Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. unangemessene Verfahrensdauer. richterlicher Überprüfungsmaßstab des Entschädigungsgerichts. Kontrolldichte des Revisionsgerichts. Zwölfmonatsregel. Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten pro Gerichtsinstanz. Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren kein Teil des Gerichtsverfahrens. richterliche Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung. gleichzeitige Aktenanforderung. eigenes Prozessverhalten des Entschädigungsklägers. umfangreiches und nicht sachdienliches Vorbringen. Verzögerung durch zulässiges Prozessverhalten. Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit. sozialgerichtliches Verfahren. Anforderungen an die Revisionsbegründung. Übertragung der Prozessvertretung des beklagten Landes auf die LSG-Präsidentin. Zurückverweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren ist nicht Teil des Gerichtsverfahrens iS des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren (Anschluss an BVerwG vom 11.7.2013 - 5 C 23.12 D = BVerwGE 147, 146).
2. Von der Gesamtverfahrensdauer ist eine angemessene Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts in Abzug zu bringen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeit beläuft sich auf bis zu zwölf Monaten je Instanz vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls.
3. Bei Überlänge eines Gerichtsverfahrens kommt eine Kompensation eines Nichtvermögensschadens durch die gerichtliche Feststellung der Überlänge des Verfahrens nur ausnahmsweise in Betracht (vgl BSG vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL = BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1).
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Revision gegen die Entscheidung des LSG über den Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens prüft das BSG als Revisionsgericht ua, ob das LSG den Gesamtzeitraum des Verfahrens zutreffend ermittelt und den für eine Prüfung der angemessenen Verfahrensdauer bedeutsamen Gesichtspunkten Beachtung geschenkt hat, ob es die Bedeutung und die Schwierigkeit des Verfahrens, das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und vor allem die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen hat, ob es im Grundsatz vom zutreffenden eigenen richterlichen Überprüfungsmaßstab ausgegangen ist und ob es bei der Anwendung dieses Maßstabs die Grenzen des Verfahrensermessens des Ausgangsgerichts nicht zu weit gezogen hat.
2. Ungeachtet richterlicher Unabhängigkeit besteht eine richterliche Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung (vgl § 92 Abs 2 S 2, § 104 S 2, 3 und 5, § 106 Abs 2 und 3 und § 106a SGG), welche es gebieten kann, beizuziehende Akten aus anderen Verfahren nicht erst nacheinander anzufordern (hier Anforderung der Akten der Polizeibehörden zur Feststellung eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs nach § 1 OEG erst zweiundzwanzig Monate nach Anforderung der Akten aus einem Schwerbehindertenverfahren zur Feststellung von etwaigen Schädigungsfolgen).
3. Dem Verhalten des Entschädigungsklägers im Ausgangsverfahren kommt unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung einer Verzögerung ganz wesentliches Gewicht zu (hier ua Übersendung von umfangreichem Material an das Gericht, welches nach Sichtung nicht von Bedeutung für das Verfahren gewesen war).
4. Auch vom Kläger selbst herbeigeführte Verfahrensverzögerungen im Rahmen zulässigen Prozessverhaltens fallen in seinen Verantwortungsbereich (zB häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anträge, Fristverlängerungsanträge, Ruhensanträge; vgl BGH vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 = NJW 2014, 1816).
5. Anlässlich der Übertragung der Vertretung des beklagten Landes auf die Präsidentin des LSG macht der Senat darauf aufmerksam, dass es der Intention des ÜGG (juris: ÜberlVfRSchG) zuwiderläuft, wenn Angehörige eines Gerichts in der Revisionsinstanz nicht nur dessen Entschädigungsurteile sowie mittelbar ggf auch die Entscheidungen in den Ausgangsverfahren und damit das Handeln der eigenen Kollegen, sondern darüber hinaus noch Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers zu vertreten haben.
6. Die Darlegungsanforderungen an die Revisionsbegründung dürfen nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl BVerfG vom 7.11.2013 - 2 BvR 1895/11 = InfAuslR 2014, 40 und vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 = BVerfGE 125, 104).
Normenkette
GVG § 198 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 Sätze 3-4, Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 1, Abs. 6 Nr. 1, §§ 200, 201 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; ÜberlVfRSchG Art. 23 Sätze 1, 6; BGB § 288 Abs. 1, § 291 S. 1; SGG § 92 Abs. 2 S. 2, § 104 Sätze 2-3, 5, § 106 Abs. 2-3, §§ 106a, 164 Abs. 2 Sätze 1, 3, § 170 Abs. 2 S. 2, § 73 Abs. 4, § 202; OEG § 1; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 97 Abs. 1; EMRK Art. 6
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit er die Entschädigungsklage wegen unangemessener Dauer des Verfahrens vor dem Sozialgericht Neuruppin (S 3 VG 66/06 = S 11 VG 324/07) betrifft.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3600 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Entschädigung von Nachteilen des Klägers wegen überlanger Verfahrensdauer in einem Verfahren vor dem SG Neuruppin und dem LSG Berlin-Brandenburg.
Im Ausgangsverfahren begehrte der Kläger, ein Polizeibeamter im Ruhestand, Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), weil er sich während eines Dienstes im Mai 2000 von seinem Kollegen vorsätzlich mit einer Schusswaffe bedroht fühlte. Sein im August 2004 gestellter Antrag blieb ebenso ohne Erfolg (Bescheid vom 22.7.2005; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2006) wie seine beim SG erhobene Klage. Gleichzeitig führte er beim SG ein Verfahren zur Anerkennung einer Schwerbehinderung. Während des Klageverfahrens gingen im Juni 2006 die Klageerwiderung des Beklagten und zwischen Juli 2006 und April 2009 weitere Schriftsätze des Klägers bzw dessen Prozessbevollmächtigten bei Gericht ein, ua mit dem Begehren einer Terminierung im Juni 2007 unter Hinweis auf von ihm selbst zu tragende Behandlungskosten von monatlich etwa 300 Euro. Im Dezember 2007 regte der Kläger die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens an und legte im April 2009 ein im parallelen Schwerbehindertenverfahren eingeholtes Gutachten vor. Das SG forderte im Juli 2008 die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (StA) sowie Unterlagen des Bundesgrenzschutzpräsidiums an. Nach Eingang der erreichbaren Akten verfügte der Kammervorsitzende am 29.7.2008, dass die Sache "alsbald" zur Sitzung vorgesehen sei. Der für den 16.7.2009 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf Antrag des Klägers auf den 27.8.2009 verlegt. Das an diesem Tage ergangene klageabweisende Urteil wurde dem Kläger am 9.11.2009 zugestellt.
Im Rahmen seiner bereits am 7.10.2009 eingelegten und im Dezember 2009 begründeten Berufung brachte der Kläger im Mai 2010 zahlreiche weitere medizinische Unterlagen bei und machte im Juli 2010 weiteren Vortrag zur Sach- und Rechtslage. Nach einem am 17.2.2011 durchgeführten Erörterungstermin wies der Berichterstatter auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hin und zog aufgrund eines vom Kläger behaupteten Geständnisses seines früheren Kollegen nochmals die Akten der StA bei. Nach Ermittlung der Aktenzeichen des parallelen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stellte der Berichterstatter fest, dass eine Bedrohung des Klägers durch dessen Kollegen nicht nachgewiesen war (Urteil des VG vom 10.11.2010; Beschluss des OVG vom 15.2.2011), worauf er nochmals die Rücknahme der Berufung anregte. Ein daraufhin vom Kläger gestellter Aussetzungsantrag vom 1.7.2011 blieb erfolglos. Am 25.7.2011 nahm der Kläger seine Berufung zurück.
Nach erfolgloser Forderung einer Entschädigung vom Beklagten in Höhe von 3600 Euro wegen überlanger Dauer des sozialrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens hat der Kläger am 18.5.2012 beim LSG Entschädigungsklage erhoben. Das für ihn bedeutsame Verfahren sei nicht schwierig, aber unter Einbeziehung des Widerspruchsverfahrens überlang gewesen, ohne dass ihm Verfahrensverzögerungen anzulasten seien. Er habe mehrfach auf eine zügige Bearbeitung gedrängt. Das Verfahren beim SG sei zwei Jahre und vier Monate und das Verfahren beim LSG vier Monate überlang gewesen.
Das LSG hat die Klage abgewiesen. Eine Entschädigung wegen der Dauer des Widerspruchsverfahrens scheide bereits aus, weil dieses kein Gerichtsverfahren iS des § 198 Abs 6 Nr 1 GVG sei. Die übrige Verfahrensdauer sei bei einheitlicher Gesamtwürdigung beider Rechtszüge auch unter Beachtung der aufgetretenen Verzögerungen nicht als unangemessen lang anzusehen. Dabei sei das Ausgangsverfahren von durchschnittlicher Schwierigkeit und Bedeutung für den Kläger gewesen. Dem Kläger sei anzulasten, auf gerichtliche Anfragen nicht sachdienlich reagiert zu haben. Das Verfahren sei bei wechselnder Bevollmächtigung auch im parallelen Schwerbehindertenverfahren nicht stringent geführt, Zeugen seien nach der Terminierung benannt worden, ohne dass sich Behauptungen des Klägers substantiieren ließen. Umfangreich zu sichtendes Material sei nicht entscheidungsrelevant gewesen und eine angekündigte Befragung eines Schusswaffensachverständigen sei nicht erfolgt. Der Aussetzungsantrag zeige, dass die zügige Verfahrenserledigung für den Kläger keinesfalls im Vordergrund gestanden habe. Erstinstanzlich sei es zwar nach August 2006 über fast zwei Jahre nicht zu erkennbaren wesentlichen Bearbeitungsschritten gekommen. Dennoch sei das Verfahren unter Abwarten des weiteren Verfahrensganges im parallelen Schwerbehindertenverfahren betrieben worden. Dies sei im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit noch vertretbar, zumal der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch an medizinische Voraussetzungen geknüpft sei. Die Terminierung auf den 16.7.2009 nach angenommener Entscheidungsreife Ende Juli 2008 halte sich noch im Rahmen des richterlichen Gestaltungsspielraums, der es einem Kammervorsitzenden erlaube selbst darüber zu befinden, in welcher Reihenfolge er entscheidungsreife Verfahren ansetze. Die Terminverlegung auf den 27.8.2009 resultiere aus der Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Im Berufungsverfahren habe nach Vorlage der Begründung und Erwiderung im Januar 2010 bis zur Anberaumung des Erörterungstermins Anfang Januar 2011 keine sichtbare Förderung des Verfahrens vorgelegen. In diesem Zeitraum habe sich das Gericht allerdings mit vom Kläger persönlich eingereichten Schriftsätzen auseinandersetzen müssen. Nach dem Erörterungstermin habe das LSG mangels Mitteilung durch den Kläger das Aktenzeichen des für den Kläger negativ verlaufenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ermitteln und diese Vorgänge beiziehen müssen (Urteil vom 4.9.2013).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 198 Abs 1 S 1 GVG iVm § 198 Abs 6 Nr 1 GVG. Die Unangemessenheit der Dauer des Gerichtsverfahrens bestimme sich unter getrennter Beurteilung des Widerspruchsverfahrens, des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens, die allesamt überlang gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2013 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 3600 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers (dazu unter 1.) ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), soweit das LSG im angefochtenen Urteil einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens vor dem SG Neuruppin verneint und die Klage abgewiesen hat (dazu unter 2.). Dagegen war die Revision zurückzuweisen, soweit das LSG mit seinem Urteil vom 4.9.2013 die Klage abgewiesen hat, weil das Verfahren vor dem LSG Berlin-Brandenburg nicht überlang gewesen ist (dazu unter 3.).
1. Die Revision des Klägers ist zulässig.
a) Sie ist entgegen der Ansicht des Beklagten hinreichend substantiiert begründet worden. Nach § 164 Abs 2 S 1 und 3 SGG muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben (vgl zu den Begründungserfordernissen zB BSG Beschluss vom 13.5.2011 - B 13 R 30/10 R - Juris RdNr 11 ff mwN; BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 23/10 R - Juris RdNr 12; Senatsbeschluss vom 14.1.2014 - B 10 ÜG 7/13 R - RdNr 5). Zweck des Erfordernisses einer Revisionsbegründung ist es nicht, eine qualifizierte Erfolgsprognose über das Rechtsmittel in der Hauptsache zu einem Bestandteil der Sachurteilsvoraussetzungen desselben zu machen und die Begründetheitsprüfung in die Zulässigkeitsprüfung zu verlagern. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass der Zugang zu den Gerichten zwar von der Erfüllung und dem Fortbestand bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf (vgl BVerfGE 9, 194 199 f; 40, 272, 274; 77, 275, 284; stRspr), der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen aber nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl BVerfGE 40, 272 274 f; 54, 94, 97; 77, 275, 284; 78, 88, 99; 88, 118, 124). Insbesondere darf ein Gericht nicht durch die Art der Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Anspruch auf die gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzen (vgl BVerfGE 84, 366, 369 f). Eröffnet das Prozessrecht eine weitere Instanz, so muss auch in diesem Rahmen eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein (vgl BVerfGE 40, 272, 274 f; 54, 94, 96 f; 96, 27, 39). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl BVerfGE 78, 88, 98 f; 96, 27, 39). Die Darlegungsanforderungen dürfen dabei nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl Stattgebenden Kammerbeschluss vom 7.11.2013 - 2 BvR 1895/11 - RdNr 14; BVerfGE 125, 104, 137 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Klägers, mit der er eine Verletzung des § 198 GVG geltend macht.
Für die Entscheidung über Entschädigungsansprüche nach §§ 198 ff GVG wegen überlanger Verfahrensdauer beim SG und LSG ist in der Revisionsinstanz das BSG zuständig (§ 39 Abs 1, §§ 160 ff, 202 S 2 SGG).
b) Der Senat hat das Begehren des Klägers sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff GVG zu messen, obwohl diese Vorschriften erst nach Abschluss des hier von dem Kläger als überlang gerügten Verfahrens in Kraft getreten sind (zeitlicher Anwendungsbereich des § 198 GVG). Die Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) und damit auch die §§ 198 ff GVG finden aufgrund der Übergangsregelung des Art 23 S 1 ÜGG auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 (vgl Art 24 ÜGG) zwar bereits abgeschlossen waren, aber noch Gegenstand einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) werden konnten.
Dies ist hier der Fall. Die sechsmonatige Beschwerdefrist nach Art 35 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) war am Tage des Inkrafttretens des ÜGG (3.12.2011) noch nicht abgelaufen, da das vorliegend streitbefangene Verfahren mit der Berufungsrücknahme vor dem LSG am 28.7.2011 durch den Verlust des Rechtmittels (§ 156 Abs 3 S 1 SGG) beendet gewesen ist.
Trotz der Rücknahme der Berufung kommt diesbezüglich anders als in strafrechtlichen Verfahren (s hierzu EGMR vom 3.4.2007 Nr 14374/03, RdNr 28 ff = NJW 2008, 3273) kein offensichtlicher Verlust des Beschwerderechts in Betracht, weil eine mögliche Verfahrensverzögerung für den Ausgang des ursprünglichen Verfahrens keine Bedeutung gehabt hätte. Für die Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften des ÜGG reicht es aus, wenn der Kläger - wie hier - einen Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG geltend macht (vgl Senatsbeschluss vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - Juris RdNr 20, SozR 4-1710 Art 23 Nr 1 = NZS 2013, 958).
c) Das LSG war für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs 1 S 1 GVG iVm § 202 S 2 SGG für Klagen auf Entschädigungen nach § 198 GVG gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige LSG zuständig.
d) Die Entschädigungsklage ist auch rechtzeitig innerhalb der für "Altfälle" geltenden Klagefrist erhoben worden. Die Klagefrist ist als besondere Zulässigkeitsvoraussetzung vom Gericht von Amts wegen zu prüfen (vgl BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - Juris RdNr 18, BGHZ 199, 190 = NJW 2014, 789; Senatsurteile vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -, BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1 und - B 10 ÜG 2/12 KL - jeweils RdNr 17 mwN). Grundsätzlich muss die Klage nach § 198 Abs 5 S 2 GVG spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Diese Regelung findet auf Verfahren der vorliegenden Art keine Anwendung (Art 23 S 5 ÜGG). Nach Art 23 S 6 ÜGG konnte die Klage in "Altfällen" zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs 1 GVG bei abgeschlossenen Verfahren sofort erhoben werden, sie musste jedoch spätestens am 3.6.2012 erhoben werden. Diese Frist hat der Kläger mit seiner am 18.5.2012 erhobenen Klage gewahrt.
e) Das beklagte Land ist im Verfahren wirksam durch die Präsidentin des LSG Berlin-Brandenburg vertreten worden. Bei der Übertragung der Vertretung des beklagten Landes Brandenburg auf die Präsidentin des LSG Berlin-Brandenburg im Erlasswege (Nr 5 der Vertretungsordnung JM Brandenburg, Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 9.6.1992 - JMBI S 78 idF vom 21.11.2012 - JMBI S 116) handelt es sich nicht um eine wesentliche Organisationsentscheidung, die hätte zwingend durch Parlamentsgesetz getroffen werden müssen (vgl im Einzelnen BFH Urteil vom 17.4.2013 - X K 3/12 - BFHE 240, 516, Juris RdNr 30 ff). Die Vertretungsregelung ist daher nicht zu beanstanden. Der Senat macht aber darauf aufmerksam, dass es der Intension des ÜGG zuwider läuft, wenn Angehörige eines Gerichts in der Revisionsinstanz nicht nur dessen Entschädigungsurteile sowie mittelbar ggf auch die Entscheidungen in den Ausgangsverfahren und damit das Handeln der eigenen Kollegen und darüber hinaus Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers zu vertreten haben. Diese können sie in keiner Weise beeinflussen, obwohl diese Entscheidungen möglicherweise die wesentliche strukturelle Ursache für die Überlastung der Gerichte und damit für überlange Verfahrensdauer bilden.
f) Die Entschädigungsklage ist schließlich als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) statthaft, ohne dass zuvor ein vom Gesetz nicht vorgesehener Verwaltungsakt (vgl § 198 Abs 5 GVG) zu ergehen hatte (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -, BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1 und - B 10 ÜG 2/12 KL -, jeweils RdNr 15).
2. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, soweit sie die Entschädigungsklage wegen der Dauer des Verfahrens vor dem SG Neuruppin betrifft. Zwar hat der Kläger den richtigen Beklagten verklagt (dazu a) und die Entschädigungsklage ohne vorherige Verzögerungsrüge erheben können (dazu b), jedoch hat das LSG eine unangemessene Verfahrensdauer vor dem SG Neuruppin rechtsfehlerhaft verneint (dazu c).
a) Das beklagte Land Brandenburg ist für die Entschädigungsklage nach § 200 S 1 GVG passiv legitimiert, weil es danach für Nachteile haftet, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten entstehen; solche Nachteile macht der Kläger aufgrund seines bei dem SG Neuruppin und dem LSG geführten Verfahrens geltend.
b) Eine Verzögerungsrüge brauchte der Kläger - ausnahmsweise - nicht zu erheben. Nach Art 23 S 5 ÜGG bedarf es einer solchen Rüge iS des § 198 Abs 3 und 5 GVG nicht, wenn das Ausgangsverfahren - wie das des Klägers durch die Berufungsrücknahme vom 28.7.2011 - bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 bereits abgeschlossen war, da die Beteiligten eines Verfahrens vor Inkrafttreten des ÜGG ihre Rüge Obliegenheit nicht kennen konnten (vgl BT-Drucks 17/3802 S 31 zu Art 22).
c) Die Ausführungen des LSG zur angemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem SG Neuruppin halten revisionsrichterlicher Überprüfung allerdings nicht vollständig stand. Zwar hat das LSG die Einbeziehung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens in den gesamten Zeitraum des gerichtlichen Verfahrens zu Recht verneint (dazu aa) und den für eine Prüfung der angemessenen Verfahrensdauer bedeutsamen Gesichtspunkten Beachtung geschenkt (dazu allgemein bb); es hat zu Recht die Bedeutung (cc) und die Schwierigkeit (dd) des Verfahrens, das Verhalten der Verfahrensbeteiligten (ee) und vor allem die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen (ff). Das LSG ist zudem, soweit es um die Würdigung dieser Prozessleitung geht, im Grundsatz von einem zutreffenden richterlichen Überprüfungsmaßstab des Entschädigungsgerichts ausgegangen (gg). Es hat dann aber die Grenzen des verfahrensrechtlichen Gestaltungsspielraums des Ausgangsgerichts auch unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit zu weit gezogen, indem es der richterlichen Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung (vgl zB § 92 Abs 2 S 2, § 104 S 2, 3 und 5, § 106 Abs 2 und 3 und § 106a SGG) keine hinreichende Bedeutung beigemessen hat (hh). Nach Zurückverweisung der Sache wird das LSG dies im Rahmen seiner erneuten Bewertung der einzelnen Verfahrensabschnitte beachten und in die Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände einbeziehen müssen (ii); dabei darf es dem Ausgangsgericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit von in der Regel zwölf Monaten zugestehen, muss aber auch insoweit prüfen, ob die übrigen Gesichtspunkte/Umstände des konkreten Einzelfalles ausnahmsweise keine Verlängerung oder Verkürzung dieses Zeitrahmens zulassen oder gebieten (jj).
aa) Das LSG hat das Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren zu Recht nicht als Teil des Gerichtsverfahrens iS von § 198 GVG angesehen.
Nach § 198 Abs 1 S 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Damit setzt der vom Kläger geltend gemachte Anspruch voraus, dass ein Gerichtsverfahren vorliegt, das unangemessen lang angedauert hat. Gemäß § 198 Abs 6 Nr 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 1 S 1 GVG jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren. In diesem Sinne ist - wie das LSG zu Recht angenommen hat - vorliegend das abgeschlossene sozialgerichtliche Klage- und Berufungsverfahren vom Zeitpunkt der Klagerhebung bis zur formellen Rechtskraft der Entscheidung berücksichtigungsfähig, nicht jedoch das der Klage vorangehende Widerspruchsverfahren.
Nach der Entscheidung des BVerwG mit Urteil vom 11.7.2013 (5 C 23/12 D - Juris RdNr 20 bis 24, BVerwGE 147, 146), der sich der erkennende Senat anschließt, sind das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens iS von § 198 Abs 1 S 1 und § 198 Abs 6 Nr 1 GVG. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut "Gerichtsverfahren" im Gesetz selbst und entspricht nach den Gesetzesmaterialien dem Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 17/3802 S 17 f; s umfassende Begründung bei BVerwG, aaO; Loytved, juris PR-SozR 3/2014 Anm 4). Hinsichtlich des Bezugsrahmens (Zeitraums) der materiell-rechtlichen Bewertung der Angemessenheit der Verfahrensdauer benennt § 198 Abs 6 Nr 1 GVG ausdrücklich "jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss". Damit ist der gesamte Zeitraum (Gesamtdauer) von der Einleitung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung als ein gerichtliches Verfahren zu behandeln, auch wenn dieses über mehrere Instanzen oder bei verschiedenen Gerichten geführt worden ist (vgl Senatsurteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R; BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - Juris RdNr 4 = BGHZ 199, 190 ff = NJW 2014, 789; BGH Urteil vom 13.2.2014 - III ZR 311/13 - Juris RdNr 28, NJW 2014, 1183; BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 - Juris RdNr 23 mwN, NJW 2014, 1816; umfassend gleichfalls: BVerwG, aaO, RdNr 17 f; Ott in Steinbeiß/Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, A § 198 GVG RdNr 78).
bb) Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs 1 S 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Haftungsgrund für den gesetzlich begründeten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer bildet die Verletzung des in Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG sowie Art 6 Abs 1 EMRK verankerten Rechts der Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit. Der unbestimmte Rechtsbegriff "unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens" ist daher insbesondere unter Rückgriff auf diejenigen Grundsätze auszulegen, die der EGMR zu Art 6 Abs 1 S 1 EMRK und das BVerfG zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) sowie zum Justizgewährleistungsanspruch (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) entwickelt haben (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 25). Denn das ÜGG geht maßgeblich auf die Forderung des EGMR zurück, die Mitgliedsstaaten des Europarates sollten zur Entlastung des Gerichtshofs ein solches Rechtsinstitut schaffen (vgl ua EGMR Individualbeschwerde Nr 75529/01 Sürmeli/Deutschland).
Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs 6 Nr 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Monat.
Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG hat eine Laufzeit des erstinstanzlichen Verfahrens vom 6.4.2006 bis 27.8.2009 mit dem sich anschließenden Ende des Berufungsverfahrens am 28.7.2011 (insgesamt fünf Jahre und vier Monate) vorgelegen. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG hat bis zur Zustellung der Entscheidung am 9.11.2009 drei Jahre und sieben Monate angedauert.
In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs 1 S 2 GVG genannten Kriterien zu messen, die auch unter Heranziehung der Rechtsprechung des EGMR und BVerfG auszulegen und zu vervollständigen sind (cc bis gg).
Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs 1 S 2 GVG genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob das Entschädigungsgericht den Bedeutungsgehalt der unbestimmten Rechtsbegriffe aus § 198 Abs 1 S 2 GVG und damit den rechtlichen Rahmen zutreffend erkannt und ihn ausfüllend alle erforderlichen Tatsachen festgestellt und angemessen berücksichtigt hat, ohne Denkgesetze bzw allgemeine Erfahrungssätze zu verletzen (vgl BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190 RdNr 47 mwN) oder gegen seine Amtsermittlungspflicht zu verstoßen. Maßgeblich ist, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (BGH Urteil vom 13.2.2014 - III ZR 311/13 - NJW 2014, 1183, Juris RdNr 47; BVerwG Urteil vom 11.7.2013 - 5 C 23/12 D = BVerwGE 147, 146 RdNr 41).
Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -, BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 26; BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 -, NJW 2014, 1816, Juris RdNr 31). Dabei geht der Senat davon aus, das vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die zwölf Monate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht (jj).
cc) Das LSG hat die Bedeutung des Ausgangsverfahrens rechtsfehlerfrei in seine Bewertung der Angemessenheit eingestellt.
Die von § 198 GVG genannte Bedeutung eines Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Der EGMR hat deshalb eine besondere Bedeutung von Verfahren ua dann angenommen, wenn es um die finanzielle Versorgung in Renten- oder Arbeitssachen sowie um andere Verfahren wegen sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche ging (vgl EGMR Urteil vom 8.6.2006 - Individualbeschwerde Nr 75529/01 Sürmeli/Deutschland, RdNr 133, NJW 2006, 2389; s auch insgesamt die Darstellung in BVerwG Urteil vom 11.7.2013 - 5 C 23/12 D - RdNr 47 mwN, BVerwGE 147, 146; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Art 6 RdNr 262). Zur Bedeutung der Sache iS von § 198 Abs 1 S 2 GVG trägt dabei im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei (Priebe in: Festschrift für Werner von Simson ≪1983≫, S 301 f). Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkten (vgl Magnus, ZZP 2012, S 75, 76).
Insofern verstößt die Wertung des LSG, dass das Verfahren für den Kläger eine durchschnittliche Bedeutung gehabt hat, nicht gegen Denkgesetze und ist für das Revisionsgericht nicht angreifbar. Bei dem vom Kläger geltend gemachten Versorgungsanspruch handelt es sich nicht um eine den Status sichernde Grundversorgung wie Arbeitseinkommen oder eine Rente. Der Kläger ist bereits wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, erhält entsprechend Versorgung und ist grundsätzlich gegen Krankheit abgesichert. Hierzu hat das LSG plausibel abgewogen, dass im Falle einer Versorgung nach dem OEG iVm dem BVG nicht zu erkennen ist, dass Ansprüche auf Heilbehandlung erworben werden würden, die (wesentlich) über das hinausgehen könnten, was dem Kläger bereits über die Beihilfe und private Krankenversicherung zukommt. Ein besonderes Interesse des Klägers an einem beschleunigten Abschluss des Verfahrens ergibt sich danach auch nicht vor dem Hintergrund seiner Behauptung, monatlich zusätzliche Behandlungskosten von etwa 300 Euro zu haben.
dd) Ebenso wenig sind Rechtsfehler zu erkennen, soweit das LSG hinsichtlich des Ausgangsverfahrens im Ergebnis von einer durchschnittlichen Schwierigkeit ausgegangen ist. Ob ein vorsätzlicher, rechtswidriger Angriff iS von § 1 OEG vorgelegen hat, der zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, mag durchaus - wie das LSG meint - rechtlich keine wesentlich schwierige Frage enthalten. Allerdings ist die Aufklärung der damit verbundenen tatsächlichen Fragen teilweise recht umfangreich gewesen, nicht zuletzt durch die mehrfach erforderliche Beiziehung der strafprozessualen Vorgänge sowie verschiedener paralleler Verwaltungsvorgänge und Verwaltungsgerichtsakten nebst der Prüfung eventuell erforderlicher Zeugenvernehmungen oder medizinischer Ermittlungen. Aus diesen Umständen resultiert eine "gewisse Komplexität", die die Annahme rechtfertigt, "dass von vorneherein mit zeitaufwendigen zusätzlichen Verfahrensschritten und einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen war" (vgl hierzu: BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13, aaO, Juris RdNr 39).
ee) Soweit das LSG dem Kläger im Rahmen der Prüfung seines prozessualen Verhaltens eine Verzögerung des Rechtsstreits anlastet, lässt auch diese Würdigung keinen Rechtsfehler erkennen. Diesbezüglich hat das LSG eine Verzögerung angenommen, weil der Kläger bzw seine jeweiligen Prozessbevollmächtigten auf gerichtliche Anfragen nicht sachdienlich geantwortet haben, weil der Kläger wiederholt unter Umgehung seiner Prozessbevollmächtigten persönlich Kontakt zum Gericht aufgenommen, er widersprechende Anträge angekündigt oder gestellt hat, eventuelle Zeugen erst spät im Verfahren nach der Terminierung benannt hat, weil er tatsächliche Behauptungen aufgestellt hat, die er auf Nachforschung des Gerichts nicht substantiieren konnte und weil er umfangreiches Material an das Gericht gesandt hat, dessen Bedeutung für das Verfahren nach Sichtung nicht von Bedeutung war. Auch belegt sein Aussetzungsantrag, dass für den Kläger selbst eine zügige Verfahrenserledigung nicht im Vordergrund gestanden hat, zumal er von verschiedenen Berichterstattern auf die fehlende Erfolgsaussicht seiner Berufung hingewiesen worden ist.
Diese Umstände durfte das LSG bei seiner Abwägungsentscheidung schon deshalb berücksichtigen, weil dem Verhalten des Entschädigungsklägers im Ausgangsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung einer Verzögerung ganz wesentliches Gewicht zukommt (vgl BT-Drucks 17/3802 S 18). Auch im Rahmen zulässigen Prozessverhaltens vom Kläger selbst herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in seinen Verantwortungsbereich (zB häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anträge, Fristverlängerungsanträge, Ruhensanträge; vgl hierzu: BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 -, aaO, Juris RdNr 43; Ott, aaO, A § 198 GVG, RdNr 116 ff).
ff) Das Entschädigungsgericht (LSG) hat schließlich im Ausgangspunkt zutreffend die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Erwägungen einbezogen.
§ 198 GVG nennt als Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit mit Blick auf die Prozessakteure das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter nur beispielhaft. Darüber hinaus hängt eine Verletzung von Art 6 EMRK durch den Staat wesentlich davon ab, ob ihm zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, vgl § 200 GVG, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens (Bub, Deutsche Richterzeitung 2014, S 94), insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 13.8.2012 - 1 BvR 1098/11 - Juris). Keinen sachlichen Grund stellt von vornherein eine unzureichende sachliche und personelle Ausstattung der Justiz generell oder speziell des Ausgangsgerichts dar. Beruht die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit auf einer strukturellen Überlastung der Justiz und drückt sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art 6 EMRK, Art 19 Abs 4 GG aus, wiegt der daraus resultierende Grundrechtsverstoß besonders schwer (vgl BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris).
gg) Bei seiner Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts ist das Entschädigungsgericht (LSG) im Grundsatz von einem zutreffenden Überprüfungsmaßstab ausgegangen, hat dabei allerdings die Grenzen des verfahrensrechtlichen Gestaltungsspielraums des Ausgangsgerichts (s dazu unter hh) auch unter Berücksichtigung der richterlichen Unabhängigkeit zu weit gezogen und hätte daher die Dauer des Verfahrens vor dem SG Neuruppin nicht unbeanstandet lassen dürfen.
Das Entschädigungsverfahren eröffnet keine weitere Instanz, um das Handeln des Ausgangsgerichts einer rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen. Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen. Zudem räumt die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber ein, wie es das Verfahren gestaltet und leitet (vgl Roller, Deutsche Richterzeitung, 2012, Beilage zum Heft 6, S 1, 4; BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.11.2011 - 1 BvR 3155/09 - Juris RdNr 7; Beschluss vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349, 369; vgl BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - Juris RdNr 18 mwN; BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr 69 ff "erheblicher Gestaltungsspielraum"; vgl BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 -, BGHZ 199, 190, Juris RdNr 44 "Ermessen"). Die richtige Ausübung dieses Ermessens ist vom Entschädigungsgericht allein unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Art 6 Abs 1 EMRK bzw des Grundrechts Art 19 Abs 4 GG in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat. Denn dieses Ziel ist ebenfalls vom Anspruch auf effektiven Rechtsschutz umfasst (vgl BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr 70; Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG RdNr 22).
Wann und wie das Verfahren - insbesondere in der Zusammenschau mit den sonstigen bei Gericht anhängigen Fällen - am besten zu fördern ist, entscheidet das Ausgangsgericht in der konkreten Situation aus seiner Kenntnis der Akten, der Beteiligten und des bisherigen Verfahrensablaufs (vgl BGH aaO). Beim Denken und Erarbeiten darf es dabei auch eigene Vorstellungen zum "Wann" miterwägen (vgl Baumbach/Lauterbach, ZPO, 72. Aufl 2014, § 198 GVG RdNr 13 unter "Arbeitsgewohnheit"). Allerdings müssen die Gerichte bei ihrer Verfahrensleitung stets die Gesamtdauer des Verfahrens im Blick behalten. Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl BVerfG Beschlüsse vom 14.12.2010 - 1 BvR 404/10 - Juris RdNr 11 und vom 1.10.2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - in NVwZ 2013, 789, 790 mwN). Jedenfalls für Verfahren von hinreichender Bedeutung (vgl hierzu Priebe in: Festschrift für Werner von Simson, S 287, 302) verbietet sich ab einem gewissen Zeitpunkt (weitere) Untätigkeit oder eine zögerliche Verfahrensleitung (vgl Stattgebende Kammerbeschlüsse des BVerfG vom 20.7.2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214, Juris RdNr 11 und vom 22.8.2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630, Juris RdNr 32). Richterliche Verhaltensweisen, die zu Beginn eines Verfahrens grundrechtlich gesehen noch unbedenklich, wenn auch möglicherweise verfahrensökonomisch nicht optimal erscheinen mögen, können bei zunehmender Verfahrensdauer in Konflikt mit dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit geraten. Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtungweisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für sog Schiebeverfügungen.
hh) Ausgehend von diesen Grundsätzen tragen die Feststellungen des LSG nicht seinen Schluss, die eingetretene Verfahrensverzögerung bei der Verfahrensführung der Ausgangsgerichte sei insgesamt sachlich gerechtfertigt gewesen. Das LSG hat als Entschädigungsgericht zwar den zutreffenden Beurteilungsmaßstab (nur Vertretbarkeitskontrolle; vgl BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13, aaO, RdNr 46) zugrunde gelegt und ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine knapp einjährige Verzögerung in der ersten Instanz sowie etwa eine einjährige fehlende Förderung des Verfahrens in der Berufungsinstanz nicht die Annahme einer unangemessenen Gesamtdauer des Verfahrens rechtfertigen. Dem kann sich der Senat im Ergebnis allerdings nur hinsichtlich der Bewertung des Berufungsverfahrens anschließen. Im Übrigen hat das LSG die Reichweite des dem Ausgangsgericht in der ersten Instanz eingeräumten prozessualen Gestaltungsspielraums verkannt.
Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art 97 Abs 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen. Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht Bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer sind daher keine zu engen zeitlichen Grenzen zu ziehen (vgl BSG Urteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - aaO, RdNr 27; BVerwG Urteil vom 11.7.2013, BVerwGE 147, 146, RdNr 41 f mwN; BFH Zwischenurteil vom 11.7.2013 - X K 13/12 - aaO, RdNr 54). Dem Gericht muss eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zugestanden werden, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt (vgl zB BGH Urteil vom 13.2.2014 - III ZR 311/13 - Juris RdNr 30 mwN; NJW 2014, 1183). Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich jedoch die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um die Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl BFH, aaO, RdNr 55; BVerwG, aaO, RdNr 39 unter Hinweis auf: BVerfG Beschlüsse vom 14.12.2010 - 1 BvR 404/10 - Juris RdNr 11 und vom 1.10.2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789, 790 mwN). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (BVerwGE, aaO, RdNr 42; BGH Urteil vom 13.2.2014, aaO, Juris RdNr 31 mwN; BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 - aaO, Juris RdNr 35; BVerfG Beschluss vom 1.10.2012, aaO, mwN).
Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben ist und das Verfahren weder betrieben noch sonst gefördert hat. Damit kommt eine Rechtfertigung von Verzögerungen bei strukturellen Mängeln wie eine Überlastung der Gerichte oder anderen in den Verantwortungsbereich des Staates fallenden Umständen, nicht in Betracht (vgl umfassend BVerwGE, aaO, RdNr 43 mwN auch zur Rechtsprechung des EGMR und BVerfG). So kommt generell auch ein Zuwarten auf Ergebnisse oder Ermittlungen in einem parallelen Verfahren nur dann als sog aktive Bearbeitungszeit in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass in einem solchen Verfahren Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für das Ausgangsverfahren von Relevanz sind (vgl zB BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 27.9.2011 - 1 BvR 232/11 - Juris RdNr 31) oder wenn die Beteiligten diesem Vorgehen ausdrücklich zustimmen.
Das LSG hat eine Laufzeit des erstinstanzlichen Verfahrens vom 6.4.2006 bis 27.8.2009 mit dem sich anschließenden Ende des Berufungsverfahrens am 28.7.2011 (insgesamt fünf Jahre und vier Monate) festgestellt. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem SG hat bis zur Zustellung der Entscheidung am 9.11.2009 drei Jahre und sieben Monate angedauert und ist nach den Ausführungen des LSG als Entschädigungsgericht über fast zwei Jahre nicht aktiv betrieben worden. Nach der Einlegung der Klage am 6.4.2006 sind bis zum 1.3.2007 deren Begründung, die Erwiderung des Beklagten und ein ergänzender Vortrag des Klägers beim SG eingegangen. Dieses hat bereits am 1.8.2006 die Schwerbehindertenakten erhalten und zum parallelen Schwerbehindertenverfahren genommen und in der Folgezeit nach den Feststellungen des LSG den Ausgang dieses Verfahrens wegen der dortigen medizinischen Feststellungen abgewartet. Hierin sah das LSG einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens, weil die richterliche Entscheidung, welche Ermittlungen in welcher Reihenfolge als sachgerecht angesehen werden, zumindest solange zu akzeptieren sei, als sie sich noch als vertretbar darstelle. Derartige Anhaltspunkte lägen bereits deshalb nicht vor, weil der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch jedenfalls auch an medizinische Voraussetzungen geknüpft sei. Im Übrigen zeigten sowohl die klägerische Forderung, ein Sachverständigengutachten einzuholen, als auch die spätere Einführung des im parallel geführten Schwerbehindertenverfahren eingeholten Gutachtens durch den Kläger, dass dieser diese Ermittlungen selbst als für sein Verfahren wesentlich angesehen habe.
Diese Ausführungen des LSG halten revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die fast zweijährige Inaktivität des SG wegen des Abwartens von Ermittlungen im parallelen Schwerbehindertenverfahren lässt sich sachlich nicht mehr rechtfertigen und ist damit auch nicht von der richterlichen Unabhängigkeit bzw dem richterlichen Gestaltungsfreiraum abgedeckt. Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die medizinischen Ermittlungen zur Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht (vgl § 69 SGB IX) generell keine Klärung des für einen Anspruch nach dem OEG bedeutsamen und hier im Vordergrund stehenden streitigen Ursachenzusammenhang bringen können, da es insoweit um die Frage des Vorliegens eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs, nicht aber um medizinische Befunde geht (vgl auch: Loytved, juris PR-SozR 3/2014 Anm 4 unter C). Erst wenn ein derartiger Angriff iS von § 1 OEG festgestellt ist, kann es auf die medizinischen Feststellungen hinsichtlich der Folgen des Angriffs ankommen. Damit waren aber die Feststellungen im Schwerbehindertenverfahren für das OEG-Verfahren nicht unmittelbar von Relevanz. Das SG hätte unter Beachtung der ihm nach § 103 SGG obliegenden Amtsermittlungspflicht aus Ex-ante-Sicht alles erforderliche veranlassen müssen, um den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu prüfen. Ungeachtet richterlicher Unabhängigkeit besteht eine richterliche Grundpflicht zur stringenten und beschleunigten Verfahrensgestaltung (vgl § 92 Abs 2 S 2, § 104 S 2, 3 und 5, § 106 Abs 2 und 3 und § 106a SGG). Insbesondere die Präklusionsvorschriften dienen neben dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG in erster Linie der Beschleunigung des Verfahrens (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 106a RdNr 1 unter Hinweis auf BT-Drucks 16/7716 S 20). Dem hat das LSG als Entschädigungsgericht keine hinreichende Bedeutung beigemessen und außer Betracht gelassen, dass das SG nicht gehindert war, eine zeitnahe Anforderung der Akten der StA und des Bundesgrenzschutzpräsidiums gleichzeitig mit der Schwerbehindertenakte zu veranlassen, da dieses offensichtlich der in erster Linie durchzuführenden Prüfung des § 1 OEG gedient hätte. Genau dies hat das SG - allerdings erst zweiundzwanzig Monate später - mit Verfügung vom 17.6.2008 veranlasst. Unmittelbar nach Eingang dieser Akten hat dann der Kammervorsitzende die Sache mit Verfügung vom 29.7.2008 "alsbald" zur Sitzung vorgesehen. Auch hiernach ist eine Terminierung erst am 10.6.2009 auf den 16.7.2009 erfolgt, also erst nach weiteren zehn Monaten, obwohl das Verfahren bereits über drei Jahre angedauert hat. Beide Zeiträume weisen damit eine inaktive Phase des SG von über zwölf Monaten auf, die mangels Förderung oder Betreibens des Verfahrens dem Staat zugerechnet werden kann. Die spätere Verlegung des Termins vom 16.7. auf den 27.8.2009 resultierte allerdings, wie das LSG zu Recht festgestellt hat, aus einer Verhinderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers.
ii) Das LSG wird nunmehr nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache unter Beachtung der vorstehend genannten Vorgaben die konkreten Zeiten aktiver und inaktiver Bearbeitung des Verfahrens vor dem SG konkret ermitteln und seine Feststellungen im Rahmen der Prüfung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs 1 S 2 GVG erneut abwägen müssen. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:
Die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die von § 198 Abs 1 S 2 GVG genannten Kriterien erfolgen (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 28; BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - Juris RdNr 28). Die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten führt noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Handelt es sich bei den genannten Zeiten bereits um Verzögerungen im Sinne des GVG, weil sie in den Verantwortungsbereich des Gerichts fallen, können sie in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden (vgl BGH Urteil vom 13.3.2014, aaO, Juris RdNr 33 mwN; BGH Urteil vom 13.2.2014, aaO, Juris RdNr 28 mwN; BVerwGE aaO, Juris RdNr 12 EGMR; Individualbeschwerde Nr 36853/05 Metzele/Deutschland, amtlicher Umdruck S 7).
Aus dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit folgt kein Recht auf sofortige Befassung des Gerichts mit jedem Rechtsschutzbegehren und dessen unverzügliche Erledigung. Bereits aus nachvollziehbaren Gründen der öffentlichen Personalwirtschaft ist es gerichtsorganisatorisch mitunter unvermeidbar, Richtern oder Spruchkörpern einen relativ großen Bestand an Verfahren zuzuweisen. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren, die bei einem Gericht anhängig oder einem Spruchkörper bzw Richter zugewiesen sind, ist insoweit schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art 20 Abs 3 GG bzw Art 6 Abs 1 S 1 EMRK nicht verlangt (BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126). Je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels und abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits sowie vom Verhalten des Rechtschutzsuchenden sind ihm gewisse Wartezeiten zuzumuten. Grundsätzlich muss dabei jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen (BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 -, NJW 2014, 1816, Juris RdNr 34). Ebenso sind Gerichte - unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes - berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen, rechtlichen, persönlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als dringlicher anzusehen als die Entscheidung anderer Fragen, auch wenn eine solche zeitliche "Bevorzugung" einzelner Verfahren jeweils zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt.
Obwohl die maßgebliche Gesamtabwägung nach den Vorgaben des § 198 Abs 1 S 2 GVG in jedem Einzelfall durchzuführen ist und der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte (Fristen) für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen hat (BT-Drucks 17/3802 S 18: Senatsurteile vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1 und - B 10 ÜG 2/12 KL -, jeweils zu RdNr 25 ff mwN), lässt es sich zur Gewährleistung möglichst einheitlicher Rechtsanwendung und damit aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit andererseits nicht vermeiden, in Entschädigungssachen zeitraumbezogene Konkretisierungen vorzunehmen. Dies jedenfalls dort, wo derartige Konkretisierungen aufgrund vorgefundener Übereinstimmungen sowohl in der Struktur zahlreicher sozialgerichtlicher Verfahren als auch ihrer Bearbeitung durch die Gerichte vertretbar sind (vgl dazu BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr 64). Der Senat geht zu diesem Zweck aufgrund der besonderen Natur sozialgerichtlicher Verfahren derzeit von folgenden Grundsätzen aus: Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatwechseln etc) so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten.
Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeitspanne muss und wird in der Regel nicht vollständig direkt im Anschluss an die Erhebung der Klage bzw die Einlegung der Berufung liegen, in der das Gericht normalerweise für einen Schriftsatzwechsel sorgt und Entscheidungsunterlagen beizieht. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Für diese Zwölfmonatsregel spricht ua die Regelung des § 198 Abs 5 S 1 GVG; danach kann eine Klage zur Durchsetzung des Anspruchs aus Abs 1 der Vorschrift frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Eine gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeit der Gerichte akzeptiert auch der EGMR, dessen Rechtsprechung maßgeblich dem ÜGG zugrunde liegt. Wie die Analyse seiner Urteile zeigt, beanstandet der Gerichtshof regelmäßig nicht die Dauer solcher Verfahren, die nicht besonders eilbedürftig sind und die je Instanz nicht länger als zwei Jahre und insgesamt nicht länger als fünf Jahre dauern (vgl F. Calvez, length of court proceedings in the member states of the Council of Europe based on the case law of the European Court of Human Rights, 2. Aufl 2012, S 66 mwN; vgl Frowein/Peukert EMRK-Kommentar, Art 6 RdNr 249 mwN; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl 2011, Art 6 RdNr 199). Nicht jede Periode gerichtlicher Untätigkeit führt nach der Rechtsprechung des EGMR zwingend zu einem Entschädigungsanspruch; vielmehr ist sie in einem gewissen Verfahrensstadium vertretbar, solange die Gesamtverfahrensdauer nicht als überlang erachtet werden kann (vgl ua EGMR, Individualbeschwerde Nr 32842/96 Nuutinen/Finnland, RdNr 110; Individualbeschwerde Nr 7759/77 Buchholz/Deutschland, RdNr 63).
Beruht die Verfahrensdauer, die die genannte Dauer von zwölf Monaten je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (zB Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht selbst dies die Verfahrensdauer in der Regel ebenfalls noch nicht unangemessen. Anderes gilt für Zeiten, in denen eine Sache über zwölf Monate hinaus ("am Stück" oder immer wieder für kürzere Zeiträume) ohne sachlichen Grund "auf Abruf" liegt, ohne dass das Verfahren zeitgleich inhaltlich betrieben wird oder sich auf sog Schiebeverfügungen beschränkt.
Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien von § 198 Abs 1 S 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen. Damit ändert die Zwölfmonatsregel nichts am Vorrang der Einzelfallbetrachtung, sondern verschiebt lediglich die sachlichen Anforderungen an die Verfahrensförderung entlang zeitlicher Grenzen.
jj) Daher wird das LSG nach Zurückverweisung der Sache berücksichtigen müssen, dass dem SG eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von zwölf Monaten zuzugestehen ist, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt. Bei der noch ausstehenden abschließenden Gesamtabwägung darf das LSG dem Ausgangsgericht deshalb eine ausreichende Vorbereitungs- und Bedenkzeit einräumen, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss. Dabei wird das LSG die Verfahrensführung durch das SG erneut hinsichtlich seiner Vertretbarkeit zu überprüfen haben und anschließend auch im Rahmen einer Gesamtabwägung das prozessuale Verhalten des Klägers (siehe ee) miteinbeziehen müssen. Dieses ist ins Verhältnis zu setzen und kann insbesondere während Phasen der Inaktivität des Gerichts im Rahmen der Verfahrensführung eine sachliche Rechtfertigung der Verzögerung begründen. Sofern der Kläger also während Phasen der Inaktivität des SG selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt hat, liegt keine inaktive Zeit der Verfahrensführung durch das SG vor und damit keine überlange Verfahrensdauer. Insoweit geht der Senat davon aus, dass eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht bewirken, die mit einem Monat zu Buche schlägt. Darunterliegende Zeitmaßstäbe erscheinen vor dem Hintergrund der vom Gesetz vorgegebenen Rechengröße von 1200 Euro pro Jahr der Überlänge (vgl § 198 Abs 2 S 3 GVG) nicht mehr als sinnvoll.
Sollte das LSG nach diesen Grundsätzen zu dem Schluss einer unangemessenen Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens und damit des Ausgangsverfahrens insgesamt kommen, so wird es zusätzlich die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben, ob der Kläger deswegen einen Nachteil iS von § 198 Abs 1 S 1 GVG erlitten hat und dafür eine angemessene Entschädigung verlangen kann. Nachteil im Sinne des Abs 1 sind dabei ua sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens; dazu gehört nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802, S 19). Ein solcher Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs 2 S 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hier wird das LSG ggf prüfen müssen, ob Umstände vorliegen, die geeignet erscheinen, die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs 1 S 1 GVG (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 bis 86 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, SozR 4-1500 § 2 Nr 1) zu widerlegen.
Weitere Voraussetzung für den von dem Kläger verfolgten Entschädigungsanspruch ist es nach § 198 Abs 2 S 1 GVG, dass eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs 4 dieser Vorschrift nicht ausreichend ist, insbesondere nicht gemäß § 198 Abs 4 S 1 GVG durch Feststellung des Entschädigungsgerichts, die Verfahrensdauer sei unangemessen lang gewesen. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -, aaO), kommt bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens aber nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Insoweit weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Die Bedeutung des Verfahrensausgangs für den Entschädigungskläger lässt sich jedenfalls nicht mit Blick auf die fehlenden Erfolgsaussichten verneinen. Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit soll ua gerade eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen seelischen Folgen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802, S 19) vermeiden.
Schließlich wird das Entschädigungsgericht ggf zu entscheiden haben, ob der von § 198 Abs 2 S 3 GVG vorgesehene Regelbetrag von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung eines Verfahrens nach den vom LSG festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls gemäß § 198 Abs 2 S 4 GVG unbillig ist. Allerdings eröffnet S 4 nur für Ausnahmefälle die Möglichkeit, von der 1200 Euro-Pauschale nach oben oder nach unten abzuweichen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802, S 20; vgl Marx/Roderfeld, aaO, § 198 GVG RdNr 82, der von atypischen Sonderfällen spricht).
Für den Fall einer Entschädigung in Geld wird das Entschädigungsgericht in entsprechender Anwendung der § 288 Abs 1, § 291 S 1 BGB über die beantragten Prozesszinsen (5 %-Punkte über dem Basiszinssatz) ab Rechtshängigkeit (Klageerhebung, vgl § 94 SGG) zu entscheiden haben. Auch wenn es sich der Art nach um einen pauschalierten Verzugsschadensersatz handelt und deshalb ein konkreter Zusammenhang mit dem begehrten immateriellen Schadensersatz fraglich sein könnte (vgl Thüringer LSG Urteil vom 26.11.2013 - L 3 SF 913/12 EK - RdNr 79, Revision anhängig unter - B 10 ÜG 4/14 R), ändert dies nichts an der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften im Rahmen von Entschädigungsklagen in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, weil Spezialregelungen, die den allgemeinen Anspruch auf Prozesszinsen verdrängen könnten, nicht bestehen (vgl BFH Urteil vom 19.3.2014 - X K 8/13 -, BFHE 244, 521 Juris RdNr 40). Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG stehen außerhalb des Systems der sozialrechtlichen Ansprüche, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden können (hierzu BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4, RdNr 27 ff). § 201 Abs 2 S 1 GVG iVm § 202 SGG verweisen zwar auf das SGG, nicht hingegen auf das SGB. Die Annäherung des sozialgerichtlichen Kostenrechts an dasjenige der VwGO hat die Rechtsprechung des BSG überdies bereits in der Vergangenheit veranlasst, auch hinsichtlich der Prozesszinsen in besonderen Teilbereichen auf die Rechtsprechung des BVerwG Bezug zu nehmen (für den Bereich des Vertragsarztrechts ausdrücklich BSGE 95, 141 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 38 ff; s hierzu auch insgesamt Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 94 RdNr 5a). Für den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer ist insoweit entsprechend zu verfahren (vgl zu den Prozesszinsen BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D -, DVBl 2014, 861 Juris RdNr 46).
3. Der Senat musste die Revision im Übrigen zurückweisen, soweit diese sich auf die Gewährung weiterer Entschädigung aufgrund der Dauer des Ausgangsverfahrens in Bezug auf das Berufungsverfahrens vor dem LSG richtet. Wegen der Dauer dieses Teils des Gerichtsverfahrens hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Vielmehr hat das LSG insoweit die Kriterien des § 198 Abs 1 S 2 GVG jedenfalls sinngemäß zutreffend berücksichtigt und die erforderliche Abwägung aller Umstände des Berufungsverfahrens als Teil der noch durchzuführenden Gesamtabwägung fehlerfrei getroffen.
Das vom 7.10.2009 bis 25.7.2011 und damit ein Jahr und 10 Monate andauernde Berufungsverfahren hat entsprechend den Wertungen des LSG unter Zugrundelegung der vom Senat vorgegebenen Prüfungsschritte nicht überlang angedauert. Zwar ist das Berufungsverfahren entsprechend den Feststellungen des LSG nach Vorlage der Berufungsbegründung und -erwiderung ab Januar 2010 erst ab Januar 2011 intensiv auf eine angestrebte Erledigung hin jeden Monat betrieben worden, ua durch Anberaumung eines Erörterungstermins im Februar 2011. Allerdings erfolgten auch in dieser Zeit mehrere Anfragen unter Vorlage zahlreicher medizinischer Unterlagen mit neuem Tatsachenvortrag und der Benennung von Zeugen bis hin zu einem Aussetzungsantrag vom 1.7.2011, womit sich das Gericht jeweils auseinandersetzen musste. Insoweit ist der vom LSG als eingehalten bewertete gerichtliche Gestaltungsspielraum während des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung einer umfassenden, tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes sowie der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache nicht zu beanstanden. Es liegt keine inaktive Phase im Berufungsverfahren von über einem Jahr vor, sodass sich weitere Prüfungen erübrigen. Darüber hinaus ist allerdings auch keine nennenswerte Beschleunigung ersichtlich, die geeignet wäre, durch den Ablauf des zweiten Rechtszuges eine erstinstanzlich aufgetretene unangemessene Verzögerung zu kompensieren.
4. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
5. Die auch im Falle der Zurückverweisung vorzunehmende Streitwertfestsetzung (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 10 KR 1/05 R) beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 2 GKG. Der Senat geht von einem Streitwert von 3600 Euro aus. Dies entspricht der Entschädigungssumme, welche der Kläger mit seiner Entschädigungsklage erstreiten will.
Fundstellen