Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherungspflicht. Einstrahlung. Bank mit Auslandssitz -Entsendung. Arbeitnehmer. inländische Zweigniederlassung. Rentenversicherungsträger. Anfechtung. Bescheid der Einzugsstelle über Versicherungsfreiheit. Dritter iS des § 49 SGB 10. Vertrauensschutz. Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Einstrahlung (§ 5 SGB 4) liegt auch dann nicht vor, wenn eine Bank mit Sitz im Ausland einen Arbeitnehmer an eine inländische Zweigniederlassung entsendet, er in den Betrieb der Zweigniederlassung eingegliedert ist und von ihr das Arbeitsentgelt erhält (Ergänzung zu BSG vom 7.11.1996 – 12 RK 79/94 = BSGE 79, 214 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2).
2. Der Rentenversicherungsträger kann auch nach Inkrafttreten des § 28h SGB 4 am 1.1.1989 einen dem Arbeitgeber erteilten Bescheid der Einzugsstelle über das Bestehen von Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung anfechten (Bestätigung von BSG vom 27.9.1961 – 3 RK 74/59 = BSGE 15, 118 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO).
3. Der Rentenversicherungsträger ist in einem solchen Fall Dritter iS des § 49 SGB 10 und schließt mit einer erfolgreichen Anfechtungsklage einen Vertrauensschutz des Arbeitgebers auf den Bestand des Bescheides aus.
Stand: 25. Oktober 2002
Normenkette
SGB IV § 5 Abs. 1, § 28h Abs. 2; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB X § 49; SGG § 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der beigeladenen Bank gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. Mai 1998 – L 15 Kr 21/96 – wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.
Die Korea Exchange Bank hat ihren Sitz in Seoul/Korea und wird seit 1989/90 als Aktiengesellschaft nach koreanischem Recht betrieben. Sie ist mit einer Zweigniederlassung in das Handelsregister beim Amtsgericht Frankfurt am Main eingetragen und betreibt in der Bundesrepublik Deutschland mit Genehmigung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen Bankgeschäfte aller Art (mit Ausnahme des Investmentgeschäfts) iS des § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) in einem vollkaufmännischen Betrieb.
Die Bank entsandte regelmäßig koreanische Staatsangehörige, die zu ihr in unbefristeten Arbeitsverhältnissen standen, von ihrer Zentrale aus für etwa drei Jahre zur Zweigniederlassung nach Deutschland. Hier wurden sie bis 1989 zunächst als rentenversicherungspflichtig angesehen; die Zweigniederlassung führte im Jahre 1989 aufgrund von Beitragsnachweisen für acht koreanische Staatsangehörige Rentenversicherungsbeiträge an die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) als Einzugsstelle ab. Diese erteilte der Bank später den Bescheid vom 12. Februar 1990. Darin wurde – neben Entscheidungen zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung – festgestellt, daß die koreanischen Arbeitnehmer wegen Einstrahlung nicht rentenversicherungspflichtig seien und daher die 1989 für sie gezahlten Rentenversicherungsbeiträge von 119.842,54 DM erstattet würden. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bescheid nicht. Er wurde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zunächst nicht bekanntgegeben. Nachdem diese auf anderem Wege von ihm erfahren hatte, bat sie mit Schreiben vom 23. August 1990 um Übersendung des Bescheides, den ihr die DAK daraufhin Ende August 1990 zuleitete.
Die BfA hat am 13. Februar 1991 Klage gegen die DAK erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die acht koreanischen Arbeitnehmer und die Bank beigeladen. Anschließend hat es das Verfahren in acht die einzelnen Arbeitnehmer betreffende Verfahren getrennt. Der beigeladene Arbeitnehmer des vorliegenden Verfahrens war vom 17. April 1989 bis zum 7. Mai 1992 in der Zweigniederlassung tätig. Die Klägerin hat vor dem SG beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 1990 zu ändern und festzustellen, daß der beigeladene Arbeitnehmer in der genannten Zeit der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterlag. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 8. Februar 1996 abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 27. Mai 1998 das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten aufgehoben sowie festgestellt, daß der Beigeladene in der Zeit vom 17. April 1989 bis zum 7. Mai 1992 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen hat. Er sei bis Ende 1991 nach § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und ab 1992 nach § 1 Satz 1 Nr 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in Deutschland rentenversicherungspflichtig gewesen, weil er im Geltungsbereich des SGB beschäftigt gewesen sei (§ 3 Nr 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ≪SGB IV≫). Eine Einstrahlung (§ 5 SGB IV) habe nicht vorgelegen. Das ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. November 1996 (BSGE 79, 214 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2). Zwar habe dort eine Entsendung zu einer inländischen juristischen Person (GmbH) vorgelegen. Für die inländische Zweigniederlassung der beigeladenen Bank gelte jedoch nichts anderes, weil sie nach den Vorschriften des KWG gegenüber der Zentrale in Korea nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich verselbständigt sei. Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 1990 sei rechtswidrig. Die Klägerin habe ihn zulässigerweise und am 13. Februar 1991 rechtzeitig angefochten, weil er keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Wegen dieser Anfechtung durch die drittbetroffene Klägerin komme der Bank Vertrauensschutz nach § 45 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) nicht zugute, weil diese Vorschrift nach Maßgabe des § 49 SGB X nicht gelte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beigeladenen Bank. Sie rügt sinngemäß eine Verletzung des § 5 SGB IV, der §§ 66 und 87 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des § 49 SGB X. Dazu trägt sie im wesentlichen vor: Sie werde erst seit 1990 als privatwirtschaftliches Unternehmen geführt. Im Jahre 1989 sei sie in Korea noch staatliche Außenhandelsbank in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts gewesen. Die nach Deutschland entsandten Mitarbeiter hätten daher in Korea Beamtenstatus gehabt und seien infolgedessen nach Art 17 des deutsch-koreanischen Doppelbesteuerungsabkommens in Deutschland von der Einkommensteuer befreit gewesen. Das Protokoll zu diesem Abkommen schreibe in Nr 5 ausdrücklich vor, daß die Steuerbefreiung nach dem Kassenstaatsprinzip auch auf Vergütungen anzuwenden sei, die von ihr gezahlt würden. Das Kassenstaatsprinzip müsse unter Berücksichtigung des amtlichen Kommentars zu Art 19 des OECD-Musterabkommens auch bei der Auslegung der Vorschriften über den internationalen Anwendungsbereich des deutschen Sozialversicherungsrechts berücksichtigt werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sollten die Vorschriften, die bei Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung die Klage innerhalb einer Jahresfrist zuließen, Rechtsunkundige vor Nachteilen schützen. Sie würden in ihr Gegenteil verkehrt, wenn sie zugunsten eines Versicherungsträgers wie der Klägerin angewandt würden. Damit werde ein schutzwürdiges Vertrauen der Bank ebenso mißachtet wie durch die Anwendung des § 49 SGB X, der nur gelten dürfe, wenn sie als Adressatin des Bescheides von vornherein mit Rechtsbehelfen anderer habe rechnen müssen. Mangels eines Hinweises im Bescheid habe sie mit einer Anfechtung durch die Klägerin nicht mehr zu rechnen brauchen, die ihr im übrigen erst bekannt geworden sei, als das SG sie im Jahre 1994 beigeladen habe.
Die beigeladene Bank beantragt,
das Urteil des LSG vom 27. Mai 1998 – L 15 Kr 21/96 – aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 8. Februar 1996 -S 76 Kr 78/91-7 – zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beklagte und der beigeladene Arbeitnehmer haben keinen Antrag gestellt und sich auch zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der beigeladenen Bank ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben sowie festgestellt, daß der beigeladene Beschäftigte in der Zeit vom 17. April 1989 bis zum 7. Mai 1992 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterlag.
Die Aufhebung des Bescheides durch das LSG ist einschränkend dahin aufzufassen, daß sie sich nur auf den Teil des Bescheides bezieht, der die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung und die Erstattung der zu diesem Versicherungszweig entrichteten Beiträge betrifft. Nur hierüber war auf die Klage und die Berufung der Klägerin von den Vorinstanzen zu entscheiden, und nur hierüber haben sie in der Sache auch entschieden.
1. Der Beigeladene war in der Zeit seiner Beschäftigung bei der Zweigniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtig.
a) Nach § 3 Nr 1 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. Das traf auf den Beigeladenen während der genannten Zeit zu. Seine Versicherungspflicht ergab sich bis Ende 1991 aus § 2 Abs 1 Nr 1 AVG und ab 1992 aus § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Er war als Angestellter gegen Entgelt beschäftigt. Das LSG hat im Tatbestand seines Urteils festgestellt, daß die Hauptniederlassung der Bank in Seoul seit 1989/90 als Aktiengesellschaft nach koreanischem Recht betrieben wird und der Beigeladene zu dieser Firma in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden hat. In den Entscheidungsgründen heißt es entsprechend, der Beigeladene habe als Angestellter nichtselbständige Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses verrichtet; darüber bestehe zwischen den Beteiligten kein Streit.- Das BSG ist nach § 163 SGG an diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden; sie sind von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden. Bei ihrem Vorbringen, die Bank sei im Jahre 1989 als staatliche Außenhandelsbank in Korea noch in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführt worden und ihre Mitarbeiter hätten in Korea Beamtenstatus gehabt, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen im Revisionsverfahren, das unbeachtlich ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob ein solcher Sachverhalt der Versicherungspflicht im Inland entgegenstünde.
b) Die Geltung der Vorschriften über die Versicherungspflicht war nicht nach § 5 Abs 1 SGB IV (dh wegen Einstrahlung) ausgeschlossen. Danach gelten die Vorschriften bei einer Beschäftigung nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 7. November 1996 (BSGE 79, 214 = SozR 3-2400 § 5 Nr 2) entschieden, daß Einstrahlung nicht vorliegt, wenn bei konzerninterner Entsendung aus dem Ausland (dort ebenfalls aus Korea) die inländische Tochtergesellschaft eine juristische Person ist, der Arbeitnehmer in den Betrieb dieser Gesellschaft eingegliedert ist und sie das Arbeitsentgelt zahlt. Das LSG hat diese Entscheidung zutreffend auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen. Es hat festgestellt, daß der Beschäftigte in den Betrieb der Zweigniederlassung eingegliedert war sowie daß ihm die wesentlichen Teile seines Gehalts im Inland ausgezahlt und hier steuerlich als Betriebsausgabe geltend gemacht worden sind. Dem Umstand, daß in der früheren Entscheidung die inländische Tochtergesellschaft eine juristische Person (GmbH) war, hat das LSG keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil die rechtliche Stellung der Zweigniederlassung einer ausländischen Bank weitgehend der einer inländischen juristischen Person entspreche. Dieses hat das LSG unter Hinweis auf die Regelungen des KWG, insbesondere die Vorschrift des § 53 über die Zweigstellen, näher begründet. Es hat hierfür vor allem die Pflicht zur Bestellung zweier natürlicher Personen mit Wohnsitz im Inland zu vertretungsbefugten und verantwortlichen Geschäftsleitern einer Zweigniederlassung, den Ausweis eines haftenden Eigenkapitals und die erforderliche Erlaubnis durch das Bundesamt für Kreditwesen angeführt, die den Nachweis des organisatorischen Aufbaus als Zweigniederlassung voraussetze. Diese Ausführungen des LSG lassen Rechtsfehler nicht erkennen und sind auch von der Revision nicht angegriffen worden.
c) Ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Korea, das mit abweichenden Regelungen zur Versicherungspflicht die Geltung inländischer Vorschriften nach § 3 Nr 1 SGB IV verdrängen könnte (§ 6 SGB IV), besteht bisher nicht. Das Abkommen zwischen beiden Staaten vom 14. Dezember 1976 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl 1978 II 192), auf das sich die Revision beruft, betrifft Steuern und nicht Sozialversicherungsbeiträge. Deshalb ist es unerheblich, daß Nr 5 des Protokolls zu dem Abkommen die in Art 17 des Abkommens vereinbarte inländische Steuerfreiheit auf Beschäftigte der beigeladenen Bank erstreckt. Auch aus einem amtlichen Kommentar zu Art 19 des OECD-Musterabkommens kann eine Geltung des Doppelbesteuerungsabkommens für die Sozialversicherung nicht hergeleitet werden.
2. Die Klägerin konnte als Rentenversicherungsträger den Bescheid, den die Beklagte als Einzugsstelle erlassen hat, anfechten, weil sie durch ihn beschwert war (§ 54 Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGG). Dieses ergibt sich aus der Entwicklung der gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung zum Verhältnis zwischen den Krankenkassen als Einzugsstellen und den anderen Versicherungsträgern.
a) Ursprünglich wurden die Beiträge zur Krankenversicherung, zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung getrennt voneinander entrichtet. Später ermächtigte Abschnitt II Art 8 § 4 des Gesetzes über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934 (RGBl I 577) den Reichsarbeitsminister, Vorschriften über einen einheitlichen Beitragseinzug für die Kranken- und Rentenversicherung zu erlassen. Nach Maßgabe des § 8 Abs 1 und des § 17 der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung (Zweite LAV) vom 24. April 1942 (RGBl I 252) wurde für die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung mit Gesetzeskraft bestimmt, daß Beiträge zu mehreren Versicherungszweigen (einschließlich der Krankenversicherung) zusammen in einem Betrag entrichtet wurden. Dabei überwog die Entrichtung an die Krankenkasse. Nach § 12 Abs 2 der Verordnung zur Durchführung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Zweiten LAV vom 15. Juni 1942 (RGBl I 403) vertrat bei Streit über die Beitragsleistung zur Rentenversicherung der Träger der Krankenversicherung, an den die Beiträge zu entrichten waren, die beteiligten Träger der Rentenversicherung im Streitverfahren (Satz 1). Der Träger der Krankenversicherung hatte die beteiligten Träger der Rentenversicherung unverzüglich zu benachrichtigen (Satz 2). Diese konnten ihr Recht im Streitverfahren selbst wahrnehmen (Satz 3).
b) In der Nachkriegszeit wurde die Beitragsentrichtung weiter zusammengefaßt. Mit der Rentenreform 1957 traten § 1399 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Art 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45) und § 121 AVG idF des Art 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl I 88) in Kraft. Der jeweilige Abs 1 dieser Vorschriften bestimmte, daß die von dem Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (Einzugsstellen) eingezogen wurden. Abs 3 regelte, daß die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe entschied (Halbsatz 1). Sie erließ unbeschadet des Abs 4 den erforderlichen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid (Halbsatz 2). In Verfahren vor den Sozialgerichten war sie Partei, soweit ihr Verwaltungsakt angefochten wurde (Halbsatz 3). Nach Abs 4 war die Einzugsstelle an Erklärungen des Trägers der Rentenversicherung zu Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gebunden. Die Abs 3 und 4 wurden während der Ausschußberatungen des Bundestages in den Gesetzentwurf eingefügt, „um die Stellung der Träger der Krankenversicherung in ihrer Eigenschaft als Beitragseinzugsstellen sowohl zu den Arbeitgebern als auch zu den Trägern der Rentenversicherung klarzustellen” (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zu BT-Drucks II/3080 S 29 zu § 1399 RVO).
Für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung galt bis zum 30. Juni 1969 die Regelung des § 160 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG). Nach Maßgabe seines Abs 1 wurden die Beiträge an die Krankenkassen entrichtet, die in § 161 AVAVG und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung als Einzugsstellen bezeichnet wurden. Sie waren nach § 160 Abs 5 AVAVG in Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die nur die Arbeitslosenversicherung berührten, an Erklärungen der Bundesanstalt gebunden. An die Stelle der bisherigen Regelung trat mit dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) am 1. Juli 1969 dessen § 182. Nach der Begründung des Entwurfs des AFG (BT-Drucks V/2291 S 93 zu § 178) übernahm sein Abs 1 die in der gesetzlichen Rentenversicherung geltende Regelung (vgl § 1399 Abs 3 RVO, § 121 Abs 3 AVG); Abs 2 entsprach § 160 Abs 5 AVAVG.
c) Zu den von 1957 bis Ende 1988 geltenden Vorschriften hat der anfangs zuständige 3. Senat des BSG im Urteil vom 27. September 1961 (BSGE 15, 118, 122/123 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO) ausgeführt: Mit ihnen werden kraft Gesetzes in Fragen des Beitragseinzugs Rechte auf die Krankenkassen übertragen, die anderenfalls als Ausfluß der Gläubigerstellung des Versicherungsträgers bei diesem liegen. Das dergestalt begründete Treuhandverhältnis läßt die Krankenkasse nach außen – gegenüber den Beitragsschuldnern – als Inhaber der Forderung erscheinen. Im Innenverhältnis – gegenüber dem Versicherungsträger – bleibt die Beitragsforderung aber für die Krankenkasse ein fremdes Recht. Entscheidet sie – positiv oder negativ – über die Versicherungs- oder Beitragspflicht, so verfügt sie damit über die Beitragsforderung des Versicherungsträgers. Soweit die Krankenkasse als Treuhänderin der anderen Versicherungszweige über die Versicherungspflicht oder Beitragspflicht entscheidet, ergeht ihre Entscheidung für und gegen die anderen Träger, die als „Beteiligte” iS des § 77 SGG an den Verwaltungsakt der Einzugsstelle gebunden sind. – Dennoch hätten, so wird weiter dargelegt, die anderen Versicherungsträger ausreichende Möglichkeiten, gegenüber der Einzugsstelle auf einen dem Gesetz entsprechenden Beitragseinzug hinzuwirken. Hierzu gehöre vor allem das Recht, Verwaltungsakte der Einzugsstelle mit der Aufhebungsklage anzufechten und die notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt von anderen Betroffenen (Beitragsschuldner, Versicherungspflichtigen) angefochten werde.
Auf dieser Grundlage haben der 3. Senat und ihm folgend der später zuständige erkennende 12. Senat weiter entschieden: Die Einzugsstelle hat die Pflicht, ihre Entscheidung unverzüglich allen Beteiligten gegenüber bekanntzugeben (BSGE 25, 34, 36 = SozR Nr 52 zu § 77 SGG; vgl auch schon BSGE 15, 118, 122 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO). Die Anfechtungsfristen laufen für jeden Beteiligten – Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherungsträger – gesondert von der Bekanntgabe des Bescheides bzw der Zustellung des Widerspruchsbescheides an den betreffenden Beteiligten an (BSGE 25, 34 = SozR Nr 52 zu § 77 SGG; BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr 2). Das Interesse des Arbeitgebers, bei einer erfolgreichen Anfechtung durch andere Versicherungsträger vor einer nachträglichen Inanspruchnahme sicher zu sein, ist in diesen Entscheidungen nicht als überwiegend schutzwürdig angesehen worden. Der andere Versicherungsträger konnte mit der Aufhebungsklage gegen den Bescheid der Einzugsstelle den Antrag verbinden, sie zur Einziehung der Beiträge zu verpflichten (BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr 2). In einem Prozeß zwischen Arbeitgeber und Einzugsstelle konnte die Einzugsstelle hinsichtlich aller Versicherungszweige, aber auch der beigeladene Rentenversicherungsträger allein – beschränkt auf seinen Versicherungszweig – Rechtsmittel einlegen (BSGE 17, 1, 2 = SozR Nr 3 zu § 1399 RVO). Erging keine Entscheidung der Einzugsstelle, weil sie sich mit Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig war, bestanden aber mit anderen Versicherungsträgern Meinungsunterschiede, so konnten diese in Prozessen zwischen der Einzugsstelle und dem anderen Versicherungsträger geklärt werden (vgl BSGE 22, 157 = SozR Nr 7 zu § 1399 RVO; BSGE 55, 297 = SozR 5375 § 2 Nr 1), wobei in beiden Verfahren der Arbeitgeber beigeladen war. – An der vorstehenden Rechtsprechung hat das BSG ständig festgehalten (vgl zB zur Klagebefugnis der anderen Versicherungsträger Urteil vom 24. September 1981 in SozR 2200 § 165 Nr 63, zu ihrer notwendigen Beiladung Urteil vom 26. Oktober 1988 in SozR 1500 § 75 Nr 72 S 87).
d) Vom 1. Januar 1989 an wurden die Beiträge – einer inzwischen gebräuchlichen Ausdrucksweise folgend – auch im Gesetz zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag zusammengefaßt. Durch Art 2 Nr 1, Art 3 Nr 1 und Art 5 Nr 1 des Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das SGB IV vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2330) wurden der § 1399 Abs 1, 3, 4 RVO, der § 121 Abs 1, 3, 4 AVG und der § 182 AFG gestrichen. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV) ist nach § 28h Abs 1 Satz 1 SGB IV an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle entscheidet nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken- und Rentenversicherung sowie über die Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem AFG; sie erläßt auch den Widerspruchsbescheid. Das galt nach Satz 2 auch in den Fällen, in denen die Prüfung nach § 28p SGB IV (Prüfung beim Arbeitgeber) nicht von der Einzugsstelle durchgeführt wurde. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 28h SGB IV hieß es ua (BT-Drucks 11/2221 S 25): Im Verwaltungsverfahren richte sich die Hinzuziehung des zuständigen Trägers der Rentenversicherung oder der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 12 Abs 2 Satz 1 SGB X. Die Entscheidung der Einzugsstelle sei ein Verwaltungsakt (§ 31 SGB X). Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Einzugsstellen richteten sich gegen diese, nicht aber gegen den Träger der Rentenversicherung oder die BA. Gleichwohl seien die Träger der Rentenversicherung oder die BA nicht vom Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ausgeschlossen; deren Beiladung richte sich nach § 75 SGG. – Ferner bestimmte Abs 3 des § 28h SGB IV, daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Einzugsstellen, den Rentenversicherungsträgern oder der BA hinsichtlich des gleichen Sachverhalts die Einzugsstellen darauf hinzuwirken hatten, daß gegenüber dem Arbeitgeber eine abgestimmte Entscheidung erging (Satz 1). Stand fest, daß eine zwischen den Einzugsstellen abgestimmte Entscheidung nicht ergehen konnte, waren die zuständigen Aufsichtsbehörden hiervon zu unterrichten (Satz 2). Durch diese Regelung sollten nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 11/2221 S 25) Meinungsunterschiede zwischen den Einzugsstellen untereinander oder zwischen ihnen und einem Rentenversicherungsträger oder der BA behoben werden, bevor die Entscheidung gegenüber dem Arbeitgeber ergehe, damit dieser wisse, wie die Fragen verbindlich beurteilt würden. Die Meinungsunterschiede im Sinne dieser Bestimmung müßten sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen, zB darauf, ob eine Zahlung an den Versicherten beitragspflichtig sei oder nicht. Das Initiativrecht, aber auch die entsprechende Pflicht zur Behebung der Meinungsunterschiede liege bei den Einzugsstellen. Durch Abs 3 werde die Entscheidungsbefugnis der Einzugsstellen nach Abs 2 nicht eingeschränkt.
e) Mit Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1014) wurde der Gesamtsozialversicherungsbeitrag des § 28d SGB IV um den Beitrag zur Pflegeversicherung erweitert und in § 28h Abs 2 SGB IV die Befugnis der Einzugsstelle auf diesen Versicherungszweig ausgedehnt (Art 3 Nrn 7, 9 PflegeVG).
f) Vom 1. Januar 1996 an wurde die Prüfung der Arbeitgeber nach § 28p idF des Art 1 Nr 4 des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB (3. SGBÄndG) vom 30. Juni 1995 (BGBl I 890) den Trägern der Rentenversicherung übertragen (Übergangsregelung in Art II § 15c SGB IV, eingefügt durch Art 2 des 3. SGBÄndG). Nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV erlassen nunmehr diese Träger im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem AFG einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht. – Die Neuregelung wurde damit begründet, daß nach Einführung der Kassenwahlfreiheit eine neutrale Prüfung der Arbeitgeber über die Krankenkassen auf Dauer nicht gewährleistet sei und sie daher den Rentenversicherungsträgern übertragen werde. Diese seien berechtigt, im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht zu erlassen. Soweit die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte der Einzugsstellen abänderten, fänden die §§ 44 ff SGB X Anwendung (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks 13/1205 S 6 Allgemeiner Teil sowie S 6/7 zu § 28p). – Zugleich wurden durch Art 1 Nr 2 des 3. SGBÄndG die Abs 1 und 2 des § 28h SGB IV geändert sowie Abs 3 gestrichen. Abs 3 habe keine praktische Bedeutung erlangt, weil strittige Rechtsfragen und Zweifelsfälle in der Praxis in Besprechungen aller am Beitragseinzug beteiligten Institutionen erörtert und einer Lösung zugeführt würden. Lasse sich eine Einigung nicht erzielen, seien auch künftig Musterprozesse unvermeidbar. Künftig seien außerhalb von Prüfungen nach § 28p SGB IV die Einzugsstellen (§ 28h Abs 2 SGB IV), im Zusammenhang mit Prüfungen die Rentenversicherungsträger (§ 28p Abs 1 Satz 5) allein entscheidungsbefugt (so der Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks 13/1559 S 13 zu Art 1 Nr 2). – Später wurden durch Art 25 Nr 9 des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 2049) dem § 28h SGB IV neue Abs 3 bis 5 mit anderem Inhalt angefügt (Verwendung eines Haushaltsschecks).
g) Zum 1. Januar 1998 wurde im Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) das AFG durch das Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) abgelöst. Aus diesem Anlaß wurde durch Art 4 Nr 14 AFRG der Abs 2 des § 28h SGB IV dem SGB III redaktionell angepaßt. In § 336 SGB III ist nunmehr geregelt, daß die BA leistungsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen an die Feststellung der Versicherungspflicht durch die Einzugsstelle oder den prüfenden Rentenversicherungsträger (§ 28p SGB IV) gebunden ist, nachdem die Rechtsprechung insofern zum früheren Recht eine Bindung an die Entscheidung der Einzugsstelle verneint hatte (BSGE 70, 81 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8).
3. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 1990 zulässigerweise und am 13. Februar 1991 rechtzeitig Klage erhoben.
a) Die Entscheidungsbefugnis der Einzugsstelle war zu dieser Zeit in § 28h Abs 2 SGB IV in der seit 1989 geltenden ursprünglichen Fassung geregelt; sie stimmte mit den vorher geltenden spezialgesetzlichen Vorschriften (§ 1399 Abs 3 RVO, § 121 Abs 3 AVG, § 182 Abs 1 AFG) im wesentlichen überein (oben 2b und 2d). Das Entfallen der Regelungen zur Bindung der Einzugsstelle an Erklärungen anderer Versicherungsträger in Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 1399 Abs 4 RVO, § 121 Abs 4 AVG, § 182 Abs 2 AFG) änderte das Verhältnis zwischen der Einzugsstelle und den anderen Versicherungsträgern nicht grundlegend. Daß die Einzugsstelle, die Bescheid und Widerspruchsbescheid erlassen hatte, in einem anschließenden Prozeß weiterhin „Partei” ist, brauchte als selbstverständlich im Gesetz nicht mehr erwähnt zu werden und ist in der Rechtsprechung ohne weiteres angenommen worden (zB BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 5 S 15, Nr 6 S 19, Nr 7 S 24). Wegen der damit weitgehend unveränderten Gesetzeslage besteht kein Anlaß, die frühere Rechtsprechung zum Verhältnis der Einzugsstelle zu den anderen Versicherungsträgern (oben 2c) zu ändern. Sie ist bei der Eingliederung der Einzugsstellen-Regelung in das SGB IV zum 1. Januar 1989 bekannt gewesen und im Gesetz oder in den Gesetzesmaterialien an keiner Stelle mißbilligt, sondern mittelbar sogar bestätigt worden: Die Hinweise auf § 12 SGB X und § 75 SGG in der Begründung des Entwurfs zu § 28h Abs 2 SGB IV (oben 2d) lassen erkennen, daß im Gesetzgebungsverfahren von einer Beteiligung der anderen Versicherungsträger an Streitigkeiten der Einzugsstelle mit einem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgegangen worden ist. Auch die Regelung des § 28h Abs 3 aF SGB IV, nach der sich die Einzugsstelle und die anderen Versicherungsträger vor einer Entscheidung gegenüber dem Arbeitgeber möglichst abstimmen sollten (oben 2d), geht von der Vorstellung aus, daß anderenfalls im Verfahren zwischen Arbeitgeber und Einzugsstelle auch Meinungsunterschiede der Einzugsstelle mit den anderen Versicherungsträgern auszutragen sind. Hierfür spricht auch die Begründung für die Abschaffung des Abs 3 aF (oben 2f). Danach sind „auch künftig Musterprozesse unvermeidbar”, wenn sich in Besprechungen unter allen beteiligten Institutionen keine Einigung erzielen läßt. Da auch Musterprozesse nur anhand konkreter Sachverhalte geführt werden können, ist eine maßgebliche und von der jeweiligen Fallkonstellation unabhängige Beteiligung der anderen Versicherungsträger nur gewährleistet, wenn die bisherige Rechtsprechung zur Klagebefugnis und zur notwendigen Beiladung (oben 2c) beibehalten wird.
b) Eine „gesetzliche Prozeßstandschaft” der Einzugsstelle ist demnach hier so ausgestaltet, daß sie lediglich die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht und der Beitragshöhe sowie den Beitragseinzug zum Inhalt hat, es den anderen Versicherungsträgern im übrigen aber unbenommen ist, ihre Belange im Rahmen der aufgezeigten Verfahrensrechte eigenständig wahrzunehmen. Eine Ansicht, daß die Entscheidung der Einzugsstelle die anderen Versicherungsträger bindet, ohne daß diese selbst prozessuale Rechte haben, nimmt ihnen im Ergebnis jeden Einfluß auf Entscheidungen über die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragshöhe. Selbst wenn diese Ansicht ihnen das Recht einräumen würde, im Innenverhältnis die Einzugsstelle auf eine Verpflichtung zur Rücknahme der gegenüber Arbeitgeber oder Arbeitnehmer erlassenen Bescheide in Anspruch zu nehmen, wäre dieses wegen der Vertrauensschutz-Regelungen in § 45 SGB X weitgehend nicht zu erreichen. Für die hier betroffene Rentenversicherung kommt hinzu, daß ihre Leistungen wesentlich von der Beitragsentrichtung abhängen und diese durch etwaige Schadensersatzansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle (früher § 1436 Abs 1 RVO, § 158 Abs 1 AVG; später § 28r Abs 1 SGB IV) nicht gesichert wird. Damit bestehen die Gründe für dessen starke verfahrensrechtliche Stellung weiter, die für die Rechtsprechung von vornherein maßgebendes Gewicht hatten (vgl BSGE 15, 118, 123, 125 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO). Die Rechtsprechung führt auch dazu, daß Streitigkeiten mit der Einzugsstelle zwischen allen Beteiligten in der Regel in einem einzigen Rechtsstreit ausgetragen werden können und nicht getrennte Prozesse zwischen der Einzugsstelle mit dem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer einerseits und den Versicherungsträgern andererseits geführt zu werden brauchen.
c) Neuerdings hat der für die Künstlersozialversicherung zuständige 3. Senat des BSG entschieden, daß in Verfahren zur Feststellung der Künstlersozialversicherungspflicht die einzelnen Sozialversicherungsträger im Regelfall nicht notwendig beizuladen sind (Urteil vom 29. Januar 1999 – B 3 KR 2/98 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt). Er hat dieses mit der besonderen Stellung der Künstlersozialkasse begründet und erkennen lassen, daß die ständige Rechtsprechung zum Verhältnis der Einzugsstelle zu den anderen Versicherungsträgern hiervon nicht betroffen ist.
d) Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Klage gegen den Bescheid vom 12. Februar 1990 am 13. Februar 1991 rechtzeitig erhoben worden ist. Da dem Bescheid jede Rechtsbehelfsbelehrung fehlte, lief für alle Klagen gegen ihn nicht die Monatsfrist des § 87 Abs 1 Satz 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG. Sie gilt allgemein, auch für die Einhaltung von Fristen durch Versicherungsträger gegenüber der Einzugsstelle (BSGE 39, 223, 226 = SozR 2200 § 172 Nr 2 S 4; BSG SozR 1500 § 92 Nr 3). Diese Rechtsprechung aufzugeben, sieht der Senat keinen Anlaß, zumal die Anwendung von Fristbestimmungen nicht von Umständen des Einzelfalles abhängig gemacht werden kann. Welche Belehrung erforderlich gewesen wäre (Widerspruch durch Bank und Arbeitnehmer, Klage durch Versicherungsträger), kann daher offenbleiben. Nach der unter 2c genannten Rechtsprechung (BSGE 25, 34 = SozR Nr 52 zu § 77 SGG; BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr 2) lief die Jahresfrist für die Klägerin sogar erst von der Bekanntgabe des Bescheides an die Klägerin an (hier Ende August 1990). Die Klägerin hat die Klage aber bereits innerhalb der Jahresfrist nach Bekanntgabe des Bescheides vom 12. Februar 1990 an die Bank (frühestens am 13. Februar 1990) erhoben.
4. Das Vertrauen der Bank auf den Bestand des angefochtenen Bescheides ist nicht nach § 45 Abs 1 bis 4 SGB X geschützt. Diese Regelung gilt nach § 49 SGB X nicht, weil hier ein (die Bank) begünstigender Verwaltungsakt, der von der Klägerin als Dritter angefochten worden ist, während des sozialgerichtlichen Verfahrens aufgehoben und hierdurch der Klage stattgegeben worden ist. Die Klägerin ist, wenngleich Versicherungsträger, Dritter im Sinne dieser Vorschrift. Dieses beruht auf denselben Gründen, die für ihre Klagebefugnis sprechen. Die Anwendung des § 49 SGB X hängt jedenfalls hier nicht davon ab, ob die durch den Bescheid vom 12. Februar 1990 begünstigte Bank bei seinem Erlaß damit gerechnet hat, daß die Klägerin ihn noch mit der Klage anfechten könnte oder würde. Soweit die Revision eine andere Ansicht vertritt (unter Hinweis auf Steinwedel im Kasseler Kommentar, § 49 SGB X, Stand März 1995, RdNr 4), vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Die Regelung dient der Wahrung der Rechte des Drittbetroffenen. Bei einer Anfechtung des Bescheides durch ihn verdient der Begünstigte, da er mit der Einlegung von Rechtsbehelfen durch andere Personen oder Stellen rechnen muß, keinen Vertrauensschutz (vgl die Begründung des Entwurfs zu der Parallelvorschrift des § 50 des Verwaltungsverfahrensgesetzes in BT-Drucks 7/910 S 73/74 zu § 46). Daß die Klägerin den nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid der Beklagten jedenfalls innerhalb einer Jahresfrist noch anfechten konnte, entsprach der Rechtsprechung des BSG (oben 2c). Für die Anwendung des § 49 SGB X zugunsten der Klägerin einen Hinweis auf die mögliche Drittanfechtung im angefochtenen Bescheid zu fordern, würde dazu führen, daß die Beklagte als Einzugsstelle die Rechte der Klägerin außer durch den Erlaß eines rechtswidrigen Bescheides zusätzlich dadurch beeinträchtigen könnte, daß sie dessen Aufhebung durch Unterlassen eines solchen Hinweises verhindert. Auch auf die Entscheidung des Senats in SozR 1300 § 49 Nr 3 kann sich die Revision nicht mit Erfolg berufen. Dort waren gegenüber „Arbeitgeber” und „Arbeitnehmer” zu unterschiedlichen Zeitpunkten getrennte, wenn auch inhaltsgleiche Bescheide ergangen. Der Senat hat damals § 49 SGB X für entsprechend anwendbar erklärt und dabei erwähnt, daß dem „Arbeitnehmer”, als „sein” Bescheid erging, mitgeteilt worden war, der früher gegenüber dem „Arbeitgeber” erlassene Bescheid sei von diesem angefochten worden. Ob sich hieraus für die Anwendung des § 49 SGB X entscheidungserhebliche Hinweispflichten ergeben, wenn gegenüber mehreren Betroffenen zu unterschiedlichen Zeiten getrennte Bescheide erlassen werden, läßt der Senat offen. Bei Erlaß eines einzigen, nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheides, der den Beteiligten lediglich zu unterschiedlichen Zeiten bekanntgegeben, aber noch innerhalb der Jahresfrist angefochten wird, ist § 49 SGB X anzuwenden. Allerdings besteht die Pflicht der Einzugsstelle, ihren Bescheid mit Rechtsmittelbelehrungen zu versehen und ihn allen Beteiligten gleichzeitig nach den einschlägigen Vorschriften bekanntzugeben oder zuzustellen, um Unsicherheiten unter den Beteiligten, vor allem beim Arbeitgeber, in Grenzen zu halten. Sofern dieses nicht geschieht und darüber hinaus auch der Versuch einer Abstimmung mit den anderen Versicherungsträgern nach § 28h Abs 3 aF SGB IV unterblieben ist, können Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers in Frage kommen, wenn später Beiträge nachgefordert werden und anschließend Arbeitnehmeranteile nicht mehr einbehalten werden können (vgl § 28g SGB IV). Ein Schaden in diesem Sinne könnte allerdings fehlen, wenn – wie anscheinend hier – eine Nettolohnvereinbarung nach § 14 Abs 2 SGB IV vorgelegen und der Arbeitgeber die Beiträge in voller Höhe getragen und erstattet erhalten hat.
5. Hiernach hat das LSG das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid zutreffend aufgehoben, soweit er die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung feststellte. Es hat damit zulässigerweise die Feststellung verbunden, daß der Beigeladene rentenversicherungspflichtig war. Das LSG hat den Bescheid mit Recht auch hinsichtlich der Beitragserstattung aufgehoben. Die Beiträge waren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu Unrecht entrichtet. Für eine Entscheidung über die Erstattung zu Recht entrichteter Rentenversicherungsbeiträge war sie als Einzugsstelle nicht zuständig.
Der angefochtene Bescheid war nicht schon aus formalen Gründen aufzuheben. Zwar ist nicht festgestellt, daß die Beklagte den Beigeladenen nach § 12 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X von dem Verwaltungsverfahren benachrichtigt hat (hierzu und zu den verfahrensrechtlichen Folgen BSGE 55, 160 = SozR 1300 § 12 Nr 1; BSGE 64, 145, 147, 148 = SozR 2100 § 5 Nr 3 S 4/5; BSGE 81, 276, 287, 288 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1 S 13/14). Der Beigeladene hat, wenn das nicht geschehen sein sollte, deswegen jedoch im Prozeß eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens nicht verlangt und kann hierzu nicht mehr befragt werden, weil sein Aufenthalt unbekannt ist. Aus diesem Grunde kommt eine Wiederholung unter seiner Beteiligung auch nicht mehr in Betracht. Ob die Klägerin als Rentenversicherungsträger nach Satz 2 des § 12 Abs 2 SGB X ebenfalls schon vom Verwaltungsverfahren hätte benachrichtigt werden müssen, was der Rechtsprechung zur Klagebefugnis und zur notwendigen Beiladung entspräche (oben 2c), oder ob sie nur nach Satz 1 des § 12 Abs 2 SGB X hinzuzuziehen war (vgl die Gesetzesmaterialien oben 2d), brauchte nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hat im Prozeß allein eine Entscheidung in der Sache angestrebt und auf eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens aus rein verfahrensrechtlichen Gründen verzichtet. Ob eine Beteiligung der Versicherungsträger am Verwaltungsverfahren durch eine Vereinbarung der Spitzenverbände geregelt werden könnte und sollte, hat der Senat nicht zu entscheiden. Schließlich war hier nicht darüber zu befinden, ob andere Versicherungsträger entsprechende Verfahrensrechte haben, wenn – seit 1996 – Rentenversicherungsträger nach § 28p SGB IV bei der Prüfung von Arbeitgebern über die Versicherungs- und Beitragspflicht entscheiden.
Die Revision der beigeladenen Bank erwies sich als unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE 84, 136 |
BSGE, 136 |
AuA 2000, 288 |
NZS 2000, 253 |
SGb 2000, 418 |
SozR 3-2400 § 28h, Nr.9 |
SozSi 2000, 144 |
www.judicialis.de 1999 |