Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundeserziehungsgeld. türkischer Staatsangehöriger. Erwerbstätigkeit. Familienleistung. Familienangehörige. Asylantrag. Familienasyl. Anerkennung. Aufenthaltstitel. Änderung der Verhältnisse. Ermessen. atypischer Fall. Wohnsitz. Wohnort. gewöhnlicher Aufenthalt. Lebensmittelpunkt. Wohnmitgliedstaat. Diskriminierungsverbot. europäische-türkisches Assoziationsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Es erfordert nach § 48 Abs 1 S 2 SGB 10 eine Ermessensausübung wegen eines atypischen Falls, wenn der Ehegatte desjenigen, der zu Unrecht Bundeserziehungsgeld bezogen hat, in dem betreffenden Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt iS des BErzGG war.
2. Die Ehefrau eines türkischen Arbeitnehmers, deren Asylanerkennung vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten angefochten worden ist, wohnt iS des europäisch-türkischen Assoziationsrechts während des laufenden Klageverfahrens dann berechtigt in Deutschland, wenn die Asylanerkennung später unanfechtbar und ihr daraufhin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Normenkette
BErzGG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 3 S. 1, § 1 Abs. 1 S. 2, §§ 5-6, 24; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; SGB I § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 30; AuslG § 5; AuslG 1990 § 5; AsylVfG § 55; AsylVfG 1992 § 55; AsylVfG § 68; AsylVfG 1992 § 68; EWGAssRBes 3/80 Art. 1 Buchst. b, Art. 2, 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h; EWGV 1408/71 Art. 1 Buchst. h, i, Art. 10, 19, 10a, 20, 71; EWGAssRBes 1/80 Art. 6 Abs. 1, Art. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, die Bewilligung des dem Kläger gezahlten Bundeserziehungsgeldes (BErzg) aufzuheben und von ihm die Erstattung der Leistung zu verlangen.
Der Kläger und seine Ehefrau sind türkische Staatsangehörige. Der Kläger lebt seit 1996 in der Bundesrepublik Deutschland und verfügte im streitigen Zeitraum über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seiner Ehefrau war nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im streitigen Zeitraum zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet (Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylverfahrensgesetz ≪AsylVfG≫). Auf der Grundlage der im Revisionsverfahren beigezogenen Ausländerakte der Ehefrau des Klägers ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Ehefrau des Klägers im Februar 1997 nach Deutschland einreiste; ein erster Asylantrag blieb auch im Gerichtsverfahren erfolglos. Im Hinblick auf die inzwischen anerkannte Asylberechtigung des Ehemannes (Bescheid des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22. Dezember 1998) stellte die Ehefrau im Dezember 1998 einen Folgeantrag auf Familienasyl, dem das Bundesamt mit Bescheid vom 13. Januar 1999 stattgab. Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten erfolglos Klage (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 17. Mai 2001, rechtskräftig am 14. Juni 2001). Ab 31. August 2001 verfügt die Ehefrau über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2000 bewilligte der Beklagte dem Kläger für das erste Lebensjahr der am 7. Februar 2000 geborenen TochterRuzerinBErzg in Höhe von 600 DM monatlich. Am 21. Februar 2001 stellte der Kläger einen Folgeantrag. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens legte er nach Aufforderung durch den Beklagten eine Verdienstbescheinigung für den Zeitraum vom 15. März 2000 bis 14. März 2001 vor. Der Beklagte hob daraufhin den Ausgangsbescheid durch Bescheid vom 2. März 2001 für die Zeit ab 7. April 2000 auf und forderte gewährtes BErzg in Höhe von 6.000,- DM zurück. Der Widerspruch des Klägers (Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. April 2001), seine Klage und die Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Kiel vom 21. November 2002 und des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 28. August 2003). Das LSG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Beklagte habe den Bewilligungsbescheid nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu Recht aufgehoben. Der Kläger sei seiner Pflicht zur Mitteilung einer für ihn wesentlichen nachteiligen Änderung der Verhältnisse - der Aufnahme einer mehr als 19-stündigen Erwerbstätigkeit am 15. März 2000 - zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X). Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, den Ausgangsbescheid teilweise aufzuheben; Raum für eine Ermessensausübung habe nicht bestanden. Es könne offen gelassen werden, ob ein atypischer Fall vorliege, wenn die Ehefrau des Klägers im streitigen Zeitraum BErzg für die Tochter hätte beanspruchen können, das BErzg also ohnehin dem Familieneinkommen zugeflossen wäre.
Ein Anspruch der Ehefrau des Klägers nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) habe bereits deshalb nicht bestanden, weil sie damals nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis iS des § 5 Ausländergesetz (AuslG) gewesen sei. Leistungen seien auch nicht nach dem BErzGG iVm dem Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 1 Beschluss Nr 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf türkische Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (ARB 3/80) zu gewähren. Dieses Diskriminierungsverbot bestehe nur gegenüber türkischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen, die sich rechtmäßig in dem Mitgliedstaat aufhielten. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ergebe sich nicht bereits aus der faktischen Anwesenheit, sondern erfordere eine besondere Beziehung zu dem Mitgliedstaat durch eine mit dessen Zustimmung begründende Aufenthaltsverfestigung. Diese liege bei einer gesetzlichen Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs 1 Satz 1 AsylVfG ebenso wenig wie bei einer Duldung nach § 55 Abs 1 AuslG vor, denn beide begründeten keinen materiell-rechtmäßigen, sondern nur einen verfahrensrechtlich abgesicherten Aufenthalt. Insoweit unterscheide sich der Aufenthaltsstatus der Ehefrau des Klägers auch von demjenigen der Klägerin im Fall "Sürül" (Europäischer Gerichtshof ≪EuGH≫, Urteil vom 4. Mai 1999 - C-262/96 - EuGHE I, 2743 = SozR 3-6935 Allg Nr 4), die über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt habe.
Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 10 Abs 2 BErzGG.
Der Kläger macht mit seiner vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision geltend: Es sei hier ein atypischer Fall mit der Folge des Ausschlusses einer Aufhebung und Rückforderung gegeben, da seiner Ehefrau zeitgleich ein Anspruch auf BErzg zugestanden hätte. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH im Fall "Sürül" genüge eine Aufenthaltsgestattung zumindest dann für die Gewährung von BErzg, wenn das Asylverfahren mit einer Anerkennung ende.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Schleswig-Holstein vom 28. August 2003 und des SG Kiel vom 21. November 2002 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. LSG und SG haben den angefochtenen Verwaltungsakt zu Unrecht bestätigt. Zwar ist dieser verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, auch liegen die Voraussetzungen des § 48 SGB X vor; der Beklagte war jedoch nicht berechtigt, den Bewilligungsbescheid vom 15. Februar 2000 ohne weiteres rückwirkend aufzuheben und überzahltes BErzg zurückzufordern. Da die Ehefrau des Klägers im streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt war, liegt eine atypische Fallgestaltung vor, die eine Ermessensausübung erfordert.
(A) Zutreffend hat das LSG einen beachtlichen Verstoß gegen § 24 SGB X verneint. Zwar wurde der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 2. März 2001 nicht nach Maßgabe dieser Vorschrift angehört. Er hat sich jedoch in seinem Widerspruchsschreiben zu den für die Verwaltungsentscheidung maßgeblichen Tatsachen geäußert. Darin liegt eine wirksame Nachholung der Anhörung. Der ursprüngliche Verfahrensfehler ist daher unbeachtlich (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X).
(B) Nach dem hier zunächst einschlägigen § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Diese Tatbestandsmerkmale sind hier gegeben. In den dem Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Verhältnissen ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Kläger hatte in der Zeit vom 7. April 2000 bis 6. Februar 2001 keinen Anspruch auf BErzG.
Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 BErzGG sind für die vor dem 1. Januar 2001 geborenen Kinder die Vorschriften des BErzGG in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 1 Abs 1 Nr 4 BerzGG (idF der Neubekanntmachung vom 31. Januar 1994, BGBl I 180) hat Anspruch auf Erzg nur derjenige, der keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Dies setzt gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG (idF des Art 74 Nr 2 Buchst a des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594) voraus, dass eine wöchentliche Arbeitszeit von 19 Stunden nicht überschritten wird. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) noch bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 15. Februar 2000 (nämlich bis zum 14. März 2000), nicht mehr jedoch ab 15. März 2000. Denn er war von diesem Zeitpunkt an (bis zum 14. März 2001) vollschichtig erwerbstätig. Da mithin während des zweiten Lebensmonats des KindesRuzerineine Anspruchsvoraussetzung entfallen war, endete der Anspruch des Klägers auf BErzg gemäß § 4 Abs 3 Satz 1 BErzGG mit dem Ablauf dieses Zeitabschnitts, also am 6. April 2000.
(C) Es sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der BErzg-Bewilligung erfüllt. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Der Kläger hatte gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die Pflicht, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Danach war er insbesondere verpflichtet, die Aufnahme seiner Beschäftigung sobald wie möglich anzuzeigen. Diese Pflicht hat er, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 letzter Teilsatz SGB X). Der Kläger hätte bei Beachtung der erforderlichen Sorgfaltspflicht erkennen müssen und können, dass er die Aufnahme der Erwerbstätigkeit dem Beklagten anzeigen musste. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, da insoweit zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind, war der Kläger über seine Mitteilungspflichten mehrfach ausdrücklich belehrt worden. Diese Belehrung hat der Kläger nach der Beweiswürdigung des LSG ohne Sprachprobleme verstanden.
(D) Der Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, weil es an der erforderlichen Ermessensausübung fehlt.
(I) Das Wort "soll" in Abs 1 Satz 2 des § 48 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (st Rspr des BSG; vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1. Mai 2006, § 48 SGB X RdNr 36 mwN). Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (ebenfalls st Rspr; BSGE 69, 233, 237 = SozR 3-5870 § 20 Nr 3; SozR 3-1300 § 48 Nr 42; SozR 3-1300 § 48 Nr 37; jeweils mwN). Ein atypischer Fall liegt vor, wenn der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs 1 Satz 2, die die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde (vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar, aaO, § 48 SGB X RdNr 37; Heße in Sozialrecht, Beck'scher Onlinekommentar, Stand 1. Juni 2006, § 48 SGB X RdNr 33). Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist (BSG SozR 1300 § 48 Nr 53).
(II) Hier ist ein atypischer Fall anzunehmen. Allerdings hat der Kläger auf Grund der Verletzung seiner Mitteilungspflichten eine Leistung erhalten, die ihm selbst nicht zusteht. Dies ist grundsätzlich eine typische Fallgestaltung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X. Hierbei kann jedoch der Zweck der Leistung, die der Kläger erhalten hat, nicht unberücksichtigt bleiben.
Das BErzg ist - wirtschaftlich betrachtet - eine Familienleistung. Ihr Hauptzweck ist die Förderung der Betreuung und Erziehung von Kleinkindern in der ersten Lebensphase. Der Mutter oder dem Vater eines Kindes soll es ermöglicht oder erleichtert werden, zu dessen Gunsten im Anschluss an die Mutterschutzfristen ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten. Zudem sollen die Erziehungsleistungen junger Familien anerkannt und diesen finanzielle Hilfen gewährt werden (vgl BT-Drucks 10/3792, S 13; Hambüchen, Kindergeld-, Erziehungsgeld-, Elternzeit, Kommentar, Stand August 2006, Einführung in das BErzGG S 3). Der Charakter als Familienleistung findet seine Ausprägung auch in den gesetzlichen Vorschriften; zB wird in den Berechnungsmodalitäten das Familieneinkommen berücksichtigt (§ 6 BErzGG).
So gesehen ist es von Bedeutung, ob im streitigen Zeitraum eine grundsätzliche Anspruchsberechtigung der Ehefrau des Klägers für BErzg bestand. Dann wäre das dem Kläger zu Unrecht erbrachte BErzg im Ergebnis zweckentsprechend dem Familieneinkommen zugute gekommen. Die Familie profitiert im gleichen Maße bei Leistung des BErzg an den Kläger wie an seine Ehefrau. Diese Gegebenheiten unterscheiden den vorliegenden Sachverhalt von dem Fall, den das BSG am 3. Juli 1991 (SozR 3-1300 § 48 Nr 10) entschieden hat. Dort wurde eine Atypik verneint, obwohl der Versicherte ohne sein Fehlverhalten eine andere, niedrigere Sozialleistung hätte beziehen können. Hier geht es hingegen um ein und dieselbe Familienleistung, die ggf von dem Ehegatten des nicht berechtigten Beziehers hätte beansprucht werden können.
(III) Im vorliegenden Fall entspricht die unbedingte Aufhebung der BErzG-Bewilligung nicht dem Sinn und Zweck des BErzg; denn die Ehefrau des Klägers war im streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt.
Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 BErzGG ist dabei § 1 Abs 1 BErzGG in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung der Neubekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl I 180) anzuwenden, der mit Abs 1 Satz 1 der bis zum 26. Juni 1993 geltenden Fassung des Art 10 Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslNRG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354; vgl auch die Bekanntmachung der Neufassung des BErzGG vom 21. Januar 1992, BGBl I 68, im Folgenden "aF") identisch ist.
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Danach hat Anspruch auf BErzg, wer |
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einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, |
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mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, |
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dieses Kind selbst betreut und erzieht und |
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keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. |
Gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF ist für einen Ausländer weitere Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist. Nicht mehr anzuwenden ist der vom LSG geprüfte § 1 Abs 1a idF vom 23. Juni 1993 (BGBl I 944), wonach Voraussetzung für einen Ausländer der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Mit Beschluss vom 6. Juli 2004 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 111, 176 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4) diese Vorschrift für mit Art 3 Grundgesetz (GG) unvereinbar erklärt. Da der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1. Januar 2006 durch eine Neuregelung ersetzt hat, ist nach dieser Entscheidung auf noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren - wie das vorliegende - das bis zum 26. Juni 1993 geltende Recht anzuwenden.
(1) Ein (fiktiver) Anspruch der Ehefrau des Klägers ist nicht schon wegen § 1 Abs 1 Satz 2 BerzGG aF ausgeschlossen.
(a) Allerdings erfüllt die Ehefrau die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF nicht. Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsbefugnis sind Arten der Aufenthaltsgenehmigung (§ 5 AuslG). Nach den Feststellungen des LSG verfügte die Ehefrau des Klägers im Bezugszeitraum lediglich über eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (Aufenthaltsgestattung). Gemäß § 55 Abs 2 AsylVfG erlöschen mit der Stellung eines Asylantrags eine Befreiung von dem Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung und eine Aufenthaltsgenehmigung mit einer Gesamtgeltungsdauer bis zu sechs Monaten. Dabei stellt die Aufenthaltsgestattung ein asylspezifisches, verfahrensabhängiges Aufenthaltsrecht dar, das keine Aufenthaltsgenehmigung iS des § 5 AuslG ist (Marx, Kommentar zum AsylVfG, 5. Aufl 2003, § 55 RdNr 14). So hat der erkennende Senat entschieden, dass eine Aufenthaltsgestattung iS des § 55 AsylVfG - auch wenn das Asylverfahren mit einer Anerkennung endet und ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis besteht - für den Bezug von BErzg nicht ausreicht (Urteil vom 29. Januar 2002 - B 10 EG 7/01 R - JURIS - mwN). Das materielle Aufenthaltsrecht sowohl des Asylbewerbers als auch des bereits anerkannten Asylberechtigten stehen dem Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels nicht gleich (BSG, Beschluss vom 5. August 1999 - B 14 EG 3/99 R - JURIS - mwN).
(b) Entgegen der Auffassung des LSG kann sich die Ehefrau des Klägers jedoch auf das Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 1 ARB 3/80 (ABl EG 1983, C 110/61) berufen. Ihr kann daher die sie benachteiligende Regelung des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF nicht entgegengehalten werden.
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Nach dem Urteil des EuGH vom 4. Mai 1999 - C-262/96 - ("Sürül"; aaO) haben auf der Grundlage des Art 3 Abs 1 ARB 3/80 türkische Staatsangehörige, |
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für die der Beschluss gilt und |
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die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, |
unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit nach den Rechtsvorschriften dieses Staates. |
Zwar betraf diese Entscheidung des EuGH ein Verfahren über die Gewährung von bundesdeutschem Kindergeld, sie gilt nach ihrem Ausspruch jedoch für alle Leistungen der sozialen Sicherheit, auf die sich der ARB 3/80 bezieht. Vorabentscheidungen des EuGH entfalten ihre Bindungswirkung auch außerhalb des Ausgangsverfahrens. Sie genießen als Teile des Gemeinschaftsrechts Vorrang gegenüber nationalem Recht (Urteil des erkennenden Senats vom 27. Mai 2004 - B 10 EG 11/03 R - JURIS).
(aa) Für die Ehefrau des Klägers gilt der ARB 3/80.
Die Anwendbarkeit des europäisch-türkischen Assoziationsrechts ist gegeben. Die Tatsache, dass der Kläger und seine Ehefrau nicht innerhalb der Gemeinschaft gewandert (keine "Wanderarbeitnehmer" iS des Gemeinschaftsrechts), sondern direkt aus der Türkei in die Bundesrepublik eingereist sind, um hier - erfolgreich - um Asyl nachzusuchen, schränkt die Anwendung des ARB 3/80 nicht ein. Es ist unerheblich, aus welchen Gründen die Bundesrepublik Deutschland betreten wurde (vgl Urteil des EuGH vom 4. Mai 1999, aaO; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ≪BVerwG≫ vom 6. Dezember 2001 = InfAuslR 2002, 255).
Auch der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet. Das BErzg ist nach europäischem Gemeinschaftsrecht eine Familienleistung iS des Art 4 Abs 1 Buchst h ARB 3/80 (vgl EuGHE I 1996, 4895 = SozR 3-6050 Art 4 Nr 8; BSGE 89, 129 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2).
Die Ehefrau des Klägers wird überdies persönlich von dem ARB 3/80 erfasst, da sie die Voraussetzungen dessen Art 2 erfüllt. Danach gilt der Beschluss für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten und die türkische Staatsangehörige sind, sowie für Familienangehörige dieser Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger türkischer Staatsangehöriger. Er war im streitigen Zeitraum auch Arbeitnehmer iS des Art 1 Buchst b ARB 3/80. Danach ist Arbeitnehmer jeder, der gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig versichert ist. Da der Kläger in der Zeit vom 15. März 2000 bis zum 14. März 2001 versicherungspflichtig beschäftigt war, galten für ihn die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland.
(bb) Die Ehefrau des Klägers wohnte berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland. Denn sie hatte dort tatsächlich den Mittelpunkt ihrer Interessen und war berechtigt, sich dort dauerhaft aufzuhalten.
(aaa) Für die Ausfüllung des Begriffs "Wohnort" ist gemäß Art 1 ARB 3/80 die in Art 1 Buchst h Verordnung (EWG) Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71) gegebene Definition zu Grunde zu legen. Danach ist Wohnort der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Durch diese Umschreibung wird der "Wohnort" grundsätzlich vom (bloßen) "Aufenthalt" unterschieden, der in Art 1 Buchst i EWGV 1408/71 als "vorübergehender Aufenthalt" definiert wird. Soweit ersichtlich, hat der EuGH diese Definitionen nicht abstrakt ausgelegt, sondern jeweils im Zusammenhang mit einzelnen Bestimmungen des EWGV 1408/71. Er hat betont, die Begriffe hätten eine gemeinschaftsrechtliche Bedeutung und seien dementsprechend auszulegen. Jedenfalls im Zusammenhang mit der Interpretation des "Wohnmitgliedstaats" im Rahmen der Art 71 und 10a EWGV 1408/71 ist Wohnort der Ort, an dem sich gewöhnlich der Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen befindet (Urteil des EuGH vom 25. Februar 1999 - C-90/97 - Slg 1999, I-01075 mwN).
Ein Rückgriff auf nationales Recht erscheint nicht zulässig (so aber Eichenhofer in Fuchs, Kommentar zum europäischen Sozialrecht, 2. Aufl 2000, Art 1 EWGV 1408/71 RdNr 31). Im Rahmen der Interpretation des Art 71 EWGV hat das BSG entschieden (BSGE 68, 75 = SozR 3-6050 Art 71 Nr 2), es könne nicht auf den Begriff des Wohnsitzes im deutschen Recht zurückgegriffen werden. Dagegen spreche Folgendes: Im deutschen Recht werde der Begriff des Wohnsitzes in verschiedenen Gesetzen je nach seinem Zweck unterschiedlich interpretiert; ebenso habe er auch international in den verschiedenen Rechtssystemen unterschiedliche Bedeutung. Weiter seien die Begriffe des europäischen Gemeinschaftsrechts eigenständig unter Berücksichtigung ihrer Zwecke im Rahmen der Gemeinschaftsbildung zu interpretieren. Ähnliches gilt für die Auslegung der Art 19, 20 EWGV 1408/71. Es ist daher auf die vom EuGH entwickelten Grundsätze abzustellen, da sonst der Wohnortbegriff in verschiedenen Mitgliedstaaten trotz einheitlich geltenden Europarechts unterschiedlichen Inhalt haben könnte (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3). Bei der Auslegung des deutsch-türkischen Assoziationsrechts kann mit Blick auf die Ziele und Beweggründe der Assoziation nichts anderes gelten (vgl Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Januar 2002, BSGE 89, 129 = SozR 3-6940 Art 3 Nr 2; Fuchs/Höller in Fuchs, Kommentar zum europäischen Sozialrecht, 2. Aufl 2000, S 676).
Bestätigt wird diese Auffassung durch die Sürül-Entscheidung des EuGH vom 4. Mai 1999, aaO. Der EuGH bejahte im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Art 2 ARB 3/80 einen gewöhnlichen Aufenthalt der dortigen Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland, ohne auf nationales Recht einzugehen. Bei Anwendung des ansonsten einschlägigen § 30 SGB I hätte es Anlass gegeben, sich mit der Frage zu befassen, ob eine befristete Aufenthaltsbewilligung (über die die Klägerin dort verfügte) für einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt genügt (vgl dazu BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1).
In Anwendung dieser Grundsätze war im Bezugszeitraum die Bundesrepublik Deutschland Lebensmittelpunkt der Ehefrau des Klägers. Sie hielt sich hier schon seit vier Jahren auf, um Asyl zu erlangen, und lebte hier mit dem Ehemann und den Kindern.
(bbb) Die Ehefrau des Klägers hielt sich iS des Art 2 ARB 3/80 berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland auf.
Nach dem europäisch-türkischen Assoziationsrecht setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts eine diesbezügliche Berechtigung voraus. Türkische Staatsangehörige genießen keine Freizügigkeit in der Gemeinschaft (EuGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - C-37/98 - EuGHE I 2000, 2927). Folglich setzt ein ordnungsgemäßer Wohnsitz eine Berechtigung zur Einreise und Aufenthaltsbegründung voraus (so jedenfalls zum Begriff des "ordnungsgemäßen Wohnsitzes" im Rahmen des Art 7 Satz 1 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 17. April 1997 - C-351/95 - EuGHE I 1997, 2133). In diesem Sinne hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 4. Mai 1999 (aaO) zu Art 3 ARB 3/80 wörtlich ausgeführt: "Aufgrund all dieser Erwägungen ist auf die gestellten Fragen zu antworten, dass Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 3/80 es einem Mitgliedstaat verbietet, den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen, für den dieser Beschluß gilt und dem er den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet gestattet hat, der jedoch dort nur eine zu einem bestimmten Zweck erteilte, befristete Aufenthaltsbewilligung besitzt, auf Kindergeld für sein Kind, das in diesem Mitgliedstaat mit ihm zusammen wohnt, vom Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis abhängig zu machen, während Inländer insoweit nur ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben müssen".
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt im europäisch-türkischen Assoziationsrecht ein materieller Begriff der Aufenthaltsberechtigung. Verzögerungen bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sollen dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen. So hat der EuGH (EuGHE I 1992, 6781) zum Aufenthaltsrecht iS des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 - sinngemäß zusammengefasst - folgende Auffassung vertreten: Eine ordnungsgemäße Beschäftigung iS des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 setze eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus. Ein türkischer Arbeitnehmer erfülle diese Voraussetzungen nicht, wenn er die Beschäftigung im Rahmen eines Aufenthaltsrechts ausgeübt habe, das ihm nur auf Grund einer nationalen Regelung eingeräumt worden sei, nach der der Aufenthalt während des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland erlaubt sei. Der Umstand, dass die Ausländerbehörde über die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheide oder sich Verzögerungen durch ein Gerichtsverfahren ergäben, wirke sich nicht zu Lasten des Antragstellers aus. Denn wenn sein Aufenthaltsrecht endgültig anerkannt werde, sei der Betroffene rückwirkend so zu behandeln, als habe er während des fraglichen Zeitraums ein nicht nur vorläufiges Aufenthaltsrecht und daher eine gesicherte Stellung auf dem Arbeitsmarkt besessen.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des EuGH wohnte die Ehefrau des Klägers iS des Art 2 ARB 3/80 im streitigen Zeitraum berechtigt in der Bundesrepublik Deutschland. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Gemäß § 68 AsylVfG besteht bei unanfechtbarer Asylanerkennung grundsätzlich ein Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (die der Ehefrau des Klägers nach erfolgreichem Abschluss des Asylanerkennungsverfahrens im August 2001 auch erteilt wurde). Diese stellte auf der Grundlage des im Jahre 2000/2001 geltenden Ausländerrechts (vgl ab 1. Januar 2005 das Aufenthaltsgesetz) gemäß § 3 AuslG eine Aufenthaltsgenehmigung (vgl § 5 AuslG) dar und genügt den von der Rechtsprechung des BVerwG (vgl Urteile vom 16. Oktober 1990, BVerwGE 87, 11; und vom 17. März 2004, BVerwGE 120, 206) aufgestellten Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Danach ist der Aufenthalt eines Ausländers grundsätzlich nur dann rechtmäßig, wenn er von der zuständigen Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Ausländer bedürfen demnach - sofern nicht besondere Befreiungstatbestände eingreifen - einer Aufenthaltsgenehmigung. Ohne eine derartige Aufenthaltsgenehmigung oder die Befreiung von diesem Erfordernis ist der Ausländer verpflichtet, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen.
Hier verzögerte sich die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis lediglich deshalb, weil die Asylanerkennung der Ehefrau des Klägers zwar schon durch das Bundesamt im Jahre 1999 ausgesprochen worden war, jedoch durch den Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (erfolglos) angefochten und damit erst im Jahre 2001 unanfechtbar wurde. Diese verfahrensrechtliche Verzögerung darf nach europäischem Gemeinschaftsrecht nicht zu Lasten der Ehefrau des Klägers gehen. Ohne sie wäre ihr schon im Jahre 1999 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.
(2) Die Ehefrau des Klägers erfüllte die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BErzGG. Zwar hat das LSG dazu keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Die Beteiligten haben jedoch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Kenntnis der Verwaltungsvorgänge übereinstimmend erklärt, dass das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieser Regelung zwischen ihnen unstreitig sei. Der Senat hat daher keine Bedenken, diese Tatsachen aus prozessökonomischen Gründen ausnahmsweise seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl dazu Meyer-Ladewig, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Komm, 8. Aufl 2005, § 163 RdNr 5d mwN).
Die rechtlichen Anforderungen des gewöhnlichen Aufenthalts iS des § 1 Abs 1 Nr 1 BErzGG erfüllte die Ehefrau des Klägers schon allein deshalb, weil sie nach Maßgabe der Art 2, 3 ARB 3/80 assoziationsrechtlich ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, dort also wohnte. Es kommt nicht darauf an, ob nach nationalem Recht (§ 30 SGB I) die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts gegeben waren; denn die gemeinschaftsrechtlichen Normen sind gegenüber den nationalen Vorschriften vorrangig. Dies ist für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs 3 SGB I geregelt, entspricht aber auch einem allgemeinen Rechtsgrundsatz (BSGE 86, 115 = SozR 3-5870 § 1 Nr 18). So hat das BSG bei Vorliegen der Voraussetzungen des deutsch-jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit entschieden, dass es im Rahmen des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG nicht auf einen Wohnsitz iS des § 30 SGB I ankommt (BSG, aaO). Ein Anspruch auf BErzG scheiterte ebenfalls nicht an § 1 Nr 1 BErzGG, soweit die Voraussetzungen des Kooperationsabkommens EWG-Marokko gegeben waren (BSG SozR 3-6615 Art 41 Nr 4). Sind also - wie hier - assoziationsrechtliche Bestimmungen vorrangig, kann der Anspruch auf BErzG nicht an den zusätzlichen Voraussetzungen, die das nationale Recht im Rahmen des § 30 SGB I an Ausländer stellt, scheitern (vgl insoweit BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1, wonach ein nicht nur vorübergehendes Verweilen regelmäßig eine ausländerrechtliche Aufenthaltsposition voraussetzt, die so offen ist, dass sie einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit möglich macht).
(3) Schließlich ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich auch unter Berücksichtigung der Einkommensgrenzen des § 5 BErzGG ein Zahlbetrag für die Ehefrau des Klägers im streitigen Zeitraum errechnet hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1683334 |
BSGE 2008, 144 |