Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. August 1995 wird abgelehnt.
Der Kläger hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Im übrigen sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
Der Rechtsstreit betrifft die Berücksichtigung von Mehrarbeitsvergütung bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes (Alg).
Der Kläger war von 1982 bis 1993 als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt. Gegenüber der Bemessung des Alg machte er geltend, er habe regelmäßig Überstunden verrichten müssen, deren Vergütung bei der Beitragsentrichtung berücksichtigt worden sei. Aufgrund dieser unabdingbaren Gestaltung seines Arbeitsverhältnisses habe er sich über Jahre hinweg einen sozialen Besitzstand geschaffen, der bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen sei. Gegenüber der Bemessung des Alg nach dem Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitsvergütung und nach der tariflichen Arbeitszeit sind Klage und Berufung des Klägers erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, diese Bemessung der Leistung entspreche den §§ 111 und 112 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), die ihrerseits mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar seien. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde macht der Kläger vor allem den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache geltend. Er mißt der Frage, ob ein über Jahre erzieltes Einkommen, welches sich maßgeblich aus der Vergütung ausgewiesener Überstunden zusammensetze, bei der Bemessung des Alg voll zu berücksichtigen sei, grundsätzliche Bedeutung zu. Zwar habe sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu dieser Frage bereits in dem Beschluß vom 3. März 1979 – 1 BvL 30/76 – (BVerfGE 51, 115 = SozR 4100 § 112 Nr 10) geäußert. Nunmehr habe das BVerfG jedoch im Beschluß vom 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – (BVerfGE 92, 53) entschieden, es sei mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, daß einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werde, ohne daß diese bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen berücksichtigt würden. Eine sachliche Differenzierung zwischen einmalig gezahltem Arbeitsentgelt und Überstundenvergütung sei im Hinblick auf diese Frage nicht möglich. Zur Rechtssicherheit und Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung müsse nunmehr geklärt werden, ob der Gleichheitssatz die Berücksichtigung von Mehrarbeitsvergütung bei der Bemessung des Alg erfordere. Die den angefochtenen Entscheidungen zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen seien willkürlich und damit verfassungswidrig. Das LSG habe diese Frage verfahrensfehlerhaft nicht nach Art 100 Grundgesetz (GG) dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Es habe auch seine Amtsermittlungspflicht verletzt, indem es den früheren Arbeitgeber des Klägers nicht zur Klärung des im gesamten Zeitraum 1. Dezember 1982 bis 8. September 1993 erzielten Arbeitsentgelts angeschrieben habe.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, sie legt in noch verfahrensrechtlich hinreichender Weise eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (§ 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Sachlich ist die Beschwerde jedoch nicht begründet, denn durch die von der Beschwerde herangezogene Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53 ff) hat die Frage der Bemessung des Alg, insbesondere die Berücksichtigung von Mehrarbeitsvergütung, die der Beitragsentrichtung zugrunde gelegen hat, nicht erneut grundsätzliche Bedeutung erlangt. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist sowohl in der Rechtsprechung des BVerfG wie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mehrfach in dem Sinne entschieden worden, daß die Verfassung bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen nicht gebietet (BVerfGE 51, 115, 124 = SozR 4100 § 112 Nr 10; 53, 313, 328 = SozR 4100 § 168 Nr 12; BSGE 43, 265, 266 = SozR 4100 § 80 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 1). Diese Rechtsprechung hat der Beschluß des BVerfG vom 11. Januar 1995 nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt (aaO 71). Der Beschluß behandelt nämlich nicht die hier in Frage stehende Äquivalenz zwischen Beitragsentrichtung und Leistungsbemessung, sondern „Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung”. Nur für dieses Verhältnis hat das BVerfG einen hinreichenden sachlichen Grund für die gerügte Äquivalenzabweichung nicht gesehen und die Vorschriften für die Beitragsentrichtung beanstandet. Die Entscheidung betrifft ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften über die Beitragsentrichtung, nicht aber über die Leistungsbemessung. Von deren Gültigkeit geht das BVerfG vielmehr aus. Allerdings besteht insoweit ein Zusammenhang, als die Gleichbehandlung entweder auf der Beitragsseite oder auf der Leistungsseite beseitigt werden kann. Ein Schluß auf die Verfassungswidrigkeit von Vorschriften, die der darreichenden Verwaltung dienen, läßt sich aus der Beanstandung von Vorschriften der Beitragsentrichtung, die in die Rechtssphäre von Versicherten eingreifen, nicht ziehen. Da das BVerfG sich von seiner erwähnten Rechtsprechung zur Äquivalenz zwischen Beitragsentrichtung und Leistungsbemessung ausdrücklich abgegrenzt hat, stellt sie die vorliegende Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung der Bemessung von Alg nicht erneut in Frage. Im übrigen hat das BVerfG – worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat – dem Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 1996 eine Bedenkfrist zur Behebung der verfassungswidrigen Vorschriften über die Beitragsentrichtung eingeräumt. Auch die Vorschriften über die Beitragsentrichtung sind bis dahin aus Gründen der Rechtssicherheit weiterhin anzuwenden. Selbst wenn sich aus dem Beschluß des BVerfG vom 11. Januar 1995 die Verfassungswidrigkeit des § 112 Abs 3 AFG herleiten ließe, wäre die Vorschrift bis zum 31. Dezember 1996 weiter anzuwenden. Durch den Beschluß des BVerfG vom 11. Januar 1995 ist danach die in der Rechtsprechung bereits geklärte Frage zur Äquivalenz zwischen Beitragsentrichtung und Leistungsbemessung in der Arbeitslosenversicherung nicht erneut zu einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geworden.
Mit einem Verfahrensmangel ist das Urteil des LSG nicht behaftet, soweit es den Rechtsstreit nicht ausgesetzt und dem BVerfG die Vorschrift über die Leistungsbemessung nicht zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat. Die Vorlagepflicht besteht nur, wenn das vorliegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt ist. Diese Voraussetzung ist hier nach den Entscheidungsgründen des LSG nicht gegeben.
Nach der vom LSG vertretenen materiellen Rechtsansicht hatte es auch keinen Anlaß, die von der Beschwerde geltend gemachte Sachaufklärung zu betreiben, denn das LSG ist davon ausgegangen, daß für die Leistungsbemessung lediglich das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG maßgebend ist. Im übrigen rechtfertigt die Verletzung der Sachaufklärungspflicht die Zulassung der Revision nur unter den Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Die Beschwerdebegründung hätte insoweit vortragen müssen, daß der Kläger im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt hat, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entsprechendes Vorbringen ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Die Beschwerde kann danach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen