Leitsatz (amtlich)
Gesellschafter und Betriebsleiter einer in der Handwerksrolle eingetragenen Kapitalgesellschaft sind nicht versicherungspflichtig nach dem HwVG.
Normenkette
HwVG § 1 Abs 1; HwO §§ 1, 7 Abs 4
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 19.11.1981; Aktenzeichen L 1 J 37/81) |
SG Bremen (Entscheidung vom 25.05.1981; Aktenzeichen S 11 J 90/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger nach Umwandlung seines Handwerksbetriebs in eine GmbH in der Handwerkerversicherung versicherungspflichtig ist.
Der Kläger ist von Beruf Fliesenlegermeister. Im Juli 1978 wurde er mit dem Handwerk "Fliesen-, Platten- und Mosaikleger" in die Handwerksrolle der Handwerkskammer Bremen eingetragen. Da der Kläger zur gleichen Zeit in München mit einer Fliesenlegerfirma eingetragen war und dort Beiträge zur Handwerkerversicherung entrichtete, stellte die Beklagte Versicherungspflicht wegen des Handwerksbetriebs in Bremen erst ab 1. Januar 1979 fest und forderte vom Kläger Beiträge (Bescheid vom 9. Mai 1979). Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, daß er in der Zeit vom 8. Januar 1979 bis 14. Mai 1979 krank gewesen sei; im übrigen werde der Betrieb am 28. Mai 1979 abgemeldet.
Am 19. März 1979 schlossen der Kläger und seine Ehefrau M K einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dieser Vertrag enthält ua folgende Regelungen:
§ 1
Firma und Sitz
Die Firma der Gesellschaft lautet:
"F M K Gesellschaft mit beschränkter Haftung".
Sitz der Gesellschaft ist Bremen.
§ 2
Gegenstand des Unternehmens
Gegenstand des Unternehmens ist der Handel mit und die Verlegung
von Fliesen jeglicher Art.
§ 3
Stammkapital
Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt DM 20.000,--.
Hierauf übernehmen als Stammeinlage:
1.) Herr M K: DM 10.000,--
2.) Frau M K: DM 10.000,--.
Die Einlagen sind in bar in Höhe von 25 % sofort zu leisten,
die restlichen Einlagen auf Anforderung der Gesellschaft.
§ 6
Geschäftsführung
Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Sind mehrere
Geschäftsführer bestellt, so ist jeder von ihnen
einzelvertretungsberechtigt.
Zum ersten alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer wird hiermit
der Fliesenlegermeister M K, geb am 26.9.1953, wohnhaft in B, R
L-straße 119 bestellt.
Die Geschäftsführer sind von den Beschränkungen des § 181 BGB
befreit.
§ 7
Gesellschafterversammlung
Für die Ankündigung und Einberufung einer Gesellschafterversammlung
gelten die gesetzlichen Vorschriften. Jeder Gesellschafter kann
sich mittels schriftlicher Vollmacht in der
Gesellschafterversammlung vertreten lassen.
Das Stimmrecht der Gesellschaft entspricht ihrer Beteiligung am
Stammkapital. Auf angefangene DM 1.000,-- Geschäftsanteile
entfällt eine Stimme.
Beschlüsse der Gesellschaft werden mit einfacher Mehrheit
gefaßt, wenn das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit
vorschreibt.
Beschlüsse der Gesellschaft können auch im Wege der schriftlichen
Abstimmung gefaßt werden, wenn nicht mindestens 2 Gesellschafter
widersprechen.
Am 12. Juli 1979 beschloß die Gesellschafterversammlung, die Ehefrau des Klägers unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin zu bestellen.
Ausweislich der Mitteilung der Handwerkskammer Bremen vom 3. Juli 1979 wurde der Kläger mit dem Handwerk Fliesen-, Platten- und Mosaikleger am 28. Mai 1979 in der Handwerksrolle gelöscht und durch die Firma Fliesenfachgeschäft M K Gesellschaft mit beschränkter Haftung ersetzt.
Die Beklagte teilte aufgrund dieses Sachverhalts dem Kläger mit Bescheid vom 18. September 1979 mit, daß er aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis 31. Mai 1979 von der Versicherungspflicht befreit sei, im übrigen jedoch weiterhin der Versicherungspflicht nach dem Handwerkerversicherungsgesetz (HwVG) unterliege. Da der Kläger für die technische Leitung des Betriebes der GmbH verantwortlich sei und sich das gesamte Kapital in der Ehegemeinschaft befinde, hätten sich gegenüber der ursprünglichen Eintragung als Einzelhandwerker keine wesentlichen Änderungen ergeben (ebenso Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1980).
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Bremen vom 25. Mai 1981). Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG ist zurückgewiesen worden (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Bremen vom 19. November 1981). Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß aus dem Wortlaut des § 1 HwVG gerade im Verhältnis zu der anders lautenden Fassung des § 1 der Handwerksordnung (HwO) ablesbar sei, daß Gesellschafter von juristischen Personen - dazu gehöre die GmbH - und deren Betriebsleiter nicht versicherungspflichtig nach dem HwVG seien. Weder aus Systematik des Gesetzes noch aus den Gesetzesmaterialien seien Hinweise zu entnehmen, aus denen im Wege ausdehnender Auslegung von § 1 HwVG eine Versicherungspflicht von Gesellschaftern und Betriebsleitern einer GmbH geschlossen werden könnte. Die Verhaltensweise des Klägers (Umwandlung seines Betriebes in eine GmbH) könne auch nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß sie nur zur Umgehung der Beitragspflicht vorgenommen worden sei. Aus den tatsächlichen Verhältnissen sei schließlich auch nicht zu entnehmen, daß der Kläger den Betrieb in Wahrheit gar nicht als GmbH, sonder weiterhin als Einzelhandwerker betreibe, es sich also nur um ein Scheingeschäft handele.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, § 1 Abs 1 Satz 2 HwVG, der lediglich die Gesellschafter von Personengesellschaften erwähne, habe nicht den Zweck, die Versicherungspflicht von Gesellschaftern und Betriebsleitern einer juristischen Person auszuschließen, sondern diene lediglich der im Bereich der Personengesellschaften notwendigen Klarstellung. Es wäre unverständlich, wenn es dem Handwerker überlassen bliebe, durch die Wahl der juristischen Form seines Unternehmens über die Versicherungspflicht zu entscheiden.
Im übrigen stehe außer Zweifel, daß der Kläger weiterhin den Betrieb leite.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen. Er beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der Kläger als Gesellschafter und Betriebsleiter einer GmbH nicht der Versicherungspflicht nach dem HwVG unterliegt.
Bereits der Wortlaut des § 1 Abs 1 HwVG deutet darauf hin, daß nur Handwerker, die ihr Unternehmen als Einzelperson oder als Gesellschafter einer Personengesellschaft betreiben, versicherungspflichtig sind. Der einschränkenden Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 HwVG durch die Beklagte steht außerdem der Funktionszusammenhang zwischen HwO und HwVG entgegen. In § 1 HwO ist aufgeführt, wer in die Handwerksrolle eingetragen werden kann. Dort werden neben natürlichen Personen und Personengesellschaften auch die juristischen Personen genannt. § 7 Abs 4 Satz 1 HwO regelt die Voraussetzungen für die Eintragung juristischer Personen. Voraussetzung ist, daß sie einen Betriebsleiter haben, der die Voraussetzungen für die Eintragung als Handwerker erfüllt. Die Möglichkeit, das Handwerk auch in Form einer juristischen Person zu betreiben, ist mithin nicht unbeachtet geblieben. Versicherungspflicht kann indes nur für natürliche Personen bestehen. Wenn in § 1 HwVG eingetragene Handwerker als versicherungspflichtig bezeichnet werden, so kann sich dies mithin nur auf Handwerker beziehen, die ihr Handwerk als Einzelperson betreiben. Es bedurfte deshalb bereits für Personengesellschaften einer besonderen Regelung, wer versicherungspflichtig ist, wobei dann eine Ausdehnung auf alle Gesellschafter der Personengesellschaft erfolgt ist, die die Handwerkereigenschaft besitzen, auch wenn sie nicht aktiv im Betrieb mitarbeiten. Betriebsleiter und Gesellschafter juristischer Personen sind nicht erwähnt. Sie können demgemäß auch nicht versicherungspflichtig sein. Sie gehören weder zu denjenigen, die nach § 1 HwO mit dem Handwerk eingetragen werden können, noch sind sie durch besondere Bestimmungen des HwVG in den Kreis der versicherungspflichtigen Personen einbezogen worden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß es sich hier um eine Lücke im Gesetz handelt. Das wäre nur möglich, wenn sich das Fehlen einer auch Betriebsleiter und Gesellschafter einer GmbH erfassenden Bestimmung als Lücke im Gesetz erwiese, der Plan des Gesetzgebers also eindeutig dahinginge, die Versicherungspflicht auch dieses Personenkreises zu regeln. Für eine solche Auffassung bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte. Angesichts der Erwähnung der Kapitalgesellschaften in § 1 HwO und angesichts des engen Zusammenhangs zwischen § 1 HwO und § 1 Abs 1 HwVG kann nicht angenommen werden, daß die Regelung der Verhältnisse juristischer Personen bei Fassung des § 1 HwVG vergessen wurde. Unterstützend hierzu ist darauf hinzuweisen, daß auch in einem anderen Bereich, in dem sich ähnliche Probleme stellen, nämlich in § 1 Abs 3 Satz 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) die Einbeziehung von Gesellschaftern juristischer Personen ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Der Senat sieht deshalb keine Möglichkeit, § 1 Abs 1 HwVG insoweit ausdehnend auszulegen. Allein die Überlegung, daß eine solche Ausdehnung sinnvoll sei, berechtigt nicht, den Gesetzgeber im Wege der Rechtsprechung zu korrigieren.
Als Mißbrauch kann eine Umwandlung in eine GmbH, wie das LSG mit Recht entschieden hat, regelmäßig nicht angesehen werden. Das LSG hat im übrigen unangegriffen festgestellt, daß vom tatsächlichen her hierfür auch keine Anhaltspunkte vorhanden sind.
Im übrigen kann auf die Begründung des LSG verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen