Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unternehmer. Bauherr. Mitunternehmer. nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten. Eigentümer. Eigentum. Sondereigentum. Dauerwohnrecht
Leitsatz (amtlich)
Ein Grundstückseigentümer, auf dessen Grundstück im Rahmen nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten ein Gebäude errichtet oder verändert wird, ist Unternehmer, auch wenn er die Baumaßnahme nicht selbst betreibt.
Normenkette
SGB 7 § 136 Abs. 1, 3 Nr. 1; SGB 7 § 129 Abs. 1 Nr. 3; BGB §§ 946, 94; WoEigG §§ 31, § 31ff, §§ 5-6, 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, wer Bauherr (Unternehmer) eines Bauvorhabens ist.
Die Klägerin zu 2) ist die Ehefrau des Klägers zu 1) und die Tochter der Beigeladenen zu 1) und 2). Letztere sind Eigentümer des Grundstücks in V, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war. Antragsgemäß erteilte der Landkreis Ve den Klägern unter dem 12. Oktober 2000 die Baugenehmigung zum Umbau und zur Erweiterung dieses Einfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus sowie dem Neubau einer Garage auf dem genannten Grundstück. Zugleich wurde die Rechtsvorgängerin der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) über die Baugenehmigung unterrichtet. Das Bauvorhaben wurde zwischen November 2000 und Mai 2001 ausgeführt. Im Eigenbaunachweis vom 2. April 2001 gaben die Kläger an, der Beigeladene zu 1) sowie der Bruder der Klägerin zu 2) und der Vater des Klägers zu 1) hätten bei den Bauarbeiten mitgewirkt und 125, 100 bzw 80 Arbeitsstunden an dem Bauvorhaben geleistet. Im Oktober 2001 bestellten die Beigeladenen den Klägern ein Dauerwohnrecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) an der inzwischen bezugsfertigen Wohnung.
Am 21. Februar 2001 erlitt der Beigeladene zu 1) bei Bauarbeiten an dem Haus einen Unfall und verletzte sich erheblich. Die BG erteilte den Klägern am 12. April 2001 einen Bescheid, mit dem sie feststellte, dass die Beigeladenen als Grundstückseigentümer Mitbauherren des Bauvorhabens seien. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage zog sie die Kläger zu Beiträgen heran. Der Berechnung legte sie die auf den Bruder und den Schwiegervater der Klägerin zu 2) entfallenden 180 Arbeitsstunden zugrunde; die von dem Beigeladenen zu 1) geleisteten 125 Arbeitsstunden blieben außer Ansatz. Der gegen beide Bescheide erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2002) .
Klage und Berufung der Kläger sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. November 2004; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen-Bremen vom 25. Januar 2007) . Das LSG hat den Feststellungsbescheid und den Beitragsbescheid als rechtmäßig beurteilt. Obwohl die Baugenehmigung für das Bauvorhaben den Klägern erteilt worden sei und sie es nach eigenem Bekunden auch allein finanziert und die erforderlichen Aufträge erteilt hätten, seien sowohl sie als auch die Beigeladenen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des Grundstücks Unternehmer iS des § 136 Abs 3 Nr 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die Durchführung nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten sei dadurch gekennzeichnet, dass nicht ein Wirtschaftsunternehmen im kaufmännischen Sinne auftrete, sondern in Eigenarbeit Bauarbeiten durchgeführt würden, die den Wert des Grundstückes erhöhten. Daher müsse auch der Eigentümer als Unternehmer (Bauherr) angesehen werden, zumal er die Zustimmung dazu geben müsse, dass auf seinem Grundstück gebaut werden dürfe. Er werde Eigentümer des Bauwerks, über das er verfügen könne; ihm komme das wirtschaftliche Ergebnis der Bauarbeiten unmittelbar zugute. Die Beigeladenen hätten hier auch über das Bauwerk verfügt, indem sie den Klägern ein Dauerwohnrecht an der neu errichteten Wohnung bestellt hätten.
Mit der Revision rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 136 Abs 3 und 150 Abs 1 SGB VII. Die Beigeladenen könnten nicht allein deshalb als Mitunternehmer des Bauvorhabens qualifiziert werden, weil sie Eigentümer des Grundstücks seien. Die gesamte Baumaßnahme von der Planung über die Einholung der Baugenehmigung, die Vergabe der Aufträge an Handwerker, die Überwachung der Bauausführung und die Finanzierung habe ausschließlich in der Hand der Kläger gelegen, denen als Gegenleistung - wie von Anfang an beabsichtigt - ein dingliches Dauerwohnrecht eingeräumt worden sei. Dieses Dauerwohnrecht sei vergleichbar mit der Eigentumsposition an einer Eigentumswohnung iS des WEG. Das Eigentum der Beigeladenen werde dadurch dinglich eingeschränkt, so als befinde sich dieser Bereich nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Eigentümers. Daher komme das wirtschaftliche Ergebnis der Bauarbeiten nicht den Beigeladenen, sondern unmittelbar und ausschließlich den dauerwohnberechtigten Klägern zugute. Diese hätten niemals entsprechende Finanzierungen unternommen und Baumaßnahmen eingeleitet, wenn ihnen von den Beigeladenen nicht von Anfang an die Bestellung des Dauerwohnrechts zugesagt worden wäre.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Januar 2007 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. November 2004 sowie den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 12. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2002 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladenen nicht Bauherren des Bauvorhabens auf dem Grundstück in V sind.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger erweist sich als unbegründet.
Gegenstand der Revision ist allein noch der Bescheid vom 12. April 2001, mit dem die Beklagte die Unternehmereigenschaft der Beigeladenen in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben festgestellt hat, sowie die damit verbundene negative Feststellungsklage. Die gegen den Beitragsbescheid vom selben Tage gerichtete Anfechtungsklage haben die Kläger zuletzt nicht mehr weiterverfolgt, nachdem dieser Bescheid sie selbst nicht beschwert.
Mit dem verbliebenen Inhalt ist die Klage zulässig. Insbesondere ist das nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren durchgeführt. Die Beklagte hat zwar im Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2002 die eingelegten Widersprüche nur hinsichtlich des Beitragsbescheides ausdrücklich zurückgewiesen. Aus der nachfolgenden Begründung ergibt sich indes, dass sie zugleich über den Widerspruch gegen den feststellenden Verwaltungsakt vom 12. April 2001 entschieden hat. Denn die Gründe des Widerspruchsbescheides beschäftigen sich im Wesentlichen allein mit den Einwänden der Kläger gegen die Einstufung der Beigeladenen als Bauherren und Unternehmer, die Gegenstand des der Beitragserhebung zugrunde liegenden Feststellungsbescheides gewesen war.
Durch den Feststellungsbescheid vom 12. April 2001 können die Kläger auch beschwert sein (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG) , weil die Beklagte ihnen gegenüber eine von den rechtlichen Annahmen des Eigenbaunachweises abweichende Entscheidung dahin getroffen hat, dass der Beigeladene zu 1) nicht Helfer, sondern Mitunternehmer gewesen sei. Abgesehen davon, dass die Entscheidung formell an die Kläger gerichtet war, hat die Beklagte damit auch materiell ihr Rechtsverhältnis zu den Klägern geregelt, weil sich aus der Mitunternehmereigenschaft der Kläger und der Beigeladenen Rechte und Pflichten etwa im Bereich der Prävention (siehe § 21 SGB VII) und der Beitragshaftung (siehe §§ 136, 150 SGB VII) ergeben. Da zumindest die Möglichkeit besteht, dass diese Entscheidung den Klägern nicht nur rechtliche und/oder wirtschaftliche Vorteile bringt, sind sie klagebefugt.
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig, wie schon die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.
Ermächtigungsgrundlage für den Feststellungsbescheid ist § 136 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB VII. Danach stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Bei in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten kann der Träger von der Feststellung seiner Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid absehen. Vorliegend waren die Einstufung der Bauarbeiten als nicht gewerbsmäßig und die Zuständigkeit der Beklagten wegen der Überschreitung der in § 129 Abs 1 Nr 3 SGB VII festgelegten Arbeitszeitgrenzen zwischen den Beteiligten nicht streitig. Meinungsverschiedenheiten bestanden aber darüber, wer Unternehmer der Bauarbeiten war und gegen wen sich eine Zuständigkeitsfeststellung zu richten hatte. Dies berechtigte die Beklagte, einen entsprechenden Feststellungsbescheid zu erlassen. Dass sie den Verwaltungsakt nur an die Kläger und nicht auch an die Beigeladenen als die eigentlichen Adressaten gerichtet hat, lässt seine Rechtmäßigkeit unberührt.
Die Feststellung, dass die Beigeladenen Mitunternehmer des Bauvorhabens sind, ist zutreffend, sodass der Verwaltungsakt auch materiell der Rechtslage entspricht. Gemäß § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII ist Unternehmer derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens, hier der in Eigenarbeit ausgeführten nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten an dem Bauvorhaben in V, unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Obwohl die Beigeladenen, folgt man den Klägern, nach außen, etwa gegenüber der Baugenehmigungsbehörde und der finanzierenden Bank, nicht als Bauherren aufgetreten sind, sind sie allein wegen ihres Alleineigentums an dem Baugrundstück Unternehmer des Bauvorhabens im oben genannten Sinne (allgemein zur Definition des Unternehmers siehe Krasney in: Handbuch der Sozialversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 2007, § 136 SGB VII RdNr 17 mwN) . Als Eigentümern sind ihnen alle Gebäude und Gebäudeteile, die im Zuge der Baumaßnahme neu errichtet oder verändert wurden, unmittelbar als Eigentum zugewachsen (§§ 946, 94 BGB) . Angesichts dessen kann nicht zweifelhaft sein, dass sich das Ergebnis der Bauarbeiten auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Position unmittelbar ausgewirkt und ihnen zum Vorteil - oder gegebenenfalls auch zum Nachteil (vgl die Konstellation in BSGE 37, 28 = SozR Nr 3 zu § 658 RVO) - gereicht hat. Die Belastung des Eigentums der Beigeladenen mit einem dinglichen Dauerwohnrecht der Kläger nach den §§ 31 ff WEG ändert daran nichts. Es spielt deshalb auch keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt ein derartiges Wohnrecht vereinbart und wann es rechtlich begründet worden ist. Auch darauf hat bereits das LSG hingewiesen.
Das weitere Revisionsvorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis. Der von den Klägern angestellte Vergleich des Dauerwohnrechts mit dem Eigentum an einer Eigentumswohnung verdeutlicht im Gegenteil die Richtigkeit der von der Beklagten eingenommenen Position zur Rechtsstellung der Beigeladenen als Mitunternehmer. Bei der Errichtung einer Eigentumswohnungsanlage mit mehreren Wohnungen kann nicht allein auf das Sondereigentum der jeweiligen Wohnungseigentümer (siehe § 1 Abs 1 und 2 sowie § 5 WEG) abgestellt werden. Vielmehr ist wegen der in § 6 WEG normierten Unselbständigkeit des Sondereigentums das gemeinschaftliche Eigentum an dem Grundstück sowie den Teilen, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder Eigentum eines Dritten stehen (§ 1 Abs 5 WEG) , maßgebend zu berücksichtigen. Diese besondere eigentumsrechtliche Lage bewirkt, dass alle Wohnungseigentümer auch Mitunternehmer der gesamten Wohnungseigentumsanlage sind, sofern die Anlage im Rahmen nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten errichtet wird. Wird die Anlage durch einen Bauträger errichtet, der die Wohnungen anschließend veräußert, gelten andere Regeln, auf die einzugehen hier keine Veranlassung besteht.
Da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, konnte auch der mit der Anfechtungsklage verbundene negative Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a, 183 SGG iVm § 154 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Entgegen der Auffassung der Kläger findet auf das Verfahren § 197a SGG in der seit dem 2. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung. Da weder die Kläger noch die Beklagte zu den nach § 183 SGG privilegierten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger) gehören, sondern um deren Unternehmer- bzw Mitunternehmereigenschaft gestritten wird, gilt für das nach dem 1. Januar 2002 anhängig gewordene Gerichtsverfahren das neue Kostenrecht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2004, Vorbem § 183 RdNr 12 mwN) .
Die Festsetzung des Streitwertes in Höhe des gesetzlichen Auffangstreitwertes beruht auf § 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG) in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung, die hier gemäß § 72 Nr 1 GKG anzuwenden ist.
Fundstellen