Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.01.1998) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Januar 1998 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers entspricht nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) muß in der Beschwerdebegründung einer der in § 160 Abs 2 SGG aufgezählten Revisionszulassungsgründe bezeichnet werden.
Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt wird, daß das Landessozialgericht (LSG) von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen sei, muß in der Begründung dargelegt werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Darlegungen enthalten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21 und 29). Dazu ist es notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und seine Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz des BSG darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Der Kläger gibt zwar insgesamt drei Urteile des BSG mit ihren Fundstellen an (SozR § 103 Nr 33; NJW 1971, 167 und SozR 3-3870 § 4 Nr 6). Ob die Beschwerdebegründung auch erkennen läßt, welche Rechtssätze diesen Entscheidungen zugrunde liegen sollen, kann dahinstehen. Jedenfalls hat es der Kläger versäumt, Rechtssätze des LSG herauszuarbeiten. Er macht lediglich geltend, das LSG hätte bei Beachtung der zitierten Entscheidungen des BSG anders entscheiden müssen. Eine Abweichung liegt aber nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen hat. Denn nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 und Beschluß vom 28. April 1994 – 11 BAr 199/93 – unveröffentlicht).
Die Revision kann auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) zugelassen werden. Wird – wie hier – eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) behauptet, muß die Beschwerde Ausführungen dazu enthalten, daß das LSG einem Beweisantrag nicht gefolgt ist, obwohl es sich zu einer Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34). Denn nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur unter der dargestellten Voraussetzung gestützt werden. Dabei ist der Beweisantrag so genau zu bezeichnen, daß das BSG ihn ohne weiteres auffinden kann (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5).
Der Kläger behauptet zwar, am Schluß seiner Berufungsbegründung vom 3. August 1996 einen Beweisantrag auf Einholung eines Obergutachtens gestellt zu haben. Die Bezugnahme auf einen schriftsätzlich gestellten Beweisantrag genügt den formellen Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde aber nur dann, wenn zugleich dargelegt wird, daß dieser Beweisantrag auch aufrechterhalten worden ist (vgl dazu Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 215 unter Hinweis auf BSG SozR 1500 § 160 Nr 12 und BSG, Beschluß vom 31. Januar 1990 – 2 BU 167/89 –). Daran fehlt es hier. Dem Kläger war aus der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 29. Januar 1998 bekannt, daß das LSG den Rechtsstreit ohne weitere Beweisaufnahme zu entscheiden gedachte. In dem daraufhin erklärten Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hätte der Kläger zugleich deutlich machen müssen, daß seiner Auffassung nach der Rechtsstreit nicht entschieden werden könne, ohne zuvor – wie schriftsätzlich beantragt – weiteren Beweis zu erheben.
Eine schlüssige Verfahrensrüge enthält auch nicht die Behauptung des Klägers, ihm sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden, weil das LSG ihm als Alternative für die beantragte Terminsverlegung zunächst vorgeschlagen habe, sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu erklären, und weil es dann – nachdem er der Anregung gefolgt sei – doch, und zwar in seiner, des Klägers, Abwesenheit die mündliche Verhandlung durchgeführt habe, obwohl „offenbar” auch die Gegenseite mit einem Verfahren nach § 124 Abs 2 SGG einverstanden gewesen sei. Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb er mit einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung am 29. Januar 1998 nicht mehr habe rechnen müssen, obwohl er auf diesen Tag geladen und die Ladung nicht aufgehoben worden war. Der Kläger hat weiter nicht dargelegt, daß überhaupt die Voraussetzungen vorgelegen haben, unter denen das LSG ohne mündliche Verhandlung hätte entscheiden und er deshalb auf ein solches Verfahren hätte vertrauen dürfen. Insoweit gibt der Kläger lediglich an, die Gegenseite sei „offenbar” mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden gewesen. Damit stützt er sich auf eine unzutreffende Mitteilung erst in den Gründen des angegriffenen Urteils. Der Beklagte hat sein Einverständnis ausdrücklich verweigert.
Soweit der Kläger schließlich einen Verstoß des LSG gegen das Rückwirkungsverbot rügt, weil es die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz in neuer (1996) statt alter (1983) Fassung angewendet habe, legt er weder einen Verfahrensfehler noch eine Divergenz noch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar, sondern erhebt eine materiell-rechtliche Rüge, die – wenn überhaupt – nur in einem Revisionsverfahren Erfolg haben könnte.
Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.
Fundstellen