Verfahrensgang
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 05.11.1998) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. November 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der im Beitrittsgebiet lebende Kläger ist schwerbehindert und erwerbsunfähig. Als Ursache für seine Gesundheitsstörungen sieht er eine am 23. Juli 1987 in der DDR ärztlich durchgeführte Harnröhrenerweiterung an. Dabei sei eine starke Blutung aufgetreten, die über eine Blutvergiftung zur Herzentzündung mit nachfolgender Herzoperation (Aortenklappenersatz) und dann zu Lähmungen infolge zerebraler Mikroembolien geführt habe. Der Antrag des Klägers auf Unterstützung nach der Anordnung über eine erweiterte materielle Unterstützung für Bürger bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen (AO-EmU) vom 28. Januar 1987 (GBl der DDR I Nr 4 S 34) wurde 1989 endgültig abgelehnt.
Auch der nach Wiederherstellung der deutschen Einheit gestellte Antrag auf Leistungen nach dem Unterstützungsabschlußgesetz (UntAbschlG) vom 6. Mai 1994 (BGBl I S 990) blieb erfolglos (Bescheid vom 26. Juni 1997; Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1998). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10. Juli 1998); das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5. November 1998). Nach § 7 Abs 4 UntAbschlG sei der 1989 in der DDR abschließend geregelte Anspruch nicht wieder aufzunehmen.
Mit der gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung folgender Frage geltend (sinngemäß):
Ist § 7 Abs 4 UntAbschlG mit Art 19 Satz 2 des Einigungsvertrages (EinigVtr) vereinbar?
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist – anders als nach § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die angestrebte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache erforderlich – nicht klärungsbedürftig; jedenfalls nicht mehr seit der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 23. März 1999 – B 2 U 8/98 R – (HVBG-Info 1999, 1432 ff; zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausgesprochen hat, daß nach Art 19 Satz 1 EinigVtr die Wirksamkeit von Verwaltungsakten der früheren DDR-Behörden die Regel sei, wogegen die Möglichkeit der Aufhebung nach Art 19 Satz 2 die an enge Voraussetzungen gebundene Ausnahme darstelle. Daraus ergebe sich im Umkehrschluß, daß im Regelfall eine Aufhebung nicht erfolge. Damit trage der EinigVtr dem Umstand Rechnung, daß eine vollständige Aufarbeitung von 40 Jahren DDR-Verwaltungspraxis anhand der Prüfungsmaßstäbe der nach dem EinigVtr auch in den neuen Bundesländern – nunmehr – geltenden Rechtsordnung unmöglich wäre. Sie könnte an unüberwindlichen Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung scheitern, zur Funktionsunfähigkeit der Rechtspflege und auch zu neuen Ungerechtigkeiten führen. Eine Aufhebung komme nach Art 19 Satz 2 EinigVtr nur dann in Betracht, wenn die Bescheide mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVtr unvereinbar seien. Ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze ergebe sich nicht bereits aus dem Umstand, daß die Ablehnungsbescheide nach DDR-Recht nicht durch Gerichte hätten überprüft werden können, oder daraus, daß diese Bescheide ggf nach den damals geltenden DDR-Vorschriften rechtswidrig gewesen sein könnten. Dies hätte nämlich zur Folge, daß alle von DDR-Behörden erlassenen Verwaltungsakte nach Art 19 Satz 2 EinigVtr aufgehoben werden könnten. Gerade das habe durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Art 19 Satz 1 und 2 EinigVtr ausgeschlossen werden sollen. Die nähere Bestimmung der rechtsstaatlichen Grundsätze iS des Art 19 Satz 2 EinigVtr ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Art 79 Abs 3 Grundgesetz (GG). Der dort umschriebene Kernbereich der verfassungsmäßigen Ordnung sei auch Maßstab für Art 19 Satz 2 EinigVtr. Danach seien die in Art 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze zu wahren. Hierzu gehörten der in Art 1 Abs 1 GG verankerte Grundsatz der Menschenwürde sowie das in Art 1 Abs 2 GG enthaltene Bekenntnis zu den Menschenrechten. Art 1 Abs 3 GG verweise des weiteren auf die nachfolgenden Grundrechte, die somit einer Einschränkung insoweit entzogen seien, als sie zur Aufrechterhaltung einer den Art 1 Abs 1 und 2 GG entsprechenden Ordnung unverzichtbar seien. Zu berücksichtigen seien insoweit der Grundsatz der Rechtsgleichheit und das Willkürverbot. Im Sinne des Art 20 Abs 1 und 3 GG seien die grundlegenden Elemente des Rechts- und Sozialstaatsprinzips zu beachten (BVerfGE 84, 90, 121).
Dem so verstandenen Art 19 EinigVtr entspricht das UntAbschlG indem es für den Regelfall die Wiederaufnahme nach DDR-Recht endgültig geregelter Ansprüche ausschließt und hiervon Ausnahmen nur im Wege der Härteregelung nach § 6 UntAbschlG zuläßt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen