Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Pauschalierung von Betriebsausgaben. Absetzung von Steuern. Schuldentilgung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. unterbliebene Rücknahme eines Bescheides. Bestimmtheit
Leitsatz (amtlich)
1. Einkünfte des Hilfebedürftigen aus selbständiger Tätigkeit sind nach § 4 Abs 1 und 2 der VO zu § 76 BSHG (juris: BSHG§76DV) für das Jahr zu berücksichtigen, in dem der Bedarfszeitraum liegt. Soweit Einkünfte als Jahreseinkünfte berechnet werden, gilt nach § 11 Abs 1 der VO zu § 76 BSHG der zwölfte Teil dieser Einkünfte (ggf zusammen mit zusätzlichen monatlich berechneten Einkünften) als monatliches Einkommen iS des BSHG.
2. Es liegt in der Natur der Sache, dass Betriebseinnahmen im Rahmen selbständiger Tätigkeit regelmäßig notwendige Betriebsausgaben gegenüberstehen. Soweit bei selbständiger Tätigkeit keine Betriebsausgaben konkret nachgewiesen wurden, können diese pauschaliert werden. Eine Pauschalierung für Betriebsausgaben ohne Nachweis findet sich lediglich in § 2a Abs 1 S 3 der vom 1.10.2005 bis 31.12.2007 geltenden Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (ALG II-VO, juris: AlgIIV), wonach bei Unmöglichkeit der Feststellung von Arbeitseinkommen zur Bestimmung des Arbeitseinkommens von den Bruttoeinnahmen eine Betriebsausgabenpauschale von 20 % abzusetzen ist. Hierauf kann eine Pauschalierung der notwendigen Betriebsausgaben bei selbständiger Tätigkeit in Höhe von 20 % der Bruttoeinnahmen gestützt werden.
3. Nach § 76 Abs 2 Nr 1 BSHG sind vom Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auch abzusetzen die auf das Einkommen entrichteten Steuern. Dabei sind auch die im maßgeblichen Zeitpunkt "fälligen" Steuern abzusetzen, unabhängig davon, ob sie bereits entrichtet wurden.
4. Zur Frage der Schuldentilgung.
Orientierungssatz
1. Hat ein Sozialhilfeträger einen maßgeblichen Bewilligungsbescheid nicht in einem angefochtenen Bescheid aufgeführt und auch nicht zurückgenommen, so ist die unterbliebene Rücknahme gem § 45 SGB 10 ein substantieller Fehler, der nicht vergleichbar ist mit einem Schreib- oder Rechenfehler, der nach § 38 SGB 10 berichtigt werden kann.
2. Aus dem Verwaltungsakt soll klar hervorgehen, was die Behörde verfügt hat und was dem Empfänger des Verwaltungsaktes zugebilligt bzw was ihm auferlegt wird. Bei der inhaltlichen Bestimmtheit des Verwaltungsakts iS des § 33 Abs 1 SGB 10 handelt es sich um eine Voraussetzung seiner materiellen Rechtmäßigkeit. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Dezember 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2006 insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Hilfe zum Lebensunterhalt vom 01.07.1998 bis 30.09.1998 sowie Wohngeld vom 01.01.1998 bis 31.01.1998, 01.04.1998 bis 30.04.1998 und 01.07.1998 bis 30.09.1998 zurückgefordert hat. Der Rückforderungsbetrag verringert sich daher auf 6.179,80 Euro.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin 1/3 ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen für die Zeit vom 01.01.1998 bis 30.09.1998 aufgehoben und bereits gewährte Leistungen zurückgefordert hat.
Die 1966 geborene Klägerin bezog vom 31.01.1996 bis einschließlich 30.09.1998 (mit Unterbrechung) Sozialhilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG -, da ihr Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nach eigenen Angaben für die Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichte.
Dabei erhielt sie im hier streitgegenständlichen Zeitraum folgende Bewilligungsbescheide hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) sowie Wohngeld (WoG): Bescheid vom 09.01.1998 für 1/98 (HLU iHv 1616,24 DM zuzügl. WoG iHv 543 DM), Bescheid vom 23.03.1998 über geänderte Höhe der Sozialhilfe (SH) für 4/98 (HLU iHv 1688,64 DM zuzügl. WoG iHv 543 DM), Bescheid vom 22.06.1998 über geänderte Höhe der SH für 7/98 (HLU iHv 1444,64 DM zuzügl. WoG iHv 368 DM), Bescheid vom 30.06.1998 über Kürzung des Regelsatzes um 25 % ab 01.07.1998 (HLU iHv 1.298,39 DM zuzügl WoG iHv. 368 DM und Einstellung zum 01.10.1998) sowie Bescheid vom 07.07.1998 wegen Leistungen ab 7/98 (HLU 1298,39 DM zuzügl. 368 DM Wohngeld; Bewilligung bis auf weiteres).
Die Leistungen für die Monate Februar, März, Mai und Juni wurden nicht durch Bescheid, sondern durch Auszahlung bewilligt.
Daneben erhielt die Klägerin einmalige Leistungen durch Bescheide vom 09.01.1998 (Übernahme von Mietschulden iHv 4.140 DM aus 7/96 bis 12/97), Bescheid vom 19.08.1998 (Bekleidungsbeihilfe) und Bescheid vom 07.07.1998 (Betriebskostennachzahlung 1997 iHv. 513,91 DM).
Am 18.08.1999 stellte sie unter Vorlage von Provisionsabrechnungen ab 31.03.1998 aus einer Tätigke...