Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 5) wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Dezember 1989 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist die Zulässigkeit von Honorarkürzungen wegen überhöhter Abrechnung einzelner Gebührenpositionen aufgrund der statistischen Vergleichsmethode.
Bei dem als Kassenzahnarzt mit einer leicht überdurchschnittlich großen Praxis zugelassenen Kläger kürzte der zuständige Prüfungsausschuß aufgrund der regelmäßigen Prüfungen (gemäß § 3 Abs 1 der als Anlage 4 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte ≪BMV-Zahnärzte≫ vereinbarten Verfahrensordnung), die 15 vH der Zahnärzte erfassen, das Honorar für die Quartale 1/83 bis 1/84 um 2.279,33 DM (Bescheid vom 12. November 1984) und für die Quartale 2/84 bis 1/85 um 2.310,69 DM (Bescheid vom 3. Oktober 1985). Auf die Widersprüche des Klägers bestätigte der beklagte Beschwerdeausschuß diese Bescheide mit folgender Maßgabe: Für die Quartale 1/83 bis 1/84 kürzte er die nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema) abgerechneten Gebührenpositionen 8a und 8b (Vitalitätsprüfungen eines oder mehrerer Zähne ≪VIP≫), 10 (Behandlung überempfindlicher Zahnflächen), 12 (besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen) und 25 (indirekte Überkappung zur Erhaltung der gefährdeten Pulpa), soweit der Kläger den jeweiligen Landesdurchschnitt der Abrechnungshäufigkeit in den genannten Quartalen um mehr als 100 vH überschritten hatte. In derselben Weise verfuhr er für die Quartale 2/84 bis 1/85 hinsichtlich der Gebührenpositionen 8a, 8b, 10 und 12 Bema (Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 1987). Zur Begründung führte er aus, bei den gekürzten Leistungspositionen stünde die Abrechnung des Klägers in einem offensichtlichen Mißverhältnis zum Landesdurchschnitt, das nicht durch Praxisbesonderheiten zu erklären sei und deshalb für eine unwirtschaftliche Behandlungsweise spreche. Die Behauptung des Klägers, ein Drittel der Zahnärzte rechne Vitalitätsprüfungen überhaupt nicht ab, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil jeder Zahnarzt jedenfalls die Möglichkeit habe, diese Leistung auszuführen.
Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 24. August 1988). Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil des LSG vom 19. Dezember 1988). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Beklagte habe zwar zu Recht die Honorarprüfung auf mehrere Quartale erstreckt und im Wege des statistischen Vergleichs vorgenommen, die Methode aber nicht fehlerfrei angewandt. Er habe der Behauptung des Klägers, daß etwa ein Drittel der Zahnärzte Vitalitätsprüfungen nicht abrechne, nachgehen müssen. Der Einwand sei geeignet, die Homogenität der Behandlungsweise der zu Vergleichszwecken herangezogenen Zahnärzte in Frage zu stellen, die Voraussetzung für die statistische Vergleichsmethode sei.
Dagegen wenden sich der Beklagte, der Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 5) mit der vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 106 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung -(SGB V) bzw § 368n Abs 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF. Das LSG habe darüber hinaus § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt, indem es die von seinem Rechtsstandpunkt aus für erforderlich gehaltene Sachverhaltsaufklärung nicht selbst durchgeführt habe.
Die Revisionskläger beantragen,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 1989 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. August 1988 zurückzuweisen.
Der Beklagte und Revisionskläger beantragt weiterhin hilfsweise,
beide Urteile aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen sind im Sinne der Zurückverweisung begründet. Der Senat vermag aufgrund der bisherigen Feststellungen über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Honorarkürzungsbescheide nicht abschließend zu entscheiden.
1. Der Senat stimmt der Auffassung des Berufungsgerichts zu, daß der Beklagte aus den hohen Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um mehr als 100 vH in der Abrechnungshäufigkeit der gekürzten Leistungspositionen nicht auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise schließen durfte, ohne weitere Feststellungen zu der Behauptung des Klägers zu treffen, daß etwa ein Drittel der Zahnärzte im gesamten Abrechnungsbezirk die streitigen Leistungspositionen 8a und 8b nicht abrechnen.
Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ist von den Prüforganen nach der Methode des statistischen Vergleichs vorgenommen worden. Zutreffend geht das LSG davon aus, daß der Beklagte schon wegen der Anzahl der abgerechneten Behandlungsscheine, nach den Feststellungen des LSG durchschnittlich weit über 200 je Quartal, nicht auf eine Einzelfallprüfung beschränkt war. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), daß die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Kassenarztes bzw Kassenzahnarztes nicht anhand einzelner Behandlungsfälle geprüft zu werden braucht, wenn eine genaue Berechnung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist (vgl BSGE 11, 102, 114; BSGE 62, 18 = SozR 2200 § 368n Nr 54 mwN). Das ist verfassungsrechtlich zulässig (BVerfG SozR 2200 § 368e Nr 3; BSG, Beschluß vom 10.04.1990 6 BKa 80/89, nicht veröffentlicht). Damit ist praktisch im Regelfall die statistische Methode anzuwenden (BSGE 62, 18, 20). Das Gesetz sieht nunmehr den statistischen Kostenvergleich ausdrücklich in § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V vor, wonach die Wirtschaftlichkeit ua auch „nach Durchschnittswerten” geprüft wird. § 6 Abs 2 der Verfahrensordnung stimmt damit überein.
Die Rechtsprechung des BSG läßt grundsätzlich statistische Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Kürzungen auch in einzelnen Leistungsbereichen zu (BSGE 62, 24, 29 = SozR 2200 § 368n Nr 48; im Ergebnis schon: BSGE 50, 84 = SozR 2200 § 368e Nr 4). Dabei sind aber die Gesamtfallkosten mit zu berücksichtigen (BSGE 69, 138, 143 = BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 6; BSG, Urteil vom 8. April 1992 – 6 RKa 34/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die angefochtenen Bescheide lassen zwar nicht erkennen, wie sich die Kürzung auf den Gesamtfallkostendurchschnitt des Klägers in den einzelnen Quartalen auswirkt und wie dann das Verhältnis zum Gesamtfallkostendurchschnitt der Fachgruppe ausfällt. Diese Unterlassung kann hier jedoch hingenommen werden -wenn man von der Behauptung, ein Drittel der Kassenzahnärzte habe die Bema-Positionen 8a und 8b überhaupt nicht abgerechnet, absieht, oder wenn diese Behauptung nicht bewiesen wird-. Bereits eine überschlägige Berechnung ergibt, daß der Kläger mit seinem pro Quartal abgerechneten Gesamthonorar um nicht mehr als 2 vH gekürzt worden ist. Bei ihm betrug die Überschreitung des Gruppendurchschnitts beim Gesamtfallwert 48,83 % im Quartal 1/84 (durchschnittlicher Fallwert des Klägers: 157,77 DM und Landesdurchschnitt: 106,01 DM; 100 * 157,77 / 106,01 = 148,83) und 34,02 % im Quartal 1/85 (durchschnittlicher Fallwert des Klägers: 143,39 DM und Landesdurchschnitt: 106,99 DM; 100 * 143,39 / 106,99 = 134,02). Da sich das Abrechnungsbild des Klägers im gesamten Prüfungszeitraum mit der Überschreitung des Landesdurchschnitts bei vielen Einzelpositionen nicht wesentlich geändert hat, besteht keine Veranlassung zu der Annahme, daß er nach der Honorarkürzung bis auf den Landesdurchschnitt oder zumindest bis auf einen Wert im normalen Streubereich gekürzt worden ist, was rechtlich bedenklich sein könnte (vgl BSGE 69, 138, 143 = SozR 3-2200 § 106 Nr 6). Im übrigen hat der Beklagte in der Begründung des Bescheides zum Ausdruck gebracht, daß er die Abrechnung des Klägers auch auf sog kompensatorische Einsparungen gegenüber den überhöht abgerechneten Leistungspositionen geprüft, solche aber nicht festgestellt habe.
Er hat dabei insbesondere nicht übersehen, daß der Kläger weniger Wurzelbehandlungen als im Landesdurchschnitt abgerechnet hat. Wenn es der Beklagte schließlich unterlassen hat, Feststellungen zur Höhe der veranlaßten unwirtschaftlichen Mehrkosten zu treffen, ist dieses im konkreten Fall ebenfalls unschädlich, weil er bei der Kürzung der einzelnen Leistungspositionen dem Kläger eine doppelt so hohe Abrechnungshäufigkeit wie im Landesdurchschnitt zugebilligt hat, die die normalen Zufälligkeiten (auf die behaupteten Nullfälle ist später einzugehen) und die Therapiefreiheit hinreichend berücksichtigt (vgl dazu BSG SozR 2200 § 368n Nr 49). Der 6. Senat hat im angeführten Urteil vom 8. April 1992 eine Überschreitung in einer Leistungssparte um 56 % nicht ausreichen lassen und dabei in Anlehnung an die Prüfvereinbarung für den Ersatzkassenbereich der Kassenärzte eine Grenze von 200 % der Standardabweichung erörtert. Er hat aber einen bestimmten Grenzwert nicht vorgeschrieben, sondern nur betont, daß wegen der mit einem Einzelleistungs- und Spartenvergleich verbundenen statistischen Risiken nicht schematisch vorgegangen werden dürfe, sondern die jeweilige Strukturierung innerhalb der Arztgruppe berücksichtigt werden müsse. Für den Bereich der Kassenzahnärzte kann wegen der erfahrungsgemäß hohen Homogenität dieser Gruppe jedenfalls bei einer Überschreitung der Landesdurchschnittswerte in den gekürzten Gebührenpositionen um das Doppelte bis zum Fünffachen – wie es beim Kläger der Fall ist – auf die genaue Festlegung eines Grenzwertes der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit verzichtet werden. Die Kürzung berücksichtigt hinreichend, daß bei Einzelpositionen die Vergleichszahlen weit niedriger sind und die Schwankungsbreite größer ist als bei den Fallkosten (vgl dazu auch § 8 Abs 6 der ab 1. Oktober 1990 gültigen Prüfvereinbarung Ersatzkassen-Ärzte, wonach bei Einzelleistungen Überschreitungen von 100 % bei arithmetischer Berechnung zur Einbeziehung in das Prüfverfahren führen können).
Auch die Ausführungen des LSG zur Zulässigkeit der Erstreckung der Prüfung auf frühere Quartale sind nicht zu beanstanden. § 3 Abs 2 der Verfahrensordnung (Anlage 4 zum BMV-Zahnärzte) sieht diese Möglichkeit, wenn auch ausdrücklich nur auf Antrag der Krankenkasse (KK), vor. Es bestehen aber im Hinblick auf den gemeinsamen gesetzlichen Prüfauftrag nach § 368n Abs 5 RVO aF keine Bedenken, diese Prüfung zurückliegender Quartale durch die Prüfungsinstanzen für die hier betroffenen Quartale vor dem 1. Januar 1989 auch von Amts wegen vornehmen zu lassen.
Den Prüfinstanzen wird durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten kein bestimmtes statistisches Verfahren (zB das herkömmliche Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen oder die Gauß'sche Normalverteilung) als das allein rechtlich zulässige Verfahren vorgeschrieben (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31, Nr 48 und 57). Soweit im Schrifttum eine verfeinerte statistische Methode als notwendig angesehen wird (vgl etwa: Gaus, Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise des Kassenarztes; Müller/Plöger/ Spranger, Leistungsspektren von Zahnarztpraxen, IDZ-Information 5/1992 des Instituts der Deutschen Zahnärzte, Köln; Kurzgutachten zur statistischen Vergleichsprüfung im kassenzahnärztlichen Bereich vom 7. November 1991), wird nicht ausreichend berücksichtigt, daß das Verfahren nach arithmetischen Durchschnittszahlen im Wege der freien Schätzung alle Besonderheiten berücksichtigen kann. Das BSG hat deshalb an der Freiheit der Methodenwahl festgehalten (vgl das angeführte Urteil des 6. Senats vom 8. April 1992 und Beschluß vom 1. Oktober 1990 – 6 BKa 29/90 – nicht veröffentlicht).
Das besagt aber nicht, daß die Prüforgane Umstände unberücksichtigt lassen dürfen, die einerseits leicht aufzuklären sind und die andererseits nach ihrem Gewicht eine erhebliche Fehlerquelle der statistischen Methode nahelegen und damit einen Ausgleich erfordern. Dabei sind Aufklärungsmühe und Aufklärungsgewinn gegeneinander abzuwägen. Die normalen und üblicherweise vorliegenden Fehlerquellen (zB Abrechnungs- oder Erfassungsfehler, ferner statistische „Ausreißer”) werden unabhängig von ihrem Nachweis im Einzelfall dadurch ausgeglichen, daß die Prüforgane in Ausfüllung eines ihnen zustehenden Beurteilungsspielraumes für den Bereich der normalen Streuung und für die Grenze zur offenbaren Unwirtschaftlichkeit bestimmte Vomhundertsätze festsetzen. Dabei hat die Rechtsprechung den Grenzwert von 20 vH für die normale Streuung und um 40 bis 60 vH für die Grenze zur offenbaren Unwirtschaftlichkeit beim Fallkostendurchschnitt als nicht zu beanstanden angesehen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 195). Die von dem Beklagten gewählte Grenze zur offenbaren Unwirtschaftlichkeit von 100 % geht hierüber hinaus. Das war schon deswegen geboten, weil für den Vergleich von Einzelpositionen generell ein Zuschlag zu gewähren ist, wie bereits ausgeführt. Der gewährte Zuschlag kann deswegen nicht als Ausgleich der Nullfälle angesehen werden. Auch ist im Bescheid nicht nachvollziehbar dargelegt, daß mit dem Grenzwert von 100 % auch die Fehlerquelle „Nullfälle” abgedeckt werden sollte. Es fehlt schon an einer wertmäßigen Zuordnung.
Ferner läßt der Bescheid nicht erkennen, ob die Behauptung, ein Drittel rechne die Positionen 8a und 8b nicht ab, als bewiesen angesehen wurde. Der Beklagte hat im Revisionsverfahren vorgetragen, es handele sich um einen bloßen Verdacht, der in dieser Größenordnung nicht bewiesen sei. Nach neueren Erhebungen betrügen die Nullfälle etwa 7 bis 8 %. Das schließt es aus, den Bescheid dahin auszulegen, daß der Zuschlag von 100 % die behaupteten Nullfälle in vollem Umfang ausgleichen sollte. Denn Bescheide sind im Zweifel so auszulegen, daß sie der Rechtslage entsprechen. Ein Ausgleich der Nullfälle war nur rechtmäßig, wenn diese tatsächlich vorlagen, weil es sich hierbei um einen außergewöhnlichen und erheblichen Umstand handelt. Dem Bescheid kann deshalb die Gewährung eines Ausgleichs nicht entnommen werden. Umgekehrt ist die Nichtgewährung eines Ausgleichs rechtswidrig, wenn die behaupteten Nullfälle tatsächlich vorliegen.
Bei Fehlerquellen, die außergewöhnlich und erheblich sind, ist ein Ausgleich nur gerechtfertigt und dann auch geboten, wenn sie tatsächlich vorliegen. Sie sind damit beweiserheblich. Der vorliegende Sachverhalt gibt keine Veranlassung, für den hier betroffenen Komplex der Nullfälle eine allgemeine Grenzziehung, und sei es nur iS einer Faustregel, zu versuchen. Es genügt die Feststellung, daß die Behauptung des Klägers, die Vitalitätsprüfung werde von einem Drittel der Zahnärzte nicht abgerechnet, beweiserheblich ist, während die Behauptung von gelegentlichen Nullfällen (in einer Größenordnung bis etwa 8 vH) nicht ausreicht, da es sich dann statistisch lediglich um „Ausreißer” handelt, wobei sich die Ausreißer nach „unten” mit denen nach „oben” ausgleichen. Der Einwand des Klägers, bei der Berücksichtigung von Nullfällen würde (gegen die Regeln der Mathematik) durch Null geteilt, ist unrichtig. Hat ein Zahnarzt null Abrechnungsfälle einer Position, so wird die Null zu den Abrechnungsfällen der übrigen Zahnärzte hinzugerechnet, und nicht durch Null geteilt. Denn es werden die Abrechnungsfälle einer Position zusammengezählt, und es wird nur durch die Gesamtfallzahl geteilt.
Demgegenüber ist die Behauptung des Klägers, etwa ein Drittel der Zahnärzte im gesamten Abrechnungsbezirk rechne die streitigen Leistungspositionen 8a und 8b nicht ab, für die statistische Beweisführung von andersartiger Bedeutung. Sie ist auf der Grundlage der der Statistik zugrundeliegenden Annahmen höchst unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen, wie das LSG zutreffend herausstellt. Auf die Positionen 8a und 8b entfällt eine Abrechnungshäufigkeit von (4,61 + 7,94 =) 12,55. Bei einer Fallzahl von 199 im Landesdurchschnitt waren statistisch (2 * 12,55 =) 25,10 Abrechnungsfälle je Zahnarzt zu erwarten.
Gleichwohl kann die Behauptung durch Auszählen der Abrechnungsbelege zweifelsfrei bewiesen werden. Ist das der Fall, so widerlegt die bewiesene Behauptung ihrerseits die Grundlagen der Statistik oder zeigt doch eine auszugleichende Fehlermöglichkeit auf. Dabei spielt das Verhältnis der durchschnittlichen Abrechnungshäufigkeit zur Quote der Nullfälle eine Rolle. Je größer die durchschnittliche Abrechnungshäufigkeit ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines so erheblichen Anteils der Zahnärzte mit einer Null-Abrechnung dieser Positionen. Den Zusammenhang kann nachfolgendes Beispiel mit extrem niedriger Abrechnungshäufigkeit verdeutlichen, obgleich bei so geringen Fallzahlen eine statistische Prüfung ausscheidet. Wäre die durchschnittliche Abrechnungshäufigkeit sehr gering, zB 0,2 vH, so kämen statistisch auf 1000 Fälle zwei Abrechnungsfälle. Also entfielen auf drei Zahnärzte mit je 333 Fällen zwei Abrechnungsfälle. Würde von diesen drei Zahnärzten einer (= 1/3) null Fälle abrechnen und zwei je einen, so entspräche das der statistischen Wahrscheinlichkeit und könnte deswegen die Statistik nicht in Frage stellen.
Auch die in Erwägung zu ziehenden Gründe für das behauptete Abrechnungsverhalten bestätigen, daß dieser Behauptung nachzugehen war. Weist bei einer durchschnittlichen Abrechnungshäufigkeit von etwa 13 vH tatsächlich die Abrechnung von einem Drittel der Zahnärzte diese Positionen mit Null aus, so kann das damit zu erklären sein, daß diese Leistung zwar von diesen Zahnärzten erbracht, aber nicht abgerechnet wurde, etwa in der irrigen Annahme, daß die Leistung durch eine andere berechnete Position mit abgegolten sei. Das Nichtabrechnen erbrachter Leistungen in dem fraglichen Umfang mag auf den ersten Blick eine fernliegende Erklärungsmöglichkeit sein. Gleichwohl hat die sachkundige Beigeladene zu 5), die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV), im Prüfverfahren dies aufgrund der Überlegung unterstellt, daß es nicht vorstellbar sei, daß eine Reihe von Zahnärzten in einem ganzen Quartal bei keinem einzigen Patienten eine Vitalitätsprüfung vornehme. Wäre die Behauptung des Klägers richtig und durch Fehlabrechnungen zu erklären, so würde das die Annahme nahelegen, daß selbst die zwei Drittel der Zahnärzte, die die Leistung abrechnen, diese nicht in allen Fällen abrechnen. Die durchschnittliche Abrechnungshäufigkeit läge dann tatsächlich erheblich höher.
Die behaupteten Nullfälle können aber auch damit zu erklären sein, daß bei einem Drittel der Zahnärzte diese Leistung nicht nur in einzelnen Quartalen, sondern überhaupt nicht erbracht wird. Wäre das zutreffend, so würden die Praxen dieser Zahnärzte eine Besonderheit aufweisen. Da die Untersuchung jeder Zahnarzt durchführen kann, müßte es sich um eine Besonderheit im Patientenkreis handeln. Wegen dieser Praxisbesonderheit müßten die „Nullabrechner” bei der Bildung des Landesdurchschnitts außer Ansatz gelassen werden. Der Forderung nach einer genaueren Überprüfung der statistischen Grundlagen bei der Durchführung von Sparten- oder Einzelleistungsvergleichen kann nicht mit dem Argument begegnet werden, auch grobe Ungenauigkeiten der statistischen Vergleichsprüfung ließen sich in den weiteren Prüfungsabschnitten ausgleichen. Der Aussagewert der statistischen Zahlen darf nicht im Dunkeln bleiben. Insoweit schließt sich der erkennende Senat den Ausführungen des 6. Senats im Urteil vom 8. April 1992 an.
Der Beklagte hätte daher, wie vom LSG zutreffend entschieden, zu der schon im Prüfungsverfahren aufgestellten Behauptung ermitteln müssen. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, daß seine Behauptung auf Angaben eines Prüfarztes der beigeladenen KZÄV beruhe, der Abrechnungsunterlagen hinsichtlich der hier streitigen Positionen ausgezählt haben will. Es bedarf daher keiner Erörterung, in welchen Grenzen die Haltlosigkeit einer Behauptung und das Fehlen von Anhaltspunkten eine Beweiserhebung entbehrlich machen können (hierzu BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 -X ZR 88/90- NJW 1992, 1967).
Gegebenenfalls waren auch die Gründe für ein solches Abrechnungsverhalten aufzuklären. Daß hierbei möglicherweise Praxisbesonderheiten hervortreten und daß die Darlegung von Praxisbesonderheiten grundsätzlich Sache des Zahnarztes ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Zahnarzt ist nicht in der Lage, der behaupteten Abrechnungsweise nachzugehen. Die hierfür erforderlichen Abrechnungsunterlagen der anderen Ärzte besitzt die KZÄV und sie sind dem Beklagten zugänglich. Erst eine Auswertung dieser Unterlagen ermöglicht, wenn sie die behauptete Menge der Nullfälle ergibt, eine weitere Aufklärung.
2. Das LSG hätte den Sachverhalt zu der behaupteten Menge der Nullfälle indes selbst aufklären müssen.
Die Aufklärung entscheidungserheblicher Umstände fällt grundsätzlich in die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 103 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Eine Rückgabe an die Verwaltung mit der Auflage, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, ist in aller Regel unzulässig. Das gilt grundsätzlich auch, wenn die Verwaltung im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ihrer Verpflichtung, den Sachverhalt aufzuklären (§ 20 Sozialgesetzbuch-Zehntes Buch ≪SGB X≫), nicht nachgekommen ist (BSG SozR 1500 § 103 Nr 16; BSG, Urteil vom 5. März 1980 – 9 RV 41/78 –).
Dem steht nicht entgegen, daß Prüfbescheide nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Gerichte unterliegen, da den Prüfungsorganen ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht (BSGE 69, 138, 142 = BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 6). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrundeliegt, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG Urteil vom 1. Oktober 1990 -6 RKa 32/89- USK 90102). Unvollständig ermittelt ist ein Sachverhalt im vorstehenden Sinne nur, wenn Umstände, die im Verwaltungsverfahren nicht ermittelt und nicht berücksichtigt wurden, tatsächlich vorliegen. Denn nur dann ist die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Ergeben die Ermittlungen des Gerichts hingegen, daß der nicht aufgeklärte Umstand tatsächlich nicht vorliegt, so liegt der Verwaltungsentscheidung der richtige Sachverhalt zugrunde. Hätte das LSG festgestellt, daß die behauptete Menge der Nullfälle nicht vorliegt, könnten hieraus keine Zweifel am Beweiswert der statistischen Durchschnittsbetrachtung hergeleitet werden. Desgleichen ist der Beklagte bei der Wahl der statistischen Methode und bei der Bestimmung der Grenzwerte zum normalen Streubereich und zum offenbaren Mißverhältnis nur dann verpflichtet, der Menge der Nullfälle Rechnung zu tragen, wenn diese bewiesen ist. Hiernach ist es für die Aufklärungspflicht des Gerichts ohne Bedeutung, ob die beweiserhebliche Tatsache für die Ermessensausübung oder für die Rechtsanwendung von Bedeutung ist. Nur wenn der Behörde gerade hinsichtlich der Feststellung der betroffenen Tatsache eine Einschätzungsprärogative zusteht, kann dies die Amtsermittlungspflicht des Gerichts einschränken. Das ist hier aber nicht der Fall.
Die KZÄV hat in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen, daß die Abrechnungsunterlagen der streitigen Quartale jetzt noch eine Feststellung der Zahl der Nullfälle zulassen. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung, auf den Gesichtspunkt der Beweisvereitelung für den Fall einzugehen, daß die Unterlagen erst nach Aufstellung der entsprechenden Behauptung des Klägers vernichtet wurden. Wenn die genaue Zahl der Nullfälle nur für spätere Quartale ermittelt werden kann und entsprechend den Angaben des Beklagten auf 5 bis 10 vH anzusetzen ist, wird das LSG auch eine etwaige Verschiebung beim Häufigkeitsgrad zu berücksichtigen haben. Der Häufigkeitsgrad der Positionen 8a und 8b wird in den vom SG eingeholten Äußerungen anderer KZÄVen über das von ihnen praktizierte Abrechnungsverfahren für spätere Zeiträume mit 16 (vgl SG Bl 86) bis 18 vH (SG Bl 66) angegeben. Sollte auch im Bereich des Beklagten der Häufigkeitsgrad von etwa 12 vH in den streitigen Quartalen auf 16 bis 18 vH in dem Quartal, für das die Nullfälle ermittelt werden, angestiegen sein, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Anzahl der Nullfälle gleich geblieben ist.
3. Der Senat hat es nicht als sachgemäß angesehen, über die Kürzung der übrigen Positionen abschließend zu entscheiden. Sollte die behauptete Menge der Nullfälle bewiesen werden, so könnte der Beklagte dies zum Anlaß nehmen, zu einer anderen statistischen Methode hinsichtlich aller Positionen überzugehen. Das LSG legt den Übergang zur Gauß'schen Normalverteilung nahe. Hierzu ist allerdings anzumerken, daß auch diese Methode nicht zu brauchbaren Ergebnissen führt, wenn ein Drittel der Zahnärzte die erbrachte Leistung nicht abrechnet.
Das LSG wird in der abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1173291 |
BSGE, 90 |