Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19.11.1997) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG) gerichtete Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nicht vor.
Streitig ist im Ausgangsverfahren die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Unfalls, den der Kläger bei einem Fußballspiel erlitten hat. Der bei einer Sparkasse als Bankkaufmann beschäftigte Kläger nahm an dem regelmäßig dienstags und donnerstags stattfindenden Training der Betriebssportmannschaft seiner Arbeitgeberin teil. Die Betriebssportmannschaft gehörte zu einer Liga, in der Betriebssportmannschaften verschiedener Betriebe in regelmäßig samstags veranstalteten Punktspielen um Auf- und Abstieg spielten. Am 14. Mai 1994 nahm der Kläger erstmalig an einem Punktspiel um die Betriebssportmeisterschaft gegen die Fußballmannschaft einer anderen Firma teil und zog sich dabei ua eine Kahnbeintrümmerfraktur rechts zu. Durch Bescheid vom 9. Januar 1995 lehnte der Beklagte die Gewährung von Entschädigung aus Anlaß des Unfalls vom 14. Mai 1994 ab, weil es sich dabei nicht um eine versicherte Betriebssportveranstaltung gehandelt habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 1995).
Anders als das Sozialgericht hat das LSG die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. November 1997). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schließe der dem Fußballsport innewohnende Wettkampfcharakter den Unfallversicherungsschutz zwar nicht grundsätzlich aus, jedoch dürfe er nicht wie bei der Teilnahme am allgemeinen Wettkampfverkehr im Vordergrund stehen. Dies sei hier aber der Fall, da die regelmäßig stattfindenden Ligaspiele nach Art und Häufigkeit der Durchführung in Amateur- und Profiligen üblichen Punktspielen entsprochen hätten und daher ausschließlich vom Wettkampfcharakter geprägt gewesen seien. Der Vortrag des Klägers, dessen Richtigkeit unterstellt werde, er habe nicht an Wettkampfspielen, sondern nur am Training teilnehmen wollen und sei nur auf Drängen des Spielführers bereit gewesen, seine ablehnende Haltung zu ändern, ändere daran nichts. Sein Motiv hierfür sei nicht unternehmens- oder ausgleichssportbezogen gewesen und ändere im übrigen an dem Wettkampfcharakter des am Unfalltage ausgetragenen Spieles nichts.
Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Er hält für grundsätzlich bedeutsam zunächst die Frage, „ob der Wettkampfcharakter einer Sportveranstaltung charakterisiert wird durch die Zielsetzungen der Veranstalter und der Mehrzahl der Beteiligten oder durch die Zielsetzung des Verletzten”. Bei der Rechtsprechung des BSG bleibe offen, ob die Motivation der Mehrzahl der Beteiligten entscheidend sei oder ob für einzelne Beteiligte eine gesonderte Motivationslage mit der Folge angenommen werden könne, daß trotz generellen Wettkampfcharakters einer Veranstaltung dieser für einzelne Beteiligte in den Hintergrund trete, weil für ihre Betätigung der Betriebssportcharakter mit dem Zweck des Ausgleichs der einseitigen Arbeitsbelastung durch die berufliche Tätigkeit prägend sei.
Weiterhin wirft nach Ansicht des Klägers die Auffassung des LSG, es habe sich bei der Veranstaltung vom 14. Mai 1994 um einen nicht versicherten Wettkampf gehandelt, die grundsätzliche Frage auf, „ob an der Rechtsprechung des BSG, der Wettkampfcharakter einer Sportveranstaltung schließe den versicherten Betriebssport aus, festzuhalten ist”. Die Herausnahme von sportlichen Betätigungen mit Wettkampfcharakter aus dem Unfallversicherungsschutz sei bis heute in der Literatur umstritten. So sei nach Gitter (SGb 1990, 393 ff) jeder vom Unternehmen angebotene Sport als dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallend anzunehmen, wobei Zweifelsfälle und Unklarheiten nicht zu Lasten des versicherten Arbeitnehmers gehen dürften. Zwar habe das BSG seine bisherige Rechtsprechung unter Ablehnung der Auffassung Gitters aufrechterhalten, jedoch habe dieser in einer Urteilsanmerkung weitere Erwägungen für seine Ansicht aufgeführt. Auch von Ludwig (ZfS 1996, 259 ff) werde die Notwendigkeit, eindeutige Abgrenzungskriterien festzulegen, betont.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 16. Oktober 1997 – 2 BU 149/97 –). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Die erste vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, sondern im wesentlichen bereits aus einer Gesamtschau der vorliegenden einschlägigen Rechtsprechung des BSG zu beantworten. Bereits der grundlegenden Entscheidung des Senats zum Unfallversicherungsschutz bei Teilnahme am Betriebssport vom 28. November 1961 (BSGE 16, 1, 4 = SozR Nr 49 zu § 542 RVO aF) ist zu entnehmen, daß der Zielsetzung des Betriebssports am meisten der reine Ausgleichssport in Gestalt von Gymnastik, Lockerungsübungen und dergleichen entspricht. Abgestellt wird also auf objektive Kriterien wie Art und Ausgestaltung der sportlichen Übungen und nicht auf die subjektive Haltung des sporttreibenden Beschäftigten, Ausgleich für die beruflichen Belastungen zu suchen. In seiner späteren diese Grundsätze entfaltenden Rechtsprechung hat der Senat stets an objektive Umstände angeknüpft, die vorliegen müssen, um den inneren Zusammenhang einer sportlichen Betätigung mit der Beschäftigung in einem Unternehmen bejahen zu können. Dabei hat er insbesondere dargelegt, daß sich aus der Art der gewählten körperlichen Betätigung und deren Durchführung Anhaltspunkte dafür gewinnen lassen, ob die Veranstaltung den vom Ausgleichszweck her gezogenen Rahmen einhält, nämlich einerseits nicht der Teilnahme am allgemeinen sportlichen Wettkampfverkehr oder der Erzielung von Spitzenleistungen dient, andererseits aber auch kein bloßes geselliges Beisammensein mit körperlicher Betätigung ist (s die umfangreiche Aufzählung bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 482w ff). Auf die subjektive Haltung einzelner Teilnehmer ist in keiner Entscheidung abgestellt worden; wäre dies nach Ansicht des Senats entscheidungsrelevant gewesen, hätte er in einzelnen Fällen zumindest mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen an die Vorinstanzen zurückverweisen müssen, um entsprechende Ermittlungen zu veranlassen. Dies ist indes nicht geschehen, so daß auch daraus mittelbar entnommen werden kann, daß diese Umstände nach Auffassung des Senats für die Frage der Annahme von Unfallversicherungsschutz beim Betriebssport unerheblich sind.
Auch die zweite vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage führt nicht zur Zulassung der Revision. Eine vom Revisionsgericht bereits geklärte Rechtsfrage ist im Regelfall nicht mehr klärungsbedürftig. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß der betreffenden Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie keine von vornherein abwegigen Einwendungen vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). So ist es hier indes nicht. Das Schrifttum ist der Rechtsprechung des Senats ganz überwiegend beigetreten (s Brackmann, aaO, S 482v mit umfangreichen Nachweisen, der insoweit von „einhelliger” Literaturmeinung spricht). Der Senat hat die im Schrifttum vereinzelt vertretene, seiner Rechtsansicht widersprechende Auffassung, die Teilnahme einer Betriebssportgemeinschaft am allgemeinen Wettkampf stehe dem Unfallversicherungsschutz der Mitglieder nicht entgegen (Wolber, SozVers 1974, 149, 150 und 1982, 73, 74; Weisemann Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1980, 74, 76), in seinem Urteil vom 19. März 1991 (BSGE 68, 200, 202 = SozR 3-2200 § 548 Nr 10) mit eingehender Begründung abgelehnt und ist auch der Auffassung von Schwarz (Sozialversicherungsrechtliche Aspekte des Betriebssportes und des firmennahen Sportes, 1989, S 245, 255) und Gitter (SGb 1990, 393, 396 f), jede vom Betrieb „erlaubte Teilnahme” an einer „vom Betrieb angebotenen” sportlichen Veranstaltung begründe Versicherungsschutz, nicht gefolgt. Diese Auffassung ist einerseits zu weit und betont andererseits als Kriterium der unternehmensbezogenen Organisation des Betriebssports zu stark das Erfordernis einer betrieblichen Einflußnahme auf die Ausübung des Betriebssports (s auch Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, § 8 RdNr 145). Gitter hat in einer Anmerkung zu dieser Entscheidung (SGb 1992, 27 ff) seine Bedenken noch einmal wiederholt und weitere Erwägungen hierzu angestellt. Der Senat hat indes nach der Entscheidung vom 19. März 1991 und der dazu ergangenen Anmerkung Gitters (aaO) in seinem Urteil vom 8. Dezember 1994 – 2 RU 40/93 – (HVBG-Info 1995, 715 ff) seine Ablehnung dieser Auffassung noch einmal zum Ausdruck gebracht und auch in seiner Entscheidung vom 2. Juli 1996 (SozR 3-2200 § 548 Nr 29) ausdrücklich an der bisherigen ständigen Rechtsprechung zum Versicherungsschutz bei Betriebssport festgehalten. Damit hat das BSG aufgrund des im Schrifttum vertretenen Widerspruchs zu diesen Rechtsfragen erneut Stellung genommen und seine bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten, so daß die erneute Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage, die vorher möglicherweise bestanden hat, nunmehr entfallen ist.
Allerdings hat in letzter Zeit auch Ludwig (ZfS 1996, 259, 270) unter Hinweis auf die Bedeutung des Betriebssports im Arbeitsleben und verfassungsrechtliche Gesichtspunkte (Gleichbehandlungsgrundsatz, Rechtssicherheit) eingehend dargetan, die von der Rechtsprechung aufgestellten Wertungskriterien zum Unfallversicherungsschutz beim Betriebssport böten keine zweifelsfreie Richtlinie für die Versicherungsträger und die Betriebe und unter Bezugnahme auf die og Literaturstimmen gefordert, die Teilnahme am vom Unternehmen angebotenen und organisierten Betriebsschutz sollte grundsätzlich unter Versicherungsschutz stehen, wobei es Aufgabe der Unternehmen sein müsse, eine sinnvolle und zweckgerichtete Ausgestaltung der Sportausübung in bezug auf die Arbeitstätigkeit sicherzustellen. Diese Ausführungen stellen im wesentlichen eine Zusammenfassung und einen Ausbau der bisherigen Argumentation der in bezug genommenen Literaturmeinung dar, dürften im übrigen auch zumindest zum Teil als Forderungen de lege ferenda zu verstehen sein. Eine erneute Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage wird hierdurch nicht begründet.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen