Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 27.11.1991) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. November 1991 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beigeladenen zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist teils unbegründet, teils unzulässig.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung, Abweichung Verfahrensmangel – zugelassen werden. Die Klägerin macht die ersten beiden Gründe geltend. Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist ihre Beschwerde jedenfalls unbegründet, bezüglich der Abweichung des Urteils des Landessozialgerichts (LSG) von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes unzulässig.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache ua dann, wenn die vom Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung „darzulegende” (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist, dh ihre Beantwortung zweifelhaft und im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (s BSG SozR 1500 § 160a Nrn 17 und 54). Eine vom Revisionsgericht bereits entschiedene Frage ist nur klärungsbedürftig, wenn der Rechtsprechung des Revisionsgerichts in nicht geringfügigem Umfang (in der juristischen Literatur) widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13) oder sonstige neue Gesichtspunkte vorgetragen werden, die zur Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung Anlaß geben. Das trifft für die von der Klägerin als grundsätzliche bezeichnete Rechtsfrage nicht zu.
Die Klägerin sieht als klärungsbedürftig an,
„ob ein Arzt, der einer Halbtagsbeschäftigung (19 1/4 Wochenstunden) im öffentlichen Gesundheitsdienst nachgeht und aus diesem Grunde für die Versorgung der Versicherten nur an 4 Tagen in der Woche halbtags in einem Umfang von 22 Wochenstunden persönlich zur Verfügung steht, die erforderliche Eignung besitzt, um zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen zu werden (§ 20 Abs 1 Ärzte-ZV).”
Zu dem hiermit angesprochenen Problem, wie die Wendung „nicht in erforderlichem Maß zur Verfügung steht” in § 20 Abs 1 der Zulassungsverordnung für Kassenärzte (Ärzte-ZV) und § 20 Abs 1 der Zulassungsverordnung für Kassenzahnärzte (Zahnärzte-ZV) vom 28. Mai 1957 (BGBl I S 572 bzw 582, jeweils in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung) zu verstehen ist, hat der beschließende Senat bereits in mehreren Entscheidungen Stellung genommen (BSGE 21, 118, 121 f = SozR Nr 1 zu § 20 ZO-Zahnärzte; BSGE 26, 13 = SozR Nr 2 zu § 20 ZO-Zahnärzte; BSGE 44, 260, 263 = SozR 2200 § 368n Nr 13 S 14; BSGE 62, 231, 233 = SozR 2200 § 368b Nr 4 S 4; BSG SozR 5520 § 20 Nr 1). Zwar sind die Entscheidungen noch zu § 20 Abs 1 ZO-Ärzte und § 20 Abs 1 ZO-Zahnärzte in der bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung ergangen. Da aber diese Vorschriften von den Änderungen der ZO-Ärzte und ZO-Zahnärzte durch Art 18 und 19 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz -GRG-) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) nicht betroffen wurden, vielmehr wortidentisch jeweils in § 20 Abs 1 der umbenannten Zulassungsverordnung für Ärzte und Zulassungsverordnung für Kassenzahnärzte (Ärzte-ZV bzw Zahnärzte-ZV) erhalten blieben, sind die bisherigen Sachaussagen des Senats auch unter der neuen Gesetzeslage weiterhin gültig.
Danach ist die zitierte Wendung „nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht” dahin zu verstehen, daß ihr ein Kassen(zahn)arzt dann nicht unterfällt – also für die Ausübung kassen(zahn)ärztlicher Tätigkeit „geeignet” ist –, wenn er regelmäßig zu den üblichen Sprechzeiten für die ärztliche Versorgung der Versicherten und für Notfallbehandlungen sowie für andere wichtige Fälle außerhalb der Sprechzeiten zur Verfügung steht. In zwei der Entscheidungen (BSGE 21, 118, 122 und 44, 260, 263) ist hinzugefügt, daß einer Eignung als Kassen(zahn)arzt nicht entgegensteht, wenn ein wesentlicher, unter Umständen sogar der überwiegende Teil der Arbeitskraft durch eine anderweitige Tätigkeit in Anspruch genommen wird. Der Sachverhalt, der der von der Klägerin formulierten Rechtsfrage zugrunde liegt, ist von dieser Rechtsprechung miterfaßt. Im Hinblick hierauf erscheint es bereits zweifelhaft, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache überhaupt formgerecht iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargelegt hat. Hierzu hätte sie sich nämlich mit den genannten Urteilen im einzelnen auseinandersetzen und vortragen müssen, daß, von wem und mit welcher Begründung der Rechtsprechung des Senats widersprochen worden ist. Die Zweifel können jedoch auf sich beruhen. Denn jedenfalls ist die Beschwerde in ihrem ersten Teil unbegründet, weil die Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in den zitierten Urteilen nicht zweifelhaft ist und damit die für eine Grundsatzrevision erforderliche Klärungsbedürftigkeit fehlt.
Die von der Klägerin als zweiter Beschwerdegrund genannte Abweichung ist nicht in der durch § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Weise „bezeichnet” worden. Hierzu ist nicht nur erforderlich, daß die Entscheidung des BSG, von der das LSG abgewichen sein soll, so genau bezeichnet wird, daß das Revisionsgericht sie ohne Schwierigkeiten auffinden kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Es muß vielmehr auch dargetan werden, zu welcher spezifischen Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29), dh in welchem abstrakt formulierten Rechtssatz sich das vorinstanzliche Urteil von welchem abstrakt formulierten Rechtssatz der abweichungsbegründenden BSG-Entscheidung unterscheidet. Eine Abweichung liegt nicht schon in einer materiell-rechtlich unzutreffenden Subsumierung, sondern allein darin, daß das LSG von einer Rechtsmeinung ausgeht, die mit der des Revisionsgerichts unvereinbar ist. Das ist von der Klägerin nicht aufgezeigt worden. Sie stellt in ihren Ausführungen zur Divergenz keine zwei inhaltlich einander widerstreitende Rechtssätze gegenüber, sondern beschränkt sich auf das Vorbringen, das Berufungsgericht habe das als Divergenzentscheidung zitierte Urteil des BSG fehlerhaft interpretiert und damit den Rechtsstreit falsch beurteilt. Hiermit rügt sie lediglich eine unrichtige Subsumtion unter einen als solchen nicht in Zweifel gezogenen Rechtssatz.
Die von der Klägerin zusätzlich geltend gemachte Divergenz zu einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts genügt für eine formgerecht erhobene Rüge schon nach dem Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht, wonach allein die Abweichung von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes für eine Revisionszulassung erheblich sein kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen