Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BSG. Voraussetzungen für einen Anspruch auf vollstationäre Behandlung in zugelassenem Krankenhaus. Kontrolldichte der gerichtlichen Überprüfung
Leitsatz (redaktionell)
- Durch den Großen Senat des BSG ist zu klären, ob der Anspruch erkrankter Versicherter auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus voraussetzt, dass allein aus medizinischen Gründen eine Krankenhausbehandlung erforderlich ist, weil das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung nicht erreicht werden kann.
- Durch den Großen Senat des BSG ist weiter zu klären, ob das Gericht im Streitfall voll zu überprüfen hat, dass das Behandlungsziel nach den im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Informationen allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung erreicht werden kann, oder ob dem behandelnden Krankenhausarzt eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative zukommt.
Normenkette
SGG § 41 Abs. 4; SGB V § 39 Abs. 1 S. 2; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Dem Großen Senat des Bundessozialgerichts werden folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
- Setzt der Anspruch erkrankter Versicherter auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus voraus, dass allein aus medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung erforderlich ist, weil das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung nicht erreicht werden kann?
- Hat das Gericht die Voraussetzung gemäß Frage 1. voll zu überprüfen?
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten (noch) über die Erstattung der Kosten für stationäre psychiatrische Krankenhausbehandlung (KH-Behandlung) für die Zeit vom 28. Juli 1998 bis 19. März 2000 in Höhe von 112.389,91 €.
Der 1975 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, unter Betreuung stehende Beigeladene zu 3. (im Folgenden: Versicherter) bezieht Sozialhilfeleistungen des Klägers. Der Versicherte befand sich seit 1991 mehrfach lange Zeit in stationärer psychiatrischer Behandlung wegen Minderbegabung mit Verhaltensstörungen, Neigung zu auto- und fremdaggressiven Impulsdurchbrüchen, sexueller Enthemmung bei insgesamt dissoziativer Fehlreaktionsbereitschaft. Seine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung der Psychiatrie wurde ua bis zum 4. Juli 1997 und – nach Anhörung eines Klinik-Oberarztes – im Juni 1997 bis längstens 28. April 1999 vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Nach im vierten Quartal 1996 vorgenommenen Versuchen, ihn im Rahmen betreuten Wohnens zu enthospitalisieren, befand sich der Versicherte ab Mitte Dezember 1996 wiederum durchgehend in psychiatrischen Kliniken, vom 23. Dezember 1996 bis 19. März 2000 in der Fachklinik H… – Klinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation, deren Trägerin die Beigeladene zu 1. ist. Auf Antrag des KH-Trägers (24. Februar 1997) hin erklärte die Beklagte, die Kosten “bis vorerst 28. Februar 1997” zu übernehmen und erweiterte den Zeitraum nach Einholung von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) später abschließend bis zum 11. März 1997. Ab 12. März 1997 erhielt der Versicherte – nach den Feststellungen des LSG – im KH im Wesentlichen Unterbringung, Pflege und eine Medikation, die auch ambulant hätte erfolgen können. Vom 5. Juni bis 4. September 1997 nahm er – aus dem Aufenthalt im KH heraus – ganztags an einer Maßnahme im Eingangsbereich einer Werkstatt für Behinderte teil.
Am 23. Februar 1998 beantragte der beigeladene KH-Träger beim klagenden Sozialhilfeträger, die nicht abgedeckten Kosten für die stationäre Behandlung des Versicherten zu übernehmen. Der Kläger erklärte sich hierzu für die Zeit ab 12. März 1997 bereit und meldete bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juli 1998 einen Erstattungsanspruch an.
Das Sozialgericht (SG) hat nach Beweisaufnahme die Beklagte verurteilt, dem Kläger die gesamten geforderten Kosten des stationären Aufenthalts vom 12. März 1997 bis 19. März 2000 in Höhe von 196.773,07 € nebst Zinsen zu erstatten, weil die KH-Behandlung des Versicherten erforderlich gewesen sei (Urteil vom 23. Januar 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten nach weiteren Ermittlungen das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht. KH-Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten iS von § 39 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe nicht bestanden. Wie näher ausgeführt wird, habe bei ihm dort eine “pflegerische Behandlung im Rahmen einer Unterbringung im Vordergrund” gestanden, nicht aber eine – etwa durch Notfallsituationen oder spezifische Medikationen bedingte – ärztliche Behandlung. Abweichend von der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300 ff = SozR 4-2500 § 39 Nr 2) ergebe sich ein Erstattungsanspruch auch nicht daraus, dass die Beklagte es unterlassen habe, den Kläger und den Versicherten auf konkrete, nachprüfbare ambulante Behandlungsalternativen hinzuweisen, weil dieser Rechtsprechung aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden könne (Urteil vom 21. September 2004).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 39 SGB V iVm § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie von § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die KH-Behandlung des Versicherten sei sehr wohl in Einklang mit der weiterhin als maßgeblich anzusehenden Rechtsprechung des 3. Senats des BSG “erforderlich” gewesen, weil es die Beklagte unterlassen habe, auf konkrete Behandlungsalternativen hinzuweisen. Die Prognoseentscheidung des Leitenden KH-Arztes zur fortbestehenden Notwendigkeit einer KH-Behandlung sei hier medizinisch vertretbar gewesen und müsse daher auch für den Erstattungsanspruch entscheidend sein. Das LSG habe den konkreten Fall darüber hinaus zu Unrecht nicht unter § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB V subsumiert, obwohl es um den Übergang in eine Rehabilitationsmaßnahme gegangen sei. Das LSG habe nur gemutmaßt, dass eine heilpädagogische Einrichtung die weitere Behandlung des Versicherten habe gewährleisten können, ohne dazu entsprechende Feststellungen zu treffen. Es habe in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Grenzen freier Beweiswürdigung überschritten, indem es sich auf ein von ihm im Berufungsverfahren eingeholtes unzureichendes Gutachten gestützt habe. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit und Durchführung eines multiprofessionalen Behandlungskonzepts sei das LSG von den in erster Instanz tätig gewordenen Sachverständigen abgewichen, ohne die erforderliche Sachkunde zu besitzen.
Der erkennende 1. Senat hat mit Beschluss vom 4. April 2006 beim 3. Senat des BSG angefragt, ob jener an seiner Rechtsprechung zur Beurteilung der Notwendigkeit von KH-Behandlung festhalte, weil der 1. Senat davon abzuweichen gedenke. Anschließend haben Gespräche zwischen den Berufsrichtern des 1. und des 3. Senats des BSG stattgefunden, aufgrund derer der 1. Senat seine Auffassung unter Einbeziehung aller aufgeworfenen Aspekte überprüft hat. In einem Vermerk vom 26. Juli 2006, den der nunmehr erkennende Senat vollinhaltlich teilt, haben die Berufsrichter des 1. Senats sodann die Anfrage präzisiert. Mit Beschluss vom 3. August 2006 – B 3 KR 1/06 S – hat der 3. Senat des BSG die Anfrage des 1. Senats vom 4. April 2006 dahin beantwortet, dass er an seiner Rechtsprechung festhält.
In der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006 haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen, aufgrund dessen der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch für die stationäre psychiatrische Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 12. März 1997 bis zum 27. Juli 1998 und der darauf entfallende Zinsanspruch erledigt sind; bezüglich des Erstattungsanspruchs für die Zeit vom 28. Juli 1998 bis zum 19. März 2000 (Erstattungsforderung 112.389,91 €) und des darauf entfallenden Zinsanspruchs setzen die Beteiligten den Rechtsstreit fort.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. September 2004 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. Januar 2003 zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht durch den Teilvergleich erledigt worden ist,
hilfsweise,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. September 2004 insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, die Beweiswürdigung des LSG sei nicht zu beanstanden. Es habe § 39 SGB V nicht verletzt, da die Zweifel an der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG berechtigt seien. Die in Schleswig-Holstein nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 4 und 5 SGB V geschlossenen Verträge enthielten zudem weder eine Ausweitung der Leistungspflicht der KKn noch deren Verpflichtung, dem KH Behandlungsalternativen aufzuzeigen. Für eine Beratung des Versicherten seien vertraglich sowohl das KH als auch die KK zuständig.
Die Beigeladenen zu 1. bis 3. stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat legt dem Großen Senat des BSG die im Beschluss-Tenor aufgeführten Rechtsfragen zur Entscheidung vor, weil er zu diesen Fragen von Entscheidungen des 3. Senats des BSG abweichen will (vgl § 41 Abs 2 SGG) und jener Senat auf Anfrage des beschließenden Senats in seinem Antwort-Beschluss vom 3. August 2006 ausgeführt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (vgl § 41 Abs 3 Satz 1 SGG).
1. Der erkennende Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers hinsichtlich des noch offenen Behandlungszeitraums vom 28. Juli 1998 bis zum 19. März 2000 (Erstattungsforderung 112.389,91 € nebst Zinsen) zurückzuweisen, das klageabweisende Berufungsurteil mithin insoweit zu bestätigen und hierbei die beiden Vorlagefragen zu bejahen. Der Senat würde damit allerdings in entscheidungstragender Weise von der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG abweichen.
Die im Tenor des Beschlusses genannten Vorlagefragen betreffen die Voraussetzungen des Anspruchs auf vollstationäre KH-Behandlung als Krankenbehandlung und deren gerichtliche Kontrolldichte. Die Rechtsansichten des 1. Senats und des 3. Senats des BSG divergieren insoweit und bedürfen daher – wie näher aufzuzeigen ist – der Herbeiführung von Rechtseinheit in dem dafür nach § 41 Abs 2 und 3 SGG vorgesehenen Verfahren.
a) Nach Auffassung des 1. Senats des BSG hängt der Anspruch erkrankter Versicherter auf die hier streitbefangene vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen KH davon ab, dass das Behandlungsziel allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung (vgl § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V), insbesondere in ambulanter Form einschließlich häuslicher Krankenpflege, erreicht werden kann. Der 3. Senat des BSG bejaht die Leistungspflicht der KK nach § 39 SGB V demgegenüber bereits dann, wenn bei einem in das KH aufgenommenen Versicherten das Behandlungsziel aus medizinischen Gründen zwar auch durch ambulant-ärztliche Behandlung (zB im Rahmen betreuten Wohnens) erreicht werden könnte, dem Versicherten eine solche Behandlungsalternative aber im konkreten Fall nicht nachgewiesen wird, selbst über Monate oder Jahre hinweg. Nach der Rechtsansicht des 3. Senats obliegt es der KK in einem solchen Fall zur Vermeidung ihrer (weiteren) Leistungspflicht für stationäre KH-Behandlung, einen konkreten freien Platz in einer geeigneten Betreuungs- oder Unterbringungseinrichtung zu benennen, den Versicherten dazu anzuhören und ihm einen Bescheid hierüber zu erteilen.
b) Nach Auffassung des 1. Senats des BSG hat im Streitfall das Gericht ferner voll zu überprüfen, dass das Behandlungsziel nach den im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Informationen allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung erreicht werden kann. Der 3. Senat des BSG billigt dem behandelnden KH-Arzt dagegen eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative zu.
2. Die mit dem Vorlagebeschluss aufgeworfenen Rechtsfragen sind im anhängigen Revisionsverfahren entscheidungserheblich.
a) Der Entscheidungserheblichkeit der Fragen steht die unterschiedliche geschäftsplanmäßige Zuständigkeit beider Senate des BSG nicht entgegen. Der 1. Senat des BSG entscheidet unmittelbar über Ansprüche Versicherter gegen ihre KK auf KH-Behandlung sowie über daran anknüpfende Erstattungsansprüche. Der 3. Senat ist für Ansprüche von Leistungserbringern gegen KKn auf Vergütung der KH-Behandlung Versicherter zuständig. Beide Entscheidungsbereiche stehen indessen nicht unverbunden nebeneinander. Sie decken sich inhaltlich im Kern, weil eine Leistung des KH auf Kosten der KK nur der Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten nach § 39 SGB V dienen darf. Der Anspruch des Leistungserbringers auf Vergütung folgt im Wesentlichen diesem Sachleistungsanspruch und kann daher nur unter Würdigung der versicherungsrechtlichen Lage umschrieben werden (vgl zB BSG 3. Senat, Urteil vom 7. Juli 2005 – B 3 KR 40/04 R, GesR 2005, 558, 560 = USK 2005-66; ebenso Antwort-Beschluss vom 3. August 2006 – B 3 KR 1/06 S, RdNr 4). Von daher ist es geboten, identische rechtliche Maßstäbe bei der Auslegung des § 39 SGB V anzuwenden.
b) Die vorgelegten Fragen sind auch im konkreten Fall entscheidungserheblich. Alle hier in Betracht kommenden Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X setzen ua voraus, dass der in Anspruch genommene Leistungsträger (hier: die beklagte KK) die vom Erstattung begehrenden Träger (hier: der klagende Sozialhilfeträger) erbrachte Leistung selbst rechtmäßig zu erbringen gehabt hätte. Daran fehlte es, würde man mit dem erkennenden 1. Senat die Vorlagefragen bejahen.
Entsprechend den nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (vgl im Einzelnen Anfrage-Beschluss des erkennenden Senats vom 4. April 2006 RdNr 22 ff) war eine KH-Behandlung des Versicherten im hier (noch) relevanten Zeitraum (28. Juli 1998 bis 19. März 2000) aus medizinischen Gründen bei voller gerichtlicher Überprüfung im Sinne der ersten Fragestellung nicht erforderlich. Das LSG durfte beanstandungsfrei annehmen, bei dem Versicherten habe in dieser Zeit eine “pflegerische Behandlung im Rahmen einer Unterbringung im Vordergrund gestanden” und hat dabei die Kriterien für notwendige KH-Behandlung nicht verkannt. Der 3. Senat des BSG würde dagegen KH-Behandlungsbedürftigkeit bejahen, da bei dem Versicherten eine Krankenbehandlung zur Einwirkung auf sein (fort)bestehendes psychiatrisches Leiden erforderlich war (zB in Bezug auf die wiederholte Verordnung und Verabreichung von Arzneimitteln) und die beklagte KK ihm nach der KH-Aufnahme jedenfalls keinen konkreten Unterbringungs- bzw Wohnheimplatz benannt sowie ihn hierzu nicht angehört und ihm auch keinen Bescheid darüber erteilt hat.
In Bezug auf die zweite Vorlagefrage würde dem noch offenen Revisions- und Klagebegehren – abweichend vom 1. Senat und selbst bei Bejahung der ersten Vorlagefrage – nach Auffassung des 3. Senats jedenfalls deshalb stattzugeben sein, weil er dem KH-Arzt eine Einschätzungsprärogative über die Erforderlichkeit der konkreten weiteren KH-Behandlung zubilligt, deren Grenzen er als nicht überschritten ansähe.
3. Die erste Vorlagefrage (dazu unter 4.) und die zweite Vorlagefrage (dazu unter 5.) sind im Sinne des anfragenden 1. Senats zu bejahen. Das ergibt sich jeweils aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Regelungszweck der für die KH-Behandlung einschlägigen Rechtsgrundlagen des SGB V. Dieses Ergebnis trägt den Bedürfnissen der Versicherten Rechnung und berücksichtigt die Verteilung der Verantwortungs-, Steuerungs- und Entscheidungsbereiche aller Beteiligten. Es achtet die durch das Gesetz beschränkte Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), den Versicherten nur nach Maßgabe eines durch den gesetzlichen Rahmen vorgegebenen Katalogs Leistungen zur Verfügung zu stellen und vermeidet zugleich Fehlsteuerungen durch Fehlanreize: Es lastet der GKV nicht Risiken einer Unterversorgung an, die sie mangels Zuständigkeit nicht beseitigen kann, und entlastet nicht die für die Unterversorgung Verantwortlichen. Das verhindert, Strukturdefizite – entgegen den Interessen der Versicherten – durch Fehlsubventionierung mit Hilfe der kostenintensivsten GKV-Leistung zu zementieren.
4. Der Anspruch erkrankter Versicherter auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen KH setzt – seit jeher – ausschließlich voraus, dass das Behandlungsziel allein aus medizinischen Gründen nicht durch andere Maßnahmen der Krankenbehandlung erreicht werden kann.
a) Der Anspruch auf stationäre KH-Behandlung war vor Inkrafttreten des SGB V in § 184 Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt. Zur Auslegung des § 184 RVO vertrat der damals für das Leistungsrecht der GKV zuständige 3. Senat des BSG die Ansicht, der Anspruch des Versicherten auf KH-Pflege setze voraus, dass die besonderen Mittel des KH benötigt werden, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nur wenn diese Behandlungsziele den Aufenthalt im KH erforderlich machen – so der 3. Senat –, sei die KK zur KH-Pflege verpflichtet. Andere Gründe für den KH-Aufenthalt, selbst wenn sie auf eine Krankheit zurückzuführen sind, reichten nicht aus. Lasse sich eine eventuell erforderliche medizinische Behandlung ohne eine aus anderen Gründen notwendige Unterbringung – zB zur Pflege oder zur Verwahrung – ambulant durchführen, bestehe kein Anspruch auf KH-Pflege. Soweit die Rechtsprechung auf die ärztliche Präsenz abstelle, sei gemeint, dass der jederzeit rufbereite Arzt im Rahmen der laufenden Behandlung benötigt werde (Urteil vom 12. Oktober 1988 – 3/8 RK 19/86, juris RdNr 25, in SozR 1500 § 75 Nr 71 insoweit nicht abgedruckt; Urteil vom 12. November 1985 – 3 RK 33/84, SozR 2200 § 184 Nr 28 mwN; Urteil vom 12. März 1985 – 3 RK 15/84, USK 85141). Auch die Notwendigkeit einer ständigen Betreuung durch psychiatrisch geschultes nichtärztliches Personal allein mache die KK noch nicht nach § 184 Abs 1 RVO leistungspflichtig (Urteil vom 21. Oktober 1980 – 3 RK 33/79, KVRS A – 2500/15 = USK 80211). Zwar sei zu beachten, dass bei der psychiatrischen Behandlung nichtärztliche Therapeuten und Pflegekräfte im größeren Umfange zur Behandlung herangezogen würden. Ihre Mitwirkung sei dann aber ärztlichen Behandlungsmaßnahmen untergeordnet (Urteil vom 25. Januar 1979 – 3 RK 83/78, SozR 2200 § 184 Nr 11 S 15 f). Von KH-Behandlung könne nicht mehr gesprochen werden, wenn die ärztliche Behandlung nur noch einen die pflegerischen Maßnahmen begleitenden Charakter habe (Urteil vom 12. November 1985 – 3 RK 33/84, SozR 2200 § 184 Nr 28 S 44).
Der 3. Senat hat es in seinem Urteil vom 12. Dezember 1979 (3 RK 13/79, BSGE 49, 216, 218 = SozR 2200 § 184 Nr 15) für die Leistungspflicht der KKn als allein entscheidend angesehen, dass die KH-Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Soziale Erwägungen allgemeiner Art oder familiäre Umstände könnten einen Anspruch auf KH-Pflege gegen den Träger der GKV nicht begründen. Daran hat der 3. Senat des BSG in seinem Urteil vom 3. Juli 1985 (3 RK 17/84, USK 85160) angeknüpft und ausgeführt: “Eine Aufnahme im KH ist nicht notwendig, soweit die ambulante Behandlung ausgereicht hätte. In diesem Fall kann der Anspruch aus § 184 RVO nicht damit begründet werden, dass die Unterbringung des Kranken in einem Heim oder einer Pflegefamilie geboten sei, aber tatsächlich kein geeigneter Heim- oder Familienplatz zur Verfügung stehe. Es ist nicht Aufgabe der GKV, ein derartiges Risiko zu tragen. Wenn geeignete Pflegeheime nicht zur Verfügung stehen und ein Pflegebedürftiger nur deshalb in einem psychiatrischen KH untergebracht wird, so hat das nicht zur Folge, dass die Krankenversicherungsträger zur Übernahme der Kosten verpflichtet sind.”
Zur Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Voraussetzungen der Notwendigkeit stationärer KH-Pflege hatte es der 8. Senat des BSG unter Geltung des § 184 RVO mit Urteil vom 16. November 1984 (8 RK 33/84, USK 84213) ausdrücklich verneint, dass dem behandelnden Arzt bei der Bestimmung von Art und Dauer der notwendigen KH-Pflege ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt sei, der nur in beschränktem Umfang gerichtlicher Überprüfung unterliege. Zwar handele es sich bei dem Rechtsbegriff der “Notwendigkeit” iS von § 184 Abs 1 Satz 2 iVm § 182 Abs 2 RVO um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem die Zuordnung bestimmter Einzelsachverhalte in vielen Fällen unsicher sei. Ob in diesem Bereich hermeneutischer Unsicherheit ein “Beurteilungsspielraum” gesehen werden könne, könne letztlich offen bleiben. Denn ein solcher Beurteilungsspielraum könnte allenfalls der Verwaltung (= KK), nicht aber dem behandelnden Arzt zustehen. Entscheidend für die (dort ähnlich wie im vorliegenden Fall streitige) Erstattungspflicht der KK sei vielmehr, ob die gewährte Kranken(haus)pflege nach objektiven Maßstäben notwendig gewesen sei. Diese Beurteilung unterliege voller gerichtlicher Nachprüfung. Eine andere Frage sei es, ob die KK – oder im Rechtsstreit das Tatsachengericht – im konkreten Falle im Rahmen der Beweiswürdigung häufig der Beurteilung des behandelnden Arztes folgen werde, weil er aufgrund seiner Sachnähe regelmäßig am ehesten in der Lage sei, die Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme zu beurteilen. Dies bedeute aber nicht, dass der Arzt die KK zu Leistungen auch dann verpflichten könne, wenn diese Leistungen objektiv nicht notwendig seien.
Ebenso hat in der Folgezeit der 3. Senat des BSG entschieden: Der Kassenarzt treffe keine Rechtsentscheidung über die Verpflichtung der KK zur Leistungserbringung; dies sei nicht seine Aufgabe und ergebe sich weder aus Bestimmungen der RVO noch aus dem ihr nachgeordneten Recht (Urteil vom 11. Oktober 1988 – 3/8 RK 20/87, USK 88157 = NJW 1989, 2350 = ErsK 1991, 378). Für die Beurteilung, ob und inwieweit die Maßnahmen geboten waren und nur in einem KH durchgeführt werden konnten, habe man sich im sozialgerichtlichen Verfahren (im konkreten Fall) nicht mit den Äußerungen des behandelnden Arztes zur Notwendigkeit der stationären Behandlung abschließend begnügen dürfen – so der 3. Senat.
b) An diese Rechtsprechung knüpfte der Gesetzgeber an, als er mit Wirkung ab 1. Januar 1989 den Anspruch auf stationäre KH-Behandlung nunmehr in § 39 SGB V regelte. Weder sollte der materielle Anspruch grundlegend anders als in § 184 RVO ausgestaltet sein noch sollte die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des § 184 RVO korrigiert werden. Aus Wortlaut und Textgeschichte des § 39 Abs 1 SGB V ergibt sich vielmehr, dass bei der Frage, ob ein Versicherter der stationären KH-Behandlung bedarf, weiterhin allein auf medizinische Gründe abzustellen und stationäre KH-Behandlung subsidiär gegenüber allen anderen Behandlungsformen (ambulant, teilstationär oder in Form häuslicher Krankenpflege) ist.
aa) § 39 Abs 1 SGB V lautete in seiner am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Fassung des Art 1 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) wie folgt:
“Versicherte haben Anspruch auf Behandlung in einem zugelassenen KH (§ 108), wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die KH-Behandlung wird voll- oder teilstationär erbracht. Sie umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des KH alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im KH notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.”
Die Gesetzesbegründung führt aus (vgl BT-Drucks 11/2237 S 177 zu § 38 des Entwurfs):
“Die Vorschrift wurde gegenüber dem geltenden Recht im Hinblick auf die Bedeutung der Leistung im Rahmen der GKV konkretisiert. Sie wurde außerdem wegen der zusätzlichen Erfordernisse, die bei der Einweisung in ein KH zu beachten sind (vgl § 81 Abs 4), erweitert. Dadurch soll darauf hingewirkt werden, dass verstärkt preisgünstige Krankenhäuser in Anspruch genommen werden.”
In der Begründung zu Abs 1 heißt es ebenda:
“Die Regelung bestimmt, wo, wie und in welchem Umfang stationäre KH-Behandlung erbracht wird. Sie entspricht dem bisher geltenden Recht (§ 184 Abs 1, § 371 Abs 1 RVO), verdeutlicht jedoch den Vorrang der preisgünstigen ambulanten Behandlung durch den Hinweis auf die häusliche Krankenpflege (§ 36). Satz 3 beschreibt den Inhalt der KH-Behandlung und macht deutlich, dass der Schwerpunkt der KH-Behandlung im Unterschied zu anderen Formen der ärztlichen Versorgung (vgl § 115 Abs 2) auf der ärztlichen Behandlung durch Ärzte und weniger auf der pflegerischen Versorgung und der Anwendung von Heilmitteln liegt.”
Zur Begründung des § 81 Abs 4 SGB V des Entwurfs heißt es – auszugsweise – (vgl BT-Drucks 11/2237 S 192):
“Die Regelung verdeutlich die bisherige Rechtslage, nach der KH-Behandlung nur als letztes Mittel verordnet werden darf. Diesem Subsidiaritätsprinzip trägt die Verpflichtung Rechnung, die Notwendigkeit der KH-Behandlung bei der Verordnung zu begründen.”
Durch Art 1 Nr 23 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) erhielt § 39 Abs 1 SGB V folgende, am 1. Januar 1993 (vgl Art 35 Abs 1 GSG) in Kraft getretene und auch im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Fassung:
“Die KH-Behandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a) sowie ambulant (§ 115b) erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen KH (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das KH erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die KH-Behandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des KH alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im KH notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.”
Die Aufnahme der Worte nach “nach Prüfung durch das KH” im jetzigen Satz 2 (zuvor Satz 1) des § 39 Abs 1 SGB V beschreibt dabei keine materielle Entscheidungskompetenz des KH über den Anspruch des Versicherten auf KH-Behandlung. Diese Formulierung soll vielmehr verdeutlichen, dass das KH – ggf neben dem einweisenden Arzt – selbstständig, in eigener Verantwortung diese Voraussetzungen des Anspruchs zu überprüfen hat, über den letztlich im Streitfall die KK entscheidet. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begründung des Gesetzentwurfs. Die Ausführungen machen klar, dass es bei den Rechtsänderungen des GSG nicht darum ging, den “Freiraum” eines KH bezüglich seiner Betten-Belegung im Sinne eines Einschätzungsspielraums über die Erforderlichkeit stationärer KH-Behandlung zu erweitern, sondern – im Gegenteil – strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen. So wird im Allgemeinen Teil der Begründung darauf hingewiesen (vgl BT-Drucks 12/3209 S 39 unter 3.a):
“Die Ausgaben für die KH-Versorgung in Höhe von 49 Milliarden DM im Jahr 1991 bilden den größten Ausgabenblock der GKV. Gegenüber 1990 stiegen die Ausgaben für KH-Behandlung im Jahr 1991 je Mitglied um 7,8 %, und damit um fast 3 Prozentpunkte mehr als die beitragspflichtigen Einnahmen.
Ohne erhöhte Wirtschaftlichkeit in den Krankenhäusern und ohne die Begrenzung der KH-Versorgung auf Patienten, die der KH-Behandlung auch wirklich bedürfen, ist die Stabilität der Beitragssätze nicht zu erreichen.
Der grundlegende Strukturfehler im KH ist das Selbstkostendeckungsprinzip in Verbindung mit dem tagesgleichen Pflegesatz. Solange das belegte Bett, nicht aber die Leistung, die der Patient benötigt, der Maßstab für die Einnahmen, für die Personalausstattung und für die Investitionsförderung ist, sind Fehlsteuerungen und zu hohe Verweildauern die ökonomisch logische Konsequenz falscher Rahmenbedingungen. Zudem leisten ein globales Überangebot an Akutbetten und medizinisch nicht erforderliche KH-Einweisungen der Fehlbelegung Vorschub. Zu Fehlentwicklungen tragen auch die unzureichende Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, die zT noch ausstehende Umsetzung der Instrumente des GRG, zB dreiseitige Verträge, sowie die praktische Bedeutungslosigkeit des Kündigungsrechts von Krankenhäusern bei.”
Zur Begründung der auf Beseitigung dieser “Strukturfehler” abzielenden Änderung des § 39 Abs 1 SGB V heißt es, die Regelung “verdeutlicht die Prüfungspflicht des KH im Hinblick auf den Vorrang der ambulanten Behandlung”. Einzelheiten der Prüfung sollten – so die Begründung weiter – in den zweiseitigen Verträgen nach § 112 Abs 2 SGB V geregelt werden (vgl BT-Drucks 12/3209 S 45 zu Nr 7 Buchst a, Doppelbuchst aa). Die Einfügung des jetzigen Satzes 1 soll nach der Gesetzesbegründung den “Vorrang der teilstationären Behandlung vor der vollstationären Behandlung” klarstellen (vgl BT-Drucks 12/3209 S 45 zu Nr 7 Buchst a, Doppelbuchst bb ≪§ 39 Abs 1 SGB V≫).
Die Prüfungspflicht des KH knüpft damit regelmäßig an die Einweisung des behandelnden Arztes an, ersetzt aber nicht das alleinige Recht der KKn, über den Anspruch des Versicherten auf KH-Behandlung zu entscheiden. Für die vom 3. Senat des BSG in seinem Antwortbeschluss vom 3. August 2006 (Beschluss-Umdruck RdNr 10) eingenommene Auffassung, aus den Gesetzesmaterialien sei herzuleiten, dass es für die Erforderlichkeit von KH-Behandlung letztlich auf die (fachlich einwandfreie) Einschätzung des behandelnden KH-Arztes ankomme, ist demgegenüber kein Raum.
bb) Der seit 1. Januar 1991 geschäftsplanmäßig für das Leistungsrecht der GKV zuständige erkennende 1. Senat des BSG hat bei der Auslegung des § 39 SGB V unter Berücksichtigung aller Auslegungsmethoden die oben zitierte Rechtsprechung des 3. Senats zur Auslegung des § 184 RVO (insbesondere: Urteil vom 11. Oktober 1988 – 3/8 RK 20/87, USK 88157) fortgeführt (Urteil vom 9. Juni 1998 – B 1 KR 18/86 R, BSGE 82, 158, 161 = SozR 3-2500 § 39 Nr 5). Der 1. Senat hat dabei entschieden, dass auch unter Geltung des § 39 SGB V die Entscheidung über die Leistungsbewilligung bei der KK verbleibt.
Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruch auf stationäre KH-Behandlung sah der erkennende 1. Senat ebenfalls keinen Grund, von der vorangegangenen Rechtsprechung zu § 184 RVO abzuweichen. So hat der Senat unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung (zB BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 16; BSGE 28, 199, 202 = SozR Nr 22 zu § 1531 RVO; BSGE 47, 83, 85 = SozR 2200 § 216 Nr 2; BSG SozR 2200 § 184 Nr 11 S 15 f; BSGE 49, 216, 217 = SozR 2200 § 184 Nr 15 S 26; SozR aaO Nr 28 S 41; BSG USK 8453) zusammenfassend in seinem Urteil vom 16. Februar 2005 (B 1 KR 18/03 R, BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4, jeweils RdNr 13) ausgeführt, die Behandlung in einem KH sei erforderlich, “wenn die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln des KH durchgeführt werden kann und eine ambulante ärztliche Versorgung nicht ausreicht, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern”. Maßnahmen dürfen daher zB nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen; ebenso unterfallen rein pflegerische Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der KKn, vielmehr müssen diese als Teil einer ärztlichen Behandlung dieser Behandlung untergeordnet sein (vgl BSG USK 79163; BSG USK 8453; BSG SozR 2200 § 184 Nr 11 S 16). Soweit der 1. Senat dabei in einem obiter dictum des Urteils vom 16. Februar 2005 (aaO) weitergehende Rechtssätze aus der neueren Rechtsprechung des 3. Senats zitiert hat, hält er hieran nicht fest.
c) Diese Auslegung des § 39 SGB V durch den erkennenden Senat entspricht dem aufgezeigten gesetzlichen Regelungssystem abgestufter Ansprüche der Versicherten in der GKV.
Bereits das GRG hebt den subsidiären Charakter stationärer KH-Behandlung gegenüber der ambulanten Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege in § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V hervor. Das GSG hält hieran fest, erweitert den Subsidiaritätsgrundsatz des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V redaktionell und stellt klar, dass nur dann Anspruch auf vollstationäre KH-Behandlung besteht, wenn die Aufnahme in ein KH erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Auch in anderen Grundentscheidungen des Gesetzgebers zum Leistungsrecht der GKV kommt die beschriebene Tendenz zum Ausdruck. Er hat nämlich immer wieder Regelungen geschaffen und Maßnahmen getroffen, um die Inanspruchnahme von kostenintensiver stationärer KH-Behandlung (auch mit Blick auf Grenz- und Streitfälle über die vollstationäre medizinische Notwendigkeit) zur ultima ratio werden zu lassen bzw die KH-Behandlung wegen vorrangiger anderer Behandlungsformen möglichst von vornherein auf die dafür vorgesehenen medizinischen Fälle zu begrenzen und den Anstieg der KH-Kosten zu dämpfen. Welche große Bedeutung für den Gesetzgeber das Ziel hat, ergibt sich aus seinen hierauf kontinuierlich über mehr als drei Jahrzehnte erstreckenden Bemühungen (vgl zu den Änderungen im Einzelnen zB die Übersicht bei Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 39 RdNr 33 ff, Stand August 2006). Die Begrenzung der Ausgaben für KH-Behandlung war bereits Zweck des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der KH-Pflegesätze (KHG) vom 29. Juni 1972 (BGBl I 1009). Im Vordergrund stand bereits damals die Absicht, der wirtschaftlichen Belastung durch ständig steigende Beiträge zur GKV entgegenzutreten. Da die KKn aus den niedrig gehaltenen Beiträgen nicht in der Lage waren, die ständig steigenden Kosten für KH-Pflege zu finanzieren, musste die Beschränkung der Beiträge zur GKV auch die Beschränkung der KH-Pflegesätze nach sich ziehen (so BVerwGE 60, 154, 156 = Buchholz 451.731 KHG Nr 3 = USK 80237).
So gut wie alle der zahlreichen Gesetzesänderungen bis in die jüngste Zeit hinein mit direkten oder mittelbaren Auswirkungen auf den KH-Sektor sind auf das Ziel ausgerichtet, die finanziellen Aufwendungen für die KH-Behandlung zu begrenzen. Insoweit sind – neben den bereits in § 39 Abs 1 SGB V selbst angesprochenen Behandlungsalternativen – speziell für den Bereich der psychiatrischen Erkrankungen in Ausfluss des § 27 Abs 1 Satz 3 SGB V die Behandlung in psychiatrischen Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) oder die Soziotherapie (§ 37a SGB V, geschaffen durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 ≪BGBl I 2626≫) hervorzuheben; Soziotherapie steht seit 1. Januar 2000 speziell schwer psychisch kranken Versicherten zu, “wenn dadurch KH-Behandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht durchführbar ist”. Auch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser – Fallpauschalengesetz vom 23. April 2002, BGBl I S 1412) kann hier beispielhaft erwähnt werden (vgl zu dessen Zielsetzung BT-Drucks 14/6893 S 26).
Das in alledem zum Ausdruck kommende abgestufte Regelungssystem des SGB V würde durchbrochen und das erkennbar mit Nachdruck und Priorität verfolgte gesetzgeberische Ziel einer möglichst weitgehenden Vermeidung stationärer KH-Pflege auf Kosten der KKn wäre in Frage gestellt, wenn für die Beurteilung, auf welche der genannten Behandlungsformen der Versicherte gegen seine KK Anspruch hat, neben medizinischen Gründen wesentlich auf krankenversicherungsfremde Gesichtspunkte abzustellen wäre wie zB das persönliche Umfeld des Betroffenen oder die Versorgungsstruktur in Bezug auf Unterbringungseinrichtungen zur Gefahrenabwehr und bei Pflegeheimen.
d) Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungssystem verdeutlichen mithin den mit § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V verfolgten Regelungszweck, KH-Behandlung als eine der kostenintensivsten Leistungen der GKV nur als letztes, äußerstes Mittel in den wirklich notwendigen, nicht durch andere Maßnahmen behandelbaren Fällen einzusetzen. Diesem Regelungszweck hat die ständige Rechtsprechung zunächst aller damit befassten BSG-Senate Rechnung getragen. Mit seinem Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 17 ff) hat sich der 3. Senat des BSG allerdings von der bisherigen Linie abgewandt (stRspr, vgl die Nachweise und Ausführungen im Antwort-Beschluss des 3. Senats vom 3. August 2006 – B 3 KR 1/06 S, RdNr 6 ff). Er hat sowohl hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf stationäre KH-Behandlung als auch in der Frage der Überprüfung ihrer Notwendigkeit durch die KKn, MDK und Gerichte einen eigenen Weg eingeschlagen.
aa) Der 3. Senat hat ausgeführt, die Umschreibung der KH-Behandlungsbedürftigkeit in der oben zitierten Rechtsprechung reiche zur konkreten Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit von KH-Behandlung (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) nicht aus. Die Entscheidung, ob ein Versicherter wegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit in einem KH versorgt werden müsse, könne ein die Einweisung in das KH verordnender niedergelassener Arzt (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V iVm § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) oder die Aufnahme ins KH anordnender KH-Arzt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) stets nur mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen treffen. Dies gelte in gleicher Weise bei der Entscheidung eines KH-Arztes, ob ein bereits stationär untergebrachter Patient bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit weiterhin im KH zu behandeln sei oder entlassen werden könne, weil die erforderliche medizinische Versorgung außerhalb des KH sichergestellt sei. Das Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeute, dass es nicht ausreiche, von theoretisch vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die den weiteren KH-Aufenthalt entbehrlich erscheinen ließen, sondern dass zu prüfen sei, welche ambulanten Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen, weil nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung des Versicherten gewährleistet werden könne. Da die KK dem Versicherten die notwendige medizinische Behandlung als Sachleistung schulde (§ 2 Abs 2, § 27 SGB V) und sie gegenüber dem Versicherten nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zur Beratung über seine Rechte und Pflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis verpflichtet sei, könne sich die KK nicht allein damit entlasten, dass sie auf denkbare ambulante Behandlungsalternativen verweise, solange sie diese nicht in konkreter und nachprüfbarer Weise aufzeige. Wolle die KK einen Antrag auf (erstmalige oder weitere) Kostenübernahme für stationäre KH-Behandlung ablehnen, bestehe also Streit über die Notwendigkeit einer KH-Behandlung zwischen dem Versicherten (bzw seinem Betreuer) und den KH-Ärzten einerseits sowie der KK und dem MDK andererseits, habe die KK als Ausfluss ihrer Sachleistungs- und Beratungspflicht den Versicherten darüber zu unterrichten, welche konkrete ambulante Behandlungsalternative zur Verfügung stehe (so Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2, jeweils RdNr 19, konkretisiert durch Antwort-Beschluss vom 3. August 2006 – B 3 KR 1/06 S, RdNr 8).
bb) Auch hinsichtlich der sozialgerichtlichen Überprüfbarkeit der Notwendigkeit stationärer KH-Behandlung vertritt der 3. Senat in seinem Urteil vom 13. Mai 2004 eine vom 1. Senat abweichende Auffassung: Der erkennende 1. Senat ordnet die Entscheidungsgewalt darüber, ob KH-Behandlung erforderlich ist, der KK (= hier: Beklagte) zu (vgl BSGE 82, 158, 161 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 26 f mwN; BSGE 89, 34, 39 = SozR 3-2500 § 18 Nr 8 S 34; ebenso 6. Senat, BSGE 65, 94, 97 = SozR 2200 § 182 Nr 115 S 264 f mwN); er sieht deren Entscheidung als gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar an und würde prüfen, ob (jeweils) im Zeitpunkt der Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst objektiv KH-Behandlungsbedürftigkeit bestand (vgl erneut auch 8. Senat des BSG, USK 84213; ferner BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4, jeweils RdNr 26; zur vergleichbaren Situation bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertragsarzt die Senats-Urteile vom 8. November 2005 – B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 28 mwN und – B 1 KR 30/04 R, BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, jeweils RdNr 25, 30 mwN).
Nach Auffassung des 3. Senats des BSG kommt es nach erfolgter tatsächlicher KH-Aufnahme demgegenüber lediglich auf die Einschätzung/Prognose des behandelnden KH-Arztes an. Nach den Ausführungen des 3. Senats in seinem Urteil vom 12. Mai 2005 (B 3 KR 30/04 R SozR 4-5565 § 14 Nr 9 RdNr 8 mwN) ist eine KH-Behandlung stets dann notwendig, “wenn sie aus der vorausschauenden Sicht des KH-Arztes unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt”. In einem weiteren Urteil vom 7. Juli 2005 (B 3 KR 40/04 R = GesR 2005, 558, 560 = USK 2005-66) führt der 3. Senat aus: Dadurch, dass die behandelnden KH-Ärzte die Notwendigkeit einer Weiterbehandlung im KH angenommen hätten, sei von dieser Notwendigkeit auszugehen, weil ihnen insoweit ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen sei und weder das LSG noch die Beklagte Gesichtspunkte aufgezeigt hätten, die diese Einschätzung als ersichtlich verfehlt oder als Verstoß gegen ärztliche Standards erscheinen ließen (juris RdNr 20). Im Zweifel komme es auf die Prognose der behandelnden KH-Ärzte an. Diese Rechtsprechung trage der Situation und Entscheidungsverantwortung des behandelnden KH-Arztes Rechnung, die dadurch geprägt sei, dass es eine eindeutig objektiv richtige Maßnahme im Bereich ärztlichen Handelns oft nicht gebe und ärztliches Handeln gerade bei der Behandlung schwerwiegender psychiatrischer Erkrankungen auf unterschiedliche, auch wechselnde therapeutische Ansätze angewiesen sei.
e) Die Auslegung des 1. Senats, die der Neukonzeption des 3. Senats nicht folgt, trägt den Belangen der Versicherten der GKV angemessen Rechnung, ohne Entscheidungskompetenzen und die damit korrespondierenden Verantwortlichkeiten der Systembeteiligten bei der Inanspruchnahme von Naturalleistungen aus dem Blick zu verlieren:
Begehrt ein Versicherter KH-Aufnahme, hat – auch bei Vorliegen einer vertragsärztlichen Verordnung – das KH in eigener Verantwortung die medizinischen Voraussetzungen zu überprüfen. Das entspricht seiner Sachkompetenz. Bejahen die KH-Ärzte die KH-Behandlungsbedürftigkeit und nimmt das KH den versicherten Patienten auf, obwohl diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, hat die – idR zwecks Kostenübernahme eingeschaltete, sich auf den MDK stützende – KK den Anspruch gegenüber dem Versicherten und dem KH (nach näherer Maßgabe des Vertragsrechts gemäß § 112 SGB V) unverzüglich abzulehnen. Der Versicherte genießt allerdings jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt Vertrauensschutz (vgl in diese Richtung gehend bereits BSGE 82, 158, 162 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5): Er ist von der KK so zu stellen, als habe er auf Kosten der KK stationäre Behandlung erhalten (zB § 44 SGB V; § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V). Das KH erlangt dagegen keinen Vergütungsanspruch gegen die KK. Es hat nämlich nicht einen bestehenden Anspruch des Versicherten gegen die KK erfüllt, sondern bei seiner Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen auf medizinischem Gebiet versagt und daraus die Konsequenzen zu tragen. Von dieser Verantwortung kann sich das KH auch nicht zu Lasten des Versicherten freizeichnen, soweit nicht der Versicherte in voller Kenntnis seiner Rechte Behandlung auf eigene Kosten ohne Aussicht auf Übernahme durch die KK wünscht (vgl Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 9/05 R – RdNr 13 mwN ≪Psychotherapie durch Erstattungs-Psychologen≫; § 32 SGB I). Hat die KK gegenüber Versichertem und KH abgelehnt, die Behandlung zu übernehmen, hält aber das KH die Voraussetzungen des Anspruchs für trotzdem erfüllt, kann es den Versicherten weiterhin auf eigenes (des KH) Risiko behandeln. Es kann sich aber nun auch von diesem Risiko zu Lasten des Patienten befreien. Ist der betroffene Patient selbst nicht vollständig informiert, muss das KH ihn im Rahmen seiner ihm als zugelassener Leistungserbringer obliegenden wirtschaftlichen Aufklärungspflicht (vgl dazu näher Senat, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 5/05 R – RdNr 27 ≪UAE≫, zur Veröffentlichung vorgesehen) umfassend über die Folgen aufklären, die der Versicherte bei Fortsetzung der stationären Behandlung zu tragen hat, wenn sich die Richtigkeit der Position der KK in einem späteren Rechtsstreit bestätigen sollte.
Ist der Versicherte, der allein aus medizinischen Gründen keine KH-Behandlung benötigt, selbst nicht in der Lage, einen Zusatzbedarf an Unterbringung, Pflege oder Sonstigem zu finanzieren, den der 3. Senat zum Anlass nimmt, KH-Behandlungsnotwendigkeit zu fingieren, ist es – soweit kein vorrangiger Leistungsträger zuständig ist – Sache des Sozialhilfeträgers, diesen Bedarf abzudecken. Das heißt: Kann zB ein obdachloser Krebspatient ambulant mit Infusionen behandelt werden, benötigt er dazu aber eine hygienisch einwandfreie Unterkunft, die ein Obdachlosenheim nicht bietet, bleibt es Sache des Sozialhilfeträgers, für eine adäquate Unterkunft zu sorgen. Auch soweit die Pflegeversicherung wegen ihres begrenzten Versorgungsauftrags nicht die erforderlichen Leistungen zur Verfügung zu stellen hat, rechtfertigt es das Gesetz nicht, KH-Behandlung ohne medizinische Notwendigkeit zu Lasten der GKV vorzusehen. Auch hier hat – soweit kein anderer vorrangiger Träger zuständig ist – letztlich der Sozialhilfeträger einzutreten. KH-Entlassungsprobleme sind durch frühzeitige Zusammenarbeit der zuständigen Träger schon im Vorfeld zu lösen (§ 4 Abs 3 SGB V; § 86 SGB X).
Weder KK noch KH haben danach Risiken zu tragen, die sich aus der nichtmedizinischen Versorgungssituation außerhalb des KH-Bereichs ergeben, soweit beide von ihrer Aufgabenstellung her nicht zur Absicherung der sich daraus ergebenden Risiken verpflichtet sind. So sind beide Institutionen nicht dazu berufen, Plätze für betreutes Wohnen oder für psychisch kranke Behinderte zu schaffen, die wegen Fremd- oder Selbstgefährdung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterzubringen sind. Umgekehrt ist es Sache der KKn, Mängel in der ambulanten Versorgung zu vermeiden oder zu beheben. Versagen sie hierbei mit der Folge, dass die an sich mögliche ambulante Behandlung nicht erbracht werden kann, ist KH-Behandlung medizinisch notwendig. Den KKn aber – trotz bedarfsgerecht möglicher Krankenbehandlung im Rahmen des Vertragsarztsystems – etwaige Mängel in der Versorgung solcher krankenversicherungsfremder Bereiche durch Schaffung von richterrechtlichen Kostenübernahmepflichten aufzubürden und mittels KH-Behandlung zu kompensieren, wie es die Rechtsprechung des 3. Senats bewirkt, belastet die Falschen, entzieht der GKV die erforderlichen finanziellen Mittel und droht durch die damit bewirkte Fehlsteuerung, letztlich die Versicherten selbst zu schädigen.
5. Die Voraussetzungen für die “Erforderlichkeit” stationärer KH-Behandlung sind gerichtlich voll überprüfbar. Das zeigt schon – wie dargelegt – die an die bisherige Rechtsprechung anknüpfende Entstehungsgeschichte des § 39 SGB V. Zu Recht hat der 8. Senat des BSG (vgl erneut Urteil vom 16. November 1984 – 8 RK 33/84, USK 84213) bereits zum Rechtszustand unter Geltung der RVO ausgeführt, rechtssystematisch könne allenfalls ein Beurteilungsspielraum der KK, nicht aber des behandelnden (KH-)Arztes in Betracht kommen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Diskussion zum Rechtskonkretisierungskonzept des SGB V (vgl dazu nur zB Neumann in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 13 RdNr 11 ff; Arend Becker, Die Steuerung der Arzneimittelversorgung im Recht der GKV, 2006, S 114 ff, 123 ff; Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005, S 176 ff, 203 ff, alle mwN).
Hinzu kommt, dass auch unbestimmte Rechtsbegriffe – wie hier der Notwendigkeit oder Erforderlichkeit – grundsätzlich der uneingeschränkten richterlichen Nachprüfung unterliegen (vgl Art 92 Grundgesetz ≪GG≫), und zwar hinsichtlich ihres Sinngehalts, der Feststellung der Tatsachengrundlage und der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs auf die im Einzelfall festgestellten Tatsachen (vgl zB BVerwG Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr 6 S 15 f = DVBl 2006, 574 mwN). Das entspricht der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art 19 Abs 4 GG, effektiven Rechtsschutz und damit die vollständige Nachprüfung der Akte öffentlicher Gewalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu gewährleisten (vgl BVerfGE 84, 34, 49 f). Nur ausnahmsweise kann es in gleichsam kaum vermeidbaren Kollisionslagen gerechtfertigt sein, der zuständigen Stelle einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Raum für die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu eröffnen. Eine solche, sich auf die Tatbestandsseite der Norm erstreckende Einschätzungsprärogative hat die Rechtsprechung etwa bei Eignungsbeurteilungen (BVerfGE 84, 59, 77), Planungsentscheidungen (BVerwGE 56, 110, 121 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr 2; BVerwGE 87, 332, 355 = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr 7; zuletzt BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 – 5 C 10/05, juris RdNr 70 = NVwZ 2006, 1184, 1189 = DÖV 2006, 867, 870) oder bei Entscheidungen besonderer, fachkundig zusammengesetzter Kollegialorgane anerkannt (BVerwG NVwZ 1991, 268; BSG USK 82181 bzgl der für die für vertragsärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständigen Prüfgremien). Sie hat es aber zB abgelehnt, von einer Einschätzungsprärogative auszugehen bei prognostischen Einzelbeurteilungen (vgl BSG SozR 3-4100 § 60 Nr 1 S 4 f), der sensorischen Bewertung von Wein (BVerwGE 94, 307 Leitsatz 1 = Buchholz 418.72 WeinG Nr 24) oder der Feststellung von Unwirtschaftlichkeit im Rahmen einer Einzelfallprüfung (vgl ≪6. Senat≫ BSGE 70, 246, 253 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10).
Nach diesen Maßstäben fehlt jeglicher Grund, einem Arzt im KH bei der Prüfung der Erforderlichkeit der KH-Behandlung eine Einschätzungsprärogative zuzubilligen. Der Anspruch des Versicherten gegen die KK auf krankenversicherungsrechtliche Leistungen kann nicht im Rechtssinne von der jeweiligen Einschätzung eines KH-Arztes abhängig sein. Ebenso wenig hat dessen Einschätzung Auswirkungen auf die Entscheidungsbefugnisse der KK. Ihre Kompetenz, über den Sachleistungsanspruch des Versicherten zu entscheiden, wäre sonst nur noch rein formaler Natur. Darüber hinaus blieben die Aufgaben und Funktion des MDK unbeachtet (vgl § 275 Abs 1 Nr 1 iVm § 276 Abs 4 SGB V). Erst recht könnte eine solche Einschätzungsprärogative nicht für den Anspruch des KH gegen die KK auf Vergütung gelten.
Soweit der 3. Senat des BSG schließlich darauf abhebt, es gebe im Bereich ärztlichen Handelns oft nicht nur “eine” objektiv richtige Maßnahme, kann dies seine Schlussfolgerung nicht rechtfertigen: Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese nämlich krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Genügen mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen, hat regelmäßig der versicherte Patient hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen. Die zivil- und strafrechtliche Verantwortung des Arztes knüpft gerade auch an diese Pflicht des Arztes an. Das wirksame, einen Deliktstatbestand ausschließende Einverständnis des Patienten setzt nämlich eine umfassende, hinreichende Aufklärung des behandelnden Arztes bei allen ärztlichen Maßnahmen voraus (vgl BGH NJW 1980, 1905; BGH VersR 1990, 1010 f mwN). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kennt denn auch eine Einschätzungsprärogative des behandelnden Arztes nicht. Sie differenziert bei der – rechtlich ganz anders gelagerten – Frage, wie allgemeine Vertragsbedingungen privater Krankenversicherungsunternehmen auszulegen sind, die eine Erstattungspflicht für KH-Behandlung von der medizinischen Notwendigkeit abhängig machen, im Interesse des Versicherungsnehmers danach, ob ein besonderes Verfahren für die Klärung von Meinungsunterschieden über die “Notwendigkeit” vertraglich vorgesehen ist. In diesem Falle hat die Überprüfung nach objektiven und anerkannten medizinischen Erkenntnissen durch einen neutralen Sachverständigen zu erfolgen. Ist dagegen ein besonderes Verfahren für die Überprüfung nicht vorgesehen, kann der Versicherer sich auf einen Leistungsausschluss allenfalls erst dann berufen, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen nicht mehr vertretbar war, die KH-Behandlung als notwendig anzusehen (vgl BGH NJW 1979, 1250 f in Abgrenzung zu BGH VersR 1977, 833; BGHZ 133, 208 ff = LM AVB f Krankheitskosten- u Krankenhaustagegeldvers Nr 26); auf die Auffassung des behandelnden Arztes kommt es dagegen nicht an (vgl zB BGHZ 133, 208, 212 f).
Der Ausschluss oder die Einschränkung einer nachträglichen Begutachtung lässt sich durch den Hinweis auf zivilrechtliche Rechtsprechung ebenfalls nicht rechtfertigen. Sie ist vielmehr der Rechtsprechung des BGH fremd. Der behandelnde KH-Arzt ist auch dort im Streitfall einer vollständigen Prüfung seiner Diagnostik und Therapie einschließlich seiner verantwortlichen Beurteilung der Erforderlichkeit von KH-Behandlung im Nachhinein ausgesetzt. Ihm wird dabei Verantwortung nur für den Bereich abverlangt, für den er kompetent und ausgebildet ist: Für ein Vorgehen nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Er ist dadurch geschützt, dass sein Informationsstatus – auch bei nachträglicher Überprüfung – als auf dasjenige beschränkt anzusehen ist, was ihm lege artis im jeweiligen Behandlungszeitpunkt verfügbar war. Damit lösen sich auch Fallkonstellationen wie die des “Krankenhauswanderers” (vgl BSG ≪3. Senat≫ SozR 3-2500 § 39 Nr 4) oder diejenige der Abklärung eines Notfalls oder eines Krankheitsverdachts mit später negativem Ausgang (vgl zB BSG ≪6. Senat≫ SozR 3-2500 § 76 Nr 2). Zugleich wohnt dem Abstellen auf die den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende und verfügbare Informationslage im jeweiligen Behandlungszeitpunkt eine hinreichend differenzierende Dynamik inne. Das, was etwa bei der Aufnahme in das KH noch unentdeckt bleiben konnte, muss den Behandlern nach den Umständen des Einzelfalls ggf im Rahmen der kunstgerecht eingesetzten Diagnostik zu einem späteren Zeitpunkt aufgefallen sein. Dagegen steht – auch für den KH-Arzt hinreichend erkennbar – aufgrund des Leistungskatalogs der GKV fest, welche zB ambulanten Maßnahmen an Stelle von KH-Behandlung zu erwägen sind.
6. Nach alledem ist der Große Senat des BSG gemäß § 41 Abs 2 SGG zur Entscheidung über die ihm vom erkennenden Senat vorgelegten Rechtsfragen berufen.
Fundstellen