbrauch der Insolvenzversicherung nach Maßgabe des § 7 Abs 5 BetrAVG.
2. Zu den Verbesserungen einer Zusage gehören auch Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine Erhöhung laufender Betriebsrenten, die auf Entscheidungen des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG (Anpassungsprüfung für laufende Leistungen) beruhen.
3. Der Versicherungsschutz entfällt nicht, wenn die Entscheidung des Arbeitgebers, laufende Rente zu erhöhen, vertretbar ist. Dem Arbeitgeber steht bei seinen Entscheidungen nach § 16 BetrAVG ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe und darüber hinaus noch ein Ermessensspielraum zu.
4. § 7 Abs 5 Satz 2 BetrAVG enthält eine widerlegbare Vermutung. Der Versicherungsschutz scheidet nicht schon dann aus, wenn die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Verbesserung schlecht war. Entscheidend kommt es nach § 7 Abs 5 Satz 1 BetrAVG darauf an, ob beabsichtigt war, den gesetzlichen Insolvenzschutz zu mißbrauchen. Dieser Zweck darf unter den Voraussetzungen des § 7 Abs 5 Satz 2 BetrAVG vermutet werden.
Normenkette
BetrAVG §§ 16, 7 Abs. 5 Sätze 1-3
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 15.01.1987; Aktenzeichen 3 Sa 944/86) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 28.07.1986; Aktenzeichen 8 Ca 2073/86) |
Tatbestand
Der Kläger, ein Versorgungsempfänger, und der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein streiten um die Höhe des Versorgungsanspruchs.
Der Kläger war vom 1. März 1970 bis zum 30. Juni 1980 Arbeitnehmer der H AG. Die Arbeitgeberin hatte ihm eine Altersversorgung versprochen. Aufgrund dieser Zusage erhielt der Kläger ab 1. Juli 1980 eine Betriebsrente von 833,-- DM monatlich.
Zum 1. Juli 1983 paßte die H AG diese Rente gemäß § 16 BetrAVG an die wirtschaftliche Entwicklung an. Sie zahlte bis zum 31. Dezember 1984 monatlich 875,-- DM. Am 28. Februar 1985 wurde über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet.
Der Pensions-Sicherungs-Verein zahlte an den Kläger ab 1. Januar 1985 die Betriebsrente nur in Höhe von 833,-- DM. Er weigerte sich unter Berufung auf § 7 Abs. 5 BetrAVG (Ausschluß von Ansprüchen bei Versicherungsmißbrauch) die volle Rente zu zahlen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die volle Betriebsrente zu. Er hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ab
1. Januar 1985 über die bereits gezahl-
te monatliche Rente von 833,-- DM hin-
aus monatlich weitere 42,-- DM (insge-
samt 875,-- DM monatlich), fällig jeweils
zum Letzten eines jeden Monats, zu zah-
len nebst 10,5 % Zinsen aus 875,-- DM
für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis 9. Ok-
tober 1985 sowie 4 % Zinsen von jeweils
42,-- DM seit dem 31. Oktober 1985, 30.
November 1985, 31. Dezember 1985, 31. Ja-
nuar 1986 und 28. Februar 1986 zu zahlen,
2. festzustellen, daß der Beklagte ver-
pflichtet ist, nach seinem Tode eine
Witwenrente an seine Ehefrau Margot,
geb. am 15. April 1922, von monatlich
437,50 DM zu zahlen.
Der Pensions-Sicherungs-Verein hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, eine Anpassung der Betriebsrente nach § 16 BetrAVG könne ein Versicherungsmißbrauch im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG sein. Dazu hat er behauptet, die H AG habe dem Kläger im Juli 1983 die höhere Rente nur zu dem Zweck zugesagt, den Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch nehmen zu können. Im Zeitpunkt der Anpassung sei zu erwarten gewesen, daß die H AG wegen ihrer wirtschaftlichen Lage den höheren Anspruch nicht werde erfüllen können. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers sei im Juli 1983 katastrophal gewesen. Die H AG sei aus Anlaß der Anpassung ihren Rentnern gegenüber Verbindlichkeiten in Höhe von 174.000,-- DM jährlich eingegangen. Bereits in den Jahren 1981 und 1982 habe die H AG ihre wirtschaftliche Situation in den Bilanzen besser dargestellt, als sie in Wirklichkeit gewesen sei. Sie habe im Wert zweifelhafte Forderungen an Banken verkauft mit der Verpflichtung, nach dem Bilanzstichtag diese Forderungen zum vollen Nennbetrag zurückzuerwerben. Beim Jahresabschluß 1982 hätte sie zusätzliche Rückstellungen in Höhe von 50 Millionen DM bilden müssen; das sei ein Betrag in Höhe des zweifachen Grundkapitals. In die Bilanz des Jahres 1982 habe die Gesellschaft einen Veräußerungswert für Einrichtungsgegenstände einer Baustelle in Saudi-Arabien in Höhe von etwa 25 Millionen DM nur deshalb einstellen können, weil die N bank sich verpflichtet habe, die Differenz zwischen dem in der Bilanz ausgewiesenen und dem von Saudi-Arabien tatsächlich gezahlten Kaufpreis zu übernehmen. Im Laufe des Jahres 1983 habe sich gezeigt, daß wegen der Baustelle in Saudi-Arabien eine zusätzliche Wertberichtigung in Höhe von 47,5 Millionen DM erforderlich geworden sei. Seit 1982 habe sich die Ertrags- und Vermögenslage der Gesellschaft verschlechtert. Die ordentliche Rechnung habe 1982 noch einen Überschuß von 555.000,-- DM ergeben. 1983 sei ein Jahresfehlbetrag von mehr als 111 Millionen DM bei ordentlicher Rechnung ausgewiesen, im Jahre 1984 habe es einen Verlust von fast 36 Millionen DM gegeben. Insgesamt habe der Jahresüberschuß noch im Jahre 1982 169.000,-- DM betragen, im Jahre 1983 habe es einen Verlust von 205.000,-- DM und im Jahre 1984 einen Jahresfehlbetrag von über 44 Millionen DM gegeben. Entsprechend der Ertragslage habe sich auch die Vermögenslage verschlechtert. Die langfristigen Verbindlichkeiten hätten von 27,5 Millionen DM (31. Dezember 1982) auf 29,5 Millionen DM (31. Dezember 1983) zugenommen. Um das Jahresergebnis 1983 noch ausgleichen zu können, hätten die Gläubigerbanken Anfang 1984 auf 105 Millionen DM verzichtet. Für das Jahr 1983 habe die H AG keine Rückstellungen für die im Jahre 1983 hinzugekommenen Verpflichtungen aus Pensionsversprechen mehr ausweisen können. Die Pensionsverpflichtungen hätten sich im Jahre 1983 um rd. 1,8 Millionen DM erhöht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben; es hat nur den Zinsanspruch, soweit der Kläger mehr als 4 % Zinsen gefordert hatte, abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Pensions-Sicherungs-Vereins ist begründet. Das Angebot der H AG, dem Kläger ab 1. Juli 1983 die Rente um 42,-- DM von 833,-- DM auf 875,-- DM zu erhöhen, ist ein Angebot auf Verbesserung der Versorgungszusage. Der Vertrag, die Versorgungszusage, unterliegt daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts der Kontrolle auf Versicherungsmißbrauch nach § 7 Abs. 5 BetrAVG. Ob Versicherungsmißbrauch vorliegt, kann der Senat nicht beurteilen. Dazu sind noch weitere Feststellungen erforderlich.
1. Die Vereinbarung der Parteien des Arbeitsvertrages, ab 1. Juli 1983 dem Kläger eine höhere Rente zu zahlen, ist eine Verbesserung der Versorgungszusage im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG.
Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ist ein Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Träger der Insolvenzsicherung ausgeschlossen, soweit nach den Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihrer Verbesserung, der Beleihung oder Abtretung eines Anspruchs aus einer Direktversicherung gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen.
Das Landesarbeitsgericht meint, der Mißbrauchstatbestand des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG beziehe sich nur auf Rechtsgeschäfte, durch die Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung begründet oder verbessert werden. Die Bestimmung beziehe sich nicht auf Rechtsgeschäfte, die bereits entstandene Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung betreffen. Deshalb könne auch die Abänderung des Versorgungsversprechens, die nach Maßgabe des § 16 BetrAVG zustande gekommen sei, keiner Mißbrauchskontrolle nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG unterworfen werden.
Der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat seine Ansicht mit dem Wortlaut der Bestimmung begründet. Die Versorgungszusage sei das Versprechen eines Arbeitgebers, aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung in einem künftigen Versorgungsfall zu gewähren.
Deshalb seien nur Rechtsgeschäfte (Zusagen) in bezug auf Anwartschaften gemeint. So eindeutig, wie das Landesarbeitsgericht meint, ist der Wortlaut dieser Bestimmung jedoch nicht. Der Arbeitgeber kann sich gegenüber dem Arbeitnehmer vertraglich verpflichten, mit sofortiger Wirkung Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren. Dies mag zwar nicht der Regelfall sein. Doch dürfen diese Fallgestaltungen nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ausgeschlossen werden. Auch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus Anlaß des Eintritts des Arbeitnehmers in den Ruhestand, also zu Beginn des Ruhestands, über Grund und Höhe einer Betriebsrente, sind Versorgungszusagen im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG. Auch sie unterliegen damit der Mißbrauchskontrolle im Sinne dieser Bestimmung (Urteil des Senats vom 24. Juni 1986 - 3 AZR 645/84 - BAGE 52, 226 = AP Nr. 33 zu § 7 BetrAVG).
§ 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die Annahme, Zweck der Versorgungszusage sei es gewesen, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen, dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Danach ist auf den Zeitpunkt der Zusage abzustellen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt muß die voraussichtliche wirtschaftliche Entwicklung des Arbeitgebers beurteilt werden. Damit ist noch nicht nachgewiesen, daß es sich nur um die Begründung oder Verbesserungen von Anwartschaften handeln kann. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber sich zu sofortiger Zahlung verpflichtet, steht ebenfalls nicht fest, ob der Arbeitgeber sein Versprechen in der Zukunft wird halten können. Die Prognose, die § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG vorschreibt, bezieht sich auf alle künftig fällig werdenden Leistungen.
Auch § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung werden bei der Bemessung der Leistungen des Trägers der Insolvenzsicherung Verbesserungen der Versorgungszusagen nicht berücksichtigt, soweit sie in dem letzten Jahr vor dem Eintritt des Sicherungsfalls größer gewesen sind als in dem diesem Jahr vorangegangenen Jahr. Die Vorschrift knüpft ebenso wie § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG an Versorgungszusagen und damit an ein Rechtsgeschäft an, das darauf gerichtet ist, Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu begründen. Damit setzt die Anwendung dieser Bestimmung, wie das Berufungsgericht mit Recht sagt, eine bereits bestehende Versorgungszusage voraus. Nur dann können die Versorgungszusagen miteinander verglichen und etwaige Verbesserungen festgestellt werden. Verbesserungen der Versorgungszusagen können jedoch auch eintreten durch Änderungen laufender Leistungen. Mit § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG läßt sich die Beschränkung des Begriffs der Versorgungszusage auf die Begründung von Anwartschaften daher nicht rechtfertigen.
b) Der Zweck der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG spricht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für eine Anwendung dieser Bestimmung auch in den Fällen, in denen laufende Leistungen erhöht und damit Versorgungszusagen verbessert werden. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber einem Mißbrauch der Insolvenzsicherung entgegenwirken (vgl. BAG Urteil vom 2. Juni 1987 - 3 AZR 764/85 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).
Allerdings mag das Bedürfnis einer Mißbrauchskontrolle bei der Begründung von Anwartschaften oder bei ihrer Verbesserung größer sein als in den Fällen, in denen der Arbeitgeber nach der Verbesserung laufender Leistungen zunächst für die wirtschaftlichen Folgen seines Versprechens selbst einzustehen hat. Die zeitlich unmittelbar nachfolgende Verpflichtung, die Verbesserung der laufenden Versorgungszusage alsbald selbst erfüllen zu müssen, wird den Arbeitgeber häufig hindern, allzu großzügige und unangemessene Verbindlichkeiten einzugehen. Wer zunächst selbst unmittelbar zahlen muß, wird vorsichtiger handeln als derjenige, der Leistungen erst für spätere Zeiten verspricht. Doch ist ein Versicherungsmißbrauch auch bei einer solchen Fallgestaltung nicht auszuschließen. Der Arbeitgeber kann Leistungsverbesserungen zusagen in der Erwartung, daß der Träger der Insolvenzsicherung über kurz oder lang für diese verbesserten Versorgungszusagen eintreten wird. Der Zweck der Vorschrift rechtfertigt mithin keine Einschränkung der Mißbrauchskontrolle.
c) Zu den Rechtsgeschäften, die einer Mißbrauchskontrolle im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG unterliegen, gehören mithin auch Vereinbarungen über die Verbesserung laufender Betriebsrenten. Wird durch das Rechtsgeschäft die Haftung des Trägers der Insolvenzsicherung vergrößert, muß dem Träger der Insolvenzsicherung die Berufung auf Versicherungsmißbrauch möglich sein. Die Verbesserung einer bereits versprochenen Versorgung kann die Haftung des Trägers der Insolvenzsicherung vergrößern. Eine Verbesserung wird damit durch jede Vereinbarung bewirkt, die den Versorgungsempfänger oder Anwartschaftsberechtigten begünstigt (vgl. Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 7 Rz 286 mit weiteren Nachweisen).
Eine Versorgungszusage im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung wird auch dadurch verbessert, daß sich der Arbeitgeber nach einer Prüfung entschließt, laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an die Kaufkraft anzupassen. Hierfür ist unerheblich, ob der Arbeitgeber die Rente freiwillig erhöht oder ob er nach Maßgabe des § 16 BetrAVG prüft und entscheidet. Auch die Verbesserung einer Versorgung, die auf einer Entscheidung des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG beruht, ist eine Verbesserung der versprochenen Versorgung im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG.
Nach § 16 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und über eine Anpassung nach billigem Ermessen zu entscheiden. Entscheidet er sich für die Erhöhung der laufenden Rente, bietet er dem Arbeitnehmer eine Verbesserung der versprochenen Versorgung an. Damit unterliegt auch diese Änderung des Versorgungsvertrags einer Mißbrauchskontrolle. Es ist nicht auszuschließen, daß der Arbeitgeber diese Verbesserungen zu dem alleinigen oder überwiegenden Zweck anbietet, dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme des Pensions-Sicherungs-Vereins zu ermöglichen.
Damit sind Rechtsgeschäfte, die auf einer Anpassung nach Maßgabe des § 16 BetrAVG beruhen, nicht schlechthin der Mißbrauchskontrolle entzogen. Dem Pensions-Sicherungs-Verein bleibt die Möglichkeit, sich auf Versicherungsmißbrauch zu berufen.
2. Bei der Anwendung der Bestimmungen über Versicherungsmißbrauch auf Verbesserungen von Versorgungszusagen, die nach § 16 BetrAVG zustande kommen, sind jedoch Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Rentenanpassung zu prüfen und über eine Erhöhung zu entscheiden, ist eine gesetzliche Verpflichtung. Die Erfüllung einer Rechtspflicht kann allein nicht rechtsmißbräuchlich sein. Deshalb wird ein Versicherungsmißbrauch immer dann ausscheiden, wenn sich der Arbeitgeber bei seinem Angebot zur Erhöhung der laufenden Versorgungsleistungen im Rahmen des § 16 BetrAVG hält. Das, was der Arbeitgeber nach § 16 BetrAVG darf, kann kein Versicherungsmißbrauch sein. Dabei steht dem Arbeitgeber ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Bei seiner Entscheidung hat er insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Lage ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von Gerichten nur beschränkt nachprüfbar ist. Dem Arbeitgeber muß ein gewisser Beurteilungsspielraum verbleiben. Neben den Belangen des Versorgungsempfängers und seiner eigenen wirtschaftlichen Lage darf der Arbeitgeber noch andere Kriterien in seine Prüfung und Entscheidung einbeziehen. Insgesamt muß seine Entscheidung billigem Ermessen entsprechen. Das Gesetz räumt ihm deshalb über den Beurteilungsspielraum hinaus einen zusätzlichen Ermessensspielraum ein.
Dieser Beurteilungs- und Ermessensspielraum steht dem Arbeitgeber zu, wenn er gemäß § 16 BetrAVG über die Anpassung der laufenden Leistungen zu entscheiden hat. Derselbe Beurteilungs- und Ermessensspielraum ist jedoch auch dann zu berücksichtigen, wenn seine Entscheidung später unter dem Gesichtspunkt des Versicherungsmißbrauchs im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG überprüft wird. Eine Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG und das darauf beruhende Angebot einer höheren laufenden Leistung kann nur dann den Tatbestand des Versicherungsmißbrauchs im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG erfüllen, wenn die Entscheidung des Arbeitgebers selbst unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und Ermessensspielraums, der dem Arbeitgeber bei Anwendung dieser Bestimmung zusteht, nicht mehr vertretbar ist. Auch für diese Fälle gilt, daß der Arbeitgeber auch andere als die in § 16 BetrAVG genannten Kriterien bei seiner Prüfung und Entscheidung berücksichtigen darf, etwa die Folgen einer verweigerten Anpassung für das Ansehen seines Unternehmens und die Kreditfähigkeit. Nur wenn die Entscheidung des Arbeitgebers unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt vertretbar ist, kommt Versicherungsmißbrauch in Betracht.
3. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des beklagten Pensions-Sicherungs-Vereins nicht gewürdigt. Deshalb fehlt es an den erforderlichen Feststellungen.
a) Nach dem Vorbringen des Pensions-Sicherungs-Vereins ist Versicherungsmißbrauch nicht auszuschließen. Der Pensions-Sicherungs-Verein wirft dem damaligen Vorstand der Aktiengesellschaft vor, Geschäftspartner, Gläubiger und Arbeitnehmer schon bei der Aufstellung der Bilanz für das Jahr 1982 über die wahre wirtschaftliche Lage des Unternehmens durch Bilanzmanipulationen getäuscht zu haben. Diese Behauptung und die weiteren Behauptungen über die wirtschaftliche Lage im Jahre 1983 lassen den Schluß zu, daß die Ertragskraft des Unternehmens langfristig und nicht nur vorübergehend gefährdet war (vgl. zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange des Unternehmens BAGE 29, 294 = AP Nr. 5 zu § 16 BetrAVG und 32, 303 = AP Nr. 7 zu § 16 BetrAVG).
b) Sollte das Berufungsgericht unter Würdigung aller Umstände, die für oder gegen eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten im Jahre 1983 sprechen, zu dem Schluß kommen, daß diese Anpassung nicht vertretbar war, kann sich der Beklagte auf § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG berufen. Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ist der Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Träger der Insolvenzsicherung dann ausgeschlossen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß es der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage oder ihrer Verbesserung war, den Träger der Insolvenzsicherung in Anspruch zu nehmen. Diese Voraussetzung wird der Pensions-Sicherungs-Verein in vielen Fällen nur schwer nachweisen können. Deshalb erleichtert § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG den Nachweis dieser Voraussetzung. Die Annahme, daß der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage die mißbräuchliche Inanspruchnahme des Trägers der Insolvenzsicherung war, ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten war, daß die Zusage nicht erfüllt werde. Versicherungsmißbrauch liegt nur dann vor, wenn die vom Gesetz mißbilligten Zwecke verfolgt werden. Statt des Mißbrauchszwecks muß der Pensions-Sicherungs-Verein nach § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG lediglich nachweisen, daß die Erfüllung der Zusage bzw. der Verbesserung in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers nicht zu erwarten war. Dann wird vermutet, daß mit den Vereinbarungen ein mißbräuchlicher Zweck verfolgt wurde.
c) Das Berufungsgericht wird weiter davon auszugehen haben, daß es sich bei der Vermutung des § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG um eine widerlegbare Vermutung handelt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich bisher zu der Rechtsfrage, ob es sich um eine widerlegbare oder um eine unwiderlegbare Vermutung handelt, nicht geäußert. Die Auffassungen in der Literatur sind geteilt (für eine unwiderlegbare Vermutung: Blomeyer/Otto, aaO, § 7 Rz 293; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, Teil 1 Rz 673; für eine widerlegbare Vermutung: Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 7 Rz 155; Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., § 7 Rz 360).
Zweck der Vorschrift ist es, dem Pensions-Sicherungs-Verein den Nachweis des Mißbrauchszwecks zu erleichtern. Dieses Ziel wird schon mit einer widerlegbaren Vermutung erreicht. Es ist nicht notwendig, daß dem Arbeitnehmer jede Möglichkeit genommen wird, diese Vermutung zu widerlegen. Eine unwiderlegbare Vermutung ist nur dort angebracht, wo die in der Vermutung beschriebenen Sachverhalte zwingend den Schluß auf eine Haupttatsache gebieten oder der Beweis des Gegenteils aus übergeordneten Gesichtspunkten ausgeschlossen sein soll. Für die Annahme, § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG enthalte eine unwiderlegbare Vermutung, sprechen weder der eine noch der andere Grund. Die schlechte wirtschaftliche Lage bei der Verbesserung der Rente kann und wird in den Fällen, in denen alsbald eine Insolvenz eintritt, dafür sprechen, daß ein Versicherungsmißbrauch vorlag. Doch sind die objektiven Umstände allein nicht maßgebend. Vorausgesetzt wird die Absicht des Mißbrauchs. Damit kommt es auf subjektive Vorstellungen an. Der Pensions-Sicherungs-Verein wird nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG vor Versicherungsmißbrauch nur geschützt, wenn mit der Versorgungszusage oder ihrer Verbesserung ein bestimmter mißbilligter Zweck verfolgt wird. Ein Insolvenzschutz scheidet nicht schon allein deshalb aus, weil die wirtschaftliche Lage bei der Verbesserung der Zusage schlecht war. Der Insolvenzschutz entfällt nur dann, wenn der mit der Zusage oder ihrer Verbesserung verfolgte Zweck einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme des Trägers der Insolvenzsicherung verfolgt wurde.
d) Nach dem bisher vorgetragenen Sachverhalt kann der Senat weder beurteilen, ob die Entscheidung des Arbeitgebers Mitte 1983, die laufenden Renten nach § 16 BetrAVG anzupassen, wirtschaftlich vertretbar war oder nicht. Es läßt sich auch nicht beurteilen, ob der Arbeitnehmer die durch § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG aufgestellte Vermutung widerlegen kann. Deshalb muß das Verfahren zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Zieglwalner Grimm
Fundstellen
Haufe-Index 438390 |
BAGE 60, 228-237 (LT1-4) |
BB 1989, 1558-1559 (LT1-4) |
DB 1989, 786-787 (LT1-4) |
ASP 1988, 429 (K) |
EWiR 1989, 319-319 (L1-4) |
KTS 1989, 684-688 (LT1-4) |
NZA 1989, 51 |
RdA 1989, 134 |
SAE 1990, 120-123 (LT1-4) |
ZAP, EN-Nr 22/89 (S) |
ZIP 1989, 391 |
ZIP 1989, 391-394 (LT1-4) |
AP § 16 BetrAVG (LT1-4), Nr 21 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung VI Entsch 58 (LT1-4) |
AR-Blattei, ES 460.6 Nr 58 (LT1-4) |
EzA § 7 BetrAVG, Nr 27 (LT1-4) |
VersR 1989, 498-500 (LT1-4) |