Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines bestandskräftigen Vormerkungsbescheiden. Überprüfung des Rentenbescheides. Rechtswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einem Rentenbescheid ein bestandskräftiger Vormerkungsbescheid aufgehoben und ist dieser aufhebende Verwaltungsakt mangels Bestimmtheit rechtswidrig, so ist die Rechtswidrigkeit auch bei der Überprüfung des Rentenbescheides nach § 44 Abs 1 SGB 10 zu beachten.
2. Sind bei der Bewilligung der Rente die im rechtswidrig aufgehobenen Vormerkungsbescheid bindend festgestellten versicherungsrechtlichen Tatbestände ganz oder teilweise unberücksichtigt geblieben und ergibt sich unter Berücksichtigung dieser Tatbestände ein höherer monatlicher Wert der Rente, ist der Rentenversicherungsträger verpflichtet, den Rentenbescheid nach § 44 Abs 1 SGB 10 insoweit aufzuheben und die Rentenhöhe neu festzusetzen.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. September 2008 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2006 verpflichtet, den Bescheid vom 12. Januar 1999 abzuändern und dem Kläger ab 1. Januar 2001 Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 3. Februar 1955 bis 31. Januar 1959 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung sowie vom 15. Oktober 1959 bis 30. September 1964 als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten
des Verfahrens.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Berechnung des monatlichen Wertes der Altersrente des Klägers weitere Anrechnungszeiten wegen Ausbildung zu berücksichtigen sind.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 2. November 1989 gemäß § 104 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) die bis zum 31. Dezember 1982 vom Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Zeiten (rentenrechtlichen Tatbestände) fest und teilte dem Kläger mit, über die Anrechnung und Bewertung dieser Daten werde erst bei Feststellung einer Leistung entschieden. Der diesem Bescheid beigefügte Versicherungsverlauf weist unter anderem folgende Daten auf:
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3. Februar 1955 bis 31. Dezember 1956 |
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23 Monate Schulausbildung |
1. Januar 1957 bis 31. Januar 1959 |
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25 Monate Schulausbildung |
1. Februar 1959 bis 28. Februar 1959 |
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begrenzte Schulausbildung |
15. Oktober 1959 bis 30. September 1964 |
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60 Monate Hochschulausbildung |
1. Oktober 1964 bis 18. Oktober 1965 |
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begrenzte Hochschulausbildung. |
Mit Bescheid vom 12. Januar 1999 bewilligte die Beklagte dem 1939 geborenen Kläger aufgrund seines Antrags vom 25. November 1998 ab 1. März 1999 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Bei der Berechnung des monatlichen Wertes der Rente berücksichtigte die Beklagte für die Zeit von Februar 1956 bis Februar 1959 sowie von Oktober 1959 bis Dezember 1961 insgesamt 64 Kalendermonate Ausbildungszeit wegen Schul- und Hochschulausbildung. Die Zeiten vom 3. Februar 1955 bis 2. Februar 1956 (zwischen Vollendung des 16. und 17. Lebensjahres) sowie vom 1. Januar 1962 bis 18. Oktober 1965 (weitere Hochschulausbildung) wurden nicht als Anrechnungszeiten mit Entgeltpunkten bewertet und blieben auch bei der Gesamtleistungsbewertung unberücksichtigt. Die Beklagte legte der Ermittlung der belegungsfähigen Kalendermonate (ab Vollendung des 17. Lebensjahres) lediglich 64 Kalendermonate Ausbildungsanrechnungszeit und
30 Kalendermonate Arbeitslosigkeit (März 1994 und Oktober 1996 bis Februar 1999) zu Grunde. Sie teilte dem Kläger unter "Hinweise zur Berücksichtigung von Zeiten" mit, gegebenenfalls entgegenstehende Bescheide über die Anerkennung von Ausbildungsanrechnungszeiten würden hiermit aufgehoben. Im beigefügten Versicherungsverlauf wurden die Zeiten (zusammengefasst) wie folgt aufgeführt:
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3. Februar 1955 bis 2. Februar 1956 |
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Schulausbildung |
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keine Anrechnung |
3. Februar 1956 bis 28. Februar 1959 |
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Schulausbildung |
15. Oktober 1959 bis 13. Dezember 1961 |
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Hochschulausbildung |
1. Januar 1962 bis 18. Oktober 1965 |
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Hochschulausbildung |
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Höchstdauer überschritten. |
Die Bescheide vom 2. November 1989 und 12. Januar 1999 wurden bestandskräftig.
Am 17. November 2005 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Kläger unter Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2004, Az.: B 4 RA 36/02 R (SozR 4-2600 § 149 Nr. 1), und des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 10. August 2005, Az.: L 13 R 4204/03, seine Altersrente unter Berücksichtigung aller im Bescheid vom 2. November 1989 festgestellten Ausbildungsanrechnungszeiten auch für die Vergangenheit neu zu berechnen und ihm entsprechend höhere Altersrente zu zahlen. Dieser Bescheid sei hinsichtlich der von der Beklagten unberücksichtigt gelassenen Ausbildungsanrechnungszeiten im Rentenbescheid nicht wirksam aufgehoben worden. Dabei ging der Kläger davon aus, dass anstelle von 64 Monaten insgesamt 108 Monate Anrechnungszeit wegen Schul- und Hochschulausbildung zu ...