Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. August 1998 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) gerichtete Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran mangelt es.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung, Verfahrensmangel – zugelassen werden. Der Kläger hat seine Beschwerde auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensmängel gestützt, diese Zulassungsgründe jedoch nicht hinreichend darlegt.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, dartun, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/ Udsching, aaO, IX, RdNrn 65 und 66; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff).
Es mangelt bereits an der hinreichend klaren Formulierung einer Rechtsfrage, welcher der Kläger grundsätzliche Bedeutung beimißt. Er trägt insoweit lediglich vor, der Sachverständige Prof. Dr. H. … habe mit seiner Beantwortung der Beweisfrage, „ob der Tinnitus … nicht zu einer Erhöhung der MdE auf 20 % führen müsse”, die für den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts und das Berufungsurteil des LSG maßgebliche Rechtsanwendung übernommen, die indes rechtsfehlerhaft sei, da der Rechtsbegriff des Körperschadens verkannt werde. Aus diesen und den weiteren Ausführungen ist nicht klar zu entnehmen, welche entscheidungserhebliche abstrakte Rechtsfrage der Kläger aufwerfen will. Insbesondere hat der Kläger aber auch nicht dargelegt, inwieweit eine sich mit der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Rechts der ehemaligen DDR befassende Rechtsfrage klärungsbedürftig sei. Krankheiten, die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren – wie etwa die hier im Streit stehende Berufskrankheit Nr 50 der Anlage zur 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 21. April 1981 (GBl I Nr 12 S 139 ≪”BK 50”≫) –, gelten gemäß § 215 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) iVm § 1150 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nur dann als Berufskrankheiten iS des 3. Buches der RVO (bzw des SGB VII), wenn sie vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind. Diese Rechtsvorschriften finden mithin nur noch auf Altfälle aus dem Beitrittsgebiet Anwendung und sind damit auslaufendes Recht. Soweit ein Rechtsstreit nur solches Recht betrifft, hat er in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung; da es Aufgabe des Revisionsgerichts ist, die Rechtsfortbildung zu fördern und die Einheit der Rechtsprechung zu wahren, sind grundsätzlich nur Rechtsfragen klärungsbedürftig, die sich aus dem geltenden Recht ergeben (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 141 mwN). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harren und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtssache liegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19).
Diesen besonderen Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger trägt nicht einmal vor, daß eine erhebliche Zahl von entsprechenden Fällen noch nicht entschieden sei, sondern begnügt sich mit der allgemeinen Erwägung, es könnten sich „jederzeit noch gleichgelagerte Einzelfälle in den neuen Bundesländern ergeben”. Die bloße Möglichkeit, daß noch Einzelfälle nach dem auslaufenden Recht zu beurteilen sein könnten, reicht indes für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit bei einer solchen Sachlage nicht aus.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur dann gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Hierzu trägt der Kläger vor, das LSG habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt, da es „sich bei vorgegebener Sach- und Rechtslage zu weiteren Ermittlungen durch Einholung eines Obergutachtens hätte gedrängt fühlen müssen”. Der insoweit vom Beschwerdeführer gerügte Aufklärungsmangel ist nicht schlüssig dargelegt. Zunächst fehlt es an der Bezugnahme auf einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag. Dem Satz in seinem Schreiben vom 12. Juli 1998 „Um eine Klärung meines Berufserkrankungsverfahren möchte ich das Landessozialgericht bitten, ob ich einen Gutachter der Tinnitus Liga benennen kann, oder im Sozialrecht bewanderten Rechtsanwalt” kann nicht – wie er nunmehr vorträgt – ein konkreter Beweisantrag entnommen werden; es handelt sich vielmehr nach dem klaren Wortlaut um eine bloße Anfrage. Im übrigen entspräche ein solcher Antrag auch nicht – wie erforderlich (BSG SozR 1500 § 160 Nr 45; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 210 mwN) – den Anforderungen an einen Beweisantrag iS der Zivilprozeßordnung (ZPO), da nur das Beweismittel (allgemein) bezeichnet wird, nicht aber die einzelnen das Beweisthema bestimmenden Punkte aufgeführt sind. Dies legt der Kläger auch nicht näher dar, sondern meint insoweit offenbar, ein „einfacher Beweisantrag” reiche aus.
Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch nicht hinreichend dargetan, inwiefern sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, noch ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNrn 213 f). Er hat es versäumt, unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Beweisergebnisse im einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen das beantragte weitere Sachverständigengutachten mit welchem genauen Beweisthema hätte eingeholt werden müssen. Seine dahingehenden Beanstandungen hinsichtlich des bereits dem LSG vorliegenden Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. H. … zeigen nicht auf, daß das Gutachten in sich widersprüchlich sei, sondern beinhalten eine eigene abweichende Beweiswürdigung. Dies gilt etwa für die Kritik, der Sachverständige habe für seine Ansicht, bei Beendigung der Lärmexposition verschlechtere sich das Hörvermögen nicht mehr weiter, keine entsprechende Fachliteratur verarbeitet und zitiert, und es widerspreche „der allgemeinen Logik, daß eine weitere Lärmexposition in der Zeit von 1985 bis Juni 1988 zu keinen verifizierbaren Veränderungen in der negativen Entwicklung des Hörvermögens des Klägers geführt haben könnte”. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze, der zumindest zu weiteren Ermittlungen hätte führen müssen, ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen, da die aufgezeigten Erkenntnisse offenkundig aus medizinischem Erfahrungswissen gewonnen sind; jedenfalls ist nicht zu erkennen, daß nur das vom Kläger offenbar für richtig gehaltene Beweisergebnis „denkbar” ist. Der Vortrag, „gänzlich widersprüchlich” sei das Gutachten insoweit, als es um die Berücksichtigung des Tinnitus im Zusammenhang mit seiner Lärmschwerhörigkeit gehe, da zum „Zeitpunkt der Beendigung der Lärmexposition bei ihm eine MdE in Höhe von 10 % und sogar noch darunter angenommen werden” könne und „die Veranschlagung einer MdE in Höhe von 5 % für das Tinnitus weitaus zu gering” sei, ist ebenfalls nicht geeignet, die Notwendigkeit zur weiteren Beweiserhebung darzutun. Auch hierbei – und bei den weiteren Beanstandungen – handelt es sich lediglich um eine abweichende Beweiswürdigung, die nicht für die Darlegung geeignet ist, das beanstandete Sachverständigengutachten sei in sich widersprüchlich. Schließlich ist auch die Ansicht, der Sachverständige Prof. Dr. H. … verfüge nicht über ausreichende Spezialkenntnisse und sei auch nicht in der von ihm vorgelegten Gutachterliste der Spezialisten für Tinnituserkrankungen aufgeführt, nicht geeignet, die Notwendigkeit für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens von Amts wegen aufzuzeigen. Es ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch selbst nicht vorgetragen, daß nur in dieser Liste aufgeführte Ärzte über die ausreichende Sachkenntnis zur Beantwortung der vom LSG gestellten Beweisfragen verfügten.
Soweit der Kläger rügt, das LSG habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 des Grundgesetzes, § 62 SGG) dadurch verletzt, daß es am 11. August 1998 in seiner Abwesenheit verhandelt und ein Urteil verkündet habe, obwohl er sich damit entschuldigt habe, daß er aus gesundheitlichen Gründen am Termin nicht teilnehmen könne, legt er keinen Verfahrensmangel dar. Ein solcher wäre damit nur schlüssig dargetan, wenn das LSG nach seinem Vortrag den Termin gemäß § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO hätte verlegen müssen. Dafür hätte er indes darlegen müssen, er habe gegenüber dem Gericht zumindest sinngemäß zum Ausdruck gebracht, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen und bitte deshalb um Verlegung. Dies hat er jedoch versäumt. Die Erklärung in seinem Schreiben an das LSG vom 30. Juli 1998, auf die der von ihm zitierte Vermerk in der Sitzungsniederschrift des LSG Bezug nimmt, läßt gerade erkennen, daß dies nicht der Fall war, da er darin ausdrücklich um „Vorlesung meines Schreibens” bittet, die nur in der ohne seine Anwesenheit stattfindenden mündlichen Verhandlung erfolgen könnte.
Im übrigen hat der Kläger auch nicht dargetan, daß er alles unternommen habe, um sich gleichwohl rechtliches Gehör zu verschaffen (zB Stellung eines Verlegungsantrages), und welcher entscheidungserhebliche Vortrag durch die Abhaltung der mündlichen Verhandlung ohne seine Anwesenheit unterblieben sei. Der Hinweis, bei entsprechender Anhörung und individueller Beratung durch das Gericht in einem Termin zur mündlichen Verhandlung hätte er sich veranlaßt gesehen, auch einen Beweisantrag nach § 109 SGG zu stellen, ist dazu nicht geeignet, da nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann. Dieser Ausschluß gilt nach der eindeutigen Fassung des Gesetzes uneingeschränkt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 34; BSG Beschluß vom 14. Mai 1998 – B 2 U 77/98 B –). Dazu hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen ausgeschlossen sind, die eine fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG aufweisen, unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im einzelnen beruht (BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 69). Sofern der Kläger mit seinem Vortrag auch geltend machen will, er hätte sonst einen ordnungsgemäßen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 103 SGG gestellt, übersieht er, daß ein nicht gestellter Beweisantrag nicht über den Umweg des § 106 Abs 1 SGG und des § 112 Abs 2 SGG zur Zulassung führen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).
Auch soweit der Kläger die Nichteinhaltung der Ladungsfrist durch das LSG rügt, bezeichnet er damit keinen Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision führen könnte. Die Zweiwochenfrist des § 110 Abs 1 SGG darf – da es sich um eine Sollvorschrift handelt – unterschritten werden; allerdings darf dies nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs führen (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, 1998, § 110 RdNr 13a). Eine solche Verletzung hat der Kläger indes nicht dargelegt. Dazu wäre es erforderlich gewesen, im einzelnen darzulegen, welcher entscheidungserhebliche Vortrag durch die Verkürzung der Ladungsfrist unterblieben sei. Mit seinem Hinweis auf sein hohes Alter, seinen Gesundheitszustand und die weite Anreise, aufgrund deren ihm eine „angemessene Vorbereitungszeit” eingeräumt werden müsse, trägt der Kläger indes nichts vor, was er bei Einhaltung der Ladungsfrist zusätzlich vorgetragen hätte und inwiefern dies entscheidungserheblich gewesen wäre.
Mit seinen weiteren Ausführungen rügt der Beschwerdeführer im Kern die Beweiswürdigung durch das LSG. Hierauf gestützte Rügen sind im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und können nicht zur Zulassung der Revision führen (s § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Beschwerde des Klägers war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen