Verfahrensgang
Tenor
Bei dem 5. Senat des Bundessozialgerichts wird angefragt, ob er an seiner in den Urteilen vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 –, vom 14. Oktober 1992 – 5 RJ 24/92 – und vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92 – vertretenen Rechtsauffassung festhält, daß
- bei einem ausländischen Versicherten ohne deutsche Personenstandsnachweise richtiges Geburtsdatum iS des § 1 Abs 5 Satz 2 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der Versicherungsnummer (VNrV) stets und auf Dauer das von dem Versicherungsträger bei der Vergabe der Versicherungsnummer (VNr) zugrunde gelegte Geburtsdatum sei, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspricht und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimmt,
- der Versicherungsträger grundsätzlich späterem Vorbringen des Versicherten, sein Geburtsdatum sei von ihm früher unrichtig angegeben worden, auch dann nicht nachgehen müsse, wenn zwischenzeitlich ein anderes Geburtsdatum in den Personenstandsunterlagen seines Heimatlandes festgestellt worden ist.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger eine neue VNr mit geändertem Geburtsdatum zu vergeben hat.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1969 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Mit Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung wurde ihm von der Beklagten die VNr 18 100739 V 000 erteilt. Am 2. November 1988 erstritt der Kläger ein Urteil der 4. Zivilkammer Izmir, durch das der Direktor des Personenstandsregisters Izmir verpflichtet wurde, das Geburtsdatum „10. 07. 1939” des Klägers im Personenstandsregister zu korrigieren und als „10. 07. 1935” einzutragen. Dieses Geburtsdatum wurde auch in den am 18. April 1989 ausgestellten türkischen Reisepaß des Klägers aufgenommen.
Im Mai 1989 beantragte der Kläger unter Vorlage verschiedener Belege bei der Beklagten, in seiner VNr das Geburtsdatum von „10. 07. 1939” in „10. 07. 1935” zu ändern. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 1990 ab, weil das nunmehr angegebene Geburtsdatum nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen sei. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24. Juli 1990, Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Köln vom 27. September 1990). Auf die Berufung des Klägers wurde die erstinstanzliche Entscheidung durch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 26. November 1991 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger eine neue VNr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei nicht wegen Fehlens des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Kläger habe grundsätzlich ein subjektives öffentliches Recht auf Berichtigung des – wie er behaupte (und nur darauf komme es im Rahmen der Zulässigkeit der Klage an) – unrichtigen Geburtsdatums in der von der Beklagten verwendeten VNr. Bereits die Formulierung in § 1 Abs 5 VNrV vom 7. Dezember 1987 (BGBl I S 2532), der Versicherungsträger vergebe an jeden Versicherten eine VNr und der Versicherte erhalte eine neue VNr, wenn das Geburtsdatum unrichtig sei, spreche dafür, daß dem einzelnen ein subjektives Recht auf Vergabe der richtigen VNr eingeräumt werden sollte. Darüber hinaus werde nach dem sogenannten Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1 ff) unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Wiedergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art 2 Abs 1 iVm Art 1 des Grundgesetzes (GG) umfaßt. Es wäre mit dem daraus herzuleitenden Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar, der Beklagten zu gestatten, ein unrichtiges personenbezogenes Datum – und dazu zähle jedenfalls das Geburtsdatum – in der VNr zu benutzen.
Der Kläger verfolge seinen Anspruch auch mit der richtigen Klageart. Die Ablehnung der Berichtigung sei ein Verwaltungsakt (VA). Der Kläger erstrebe mit seiner Klage zunächst die Aufhebung des ihn belastenden VA. Insoweit handele es sich um eine Anfechtungsklage iS des § 54 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Darüber hinaus sei das Begehren des Klägers darauf gerichtet, die Beklagte zu verpflichten, an ihn eine neue VNr zu vergeben und darin ein Geburtsdatum zu verwenden, das seiner tatsächlichen Geburt am nächsten komme. Einem solchen Begehren stehe das Prozeßrecht nicht entgegen. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG könne nicht nur ein VA angefochten, sondern auch der Erlaß eines abgelehnten VA begehrt werden.
Die Klage sei auch begründet, weil die Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien und der Kläger verlangen könne, daß ihm eine neue VNr unter Verwendung eines Geburtsdatums erteilt werde, das seiner tatsächlichen Geburt am nächsten komme. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 1 Abs 5 VNrV und § 20 Abs 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Nach der letztgenannten Vorschrift seien personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig seien.
Vorliegend sei das von der Beklagten in der dem Kläger erteilten VNr enthaltene Geburtsdatum des Klägers (10. 07. 1939) unrichtig. Zu dieser Auffassung sei der erkennende Senat im Wege der freien Beweiswürdigung gelangt. Zwar sei zu berücksichtigen, daß der Kläger bis zum Jahre 1988 selbst sein falsches Geburtsdatum im Rechtsverkehr sowohl in der Türkei als auch in der Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg verwendet habe und es zu einer Verwendung des angeblich richtigen Datums durch ihn erst seitdem gekommen sei, also in einem auffallend engen zeitlichen Zusammenhang von lediglich einigen Jahren zu dem Beginn des ihm möglicherweise später zustehenden Altersruhegeldes ab Vollendung des 60. Lebensjahres. Der Senat halte auch das von dem Kläger vorgelegte Urteil des Zivilgerichts Izmir vom 2. November 1988 nicht für überzeugend, denn es stütze sich bei seiner Entscheidung, das Geburtsdatum des Klägers exakt auf den 10. Juli 1935 zu berichtigen, ua auf die zwei Zeugen des Klägers. Diese hätten aber – ausweislich der Niederschrift des Zivilgerichts Izmir vom 21. September 1988 – lediglich ausgesagt, der Kläger sei ein Freund der Familie bzw der Kläger müsse 53 Jahre alt sein. Es ergäben sich auch keine Hinweise darauf, daß der in der Niederschrift des Zivilgerichts Izmir vom 2. November 1988 angesprochene ärztliche Bericht des Stadtkrankenhauses I. … -A. … vom 3. Juni 1988, der dem Senat jedoch nicht vorliege, überzeugend den 10. Juli 1935 als Geburtsdatum des Klägers beschrieben habe. Zweifel habe der Senat insoweit, weil bei der Altersbestimmung eines Menschen im Alter des Klägers weltweit lediglich eine Differenzierung mit der Variationsbreite von mehreren Jahren möglich sei. Die weiteren vom Kläger in Fotokopie vorgelegten und mit dem Datum 10. Juli 1935 als Geburtsdatum versehenen Schriftstücke hätten ebenfalls keinen wesentlichen Beweiswert, weil sie alle auf dem Urteil des Zivilgerichts Izmir vom 2. November 1988 beruhten.
Für wesentlich halte der Senat jedoch bei seiner Entscheidungsfindung das von ihm eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. … vom 6. August 1991. Darin habe der Sachverständige überzeugend dargelegt, daß das ursprüngliche Geburtsdatum des Klägers unrichtig sei, weil es außerhalb der von ihm, dem Sachverständigen, für möglich erachteten Variationsbreite des Alters zwischen 57 und 66 Jahren liege. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses sprächen auch die vom Kläger eingereichten Schulbescheinigungen. Daraus lasse sich entnehmen, daß der Kläger 1944 eingeschult worden sei. Bei Zugrundelegung des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums (10. Juli 1939) wäre der Kläger bei seiner Einschulung tatsächlich erst fünf Jahre alt gewesen und damit vorzeitig eingeschult worden. Anhaltspunkte für diesen ganz unüblichen Geschehensablauf ergäben sich nicht.
Nach alledem habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung des von ihm ursprünglich angegebenen, aber unrichtigen Geburtsdatums „10. Juli 1939” aus der ihm von der Beklagten zugeteilten VNr. Da jedoch mit letzter Gewißheit auch nach den in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen kein genaues neues Geburtsdatum festzustellen sei, stehe der Beklagten für die Feststellung des Geburtsdatums des Klägers im Rahmen der VNr ein Spielraum zu, der nicht auf Null reduziert sei. Dabei habe die Beklagte insbesondere die Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. … zu beachten. Sie habe bei ihrer Entscheidung eine Situation zugrunde zu legen, die der tatsächlichen Situation am nächsten komme. Dem entspreche am ehesten die Annahme eines Geburtsdatums des Klägers am Ende der von dem Sachverständigen angenommenen Variationsbreite. Die Beklagte sei aber auch nicht gehindert, das etwas außerhalb der Variationsbreite liegende, vom Kläger nunmehr vorgetragene Geburtsdatum 10. Juli 1935 anzunehmen, welches Prof. Dr. L. … als durchaus wahrscheinlich bezeichnet habe.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt und diese wie folgt begründet:
Das LSG habe in seiner Entscheidung zunächst zu Unrecht das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses iS der §§ 51, 54 SGG bejaht. Seine Auffassung, die §§ 1 Abs 5 VNrV, 20 BDSG iVm dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung begründeten ein subjektiv öffentliches Recht auf Berichtigung der VNr, sei nicht zutreffend. Die in der VNrV enthaltenen Regelungen seien als ausschließlich objektives Recht zu beurteilen. Sie hätten Ordnungsfunktion im Interesse der Versicherungsträger und dadurch im Interesse der Allgemeinheit. Die einzelne VNr iS der §§ 1, 2 VNrV diene dem Versicherungsträger zur rationellen Verwaltung seiner Versicherten. Über diesen internen Versicherungsbereich hinaus habe sie keine rechtliche Bedeutung. Insbesondere entfalte sie keinerlei Bindungswirkungen gegenüber anderen Behörden und greife späteren Entscheidungen in bezug auf das tatsächliche Alter des Versicherten nicht vor. Aufgrund dieser beschränkten, rein behördeninternen Ordnungsfunktion würden durch die §§ 1, 2 VNrV, § 20 BDSG die in der VNr gespeicherten Daten nur im Rahmen ihrer Zweckbestimmung verwendet und keine individuellen Interessen des einzelnen Versicherten geschützt. Somit hätte das LSG zu dem Ergebnis kommen müssen, daß für eine Feststellungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis vorliege.
Das LSG habe auch die §§ 147, 152 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (≪SGB VI≫; bis 31. Dezember 1991: § 1414a der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) iVm §§ 1, 2 VNrV sowie § 20 BDSG fehlerhaft angewendet. Wie der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 – dargelegt habe, sei wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Problematik des Korrekturanspruchs und damit für die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen die Frage, ob im vorliegenden Fall überhaupt von einer falschen VNr auszugehen sei. Wann eine VNr falsch sei, sei durch Auslegung des § 1 Abs 5 VNrV zu ermitteln. § 20 BDSG sei insoweit nicht heranzuziehen, da sich die Rüge der Verwendung des falschen Geburtsdatums nur auf die Zusammensetzung der VNr nach § 1 Abs 5 VNrV beziehe. Liege aber danach keine Unrichtigkeit vor, gelte dies zugleich für § 20 BDSG. Ein Geburtsdatum sei grundsätzlich dann richtig, wenn der Versicherungsträger im Zeitpunkt der Vergabe die Angaben des Versicherten dazu sowie die im damaligen Zeitpunkt von diesem vorgelegten Urkunden zugrunde gelegt habe. Dies sei hier geschehen. Das Datum entspreche den ursprünglichen Angaben des Versicherten, der noch bis 1988 dieses Datum im Rechtsverkehr benutzt habe. Es entspreche auch den damals vorgelegten türkischen Urkunden. Zu einer Abweichung von den damaligen Angaben in Form einer fiktiven Datumsvergabe habe sie, die Beklagte, damals im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung keine Veranlassung gehabt. Dem neuen Vorbringen des Klägers, das sich auf die Entscheidung des Zivilgerichts Izmir aus dem Jahre 1988 gestützt habe, also weder zeitnah zur Geburt gewesen sei noch Verbindlichkeit iS des § 60 des Personenstandsgesetzes (PStG) gehabt habe, habe sie nicht weiter nachgehen müssen.
Allerdings habe die VNr in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur eine Ordnungsfunktion. Die gesamte Verwaltungsarbeit der Rentenversicherungsträger, bei der das Geburtsdatum von Bedeutung sei, werde auf die VNr abgestellt. Im Rahmen der automatischen Datenverarbeitung werde dabei auf das Geburtsdatum in der VNr zurückgegriffen. Dies gelte auch für wichtige Statistiken.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. November 1991 aufzuheben und die vom Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. September 1990 eingelegte Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur Ermittlung der Funktionen der VNr in der Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger hat der erkennende Senat eine Auskunft des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) eingeholt, die mit Schreiben vom 16. Mai 1994 erteilt worden ist.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Der erkennende Senat beabsichtigt eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Daran sieht er sich gehindert, weil er von Entscheidungen des 5. Senats des BSG abweichen will (vgl § 41 Abs 2 SGG).
Zunächst ist davon auszugehen, daß die Berufung gegen das Urteil des SG vom 27. September 1990 zulässig war. Die Statthaftigkeit richtet sich noch nach §§ 144 ff SGG in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung (aF), weil die mündliche Verhandlung, auf die das im Berufungsverfahren angefochtene Urteil ergangen ist, vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S 50) am 1. März 1993 (Art 15 Abs 1 dieses Gesetzes), nämlich bereits am 27. September 1990, geschlossen worden ist (Art 14 Abs 1 dieses Gesetzes).
Nach § 144 Abs 1 SGG aF ist die Berufung bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen oder auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (drei Monaten) nicht zulässig. Der Begriff der Leistung iS dieser Vorschrift ist von der Rechtsprechung des BSG weit ausgelegt worden. Dazu gehören im wesentlichen alle behördlichen Handlungen, die den Behörden durch das Sozialrecht auferlegt sind (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 39; SozR 3-1500 § 144 Nr 1). Es muß sich dabei nicht um Geld- oder geldwerte Leistungen handeln (vgl BSGE 58, 291 = SozR 1500 § 144 Nr 30). Allerdings werden bloße behördliche Verfahrenshandlungen (zB Übersendung von Fotokopien aus den Akten) nicht von § 144 Abs 1 SGG aF erfaßt (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 39; ähnlich auch BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 3). Danach kann es sich bei der Vergabe einer neuen VNr mit geändertem Geburtsdatum um eine Leistung handeln, denn diese Handlung ist den Rentenversicherungsträgern durch §§ 147, 152 SGB VI (bis zum 31. Dezember 1991: § 1414a RVO) iVm der VNrV aufgegeben. Dabei ist es unschädlich, daß die Vergabe von VNrn nicht im Leistungskatalog der §§ 18ff des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) aufgeführt ist (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. September 1991 – L 3 J 88/91 – Umdr S 8). Dort werden nämlich nur Sozialleistungen im engeren Sinne wiedergegeben, nicht jedoch vorbereitende, rechtssichernde oder organisatorische Maßnahmen, wie zB die Meldung einer Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit an den Rentenversicherungsträger (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 1) oder die Vormerkung von Versicherungszeiten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 2).
Letztlich kann diese Frage hier offenbleiben, da die Vergabe einer VNr jedenfalls nicht als einmalige oder auf längstens 13 Wochen beschränkte Leistung anzusehen ist. Es handelt sich nicht um ein Geschehen, das sich seiner Natur nach in einem bestimmten, verhältnismäßig kurzen Zeitraum abspielt und sich im wesentlichen in einer Gewährung erschöpft (vgl allgemein BSG SozR 1500 § 144 Nr 5 S 15). Vielmehr kommt der Erteilung grundsätzlich rechtliche Dauerwirkung zu (vgl § 1 Abs 5 Satz 1 VNrV), da die VNr zeitlich unbegrenzt als Kennzeichen für die Behandlung von Rentenversicherungsangelegenheiten des Versicherten dient (vgl §§ 18f, 18g Viertes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB IV≫). Insofern hat sie Ähnlichkeit mit einer Arbeitserlaubnis (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 5) und der Vormerkung von Versicherungszeiten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 2). Anders als eine behördliche Auskunftserteilung (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 30) oder Meldung (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 1) erschöpft sie sich nicht in einem technischen Vorgang zur Ermittlung von Tatsachen, sondern stellt einen rechtlichen Feststellungsakt dar, der bereits von sich aus Rechtswirkungen in die Zukunft zeitigt, die den zeitlichen Rahmen des § 144 Abs 1 SGG aF überschreiten.
Nach Auffassung des erkennenden Senats sind auch die Prozeßvoraussetzungen für eine Sachentscheidung über das Klagebegehren gegeben. Soweit der Kläger sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 5. März 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 1990 wendet, handelt es sich um eine Anfechtungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Ob sein auf Erteilung einer neuen VNr mit geändertem Geburtsdatum gerichtetes Begehren im Wege einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) oder einer (unechten) Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zu verfolgen ist, hängt von der Rechtsnatur der Neuvergabe einer VNr ab. Sollte diese als ein schlichtes Verwaltungshandeln zu qualifizieren sein, wäre nur § 54 Abs 4 SGG einschlägig. Handelt es sich hingegen um einen VA, so könnte auch eine Verpflichtungsklage in Betracht kommen. Da die unechte Leistungsklage eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage umfaßt, hätte sie aber auch in diesem Fall als speziellere Klageart Vorrang, wenn sich die begehrte Handlung nicht in dem Erlaß eines VA erschöpft, sondern darüber hinaus auf eine Leistung gerichtet ist, auf die ein Rechtsanspruch besteht (vgl Peters/Sautter/Wolff, Komm zur SGb, § 54 SGG Anm 6 Buchst b – S 15 8/13-4/4 bis 4/5 –).
Gemäß § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist VA jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob die Neuvergabe einer VNr als VA einzustufen ist, richtet sich nach den einschlägigen Rechtsnormen. Im vorliegenden Fall findet bereits das SGB VI Anwendung, weil dessen Vorschriften von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat (vgl § 300 Abs 1 SGB VI). Insofern ist es unschädlich, daß der Kläger bereits seit Mai 1988 eine neue VNr erstrebt. Auch aus § 300 Abs 2 SGB VI läßt sich eine Anwendung des alten Rechts (§ 1414a RVO) nicht herleiten. Denn eine rückwirkende Leistungserbringung (vgl BT-Drucks 11/4124 S 206) kommt bei der Vergabe von VNrn nicht in Betracht (vgl dazu auch BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 2; aA Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 27. Februar 1992 – L 3 J 1/91 – Umdr S 5).
Nach §§ 147, 152 SGB VI iVm § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV erhält der Versicherte ua dann eine neue VNr, wenn das Geburtsdatum unrichtig ist. Die Beurteilung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des in der VNr verwendeten Geburtsdatums verlangt eine behördliche Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Auch das Merkmal der Regelung eines Einzelfalls ist zu bejahen, da in der Vergabe einer neuen VNr eine verbindliche Feststellung liegt. Sie hat insofern unmittelbare Rechtswirkung nach außen. Die Verwendung personenbezogener Daten (hier des Geburtsdatums) in der VNr berührt die Rechtssphäre des Versicherten, zumal ihm die VNr verbindlich zugeordnet wird. Er muß sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen im Rechtsverkehr mit dem Rentenversicherungsträger der ihm zugeteilten VNr bedienen. Jedenfalls mit dem Erhalt der VNr gehört eine Person auch zur Gruppe der Versicherten, die bei den Trägern der Rentenversicherung an den Sozialversicherungswahlen teilnehmen dürfen (vgl § 47 Abs 1 Nr 3 SGB IV). Dem entspricht die Verpflichtung des Versicherungsträgers zur unverzüglichen Unterrichtung des Versicherten über seine VNr (vgl § 147 Abs 3 SGB VI). Außerdem ist die VNr auch im Verhältnis zu anderen Stellen von Bedeutung (vgl §§ 18f, 18g SGB IV). Unter diesen Umständen erscheint es nicht gerechtfertigt, der Erteilung einer VNr nur eine verwaltungsinterne Bedeutung beizumessen. Dies gilt insbesondere für die Neuvergabe wegen unrichtigen Geburtsdatums nach § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV. Der 5. Senat hat es in seinem Urteil vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92 – offengelassen, ob die Erteilung einer VNr einen VA darstellt (aaO Umdr S 4); insofern steht der hier vertretenen Auffassung eine Rechtsprechung des BSG nicht entgegen.
Da die Neuvergabe einer VNr bei Unrichtigkeit des bisher verwendeten Geburtsdatums nach der Regelung des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV nicht im Ermessen des Versicherungsträgers steht (in diesem Fall wäre § 54 Abs 4 SGG ohnehin nicht gegeben), ist zur Abgrenzung der unechten Leistungsklage von der allgemeinen Verpflichtungsklage noch zu klären, ob die Vergabe einer VNr einen über den Erlaß des VA hinausgehenden Leistungsvorgang beinhaltet. Dies möchte der erkennende Senat verneinen. Zwar führt die Neuvergabe einer VNr zu einer Reihe von Änderungen in den betreffenden Akten und Dateien. Dabei handelt es sich aber nicht um „Leistungen” iS des § 54 Abs 4 SGG, sondern lediglich um verwaltungstechnische, behördeninterne Folgen der Bescheiderteilung. Die Vergabe einer VNr stellt somit einen bloßen (feststellenden) VA dar, ähnlich der Eintragung oder Löschung in einem behördlichen Verzeichnis (vgl BSGE 16, 227, 231; 36, 91, 92) oder auch der Vormerkung beitragsloser Versicherungszeiten (vgl BSGE 31, 226, 227 ff; 42, 159, 160; 49, 258, 261; 51, 275, 276). Daher ist die Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG als richtige Klageart anzusehen.
Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Verpflichtungsklage liegen vor. Ein Vorverfahren ist durchgeführt worden (vgl § 78 SGG), die Klagefrist ist eingehalten (vgl § 87 SGG). Der Kläger kann auch iS des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG nachvollziehbar behaupten, durch die Ablehnung des begehrten VA beschwert zu sein. Er macht geltend, daß das in der VNr verwendete Geburtsdatum iS von § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV unrichtig sei. Da die VNr als personenbezogenes Datum anzusehen ist (vgl zB GK-SGB VI/Binne, § 147 RdNrn 9, 24), kann durch einen unrichtigen Inhalt der VNr das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers beeinträchtigt sein, das durch §§ 147, 152 SGB VI besonders geschützt werden soll (vgl BT-Drucks 11/5530 S 26 f, 48 f).
Die mithin zulässige Klage ist begründet, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV erfüllt sind.
Neben der speziellen Bestimmung des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV kommt der allgemeinen Regelung des § 20 BDSG keine eigenständige Bedeutung als Anspruchsgrundlage zu (ebenso BSG, Urteile vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 – und vom 14. Oktober 1993 – 5 RJ 24/92 –). Danach sind personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. In diesem Sinne unrichtig sind Daten nur dann, wenn ihr Inhalt mit dem Lebenssachverhalt, den sie als Information widerspiegeln, nicht übereinstimmt (vgl Gallwas ua, Datenschutzrecht, § 14 BDSG aF, RdNr 7). Insofern sind gerade inaktuelle Daten nicht immer unrichtig. Vielmehr kann ihre Verwendung je nach der Aufgabenstellung der Behörde notwendig sein (vgl Gallwas ua, aaO RdNr 9). Der Begriff der Unrichtigkeit des Geburtsdatums in der VNr ist daher aus dem Regelungszusammenhang der für die Vergabe und Verwendung von VNrn maßgebenden Normen zu ermitteln.
Besitzt der Versicherte bei erstmaliger Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch keine VNr, so hat der Arbeitgeber bei der Anmeldung der Beschäftigung den Beleg „Ersatzversicherungsnachweis” nach Anlage 4 der Zweiten Verordnung über die Erfassung von Daten für die Träger der Sozialversicherung und für die Bundesanstalt für Arbeit (Zweite Datenerfassungs-Verordnung – 2. DEVO) auszufüllen (vgl § 28a SGB IV, §§ 1f, 3, 2. DEVO) und darin die für die Vergabe der VNr erforderlichen Eintragungen vorzunehmen (vgl § 8 Abs 5, 2. DEVO). Dabei sind die Angaben zur Person anhand amtlicher Urkunden durch den Arbeitgeber zu prüfen (§ 8 Abs 5 letzter Satz 2. DEVO). Der Ersatzversicherungsnachweis geht an den zuständigen Krankenversicherungsträger, der – bei versicherten Arbeitern – den zuständigen Rentenversicherungsträger (vgl § 1 Abs 2 VNrV) über die gemeinsame Datenstelle der Rentenversicherungsträger zur Vergabe der VNr veranlaßt (vgl § 12 Abs 4 Satz 2 Nr 1 Satz 2 und 4, 2. DEVO). Nach § 147 Abs 2 Nr 2 SGB VI, § 2 Abs 1 Nr 2 VNrV ist das Geburtsdatum des Versicherten Bestandteil der VNr (Stellen drei bis acht der VNr, vgl § 2 Abs 3 Satz 1 VNrV). Die Stellen drei und vier bezeichnen den Geburtstag, die stellen fünf und sechs den Geburtsmonat und die Stellen sieben und acht die beiden letzten Ziffern des Geburtsjahres. Wird der Geburtstag oder der Geburtsmonat nur durch eine Ziffer bezeichnet, so ist vor dieser Ziffer jeweils die Ziffer „0” zu setzen. Bei Versicherten ohne nachgewiesenen Geburtstag oder Geburtsmonat sind die entsprechenden Stellen des Geburtsdatums fiktiv festzustellen. Sind bei einem Geburtsdatum sämtliche Seriennummern verbraucht, werden die Stellen drei und vier durch Addition der Zahl „32” oder „64” und des Geburtstages bestimmt; ist der Geburtstag der erste Tag eines Monats, ist auch die Addition der Zahl „96” zulässig (§ 2 Abs 3 Sätze 2 ff VNrV).
Die Vorgehensweise bei der Vergabe der VNr deutet auf eine verhältnismäßig oberflächliche Prüfung der Richtigkeit des Geburtsdatums hin. Die Erstprüfung wird dem Arbeitgeber überlassen, der sich amtliche Unterlagen vorlegen lassen soll. Die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben hat er nicht näher zu überprüfen. Beim Rentenversicherungsträger oder bei der zentralen Datenstelle finden offenbar vor Vergabe der VNr erst recht keine Ermittlungen zur Richtigkeit des Geburtsdatums statt. Bei unvollständigen Geburtsdaten werden fehlende Angaben zum Tag und Monat der Geburt durch fiktive Zahlen ersetzt. Da für die Vergabe der VNr nur auf eine Übereinstimmung mit den amtlichen Unterlagen des Versicherten Wert gelegt wird, könnte dies für einen eher formalen Begriff der Richtigkeit des Geburtsdatums sprechen.
Demgegenüber lassen sich aus der Verwendung der VNr andere Richtigkeitsanforderungen folgern. Die VNr stellt im Bereich der Rentenversicherung und darüber hinaus (vgl §§ 18f, 18g SGB IV) zunächst ein wichtiges Ordnungs- und Identifikationsmerkmal für die Bearbeitung der Angelegenheiten der Versicherten (ua Führung des Versicherungskontos, Speicherung und Austausch von Versicherungsdaten) dar (vgl zB Benker, Mitt LVA Rheinprovinz 1993, 205, 206; Bieker, Nachr LVA Hessen 1993, 115; Hauck/Haines, SGB VI, § 147 RdNr 5; Semperowitsch, Mitt LVA Oberfranken 1989, 164, 171; Zwenzer, Mitt LVA Oberfranken 1982, 280). Hingegen hat sie keine unmittelbare rechtliche Bedeutung für den Leistungsfall. Das in der VNr aufgenommene Geburtsdatum beweist nicht das Vorliegen einer altersbezogenen Anspruchsvoraussetzung (vgl zB Benker aaO S 206). Gleichwohl kommt es – wie sich der Auskunft des VDR vom 16. Mai 1994 entnehmen läßt – in der Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger in vielerlei Hinsicht auch mit leistungsrechtlichen Auswirkungen für die Versicherten auf diesen Bestandteil der VNr an. Denn im Rahmen der elektronischen Datenverarbeitung erfolgt der Zugriff auf die Versicherungskonten bei altersbezogenen Sachverhalten (zB Umstellung von Renten bei Vollendung des 45. oder 65. Lebensjahres, Erteilung eines Versicherungsverlaufes oder einer Rentenauskunft) über das in der VNr vermerkte Geburtsdatum. Darüber hinaus beziehen sich zB auch die Programme für Bestimmung der Zurechnungszeit und der zeitlichen Dauer von Anrechnungszeiten wegen Ausbildung, für die Berechnung der pauschalen Anrechnungszeit und der Leistungen der Höherversicherung sowie für die Anwendung der Gesamtleistungsbewertung auf dieses Datum. Nicht zuletzt wird für statistische Auswertungen der Datenbestände auf das Geburtsdatum in der VNr zugegriffen.
Diese erweiterte Anwendung der VNr stimmt mit deren gesetzlich vorgesehenen Sinn und Zweck überein. Bereits durch die systematische Einordnung der Regelung über die VNr (§ 147 SGB VI) in den Abschnitt „Datenschutz” hat der Gesetzgeber den inneren Zusammenhang zwischen der Vergabe sowie der Zusammensetzung einer VNr und der Datenverarbeitung bei den Rentenversicherungsträgern (vgl § 148 SGB VI) deutlich gemacht. Nur mit Hilfe der VNr können die umfangreichen Daten, die insbesondere für die individuelle Rentenfeststellung aus dem gesamten Versicherungsleben eines Versicherten benötigt werden, zusammengefaßt und bereitgehalten werden (vgl BT-Drucks 11/5530, S 48). Kommt der VNr insofern bei der Aufgabenerfüllung der Versicherungsträger eine dienende Funktion zu, so ist es auch kein Zufall, daß gerade das Geburtsdatum ein notwendiger Bestandteil der VNr ist (vgl § 147 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI). Vielmehr ist davon auszugehen, daß den Versicherungsträgern dadurch die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten im Rahmen der elektronischen Datenverarbeitung eröffnet werden sollten, um den Erfordernissen der Massenverwaltung Rechnung zu tragen. Mithin entspricht es der gesetzlich legitimierten Funktion des Geburtsdatums in der VNr, nicht nur eine Identifizierung der einem bestimmten Versicherten zugeordneten Daten zu ermöglichen, sondern auch den (altersbezogenen) Zugriff auf die Datenbestände zum Zwecke der Sachbearbeitung und Statistik zu erleichtern. Es kann daher festgehalten werden, daß die Verwendung der VNr nicht auf den rein technischen und organisatorischen Ablauf der Rentenversicherung beschränkt ist. Das darin enthaltene Geburtsdatum des Versicherten dient vielmehr zulässigerweise auch als materielles Anknüpfungsmerkmal bei der Bearbeitung von Rentenangelegenheiten sowie bei statistischen Erhebungen. Diese Mehrfachfunktion verlangt eine differenzierte Betrachtung der Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr.
Als Ordnungsmerkmal ist die VNr auf einen möglichst dauerhaften Fortbestand angelegt, da dies die weit verbreitete, kontinuierliche Verwendung wesentlich erleichtert. Diesem Gesichtspunkt trägt insbesondere § 1 Abs 5 Satz 1 VNrV Rechnung (Einmaligkeit der Vergabe, Ausschluß einer Berichtigung). Auch eine „falsche” VNr ist als Ordnungsmerkmal brauchbar, sofern sie sich überhaupt an das gesetzlich vorgegebene Schema der Zusammensetzung von VNrn hält (vgl GK-SGB VI/Binne, § 147 RdNr 27). Ihre Identifikationsfuktion kann die VNr hingegen nur erfüllen, wenn das darin enthaltene Geburtsdatum eine Identifizierung des Versicherten ermöglicht (vgl VerbKomm, § 147 SGB VI RdNr 12; ebenso GK-SGB VI/Binne, aaO RdNr 28). Für die Sachbearbeitung kommt es schließlich ebenso wie für statistische Erhebungen darauf an, daß die VNr das tatsächliche Alter des Versicherten zuverlässig wiedergibt. Insofern hat der Verordnungsgeber in § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV folgerichtig ua für den Fall der Unrichtigkeit des Geburtsdatums ausnahmsweise die Neuvergabe einer VNr vorgesehen. Was fehlerhafte Geburtsdaten angeht, tritt also die Ordnungsfunktion (mit ihrem Kontinuitätserfordernis) insbesondere hinter der Identifikations- und Sachbearbeitungsfunktion der VNr zurück. Die Ordnungsfunktion der VNr kann daher eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle des Geburtsdatums jedenfalls dann nicht ausschließen, wenn dadurch die anderen Funktionen der VNr für einen großen Kreis von Versicherten aufgehoben würden.
Auf dieser Grundlage sind die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten zu prüfen, die sich für den Begriff der Unrichtigkeit des in der VNr verwendeten Geburtsdatums anbieten. Sollte es für den deutschen Rentenversicherungsträger rechtlich bindende Entscheidungen über das Geburtsdatum geben, würde eine Abweichung davon sicher den Begriff der Unrichtigkeit erfüllen. Derartige rechtlich bindende Feststellungen anderer Stellen gibt es jedoch nicht. Selbst die Eintragungen in deutschen Personenstandsbüchern und -urkunden (vgl §§ 2 ff, 61a ff PStG) erbringen – bei ordnungsgemäßer Führung (!) – lediglich Beweis über die Geburt und die darüber gemachten näheren Angaben (vgl § 60 Abs 1, § 66 PStG). Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig (vgl § 60 Abs 2 PStG).
Ebensowenig ergibt sich aus dem Urteil der 4. Zivilkammer Izmir vom 2. November 1988 eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme des darin festgestellten neuen Geburtsdatums des Klägers. Allerdings sind ausländische Urteile grundsätzlich anzuerkennen. Aus der Sicht des insofern für die Beurteilung maßgebenden deutschen Rechts (vgl Oberlandesgericht ≪OLG≫ Hamm, NJW 1976, 2079, 2080) handelt es sich hier um einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Anerkennung solcher Entscheidungen richtet sich demgemäß nach § 16a des Reichsgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG). Anerkennung bedeutet, daß die Entscheidung grundsätzlich im Inland die Wirkung entfaltet, die ihr der Entscheidungsstaat beilegt (vgl Keidel/Zimmermann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Teil A, 13. Aufl, § 16a FGG RdNr 3). Diese Wirkung kann jedoch nicht über diejenige einer vergleichbaren Entscheidung eines deutschen Gerichts hinausgehen. Einer solchen würde es hier an der für eine Rechtsbindung erforderlichen Gestaltungswirkung gegenüber jedermann fehlen (vgl Rumpf, StAZ 1990, 326, 327). Denn sie enthält – ebenso wie das vorliegende türkische Urteil – lediglich eine Anweisung an den Registerbeamten, das Personenstandsregister in einer bestimmten Weise zu ändern. Sie bindet daher nur diesen.
Auch das Übereinkommen vom 10. September 1964 betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Einträgen in Personenstandsbüchern (Zivilstandsregistern), das sowohl für die Bundesrepublik Deutschland (vgl das Gesetz vom 3. Februar 1969, BGBl II S 445) als auch für die Türkei gilt (vgl Rumpf, StAZ 1990, 326), hilft hier nicht weiter. Ist eine Entscheidung über die Berichtigung einer Eintragung in einem Personenstandsbuch von der zuständigen Behörde eines Vertragsstaates erlassen worden, so werden, falls die Eintragung in das Personenstandsbuch eines anderen Vertragsstaates übertragen oder darin vermerkt worden ist, nach Art 3 des Übereinkommens auch diese übertragen oder diese Vermerke berichtigt. Damit wird jedoch nur der Verkehr zwischen Personenstandsbehörden geregelt und voneinander abweichende Registereintragungen in den Vertragsstaaten vermieden. Diese Bestimmung bindet jedoch nicht die deutschen Rentenversicherungsträger (vgl BSG SozR 2200 § 1248 Nr 44; Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ Buchholz 310 § 98 Nr 35; Rumpf, StAZ 1990, 326 f).
Fehlt es demnach an zwingenden Festlegungen der Geburtsdaten, ist nach geeigneten Kriterien zu suchen, nach denen die Richtigkeit des Geburtsdatums eines Versicherten für die Zwecke der VNrn sachgerecht bestimmt werden kann. Vom allgemeinen Sprachgebrauch her ist ein Datum immer dann unrichtig, wenn es von demjenigen abweicht, an dem der Versicherte tatsächlich geboren ist. Eine derartige Orientierung an dem wahren Geburtsdatum wäre bedenklich, wenn sie den Funktionen der VNr zuwiderliefe. Insofern sind folgende Probleme erkennbar: Bei ausländischen Versicherten mit unsicheren Geburtsdaten besteht im Falle einer Zugrundelegung des tatsächlichen Geburtsdatums die Gefahr, daß die Identifizierung des Versicherten erschwert wird. Das vom Rentenversicherungsträger ermittelte Ergebnis kann nämlich von dem Geburtsdatum abweichen, unter dem der Versicherte sonst geführt wird. Läßt sich das Geburtsjahr nicht zweifelsfrei feststellen, wäre die Bildung einer passenden VNr darüber hinaus nach den geltenden Vorschriften dadurch behindert, daß eine fiktive Festlegung nur für den Geburtstag und Geburtsmonat vorgesehen ist (vgl § 2 Abs 3 Sätze 3 und 4 VNrV). Eine unbegrenzte Sachaufklärung bei Anwendung des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV würde nicht nur in einem gewissen Widerspruch zu der eher formalen Verfahrensweise bei der Erstvergabe der VNr stehen, sondern auch einen sehr erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um die Überprüfung von Geburten im Ausland handelt, für die mitunter keine Belege vorhanden sind, die in ihrer Verläßlichkeit den deutschen Personenstandsunterlagen vergleichbar sind (vgl zur Situation in der Türkei: Ansay, StAZ 1982, 209 ff; Benker, Mitt LVA Rheinprovinz 1993, 207 ff; Rumpf, StAZ 1990, 326 ff; Semperowitsch, Mitt LVA Oberfranken 1989, 164 ff).
In Anbetracht der überragenden Bedeutung, die der Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr nach der Stellungnahme des VDR für die Sachbearbeitung und Statistik unter Verwendung der elektronischen Datenverarbeitung zukommt, fallen diese Bedenken nach Auffassung des erkennenden Senats letztlich nicht entscheidend ins Gewicht. Die Nachteile, die dadurch entstehen, daß der Versicherte bei anderen Stellen möglicherweise unter einem anderen Geburtsdatum geführt wird, können nach Einschätzung des VDR vernachlässigt werden. Bei Nichterweislichkeit eines vom Versicherten neu geltend gemachten Geburtsdatums müßte nach den allgemeinen Grundsätzen über die Beweislast entschieden werden. Gerade, weil bei der Erstvergabe der VNr nur eine oberflächliche Überprüfung (im wesentlichen durch den Arbeitgeber) stattfindet, erscheint iR des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV eine eingehende Sachaufklärung angezeigt. Ein uU beträchtlicher Ermittlungsaufwand rechtfertigt sich aus den dargestellten Funktionen der VNr, aber auch aus der Interessenlage des Versicherten, nicht erst im Leistungsfall Klarheit darüber zu erhalten, von welchem Geburtsdatum der Rentenversicherungsträger bei ihm ausgeht. Folglich ist bei § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV auf das tatsächlich richtige Geburtsdatum des Versicherten abzustellen.
Die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr ist nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu überprüfen (vgl BSG SozR 5870 § 2 Nr 40; SozR 2200 § 1248 Nr 44). Für eine Beschränkung der zulässigen Beweismittel finden sich keine rechtlichen Ansatzpunkte. Sie würde auch den Wert des Beweisergebnisses angesichts der Funktion der VNr in unerträglicher Weise beeinträchtigen. Soweit deutsche Personenstandsregistereintragungen vorliegen, spricht sich nichts dagegen, wenn der Rentenversicherungsträger diese bei der Beurteilung der Richtigkeit eines Geburtsdatums in der VNr zugrunde legt (ebensowohl BSG, Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 – Umdr S 4; Urteil vom 14. Oktober 1992 – 5 RJ 24/92 – Umdr S 5). Denn deren Beweiskraft ist regelmäßig als sehr hoch einzuschätzen. Da der Kläger im vorliegenden Fall keine deutschen Personenstandsregistereintragungen über seine Geburt vorweisen kann, fragt es sich, ob und ggf inwieweit türkischen Personenstandsunterlagen von Rechts wegen eine ähnliche Beweiskraft zuzubilligen ist.
Nach Art 5 des Übereinkommens vom 27. September 1956 über die Erteilung gewisser für das Ausland bestimmter Auszüge aus Personenstandsbüchern (vgl das Gesetz vom 1. August 1961, BGBl II S 1055), an dem auch die Türkische Republik beteiligt ist, haben die nach den Bestimmungen dieses Abkommens ausgestellten Auszüge die gleiche Beweiskraft wie die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ausstellenden Staates erteilten Auszüge. Abgesehen davon, daß hier ein derartiger Auszug nicht vorliegt, würde ihm nur die Beweiskraft einer türkischen Personenstandsurkunde zukommen. Da für diese die §§ 60, 66 PStG nicht gelten, wäre der Inhalt eines Auszuges in Deutschland grundsätzlich frei überprüfbar (vgl BSG SozR 2200 § 1248 Nr 44; BSG, Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 – Umdr S 5). Eine von einem ausländischen Standesbeamten ausgestellte Personenstandsurkunde, die über eine vor ihm abgegebene Erklärung errichtet ist, beweist allerdings nach Maßgabe des § 415 der Zivilprozeßordnung (ZPO) die beurkundete Erklärung selbst (vgl Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 66 PStG Anm 14; Pfeiffer/Strickert, PStG, § 66 Anm 2; Rumpf, StAZ 1990, 326, 328). Ähnlich verhält es sich mit dem vom Kläger eingereichten türkischen Urteil über die Änderung seines Geburtsdatums im türkischen Personenstandsregister. Dessen Beweiskraft geht grundsätzlich nicht über diejenige einer türkischen Registereintragung selbst hinaus (vgl BSG SozR 2200 § 1248 Nr 44).
Was die Beweiskraft anbelangt, erscheint auch eine praktische Gleichstellung von deutschen und türkischen Personenstandsregistereintragungen im Hinblick auf die türkische Rechtspraxis zur Änderung von Geburtsdaten im Personenstandsregister kaum möglich. Zwar ist eine Geburt nach Art 39 des türkischen Zivilgesetzbuches (ZGB) innerhalb eines Monats der für die Führung des Personenstandsregisters zuständigen Behörde anzuzeigen, auch können Berichtigungen dieses Registers hinsichtlich der Geburt nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung – und zwar in der Sache jeweils nur einmal (vgl Art 46 Abs 3 türkisches PStG) – vorgenommen werden (vgl Art 38 türkisches ZGB; Art 11 türkisches PStG; vgl dazu Ansay, StAZ 1982, 209, 210; Rumpf, StAZ 1990, 326, 328), jedoch wird der Prüfungsmaßstab, den türkische Gerichte häufig bei der Änderung von Geburtsdaten anwenden, von Verwaltungsfachleuten der Versicherungsträger als äußerst großzügig bezeichnet (vgl Benker, Mitt LVA Rheinprovinz 1993, 205, 206; Semperowitsch, Mitt LVA Oberfranken 1989, 164, 167). Wiederholt ist von den Gerichten das Fehlen einer gründlichen Sachaufklärung von Amts wegen beanstandet worden (vgl LSG Berlin, Urteil vom 17. Dezember 1984 – L 16 J 58/84 –; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 27. Februar 1992 – L 3 J 1/91 –; Landesarbeitsgericht ≪LAG≫ Schleswig-Holstein, Urteil vom 12. April 1989 – 5 Sa 40/89 – in DB 1989, 1827).
Der erkennende Senat sieht sich durch die Urteile des 5. Senats des BSG vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 –, vom 14. Oktober 1992 – 5 RJ 24/92 – und vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92 – gehindert, den vorliegenden Rechtsstreit nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen zu entscheiden.
In den genannten Entscheidungen hat der 5. Senat die Auffassung vertreten, richtiges Geburtsdatum iS des § 1 Abs 5 VNrV sei in Fällen wie dem vorliegenden (betreffend einen ausländischen Versicherten ohne deutsche Personenstandsnachweise über seine Geburt) stets und auf Dauer das von dem Versicherungsträger bei der Vergabe der VNr zugrunde gelegte Geburtsdatum, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimme. Es läßt sich den genannten Urteilen allerdings nicht eindeutig entnehmen, ob die Voraussetzungen dieses Rechtssatzes in den entschiedenen Fällen tatsächlich gegeben waren. Zwar ist davon ausgegangen worden, daß der Versicherte das bisher verwendete Geburtsdatum damals angegeben hat. Jedoch fehlt es an Feststellungen dazu, ob bei der Erstvergabe der VNr auch ausländische Urkunden des Versicherten über sein Geburtsdatum vorgelegt worden sind. Der 5. Senat ist daher wohl eher so zu verstehen, daß eine Übereinstimmung mit den damals gültigen ausländischen Urkunden bestanden haben muß, ohne daß diese vor der Erstvergabe der VNr vom Arbeitgeber oder vom Versicherungsträger geprüft worden sind.
Damit hat der 5. Senat des BSG sicher eine praktikable Regel aufgestellt, die vor allem der Ordnungsfunktion der VNr Rechnung trägt. Ein derartiger Rechtssatz läßt sich jedoch weder aus dem geltenden Recht herleiten, noch erscheint er als sachgerecht. Die betroffenen Versicherten werden einer Sonderbehandlung unterworfen, für die es in den einschlägigen Vorschriften keine Stütze gibt. Allein die bei der Feststellung des tatsächlichen Geburtsdatums ausländischer Versicherter auftretenden Ermittlungsschwierigkeiten rechtfertigen es jedenfalls nicht, eine Gesetzeslücke anzunehmen, die von den Gerichten geschlossen werden könnte. Eine solche Bestimmung widerspricht auch dem Sinn und Zweck der VNr. Bereits die Regelung des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV deutet darauf hin, daß bei der Verwendung des Geburtsdatums der Gesichtspunkt der Kontinuität der VNr zurücktritt. Darüber hinaus würde durch eine Festschreibung des ursprünglich berücksichtigten Geburtsdatums auch die Sachbearbeitungs- und Statistikfunktion der VNr empfindlich gestört, da auf die tatsächliche Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr dann in vielen Fällen kein Verlaß mehr wäre. Der Ausschluß jeglicher Möglichkeit des Nachweises einer materiellen Unrichtigkeit des in die VNr eingefügten Geburtsdatums erscheint überdies nicht nur aus Gründen des Vertrauensschutzes (ausländischen Versicherten müßte zumindest bei Eintritt in die Versicherung mitgeteilt werden, daß eine Berichtigung des Geburtsdatums nicht möglich ist), sondern auch unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich verbürgten informationellen Selbstbestimmung (vgl BVerfGE 65, 1 ff) angreifbar. Immerhin sind Fälle denkbar, in denen sich die Unrichtigkeit des Geburtsdatums eindeutig nachweisen läßt, zB wenn die bei der Erstvergabe der VNr vorgelegte ausländische Urkunde (etwa der Reisepaß) hinsichtlich der Geburtsangabe damals von der zweifelsfrei zutreffenden und später auch nicht geänderten Eintragung im ausländischen Personenstandsregister abwich. Darüber hinaus ergibt sich eine bedenkliche Ungleichbehandlung gegenüber solchen Versicherten, die sich das in ihrem Heimatland amtlich vermerkte Geburtsdatum bereits vor der Erstvergabe der deutschen VNr haben ändern lassen. Die Richtigkeit der VNr wird damit ohne hinreichende sachliche Gründe von Zufälligkeiten abhängig gemacht.
Offenbar versucht der 5. Senat des BSG diesen Unzuträglichkeiten dadurch zu begegnen, daß er es dem Versicherungsträger praktisch freistellt, ob er bei der Prüfung einer Neuvergabe der VNr Ermittlungen zur Richtigkeit des Geburtsdatums durchführt oder nicht. In seinem Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 – Umdruck S 5 f, heißt es nämlich dazu:
„Die Verwaltungsträger sind selbstverständlich nicht daran gehindert, die Personenstandseintragungen ausländischer Behörden zugrunde zu legen, soweit an ihrer Richtigkeit keine ernsthaften Zweifel bestehen. Eine Bindung des Verwaltungsträgers an das Geburtsdatum, wie es im Ausland in den dortigen Personenstandsurkunden bescheinigt ist, ist deshalb nicht notwendig und besteht nicht. Dies gilt sowohl für die ursprüngliche Eintragung in ausländische Personenstandsunterlagen, als auch für spätere Berichtigungen, wie im vorliegenden Fall.” … „Dem Versicherungsträger ist es zwar grundsätzlich nicht verwehrt, bei der Vergabe einer VNr die von einem ausländischen Versicherten gemachten Angaben über sein Geburtsdatum und die von ihm dazu vorgelegten Urkunden zu überprüfen und ggf ein anderes Geburtsdatum bei der Vergabe zu verwenden, wenn er dieses für richtig hält, bzw wenn Tag und Monat der Geburt nicht nachgewiesen sind, diese Daten fiktiv festzustellen (vgl § 2 Abs 3 Satz 4 VNrV). Hat der Versicherungsträger aber einmal eine VNr an einen ausländischen Versicherten in der dargestellten Weise vergeben, so muß der Versicherungsträger grundsätzlich späterem Vorbringen des Versicherten, sein Geburtsdatum sei von ihm früher unrichtig angegeben worden, nicht nachgehen. Er muß die VNr auch nicht ändern, selbst wenn in seinem Heimatland ein anderes Geburtsdatum in den Personenstandsunterlagen festgestellt wird.”
Aus einer solchen Rechtsauffassung ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Dadurch wird der formale Richtigkeitsbegriff (Beibehaltung des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums „stets und auf Dauer”) praktisch wieder aufgegeben und die Bestimmung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Geburtsdatums in das Belieben des Versicherungsträgers gestellt. Dem kann aus rechtsstaatlichen und datenschutzrechtlichen Gründen nicht gefolgt werden. Auch hier wird die informationelle Selbstbestimmung des Versicherten in unzuträglicher Weise beeinträchtigt, ohne daß zwingende sachliche Gründe dafür erkennbar wären. Schließlich hält der 5. Senat seinen Rechtsstandpunkt auch nicht konsequent durch. Er hat in dem zitierten Urteil vom 13. Oktober 1992 dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß der beklagte Versicherungsträger in dem entschiedenen Fall Sachermittlungen zur Richtigkeit des Geburtsdatums angestellt hatte (vgl das vorinstanzliche Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 1992 – L 4 J 199/91 –). Wenn es dem Versicherungsträger unbenommen war, dem Vorbringen des Versicherten zur Unrichtigkeit des bisher verwendeten Geburtsdatums nachzugehen, dann hätte zumindest die in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Beweiswürdigung einer richterlichen Überprüfung unterzogen werden müssen.
Letztlich scheint der 5. Senat die eigene Rechtsauffassung zur Ermittlungsfreiheit des Versicherungsträgers in seinem Urteil vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92 – selbst wieder aufgegeben zu haben. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Versicherungsträger, nachdem der Versicherte ein türkisches Urteil über die Änderung seines Geburtsdatums vorgelegt hatte, zunächst eine neue VNr mit geändertem Geburtsdatum vergeben, später jedoch unter Verwendung des ursprünglichen Geburtsdatums eine dritte VNr erteilt. Der 5. Senat hat diese Entscheidung unter Hinweis auf seinen Rechtssatz bestätigt, daß richtiges Geburtsdatum in solchen Fällen „stets und auf Dauer” das ursprünglich angegebene und belegte Geburtsdatum sei. Wenn der Versicherungsträger tatsächlich nicht gehindert war, bei der Zweitvergabe der VNr die berichtigten Personenstandseintragungen der zuständigen ausländischen Behörde zugrunde zu legen, so hätte vom BSG erörtert werden müssen, auf welcher Grundlage der beklagte Versicherungsträger berechtigt war, durch Vergabe einer dritten VNr wieder zum ursprünglichen Geburtsdatum zurückzukehren. Die letzte VNr-Vergabe hätte nach der im Urteil vom 13. Oktober 1992 vertretenen Rechtsauffassung des 5. Senats wohl nur mit der Begründung bestätigt werden können, daß es im Belieben des Versicherungsträgers stehe, jederzeit in eine erneute Prüfung der Richtigkeit des Geburtsdatums einzutreten, und daß das Ergebnis dieser Überprüfung keiner (oder jedenfalls nur einer sehr eingeschränkten) richterlichen Kontrolle unterliege. Damit würde die Neuvergabe einer VNr praktisch in einen rechtsfreien Raum gestellt. Das wäre weder mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar, noch würde es den dargestellten Funktionen der VNr und deren Auswirkungen auf die Rechtssphäre der Versicherten hinreichend Rechnung tragen.
Das offenbare Grundanliegen des 5. Senats, nämlich Manipulationen mit dem Geburtsdatum entgegenzuwirken, ließe sich möglicherweise zT dadurch verwirklichen, daß man bei der Beurteilung eines auf § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV gestützten Neuvergabebegehrens allgemeine Rechtsgrundsätze heranzieht. Bedenkenswert wäre eine entsprechende Anwendung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB X, da § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV ebenso wie § 44 SGB X der Behebung unrichtiger Verwaltungsentscheidungen dient. § 44 Abs 1 Satz 2 SGB X schließt allerdings nur die Rücknahme von Vaen mit Wirkung für die Vergangenheit aus, während es bei der Ermessensentscheidung nach § 44 Abs 2 SGB X verbleibt. Dementsprechend könnte man die Neuvergabe bezüglich einer VNr, die auf einer vorsätzlich falschen Angabe des Geburtsdatums durch den Versicherten beruht, in das Ermessen des Versicherungsträgers stellen. Auch der Gedanke einer unzulässigen Rechtsausübung (im Sinne eines widersprüchlichen Verhaltens des Versicherten gegenüber seinen Angaben bei der Erstvergabe der VNr) könnte in diesem Zusammenhang fruchtbar gemacht werden, um offensichtlichen Manipulationen entgegenzuwirken. Eine Versagung der Neuvergabe einer VNr mit geändertem Geburtsdatum macht allerdings nur dann Sinn, wenn der Versicherte auch bei späteren Leistungsanträgen an dem ursprünglich angegebenen Geburtsdatum festgehalten werden kann. Dies dürfte voraussetzen, daß er aufgrund des bislang angenommenen Alters bereits Versicherungsleistungen bezogen hat, die nicht mehr zurückgefordert werden können. Im übrigen werden sich hierbei regelmäßig erhebliche Nachweisprobleme ergeben. Im vorliegenden Fall sieht der erkennende Senat keine Veranlassung diesen Fragen weiter nachzugehen, da die tatrichterlichen Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte in dieser Richtung bieten.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die vom erkennenden Senat beabsichtigte Abweichung von der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG an. Der 5. Senat würde hier nach seinem Rechtssatz verfahren, daß es in solchen Fällen bei der ursprünglich vergebenen VNr verbleibe, weil das damals angegebene und belegte (oder belegbare) Geburtsdatum als richtig anzusehen sei. Der Revision der Beklagten müßte dann stattgegeben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil das SG zurückgewiesen werden. Nach Auffassung des erkennenden Senats muß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Zwar hat die Vorinstanz bei der Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Ausgangspunkt zutreffend die Grundsätze der freien Beweiswürdigung zur Anwendung gebracht. Die Beklagte hat jedoch zu Recht die Schlußfolgerungen beanstandet, welche das Berufungsgericht aus dem gefundenen Beweisergebnis gezogen hat. Da das LSG zu der Beurteilung gelangt ist, das jetzt in der VNr enthaltene Geburtsdatum sei unrichtig, weil es außerhalb der von Prof. Dr. L. … festgestellten Altersspanne liege, durfte es die Beklagte allerdings für verpflichtet halten, dieses Datum aus der VNr des Klägers zu entfernen. Unzutreffend erscheint es jedoch, wenn das LSG der Beklagten mit Rücksicht auf das im übrigen unklare Beweisergebnis einen Spielraum für die Festsetzung eines neuen Geburtsdatums zugebilligt hat. Eine derartige Entscheidungsfreiheit sieht die VNrV nicht vor, sie ist auch unvereinbar mit dem Ziel, das richtige Geburtsdatum in die VNr aufzunehmen. Im vorliegenden Fall wäre daher bei Nichterweislichkeit des vom Kläger geltend gemachten Geburtsdatums – jedenfalls für das Geburtsjahr, das nach § 2 Abs 3 VNrV nicht fiktiv festgestellt werden kann – eine Beweislastentscheidung zu treffen gewesen. Da der Senat die insoweit erforderliche weitere Beweiswürdigung nicht selbst nachholen kann, wäre die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Der erkennende Senat richtet die beschlossene Anfrage an den 5. Senat, weil sich nach alledem die Frage einer Vorlage an den Großen Senat des BSG gem § 41 Abs 2 SGG stellt. Eine derartige Vorlage ist jedoch nur zulässig, wenn der 5. Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung zur Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr festhält (vgl § 41 Abs 3 Satz 1 SGG).
Fundstellen