Tenor
Der 5. Senat hält an seiner in den Urteilen vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 –, vom 14. Oktober 1992 – 5 RJ 24/92 – und vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92 - vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr fest, daß
- bei einem ausländischen Versicherten ohne deutsche Personenstandsnachweise richtiges Geburtsdatum iS des § 1 Abs 5 Satz 2 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der Versicherungsnummer stets und auf Dauer das von dem Versicherungsträger bei der Vergabe der Versicherungsnummer zugrunde gelegte Geburtsdatum sei, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspricht und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimmt,
- der Versicherungsträger grundsätzlich späterem Vorbringen des Versicherten, sein Geburtsdatum sei von ihm früher unrichtig angegeben worden, auch dann nicht nachgehen müsse, wenn zwischenzeitlich ein anderes Geburtsdatum in den Personenstandsunterlagen seines Heimatlandes festgestellt worden ist.
Gründe
1. Der Senat beantwortet die Anfrage des 13. Senats vom 16. Juni 1994 – 13 RJ 47/93 – nunmehr iS der damaligen Fragestellung dahingehend, daß richtiges Geburtsdatum bei einem ausländischen Versicherten ohne deutsche Personenstandsnachweise nicht stets und auf Dauer das von dem Versicherungsträger bei der Vergabe der Versicherungsnummer (VNr) zugrunde gelegte Geburtsdatum ist und späterem Vorbringen bei früher gemachten unrichtigen Angaben zum Geburtsdatum nachgegangen werden muß.
Der Senat hat bereits am 15. Dezember 1995 in der Revisionssache 5 RJ 26/94 (SozR 3-2200 § 1248 Nr 12 = BSGE 77, 140) entschieden und wörtlich ausgeführt (S 5 des Urteilsumdrucks), „daß es weder eine materiell-rechtliche Bestimmung noch einen sonstigen Rechtssatz …” gibt, „… wonach für den Versicherungsfall maßgebendes Geburtsdatum stets und auf Dauer das vom Versicherungsträger bei der Vergabe der VNr zugrunde gelegte Geburtsdatum ist, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspricht und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimmt.”
Damit ist – mit dem Wortlaut der Nr 1 der Anfragewörtlich übereinstimmend – die vormals vertretene Gegenposition ausdrücklich aufgegeben worden.
Auf S 6 des Urteilsumdrucks ist – bezogen auf die Nr 2 der Anfrage – weiter ausgeführt, dem geltenden Recht lasse sich keine Grundlage dafür entnehmen, daß die innerstaatlichen Sozialleistungsträger kein Recht hätten, bei der Beurteilung des Leistungsfalls ohne Prüfung die frühere oder auch spätere Eintragung in den ausländischen Personenstandsunterlagen zugrunde zu legen; ergäben sich Zweifel, seien sie stets im Wege gesonderter Tatsachenfeststellung auszuräumen.
Dies drückt aus, daß auch der 5. Senat der Ansicht ist, der Versicherungsträger habe grundsätzlich späterem Vorbringen des Versicherten, er habe sein Geburtsdatum früher unrichtig angegeben, nachzugehen.
Eine Divergenz besteht mithin nach Auffassung des Senats nicht mehr.
2. Im Vorlagebeschluß vom 1. Februar 1995 hat der 13. Senat die Rechtsfrage gegenüber der Anfrage modifiziert. Er hat dem Großen Senat die Frage vorgelegt:
„Ist die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr gemäß § 5 Abs 5 Satz 2 der Verordnung über die Vergabe und Zusammensetzung der Versicherungsnummer (VNrV) auch bei ausländischen Versicherten, für die keine deutschen Personenstandsnachweise bestehen, nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu überprüfen?”
Zu der modifizierten Rechtsfrage ist der 5. Senat iS des § 41 Abs 3 Satz 1 SGG nicht gehört worden. Um eine Sachentscheidung dennoch zu ermöglichen, hat der 5. Senat das mit Beantwortung der Anfrage des 13. Senats vom 16. Juni 1994 durch Beschluß vom 14. September 1994 abgeschlossene Verfahren 5 S (J) 4/94 unter obigem Aktenzeichen neu eintragen lassen und die Erklärung iS des § 41 Abs 3 Satz 1 SGG zu dieser Rechtsfrage nachgeholt.
Auch in bezug auf die modifizierte Rechtsfrage hält der Senat an möglicherweise gegenteiligen Aussagen in den vom 13. Senat zitierten Urteilen nicht mehr fest. Der 5. Senat ist – wie der 13. Senat – der Ansicht, daß die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr auch bei ausländischen Versicherten, für die keine deutschen Personenstandsnachweise bestehen, nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu überprüfen ist.
Damit ist zugleich eine – vermeintlich bestehende – Divergenz bezogen auf die neu formulierte Rechtsfrage beseitigt.
3. Anderes ergibt sich selbst dann nicht, wenn die Vorlage – entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut – einschränkend dahin verstanden würde, daß als Vorfrage aufgeworfen wird, ob
„die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr gemäß § 5 Abs 5 Satz 2 VNrV auch bei ausländischen Versicherten, für die keine deutschen Personenstandsnachweise bestehen”,
überhaupt überprüft werden kann.
Auch diese Frage würde der 5. Senat eindeutig bejahen. Die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr ist nach heutiger Ansicht des 5. Senats in jeder Lage eines Verwaltungsverfahrens oder anschließenden Rechtsstreits überprüfbar.
Selbst bei Auslegung der Vorlagefrage des 13. Senats gegen ihren Wortlaut im vorstehenden Sinne besteht zwischen dem 5. und dem 13. Senat daher keine Divergenz.
4. Sollte dagegen die Vorlagefrage – entgegen ihrem Wortlaut – dahin zu verstehen sein, daß der 13. Senat die Anwendbarkeit einer Rechtsgrundlage (Feststellung der Unrichtigkeit von Sozialdaten gemäß § 84 Abs 1 Satz 1 SGB X) vom Großen Senat bestätigt haben will, die der 5. Senat in seinem späteren Urteil vom 21. Februar 1996 (5 RJ 12/95 – SozR 3-5748 § 1 Nr 2 = BSGE 78, 13 ≪S 8 des Urteilsumdrucks≫) verneint hat, ist zwar dem 5. Senat auch insoweit keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Er holt aber auch die Beantwortung einer ihm insoweit – fiktiv – gestellten Anfrage nach, indem er die Anwendbarkeit des § 84 Abs 1 Satz 1 SGB X bejaht und an seiner gegenteiligen Rechtsauffassung nicht mehr festhält.
Eine Divergenz oder aber unterschiedliche Rechtsauffassungen iS einer uneinheitlichen Rechtsprechung bestehen mithin nicht (mehr).
Fundstellen