Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Kernspintomografische Leistungen. Nachweis. Herstellergewährleistung. Apparative Ordnungsgemäßheit. Genehmigung. Dauerverwaltungsakt. Widerruf. Erlöschen. Qualitätssicherung. Rückwirkung. Beweisantrag. Stellung. Mündliche Verhandlung
Orientierungssatz
1. Die Regelung über den Nachweis der Erfüllung der apparativen Anforderungen durch Vorlage einer Herstellergewährleistung muss auf Grund ihres Wortlauts ("Nachweise der Erfüllung der Anforderungen" und nicht nur "Erfüllung der Anforderungen") sowie unter Berücksichtigung des Sinnes und Zwecks der Regelung, die Qualität der Untersuchungen zu sichern, iVm dem Rechtscharakter der Genehmigung als Dauerverwaltungsakt dahin ausgelegt werden, dass der ausdrückliche Widerruf der Gewährleistung durch den Hersteller zum Erlöschen der Genehmigung führt. Nur dies trägt der Funktion der Herstellergewährleistung als Nachweis für die apparative Ordnungsgemäßheit zur Sicherung der Qualität Rechnung. Daraus folgt zugleich, dass nach deren Widerruf der Nachweis der Erfüllung der apparativen Anforderungen neu geführt werden muss.
2. Vom Sinn und Zweck der Qualitätssicherung her kann die erneute Benutzung des Geräts erst ab dem Zeitpunkt gestattet sein, ab dem die Erfüllung der apparativen Anforderungen durch Vorlage einer neuen Herstellergewährleistung nachgewiesen ist. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft kommt vom Wortlaut her ("Nachweis") in Verbindung mit dem Sinn und Zweck (Qualitätssicherung) nicht in Frage.
3. Wenn ein anwaltlich vertretener Vertragsarzt bei Formulierung seines Antrages nicht wenigstens hilfsweise den Beweisantrag noch einmal stellt, ist davon auszugehen, dass er auf Grund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung nicht mehr an ihm festhält (vgl BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 78/04 B).
Normenkette
SGB 5 § 135 Abs. 2; SGG §§ 103, 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) versagte dem Kläger, Facharzt für Radiologische Diagnostik/Neuroradiologie sowie Neurologie und Psychiatrie, das Honorar für Kernspintomographie-Untersuchungen in 75 Behandlungsfällen (Quartal I/2000).
Der Kläger ist mit seiner Klage und seiner Berufung erfolglos geblieben. Im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) ist ausgeführt, der Vergütung stehe entgegen, dass das von ihm benutzte Gerät nicht den Anforderungen der Kernspintomographie-Vereinbarung (KernspinV) entsprochen habe. Der Hersteller habe die Herstellergewährleistung mit Schreiben vom 25. November 1999 für erloschen erklärt. Erst durch dessen erneute Gewährleistungserklärung, die seit dem 26. Mai 2000 vorliege, habe der Kläger wieder Kernspintomographien für die vertragsärztliche Versorgung durchführen dürfen. Dieser Erklärung komme Wirkung nur ex nunc und nicht ex tunc bezogen auf die Wieder-Instandsetzung (20. März 2000) zu. Deshalb könnten die ab dem 20. März 2000 bis zum Quartalsende durchgeführten Untersuchungen nicht vergütet werden.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sein Vorbringen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), entspricht zwar den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Die Beschwerde ist mithin zulässig. Sie ist aber unbegründet, denn nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung sind erfüllt. Diese setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl zB BVerfG ≪Kammer≫, Beschluss vom 29. Mai 2001 - 1 BvR 791/01 -, und früher schon BVerfG ≪Kammer≫, SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; Nr 7 S 14; s auch BVerfG ≪Kammer≫, DVBl 1995, 35).
Die von dem Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen - hier sinngemäß verkürzt -,
ob der Nachweis der Erfüllung der apparativen Anforderungen, der durch die Herstellergewährleistung geführt werden kann, während der gesamten weiteren Betriebsdauer vorliegen muss oder ob es ausreicht, dass das Gerät dann tatsächlich den apparativen Anforderungen entspricht, und - falls diese Frage im ersteren Sinn zu beantworten ist -, ob die erneute Herstellergewährleistung auf den Zeitpunkt der Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft zurückwirkt oder ob sie Wirkung erst für die Zeit ab ihrem Vorliegen bzw ab dem Einreichen des Nachweises bei der KÄV entfaltet,
sind, soweit sie in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren überhaupt klärungsfähig (entscheidungserheblich) sein könnten, nicht klärungsbedürftig.
Entscheidungserheblichkeit (Klärungsfähigkeit) kann auf der Grundlage der Feststellungen im Berufungsurteil den vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen nur insoweit zukommen, als die Herstellergewährleistung iS des § 6 Abs 2 (seit 1. Oktober 2001 nunmehr Abs 3) Nr 2 Satz 2 KernspinV in Frage steht. Das LSG hat nur über diesen Fall entschieden. Entscheidungserheblich sind die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen zudem nur im Zusammenhang damit, dass die Herstellergewährleistung vom Hersteller förmlich für erloschen erklärt worden ist; denn so lag nach den Feststellungen des LSG der Fall des Klägers, und deshalb könnte nur dies in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen.
Bezogen auf diesen Fall des § 6 Abs 2 bzw Abs 3 Nr 2 Satz 2 KernspinV ist eine Klärungsbedürftigkeit weder für die erste noch für die zweite Rechtsfrage gegeben. Denn aus den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ergibt sich ohne weiteres - ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf -, dass die Auslegung des LSG zutrifft. Die Regelung über den Nachweis der Erfüllung der apparativen Anforderungen durch Vorlage einer Herstellergewährleistung muss, wie im Berufungsurteil ausgeführt, auf Grund ihres Wortlauts ("Nachweis der Erfüllung der Anforderungen" und nicht nur "Erfüllung der Anforderungen") sowie unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes der Regelung, die Qualität der Untersuchungen zu sichern, in Verbindung mit dem Rechtscharakter der Genehmigung als Dauerverwaltungsakt dahin ausgelegt werden, dass der ausdrückliche Widerruf der Gewährleistung durch den Hersteller zum Erlöschen der Genehmigung führt. Nur dies trägt der Funktion der Herstellergewährleistung als Nachweis für die apparative Ordnungsgemäßheit zur Sicherung der Qualität Rechnung. Daraus folgt zugleich, dass nach deren Widerruf der Nachweis der Erfüllung der apparativen Anforderungen neu geführt werden muss. Wie das LSG weiter zutreffend dargelegt hat, kann vom Sinn und Zweck der Qualitätssicherung her die erneute Benutzung des Geräts erst ab dem Zeitpunkt gestattet sein, ab dem die Erfüllung der apparativen Anforderungen durch Vorlage einer neuen Herstellergewährleistung nachgewiesen ist. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft kommt vom Wortlaut her ("Nachweis") in Verbindung mit dem Sinn und Zweck (Qualitätssicherung) nicht in Frage. Würde man sich mit einer rückwirkenden Legitimierung begnügen, so läge darin der Verzicht darauf, dass der zuständigen Stelle die gesicherte Qualität vor der (Wieder-)Benutzung nachgewiesen sein muss.
Unzulässig ist schließlich die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Bei Beanstandung der Amtsermittlung sind die besonderen Anforderungen an Rügen einer Verletzung des § 103 SGG zu beachten. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muss ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG ihm ohne hinreichenden Grund nicht gefolgt sei. Darzulegen ist ferner, dass der Beweisantrag im Berufungsverfahren noch zuletzt zusammen mit den Sachanträgen gestellt worden ist (zu diesem Erfordernis vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49). An diesem letzten Erfordernis mangelt es. Der Kläger hat zwar einen Beweisantrag gestellt, diesen aber nicht erkennbar noch bis zuletzt aufrechterhalten. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hatte der Kläger schriftsätzlich das Vorliegen eines umfassenden Widerrufs der Herstellergewährleistungserklärung bestritten und dafür Beweis durch Vernehmung des Zeugen P.J. angeboten. Dieser ist der Aufforderung des LSG nach schriftlicher Auskunft jedoch nicht nachgekommen. In der mündlichen Verhandlung des LSG hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach seinen Angaben noch gegen die Auffassung des LSG, dass der Widerruf umfassend sei, gewendet und nachgefragt, aus welchen Gründen der Zeuge nicht vernommen werde (Beschwerdebegründung S 15 bis 18). In der mündlichen Verhandlung hat er aber nach Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses lediglich den Sachantrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und des Honorarberichtigungsbescheides sowie auf Verurteilung zur Nachvergütung gestellt. Dies reicht nicht aus, um annehmen zu können, er habe den Beweisantrag noch bis zuletzt aufrechterhalten. Denn wenn ein anwaltlich vertretener Kläger bei Formulierung seines Antrages nicht wenigstens hilfsweise den Beweisantrag noch einmal stellt, ist davon auszugehen, dass er auf Grund des Verlaufs der mündlichen Verhandlung nicht mehr an ihm festhält (s dazu Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl 2002, Abschnitt IX RdNr 130, 209; vgl auch BSG, Beschluss vom 22. Juni 2004 - B 2 U 78/04 B - mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung).
Fundstellen