Verfahrensgang
Tenor
Gemäß § 3 Abs 2 der Geschäftsordnung des Bundessozialgerichts wird beim 7. Senat angefragt, ob dem 11. Senat darin zugestimmt wird, daß entgegen den Urteilen vom 16. März 1983 – 7 RAr 25/82 –, 18. April 1991 – 7 RAr 52/90 -und 23. Juli 1992 – 7 RAr 2/92 – für die Bemessung des Arbeitslosengeldes eine Nachzahlung von Arbeitsentgelt die Rechtsfolge des § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz auslösen kann.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft die Höhe von Arbeitslosengeld (Alg); die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Bemessung der Leistung das nach Ende seines Beschäftigungsverhältnisses in einem arbeitgerichtlichen Vergleich vereinbarte höhere Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist.
Der 1939 geborene Kläger war von 1959 bis September 1990 in dem VEB Dienstleistungen (Rundfunk und Fernsehen) als Einrichtungsleiter beschäftigt. Nach einer Erkrankung war er vom 3. Dezember 1990 bis 25. November 1991 im Fernsehelektro-Fachhandel T. … als Verkäufer und Meister eingesetzt. Dieses Arbeitsverhältnis endete am 25. November 1991 durch Kündigung des Arbeitgebers. Seine erste Arbeitsbescheinigung weist für die Monate August bis Oktober 1991 ein monatliches Bruttoentgelt von 1.731,20 DM und für November 1991 von 1.442,67 DM aus. Der Kläger meldete sich im November 1991 arbeitslos, war aber bis zum 31. Januar 1992 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 29. April bis 26. Juni 1992 nahm er an einer berufsbildenden Maßnahme teil.
Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) bewilligte dem Kläger Alg ab 1. Februar 1992 und legte der Bemessung ausgehend von einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.731,20 DM ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 400,00 DM zugrunde. Die Bewilligung von Alg ab 26. November 1991 hob die BA für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit auf. Bis dahin gezahltes Alg forderte sie zurück. Diese Regelungen hat der Kläger nicht angefochten.
Gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber T. … führte der Kläger vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Neuruppin – 5 Ca 7960/91 – eine Lohnklage. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, in welchem sich der Arbeitgeber – nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) – verpflichtete, das monatliche Nettoarbeitsentgelt um 188,00 DM ab August 1991 zu erhöhen und eine entsprechende Arbeitsbescheinigung auszustellen.
Im Mai 1992 beantragte der Kläger die Neuberechnung seines Alg und legte dazu die Kopie der Sitzungsniederschrift des ArbG Neuruppin vom 27. Februar 1992,
in der der vorerwähnte Vergleich beurkundet ist, und eine neue Arbeitsbescheinigung vor. Diese weist für die Monate August bis Oktober 1991 ein Bruttoarbeitsentgelt von jeweils 2.051,56 DM und für November 1991 von 1.763,42 DM aus. Die BA lehnte eine Neufeststellung des Alg ab, weil für die Bemessung allein das bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses abgerechnete und gezahlte Arbeitsentgelt maßgeblich sei. Nachträgliche Änderungen der Abrechnung seien unerheblich.
Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Neuruppin abgewiesen (Urteil vom 17. Februar 1993). Die Berufung des Klägers hat das LSG für das Land Brandenburg zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 11. März 1994). Es hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen, wonach für die Bemessung des Alg allein das Arbeitsentgelt maßgebend ist, das der Arbeitslose bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses erhalten hat. Der Erlaß des Präsidenten der BA vom 31. Oktober 1991 lasse eine abweichende Bemessung nicht zu, denn er betreffe lediglich die besondere Situation im Beitrittsgebiet bei Einführung neuer Lohnstrukturen. Darum handele es sich im Falle des Klägers nicht, denn der vor dem ArbG beigelegte Lohnstreit betreffe die Auslegung eines Einzelarbeitsvertrages. Ob Gründe der Verwaltungsökonomie die Bemessungspraxis rechtfertigten, sei angesichts der auf das individuelle Interesse an gerechten Entscheidungen ausgerichteten Vorschriften der §§ 44 ff Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) zweifelhaft, könne aber für die Entscheidung offenbleiben.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 112 Abs 1, 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Der Rechtsprechung des BSG tritt er entgegen und führt aus, § 112 Abs 2 AFG bestimme nur den Bemessungszeitraum, nicht aber, daß nur abgerechnetes Arbeitsentgelt bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen sei. Der Begriff „erzielt” sei nicht mit „zugeflossen” gleichzusetzen. Erzielt sei Arbeitsentgelt auch dann, wenn es erst nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses ausgezahlt werde. Unklarheiten bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts im Zeitpunkt der Antragstellung sei durch Vorschußzahlungen nach § 42 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zu begegnen. Stellten sich unrichtige Gehaltsabrechnungen nachträglich heraus, habe die Verwaltung dem Rechnung zu tragen. Die Behauptung des BSG, seit jeher seien in der Arbeitslosenversicherung die tatsächlichen Lohnverhältnisse maßgebend gewesen, sei unzutreffend. Die Zuflußtheorie widerspreche dem Gesetzesauftrag, die sozialen Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen. Auch das Argument, das Alg solle das im Bemessungszeitraum vorhandene Lohnniveau sichern, sei nicht stichhaltig. Dies ergebe sich schon daraus, daß im Bemessungszeitraum zugeflossene Überstundenvergütungen nicht zu berücksichtigen seien. Der Zweck der Bemessungsvorschriften gehe dahin, bei der Erstbescheidung eine rasche Entscheidung zu gewährleisten. Die gesetzliche Ermächtigung zu Neufeststellungen von Leistungen belege, daß dieses auch für die Bemessung von Alg möglich sein müsse. Hiervon sei lediglich abzusehen, wenn der Verwaltungsaufwand nicht in angemessenem Verhältnis zu den Vorteilen des einzelnen stehe. Die Ablehnung von Neufeststellungen durch die Rechtsprechung verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weil sie nicht durch Sachgründe gerechtfertigt sei. Der Gesichtspunkt der Verwaltungseffektivität sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht uneingeschränkt „sachlicher Grund” für Ungleichbehandlungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 11. März 1994, das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Februar 1993 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 1992 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 1992 bis 28. April 1992 das Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von mehr als 400,00 DM und für die Zeit vom 27. Juni 1992 bis 25. November 1992 nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von mehr als 460,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die von der Revision aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BSG für beantwortet. Durch die Gegenansicht würden die Sachbearbeiter der Arbeitsämter in die Rolle von Arbeitsrichtern gedrängt. Die Aussicht auf eine Verbesserung des Arbeitsentgelts und damit auf ein höheres Alg werde den Wunsch von Arbeitslosen zur arbeitsgerichtlichen Klärung von Lohnfragen erhöhen und damit die Zahl arbeitsgerichtlicher Verfahren vermehren. Allein die Orientierung an dem bis zum Tage des Ausscheidens bezogenen Arbeitsentgelt gewährleiste eine vernünftige Bestimmung des Alg. Differenzierungen nach modifiziertem Zufluß und Anspruch führten im Ergebnis nicht weiter. Nur objektive, einheitliche Maßstäbe dürften für die Bemessung des Alg Bedeutung erlangen. Individuelle Zufälligkeiten ließen sich nicht ausschließen, wie immer man die Bemessungsgrundlagen des Alg ermittle. Durch eine nachträgliche Neuberechnung des Arbeitsentgelts werde die nach der Rechtsprechung des BSG vorgenommene Bemessung des Alg nicht unrichtig. Im übrigen zeige die jüngere Rechtsentwicklung den Willen des Gesetzgebers, am Zuflußprinzip festzuhalten.
In der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 1995 hat sich die Beklagte bereit erklärt, das für die Bemessung des Alg maßgebende Arbeitsentgelt nach §§ 112a, 249c Abs 13 AFG für Bezugszeiten ab 26. November 1992 neu anzupassen, sofern sie rechtskräftig zur Bemessung des Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt verurteilt werde.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat beabsichtigt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Er hält die nachträgliche Zahlung von höherem Arbeitsentgelt in dem Sinne für entscheidungserheblich, daß bei der Berechnung des Alg an die Stelle der Regelbemessung die Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG tritt. Mit der nachträglichen Zahlung von Arbeitsentgelt ist möglicherweise eine wesentliche Änderung in den für die Bemessung maßgebenden Verhältnissen eingetreten. An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich der Senat jedoch durch die Rechtsprechung des BSG gehindert, die für die Bemessung des Alg Zahlungen von Arbeitsentgelt für unerheblich hält, die nach Ausscheiden des Versicherten aus dem Beschäftigungsverhältnis erbracht werden.
1. Nach der Begrenzung des Revisionsantrages ist Gegenstand des Verfahrens nur noch ein Anspruch auf höheres Alg für die Zeit vom 1. Februar bis 28. April 1992 sowie vom 27. Juni bis 25. November 1992. Nach Eintritt der Arbeitslosigkeit hat die BA dem Kläger Alg für die Zeit ab 26. November 1991 für 676 Tage nach einem monatlichen Bemessungsentgelt von 1731,20 DM bewilligt (Alg-Bewilligungs-Verfügung vom 7. Februar 1992). Für den Leistungszeitraum vom 26. November 1991 bis 31. Januar 1992 hat die BA diese Bewilligung aufgehoben, weil der Kläger vom 15. November 1991 bis 31. Januar 1992 arbeitsunfähig erkrankt war und damit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand. Diese Entscheidungen sind bindend geworden (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Seinen Antrag vom 30. April 1992, das Alg aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 27. Februar 1992 und der entsprechenden Arbeitsbescheinigung nach einem Arbeitsentgelt von 2.051,56 DM zu berechnen, hat die BA mit Bescheid vom 6. Juli 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1992 abgelehnt. Diese Entscheidung unterliegt der rechtlichen Prüfung.
2. Rechtsgrundlage für die vom Kläger hinsichtlich der Bemessung erstrebte Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides ist hier § 48 Abs 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ua aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X). Diese Vorschrift ist bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung heranzuziehen, wenn Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eintreten, die der Sozialleistungsträger bei seiner Entscheidung noch nicht hat berücksichtigen können (BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr 60). Dagegen ist § 44 SGB X (und § 152 AFG als Sondervorschrift der Arbeitsförderung) einschlägig, wenn die bei der Entscheidung des Leistungsträgers bestehende Sach- oder Rechtslage nicht beachtet worden ist. Im vorliegenden Fall ist – wie noch näher auszuführen sein wird – eine Neubemessung von Alg durch die Zuerkennung und Nachzahlung eines höheren Arbeitsentgelts für den Bemessungszeitraum als wesentliche Änderung nach § 48 Abs 1 SGB X in Betracht zu ziehen.
2.1 Die Bewilligung von Alg ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn sie erschöpft sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage. Die in der Bewilligung enthaltene rechtliche Gestaltung des Sozialleistungsverhältnisses erstreckt sich auf wiederkehrende Leistungen von gewisser zeitlicher Dauer – hier von 676 Tagen –, so daß die Dauerwirkung nach der Rechtsprechung des BSG gegeben ist (BSGE 56, 165, 170 = SozR 1300 § 45 Nr 6; BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 33).
2.2 Wesentlich ist eine Änderung im Sinne dieser Vorschrift, wenn nach Erlaß des Verwaltungsakts hinsichtlich der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eine Änderung eingetreten ist. Die materielle Rechtslage bestimmt danach, ob eine nach Erlaß des Verwaltungsakts eingetretene Änderung wesentlich ist (BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 65, 301, 302 = SozR 1300 § 48 Nr 60; SozR 3-1300 § 48 Nr 33). Nach diesem Maßstab ist hier ein Vergleich zwischen der Lage bei Bewilligung des Alg und nach Ausführung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 27. Februar 1992 als der geltend gemachten wesentlichen Änderung vorzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Bemessung des Alg das für den Bemessungszeitraum abgerechnete und bis zum Ausscheiden des Versicherten aus dem Beschäftigungsverhältnis gezahlte Arbeitsentgelt endgültig (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 10; BSG NZA 1993, 621 mwN). Die BA ist dieser Rechtsprechung bei der Bemessung des Alg gefolgt. Wird sie aufrechterhalten, so liegt in dem Zugeständnis eines höheren Arbeitsentgelts für den Bemessungszeitraum durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich und seine Ausführung keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen. Vielmehr ist die nachträgliche arbeitsrechtliche Klärung des für den Bemessungszeitraum zustehenden sowie die nachträgliche Zahlung von weiterem Arbeitsentgelt für diesen Zeitraum für die Bemessung des Alg unerheblich.
Der erkennende Senat hat jedoch in seinem Beschluß vom 2. Februar 1995 – 11 RAr 21/94 – ausgeführt, daß er nicht geringfügige Nachzahlungen von Arbeitsentgelt für den Bemessungszeitraum für rechtserheblich hält. Er ist von der Indizfunktion des nach § 112 Abs 1 bis 4 AFG ermittelten Bemessungsentgelts für die Bestimmung des während der Arbeitslosigkeit entgangenen Arbeitsentgelts ausgegangen und hat in der nachträglichen Auszahlung höheren Arbeitsentgelts für den Bemessungszeitraum ein Versagen der Indizfunktion des Regelbemessungsentgelts gesehen, die in entsprechender Anwendung des § 112 Abs 5 und 7 AFG den Rückgriff auf das maßgebende tarifliche Entgelt rechtfertigt und erforderlich macht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den vorerwähnten Beschluß Bezug genommen.
Danach löst die nachträgliche Zahlung eines Arbeitsentgelts von 2.051,65 DM brutto monatlich für den Bemessungszeitraum von August bis Oktober 1991 gegenüber dem der Bemessung zugrundeliegenden Arbeitsentgelt von 1731,20 DM den Rückgriff auf das tarifliche Arbeitsentgelt aus, falls die auf den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 27. Februar 1992 zurückzuführende Nachzahlung dem Kläger tatsächlich zugeflossen ist. Dazu hat das LSG, das der Rechtsprechung des BSG gefolgt ist, folgerichtig Feststellungen nicht getroffen. Der sich aus den erwähnten Beträgen ergebende Differenzbetrag enthält jedenfalls eine nicht geringfügige Nachzahlung. In tatsächlicher Hinsicht wird ein Vergleich zwischen den im Bemessungszeitraum tatsächlich erzielten und dem tariflichen Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG vorzunehmen sein. Maßgebend ist dabei das am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitslosen maßgebliche tarifliche Arbeitsentgelt am Tage vor dem Leistungsbeginn (BSG SozR 4100 § 112 Nr 41; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 2), sofern der Kläger nach Lebensalter und Leistungsfähigkeit, billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung sowie nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes für diese Beschäftigung in Betracht kommt. Da das für den Versicherten günstigere Entgelt der Bemessung des Alg zugrunde zu legen ist, ist also das am 31. Januar 1992 für den Kläger maßgebliche Tarifgehalt zum Vergleich heranzuziehen.
2.3 Führt die Nachzahlung zu einer im Vergleich zum Regelbemessungsentgelt günstigeren Bemessung des Alg nach dem tariflichen Entgelt, ist der Zeitpunkt ihrer Wirkung festzustellen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X). Wesentlich ist nach der Rechtsansicht des Senats die durch Nachzahlung von Arbeitsentgelt bei Durchführung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 27. Februar 1992 begründete Bemessung nach dem tariflichen Arbeitsentgelt. Die Wirkung der Nachzahlung beschränkt sich nicht auf ihren Vollzug, sondern schließt die Maßgeblichkeit des tariflichen Arbeitsentgelts für die Bemessung des Alg ein. Bewirkt die Nachzahlung gegenüber der Regelbemessung eine günstigere Bemessung nach dem tariflichen Arbeitsentgelt (§ 112 Abs 7 AFG), so „zerstört” sie gleichsam die Indizwirkung des Regelbemessungsentgelts für den durch Alg zu ersetzenden Entgeltausfall während der Arbeitslosigkeit. Kommt der Kläger nach den Merkmalen des § 112 Abs 7 AFG für ein im Vergleich zum Bemessungsentgelt höheres tarifliches Arbeitsentgelt in Betracht, so wirkt die äußerlich durch die Nachzahlung eingetretene Änderung auf den Zeitpunkt des Leistungsbeginns zurück. Unter den erörterten rechtlichen Voraussetzungen, deren tatsächliches Vorliegen im zur Entscheidung stehenden Fall noch aufzuklären ist, ist das Alg des Klägers gegebenenfalls ab 1. Februar 1992 nach dem tariflichen Arbeitsentgelt zu bemessen.
3. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es danach darauf an, ob der Kläger auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 27. Februar 1992 das höhere Arbeitsentgelt tatsächlich erhalten hat, er für eine Beschäftigung als „Meister und Verkäufer im Fernsehelektro-Fachhandel” oder eine sonstige Beschäftigung in Betracht kommt und er für diese ein höheres Arbeitsentgelt als das festgestellte Regelbemessungsentgelt erzielen kann. Dazu hat das LSG – nach der von ihm vertretenen Rechtsansicht folgerichtig – Feststellungen nicht getroffen. An einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) sieht sich der Senat jedoch nach § 41 Abs 2 SGG durch die erwähnte Rechtsprechung des 7. Senats des BSG gehindert, der das im Bemessungszeitraum abgerechnete und bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses gezahlte Arbeitsentgelt als endgültige für die Bemessung des Alg ansieht und deshalb einen Rückgriff auf das tarifliche Arbeitsentgelt bei nachträglicher Klärung des zustehenden Entgelts ablehnt (BSG Urteile vom 16. März 1983 – 7 RAr 25/82 – DBlR-AFG § 112 Nr 2847, 18. April 1991 – 7 RAr 52/90 – SozR 3-4100 § 110 Nr 10 und 23. Juli 1992 – 7 RAr 2/92 -NZA 1993, 621). Nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGG iVm § 3 Abs 2 der Geschäftsordnung des BSG vom 6. Juli 1981 ist deshalb beim 7. Senat des BSG anzufragen, ob dieser der beabsichtigten Abweichung des erkennenden Senats von den vorerwähnten Entscheidungen zustimmt.
Fundstellen