Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesdessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 1998 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) gerichtete Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Entsprechend den Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl Krasney/Udsching, aaO, RdNrn 56 ff) ist zunächst darzulegen, welcher konkreten abstrakten Rechtsfrage in dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11). Denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des Rechtsstreits. Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, aaO, RdNr 181). Es muß sich um eine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß bei der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 65 ff; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beschwerdeführerin hält zwei Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig. Sie wirft zunächst die Frage auf,
„ob bei einer Substanz, die von der International Agency for Research on Cancer schon als Multi-Organ-Karzinogen in Gruppe I der karzinogenen Stoffe aufgenommen worden ist, noch der Nachweis geführt werden muß, daß diese Substanz im Einzelfall auch in einem ganz bestimmten Organ (hier: Magen) mit statistischer Signifikanz überhäufig zu Krebserkrankungen führt.”
Diese Frage bezieht sich auf den Umfang der Amtsermittlungspflicht und insbesondere die vom Tatsachengericht anzustellende Beweiswürdigung bei der Feststellung, ob das zum Tode führende Leiden auf die hierfür verantwortlich gemachte Schadstoffexposition zurückzuführen ist. Da das Ausmaß der Ermittlungen und insbesondere auch die Wahl der Beweismittel nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in das pflichtgemäße Ermessen der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit gestellt sind (stellvertretend BSGE 30, 192, 205) und diese das Gesamtergebnis des Verfahrens nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nach der Überzeugungskraft der einzelnen Beweismittel unter Abwägung aller Umstände zu würdigen haben, ohne daß einzelnen Beweismitteln von vornherein ein höherer Beweiswert zukommt (s etwa BSG SozR Nr 34 zu § 128 SGG und Nr 22 zu § 109 SGG; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 128 RdNr 4a), hätte die Klägerin hier im einzelnen darlegen müssen, inwiefern zu der von ihr aufgeworfenen Frage noch Klärungsbedarf besteht. Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, darzutun, aus welchen Gründen und mit welchem Ziel diese Grundsätze für einzelne in Betracht kommende Beweismittel, wie etwa die Einstufung eines Schadstoffs durch die International Agency for Research on Cancer, eigens nochmals auszusprechen oder abzuwandeln sein sollen.
Auch die zweite von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
„ob für die Anwendung des § 9 Abs 3 VII SGB bei den überwiegend nicht definierten Krankheitstatbeständen der Gruppe I der BeKVO in bezug auf Krebserkrankungen noch der Nachweis spezieller Lokalisationen dieser Krebserkrankungen erbracht werden muß”,
kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Die Beschwerdeführerin hat nicht schlüssig dargelegt, inwiefern diese Rechtsfrage in einem späteren Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Ihr Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, da die von ihr geltend gemachte Berufskrankheit ihres bereits im Jahre 1958 verstorbenen Ehemannes vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Unfallversicherung – ≪SGB VII≫ am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Aus welchen Gründen hier gleichwohl § 9 Abs 3 SGB VII Anwendung finden und die Beantwortung der von ihr formulierten Frage entscheidungserheblich sein soll, hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan.
Schließlich entbehrt auch die Rüge der Beschwerdeführerin, das LSG habe durch „die behauptete, aber nicht eingehaltene Wahrunterstellung” gegen § 103 SGG, jedenfalls aber gegen § 128 Abs 2 SGG verstoßen, der vorgeschriebenen Form. Für die Darlegung eines Verstoßes gegen § 103 SGG fehlt es bereits an der Bezeichnung eines berücksichtigungsfähigen Beweisantrages. Auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Gerichts nach § 103 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nämlich nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Beschwerdeführerin benennt hier die in ihrem Schriftsatz vom 10. März 1998 enthaltenen Anträge, Prof. Dr. K … und Prof. Dr. Z … zu bestimmten Fragen zu hören und trägt vor, diese Anträge seien in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden, was aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils „Wahrunterstellung”) ersichtlich sei. Sie trägt indes nicht, wie erforderlich (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22), vor, daß die Anträge in der Sitzungsniederschrift vom 18. März 1998 protokolliert oder im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführt seien; dies ist im übrigen auch nicht der Fall. Vor allem hat die Beschwerdeführerin aber insoweit nicht schlüssig dargelegt, inwiefern sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, die beantragten Beweise zu erheben (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 5 und 12).
Auch eine Verletzung des § 128 Abs 2 SGG ist nicht hinreichend dargelegt. Diese Vorschrift konkretisiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 des Grundgesetzes, § 62 SGG). Sie soll verhindern, daß die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten. In diesem Rahmen besteht jedoch insbesondere gegenüber rechtskundig vertretenen Beteiligten weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn es kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in der nachfolgenden Beratung des Gerichts erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG Beschluß vom 27. Mai 1997 – 2 BU 64/97 – mwN). Dies gilt gerade auch für den Fall, daß das Gericht eine unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt. Daß diese Wahrunterstellung dann nicht eingehalten worden sein soll, betrifft die Beweiswürdigung. Eine Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht auch unter der nur eingeschränkten revisionsrichterlichen Sicht ist jedoch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ausdrücklich ausgeschlossen. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin auch nicht schlüssig dargetan, welcher entscheidungserhebliche Vortrag durch die angebliche Verletzung des § 128 Abs 2 SGG unterblieben sein soll (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 233 mwN).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen