Beteiligte
Landschaftsverband Westfalen-Lippe |
AOK Westfalen-Lippe – Die Gesundheitskasse |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einem Elektromobil (sog Shopper) als Hilfsmittel.
Der 1943 geborene Kläger bezieht wegen zahlreicher Gesundheitsstörungen bereits seit Oktober 1973 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M verordnete dem Kläger am 12. August 1996 einen Elektrorollstuhl. Am 13. August 1996 wurde der Kläger von einem Kundenberater der Firma S (Reha- und Medizintechnik) über die Hilfsmittelversorgung beraten. Auf einem Vordruck der Firma unterschrieb der Kläger eine Erklärung, daß er mit dem Vorschlag des Kundenberaters, ihn mit einem Straßen-Elektrorollstuhl zu versorgen, einverstanden sei. Die Firma S legte der beklagten Krankenkasse einen Kostenvoranschlag vom 14. August 1996 vor, der die Ausstattung des Klägers mit einem gebrauchten Elektrorollstuhl des Herstellers O vorsah. Mit Bescheid vom 23. August 1996, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß ihm das beantragte Hilfsmittel leihweise zur Verfügung gestellt werde. Unter dem 5. September 1996 verordnete Dr. M dem Kläger weiterhin einen „Elektrorollstuhl Euro-Star von M.” mit dem Zusatz „für selbständigen Einkauf erforderlich”. Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 5. September 1996 mit, daß es für den gelieferten Elektrorollstuhl der Firma O keine Anbauteile gebe. In einem weiteren Schreiben vom 24. September 1996 wies er darauf hin, mit dem Rollstuhl „O ” könne er nicht einmal einen Kasten Mineralwasser holen. Telefonisch wurde dem Kläger von seiten der Beklagten mitgeteilt, daß der neu verordnete Elektrorollstuhl „Euro-Star” nicht zur Verfügung gestellt werden könne. Die Beklagte leitete den Antrag an das zuständige Sozialamt weiter. Der beigeladene Sozialhilfeträger lehnte eine Versorgung mit einem solchen Elektrorollstuhl ebenfalls ab.
Mit Schreiben vom 17. Januar 1997 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte, wies auf den ablehnenden Bescheid des Sozialhilfeträgers hin und übersandte einen Prospekt der Firma G zu Elektromobilen. Dabei handelt es sich um drei- oder vierrädrige Elektrofahrzeuge mit einer Lenksäule, an die ein Einkaufskorb montiert werden kann. Der Kläger bezeichnete den Typ „Vital-Komfort” als Modell seiner Wahl. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Januar 1997 ab: Die Versorgung des Klägers sei mit dem zur Verfügung gestellten Elektrorollstuhl sichergestellt; der in der Verordnung von Dr. M angegebene Elektrorollstuhl sei zudem nicht als Hilfsmittel iS der Krankenversicherung anerkannt. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. April 1997).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, den Kläger mit dem Elektromobil „Shoprider 4-Rad” zu versorgen (Urteil vom 31. März 1998): Der Kläger benötige dieses Fahrzeug zur Beschaffung von Lebensmitteln; dies zähle zu den allgemeinen Grundbedürfnissen, die von den Krankenkassen sicherzustellen seien. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 18. Mai 1999 das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Die Hilfsmittelversorgung im Rahmen des § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei auf die elementare Lebensbetätigung im Rahmen der Grundbedürfnisse beschränkt. Hierzu zähle der Transport gekaufter Ware nicht.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 33 Abs 1 und § 12 SGB V. Das ihm vom SG zugesprochene Elektromobil sei ein Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V. Ihm komme es nicht auf ein bestimmtes Fabrikat an, sondern auf ein Elektromobil, welches bestimmte Bedingungen erfülle. Das Elektromobil sei im Verhältnis zu Elektrorollstühlen das kostengünstigere Hilfsmittel. Elektromobile seien zum Preis von 6.000,- bis 10.000,- DM zu erhalten, während Elektrorollstühle zwischen 15.000,- und 20.000,- DM kosteten. Das Elektromobil könne zudem später auch für andere hilfsbedürftige Personen verwendet werden. Das LSG habe zu Unrecht entschieden, daß das selbständige Einkaufen nicht zu den Grundbedürfnissen gehöre. Soweit das LSG ihn, den Kläger, darauf verweise, fertige Mahlzeiten in die Wohnung kommen zu lassen oder nur Geschäfte aufzusuchen, die die Hauslieferung von eingekauften Waren zusichern, beschränke es unzulässig das Grundbedürfnis auf Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1999 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31. März 1998 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1999 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil nicht zu, weil er bereits mit einem den erforderlichen Behinderungsausgleich gemäß § 33 SGB V sicherstellenden Elektrorollstuhl versorgt ist.
1. Der Kläger kann einen Anspruch auf Versorgung mit dem von ihm erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem SG bezeichneten Elektromobil nicht schon aus einer vertragsärztlichen Verordnung ableiten. Zum einen hat der ihn behandelnde Arzt kein Elektromobil, sondern lediglich einen Elektrorollstuhl eines anderen Herstellers verordnet; zum anderen bindet die vertragsärztliche Verordnung eines Hilfsmittels die Krankenkassen nicht, wie der Senat zuletzt im einzelnen im Urteil vom 3. November 1999 (B 3 KR 16/99 R) dargelegt hat. Der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Elektromobil als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung kann andererseits auch nicht deshalb verneint werden, weil das von ihm begehrte Fahrzeug ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist. Der Senat hat im genannten Urteil ausgeführt, daß es sich bei einem Elektromobil dieser Art nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens iS des § 33 Abs 1 SGB V handelt, denn es wird nur von Personen benutzt, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind.
2. Dem Anspruch des Klägers steht jedoch entgegen, daß er bereits mit einem Elektrorollstuhl versorgt ist. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 3. November 1999 (B 3 KR 16/99 R) entschieden, daß sog Elektromobile und Elektrorollstühle gleichermaßen der Wahrung des Grundbedürfnisses auf Erledigung von Alltagsgeschäften dienen, zu denen insbesondere das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs zählen. Bei entsprechender Eignung im Hinblick auf die im Einzelfall bestehenden Behinderungen erfüllt ein Elektromobil darüber hinaus ebenso wie ein Elektrorollstuhl die Voraussetzungen der „Erforderlichkeit” eines Hilfsmittels iS des § 33 Abs 1 SGB V sowie der „Wirtschaftlichkeit” iS des § 12 Abs 1 SGB V. Unter verschiedenartigen, aber gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln, von denen zur „ausreichenden” (§ 12 Abs 1 Satz 1 SGB V) Bedarfsdeckung aber nur das eine oder das andere „erforderlich” iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V ist, steht dem Versicherten grundsätzlich gemäß § 33 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) ein Wahlrecht zu (Urteil vom 3. November 1999, B 3 KR 16/99 R).
Das gesetzliche Gebot, den Wünschen des Leistungsberechtigten nach Möglichkeit („soll”) zu entsprechen, wird jedoch begrenzt durch den Maßstab der Angemessenheit. Danach besteht ein Wahlrecht dann nicht mehr, wenn der Versicherte bereits ausreichend versorgt und zur Wahrung des betroffenen Grundbedürfnisses die Ausstattung mit einem weiteren Hilfsmittel nicht erforderlich ist. Die Beklagte hat ihre gesetzliche Leistungspflicht bereits dadurch erfüllt, daß sie dem Kläger einen Elektrorollstuhl zur Verfügung gestellt hat. Hierbei hat sie seinen Wünschen Rechnung getragen, indem sie eine Beratung des Klägers durch ein Orthopädie-Fachgeschäft veranlaßt und dem Kläger das in Aussicht genommene Fahrzeug vorgeführt hat. Der Kläger hat sich mit der Versorgung mit diesem Elektrorollstuhl einverstanden erklärt und hierdurch die Erfüllung seines Sachleistungsanspruchs anerkannt. Damit ist die Leistungsverpflichtung der Beklagten erloschen (vgl auch § 362 Bürgerliches Gesetzbuch). Ein Rücktritts-, Widerrufs- oder Anfechtungsrecht stand dem Kläger nicht mehr zu. Dabei ist nicht weiter darauf einzugehen, bis zu welchem Zeitpunkt der Leistungsberechtigte seine Wahl treffen und einen geäußerten Wunsch ändern darf. Das ist jedenfalls dann nicht mehr zulässig, wenn aufgrund der Wahl auf Seiten der Krankenkasse bereits Aufwendungen entstanden sind. So war es hier.
Nachdem die Beklagte den entsprechenden Auftrag erteilt hatte, waren für sie Kosten entstanden (insbesondere eine Bereitstellungspauschale), die nicht mehr rückgängig zu machen waren. Wenn der Kläger in der Folgezeit feststellte, daß Fahrzeugtypen verfügbar gewesen wären, die seinen Bedürfnissen besser entsprochen hätten, verpflichtete auch dies die Beklagte nicht zu einer weiteren Leistung. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die durchgeführte Versorgung objektiv ungeeignet oder nicht ausreichend gewesen wäre.
Der Einwand des Klägers, der ihm zur Verfügung gestellte Elektrorollstuhl sei bauartbedingt nicht geeignet, größere Gegenstände, insbesondere Mineralwasserkästen, zu transportieren, macht ihn aber nicht als Hilfsmittel ungeeignet. Denn das betroffene Grundbedürfnis, Alltagsgeschäfte zu erledigen, umfaßt nur das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs, was der Kläger auch mit dem Elektrorollstuhl erledigen kann. Der Kauf eines Kastens Mineralwasser, der mit dem Elektromobil möglich ist, stellt demgegenüber einen Vorratskauf dar, der über das beschriebene Grundbedürfnis hinausgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen