Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
…, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung der Kosten für die Ersatzbeschaffung einer Brille.
Der Kläger ist freiwilliges Mitglied der Beklagten; er ist als Inhaber einer Tankstelle mit Kfz-Reparaturwerkstatt selbständig tätig. Am 4. Dezember 1981 erhielt er auf Kosten der Beklagten eine Brille. Nachdem die Gläser dieser Brille zerbrochen waren, erteilte die Beklagte ihm am 31. Januar 1983 einen Berechtigungsschein für zwei neue Gläser. Das Brillengestell und die Gläser zerbrachen am 16. Mai 1983 während Reparaturarbeiten an einem Kraftfahrzeug. Die Ausstellung eines Berechtigungsscheins für eine neue Brille lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 18. Mai 1983; Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1983).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Die (vom SG zugelassene) Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch seien insoweit erfüllt, als der Kläger sich die neue Brille erst beschafft habe, nachdem die Beklagte die Ausstellung eines Berechtigungsscheins dafür abgelehnt hatte. Indessen sei die Ablehnung nicht rechtswidrig gewesen. Die Brille sei am 16. Mai 1983 so stark beschädigt worden, daß sie nicht habe repariert werden können. Eine Pflicht der Beklagten zur Ersatzbeschaffung sei nach § 182g Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeschlossen. In dieser Bestimmung gehe der Gesetzgeber davon aus, daß Brillen mindestens drei Jahre haltbar seien. Vor Ablauf dieser Zeit habe der Versicherungsträger nicht mit Brillenkosten belastet werden sollen. Die Bestimmung des § 182g RVO sei durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) eingefügt worden. Wie im Regierungsentwurf zu diesem Gesetz klargestellt werde, sei die Instandsetzung von Brillen kein Anwendungsfall des § 182g RVO. Der Gesetzgeber hätte an dieser Stelle sicherlich die Beschaffung von Sehhilfen als Ersatz für zerstörte oder verlorengegangene Brillen erwähnt, wenn er sie wie die Instandsetzung hätte ausnehmen wollen, denn in § 182b RVO würden Instandsetzung und Ersatzbeschaffung nach Art eines festen Begriffspaares nebeneinander angeführt. Wäre dagegen das Gesetzesverständnis des Klägers richtig, würde § 182g RVO das Vorhandensein einer gebrauchstüchtigen Brille voraussetzen. Unter dieser Voraussetzung aber bliebe der Bestimmung kaum noch ein Anwendungsbereich. Einer Neuversorgung stünde dann regelmäßig schon § 182 Abs 2 RVO entgegen. Die Dreijahresfrist könne auch nicht nur dem Fall gelten, daß eine Brille durch bloßen Verschleiß vorzeitig unbrauchbar wird. Es wäre widersinnig, müßte die Krankenkasse bei Zerstörung oder Verlust einer Brille jederzeit Ersatz leisten, bei Verschleiß dagegen nur alle drei Jahre. Daß der Gesetzgeber die Instandsetzung von Brillen nicht unter § 182g RVO fallen lasse, sei andererseits einleuchtend zu erklären: Hinter der Anzeige der Zerstörung oder des Verlustes einer Brille könne der nur von modischen Erwägungen eingegebene Wunsch des Versicherten nach einer neuen Brille stehen. Diese Möglichkeit scheide aus, wenn es um die Reparatur der Brille geht. Zudem seien die Kosten einer Neulieferung naturgemäß höher als die einer wirtschaftlich vertretbaren Reparatur. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht nachträglich entstanden, als die Dreijahresfrist mit dem 4. Dezember 1984 ablief.
Der Kläger hat Revision eingelegt und macht geltend, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit einer völligen Zerstörung der Brille überhaupt bedacht habe. Wenn an einen Unfall beim Sport gedacht werde, erscheine es auch nicht einleuchtend, aus welchem Grund zwischen der nach § 182g RVO zu leistenden Ersatzbeschaffung für ein unter 14 Jahre altes Kind und der Ersatzbeschaffung für einen Erwerbstätigen unterschieden werde.
Der Kläger beantragt,die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die selbstbeschaffte Brille nach den gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, wenn die Dreijahresfrist bei der Zerstörung einer Brille keine Geltung hätte, bestünde für die Bestimmung des § 182g RVO kein Anwendungsbereich mehr; es wäre dann innerhalb des Dreijahreszeitraums nur die Ersatzbeschaffung aus modischen oder kosmetischen Gründen ausgeschlossen; dieser Ausschluß bestehe aber schon nach § 182 Abs 2 RVO.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte die beantragte Kostenerstattung abgelehnt. Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Anspruch auf die begehrte Leistung zu. Der Kläger kann anstelle des Sachleistungsanspruchs Kostenerstattung verlangen. Nach den Feststellungen des LSG hat er sich die Ersatzbrille erst beschafft, nachdem ihm die beanspruchte Sachleistung verweigert worden war.
Die Beklagte hatte die Sachleistung zu Unrecht abgelehnt. Sie war verpflichtet, den Kläger mit einer Ersatzbrille auszustatten. Nach § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO umfaßt die Krankenpflege die Versorgung mit Brillen. Diese Regelung ist bereits in der RVO vom 19. Juli 1911 (RGBl 509) getroffen worden, während das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 (RGBl 73) einen Anspruch auf "Gewährung" von Brillen begründet hatte (§ 6 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes). Durch die Fassung der RVO seit dem 19. Juli 1911 wird betont, daß der Anspruch des Versicherten sich nicht nur auf die einmalige Lieferung einer Brille richtet. Der Versicherte kann vielmehr auch Ersatzbeschaffung verlangen. Zum Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln aus der Unfallversicherung hat schon das Reichsversicherungsamt (RVA) entschieden, daß der Verletzte in die Lage zu versetzen sei, von den Hilfsmitteln den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen; der Versicherungsträger habe deshalb auch für die Erneuerung abgenutzter Hilfsmittel zu sorgen (RVA 22. August 1923, AN 1923, 284; vgl auch schon RVA in AN 1903, 476). Ein Anspruch des Versicherten auf Instandsetzung von Heilmitteln und Brillen wird in § 182a Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (KVEG 22. Dezember 1981 - BGBl I 1578 -) ausdrücklich vorausgesetzt. Während die Ersatzbeschaffung in § 182a RVO keiner besonderen Erwähnung bedurfte, wird in § 182b RVO idF des KVEG ausdrücklich bestimmt, daß der Anspruch auf Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln die Instandsetzung und Ersatzbeschaffung umfaßt. Ihre Einbeziehung in den Versorgungsanspruch ergibt sich bei sämtlichen in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b und c RVO genannten Mitteln vor allem aus dem Zweck der Krankenpflege. Dem Versicherten ist Krankenpflege zu gewähren, insbesondere damit seine Gesundheit gesichert und er nach Möglichkeit bald wieder arbeitsfähig wird (BSGE 18, 257, 258; 51, 281, 285). Für die Rehabilitation von Behinderten, zu denen der Kläger gehört, ist zudem ausdrücklich vorgeschrieben, daß die medizinischen Leistungen alle Hilfen umfassen, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, eine Behinderung zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (§ 10 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl I 1881). Diese Zwecke sind bei einem Sehbehinderten wie dem Kläger nicht ein für alle Mal mit der Lieferung einer Brille erfüllt. Sie erfordern vielmehr eine Versorgung mit dem Ziel, die fehlende Sehschärfe möglichst dauernd auszugleichen.
Die Beschaffung einer neuen Brille ist für den Kläger iS des § 182 Abs 2 RVO notwendig gewesen. Nach den Feststellungen des LSG ist die Brille am 16. Mai 1983 völlig zerstört worden. Der Kläger war danach auf eine neue Brille angewiesen.
Der Anspruch des Klägers war nicht nach § 182g RVO ausgeschlossen. Nach dem Wortsinn dieser Vorschrift hätte allerdings der erwachsene Versicherte, solange sich seine Sehfähigkeit nicht ändert, in dem Zeitraum von drei Jahren seit der letzten Brillenlieferung überhaupt keinen Anspruch auf Versorgung mit Brillen. Der Regelungsgehalt des § 182g RVO kann aber mit einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung nicht erschlossen werden. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang der Regelungen der §§ 182 ff RVO und aus der Begründung des KVEG, daß der Gesetzgeber eine so weitgehende Beschränkung der Rechte des Versicherten nicht gewollt hat. Der Anspruch auf Sehhilfen ist in dem Dreijahreszeitraum auch bei gleichbleibender Sehfähigkeit nicht vollständig ausgeschlossen (BSG SozR 2200 § 182g RVO Nr 1). Bei einer streng am Wortlaut des § 182g orientierten Auslegung wäre die Pflicht der Krankenkassen zur Versorgung der Versicherten für eine einzelne Leistungsart, nämlich die Ersatzbeschaffung von Brillen, zeitweise aufgehoben und insoweit dem Versicherten das volle Gesundheitsrisiko überlassen worden. Gegen eine solche Auslegung des Gesetzes spricht der ausdrückliche Zusatz in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO idF des KVEG; danach hat der Anspruch auf Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heilmitteln und Brillen nur bestanden, soweit sie nicht durch Rechtsverordnung nach § 182f eingeschränkt ist (die Vorschrift ist durch Gesetz vom 20. Dezember 1982 - BGBl I 1857 - geändert worden und lautet jetzt "… soweit sie nicht nach § 182f eingeschränkt ist".). Der Zusatz in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO ist gleichzeitig mit der Bestimmung des § 182g RVO durch Art 1 Nr 2 und Nr 6 des KVEG eingefügt worden. Daraus ergibt sich ein Hinweis, daß nach dem Gesetz dem § 182g RVO keine den Anspruch auf Krankenpflege in vergleichbarer Weise einschränkende Bedeutung wie § 182f RVO beizumessen ist.
Die Bundesregierung hat im Entwurf des KVEG dargelegt, die Vorschrift des § 182g RVO gelte nicht für die Instandsetzung von Brillen (BT-Drucks 9/798 S 13 zu § 182g RVO). Dem Gesetzgeber kann diese Begründung zugerechnet werden, denn er hat die im Entwurf vorgeschlagene Regelung ohne Änderung übernommen. Zum "Anspruch auf Versorgung mit Brillen", der nach § 182g RVO während des Dreijahreszeitraums ausgeschlossen wird, gehört demgemäß nicht der Anspruch auf Instandsetzung (Krauskopf/ Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung § 182g RVO Anm 8; Heinze in RVO-Gesamtkommentar, Stand Oktober 1986 § 182g RVO Anm 3). Dies macht einen Leistungsausschluß für den Fall der völligen Zerstörung der Brille trotz Notwendigkeit der Ersatzbeschaffung unverständlich. Das LSG weist zwar zutreffend darauf hin, daß hinter der Anzeige der Zerstörung einer Brille der nur von modischen Erwägungen eingegebene Wunsch nach einer neuen Brille stehen kann; mit der willkürlichen Herbeiführung der Reparaturbedürftigkeit könne der Versicherte hingegen nicht in gleicher Weise zu diesem Ziel kommen. Dem LSG mag auch insoweit gefolgt werden, als es davon ausgeht, daß naturgemäß die Kosten einer Neulieferung höher seien als die Kosten einer "wirtschaftlich vertretbaren" Reparatur. Indessen läßt sich mit dieser Begründung nicht rechtfertigen, daß zur Versorgung mit Brillen innerhalb des Dreijahreszeitraumes nicht die Ersatzbeschaffung, wohl aber die Instandsetzung gehören soll. Der Anspruch des Versicherten auf Instandsetzung seiner Brille könnte nicht bei wirtschaftlicher Unvertretbarkeit der Reparaturkosten ausgeschlossen sein; für eine solche, im übrigen für die Praxis der Krankenkasse mit erheblichen Schwierigkeiten verbundene Begrenzung ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Darüber hinaus erscheint es dem Senat nicht überzeugend, daß der Gesetzgeber den Anspruch im Fall der Zerstörung gänzlich ausgeschlossen haben sollte mit der einzigen Begründung, daß der Versicherte die Zerstörung vorsätzlich herbeigeführt haben könnte, um eine modische Brille zu bekommen.
Im Regierungsentwurf zum KVEG wird die Regelung des § 182g RVO damit begründet, daß Brillen im allgemeinen eine Haltbarkeitsdauer von mindestens drei Jahren haben; es sei nicht gerechtfertigt, während dieser Zeit die Versichertengemeinschaft erneut mit Brillenkosten zu belasten (BT-Drucks 9/798 S 13). Darin ist die korrespondierende Aussage enthalten, daß die Neubeschaffung einer Brille insoweit in den Verantwortungsbereich des Versicherten falle. Wenn die Bestimmung des § 182g RVO demnach bedeuten sollte, daß sich der Versicherte den Ersatz für eine unbrauchbar gewordene Brille auf eigene Kosten beschaffen müsse, wäre die Vorschrift nur mit der Verletzung der Sorgfaltspflicht des Versicherten zu rechtfertigen (BSG aaO). Dies folgt insbesondere auch daraus, daß § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b iVm Abs 2 RVO einen Anspruch des Versicherten auch auf die Ersatzbeschaffung bei unveränderter Sehschärfe begründet. Mit der Begründung aus der Verletzung der Sorgfaltspflicht des Versicherten würde § 182g RVO demnach unterstellen, daß die Zerstörung einer Brille während des Dreijahreszeitraums auf einem Verschulden des Versicherten beruht. Es würde auch leichte Fahrlässigkeit als erheblich angesehen werden, und dem Versicherten bliebe keine Möglichkeit des Nachweises, daß die Zerstörung nicht auf sein Verschulden zurückzuführen ist. Die Annahme solcher Gründe und einer solchen Rechtfertigung für die Bestimmung des § 182g RVO würde aber wiederum nicht in Einklang stehen mit dem Anspruch des Versicherten auf Instandsetzung einer beschädigten Brille. Solange eine Reparatur noch möglich ist, wäre das Verhalten des Versicherten unerheblich; er hätte den Versorgungsanspruch. Wenn aber die Brille gänzlich zerstört ist, würde dem Versicherten das Risiko des Schadens ohne Entlastungsmöglichkeit auferlegt.
Die völlige Risikoverlagerung, gestützt auf die Unterstellung einer mindestens leichten Fahrlässigkeit des Versicherten, ist im Krankenversicherungsrecht sonst fremd. Dem Verschulden des Versicherten bei Beschädigung oder Zerstörung der ihm gemäß § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b und c RVO gelieferten Sachen ist allerdings in der Praxis und in der Literatur Bedeutung beigemessen worden. Schon das RVA hatte sich dahin geäußert, daß die Pflicht zur Gewährung der Hilfsmittel die Pflicht zur Instandsetzung und Erneuerung in sich schließe, wenn keine schuldhafte (mutwillige oder fahrlässige) Zerstörung vorliege (RVA 14. Mai 1903 AN 476). Der Ausschluß des Anspruchs wurde aber in der folgenden Zeit auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten eingeschränkt Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung § 182b RVO Anm 7.3; Peters, Handbuch der Krankenversicherung § 182b RVO Anm 5). Im Hilfsmittelkatalog führten die Spitzenverbände der Krankenkassen aus, die Instandsetzung oder der Ersatz könne ganz oder teilweise verweigert werden, wenn der Versicherte die Unbrauchbarkeit oder den Verlust des Körperersatzstücks, orthopädischen oder anderen Hilfsmittels durch Mißbrauch vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe (Ziffer 5.4 des Katalogs ErsK 1978, 425, 428). Bei dieser Situation kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bei der Ersatzbeschaffung von Brillen jegliche Fahrlässigkeit des Versicherten als erheblich angesehen und eine völlige Verlagerung des Schadensrisikos auf ihn für gerechtfertigt gehalten haben sollte.
Das LSG weist darauf hin, daß bei der Auslegung des § 182g RVO durch den Kläger für diese Bestimmung kaum noch ein Anwendungsbereich bleibe. Auch nach Ansicht der Beklagten führt die Auffassung des Klägers dazu, daß innerhalb des Dreijahreszeitraums nur die Ersatzbeschaffung aus modischen oder kosmetischen Gründen ausgeschlossen wäre. Diese Ersatzbeschaffung würde das Maß des Notwendigen überschreiten und wäre schon nach § 182 Abs 2 als Leistung der Krankenpflege ausgeschlossen. Indessen würde eine Auslegung des § 182g RVO, die sich streng an den Wortlaut hält, andererseits dazu führen, daß der Anspruch auf Ersatzbeschaffung nach Ablauf der drei Jahre gegeben wäre, auch wenn dafür keine Notwendigkeit iS § 182 Abs 2 RVO bestünde (so Heinze aaO § 182g Anm 2); die Einführung eines solchen Anspruchs wäre in einem Kostendämpfungsgesetz nicht zu erwarten.
Einem Ausschluß des Anspruchs auf Ersatzbeschaffung von Brillen im Dreijahreszeitraum des § 182g RVO steht auch die weitere Begründung im Regierungsentwurf des KVEG entgegen. Danach wird davon ausgegangen, daß Brillen eine Haltbarkeitsdauer von mindestens drei Jahren haben; in dieser Zeit sei es nicht gerechtfertigt, die Versichertengemeinschaft erneut mit Brillenkosten zu belasten. Der Regierungsentwurf könnte damit an den Hilfsmittelkatalog angeknüpft haben. Dort haben die Spitzenverbände der Krankenkassen ausgeführt, vor Ablauf der - in einer Tabelle angegebenen - Mindestgebrauchszeiten bedürfe es grundsätzlich keines Ersatzes der Hilfsmittel durch die Krankenkasse. Andererseits bestehe nach Ablauf der Mindestgebrauchszeit nicht automatisch ein Anspruch auf Ersatz des Hilfsmittels; zunächst sei zu prüfen, ob das Hilfsmittel noch gebrauchsfähig ist oder durch Instandsetzung wieder gebrauchsfähig gemacht werden könne (Hilfsmittelkatalog aaO). Dem Anspruch auf Ersatzbeschaffung während der Mindestgebrauchszeiten steht hier nur eine tatsächliche Vermutung entgegen.
Die Krankenkasse mag gegenüber einem Anspruch auf Ersatzbeschaffung einwenden können, der Versicherte habe die Brille schuldhaft zerstört. In Betracht kommt aber jedenfalls nur die Erheblichkeit eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens. Die Gewährung von Leistungen der Krankenversicherung hängt grundsätzlich nicht davon ab, worauf die Notwendigkeit zurückzuführen, ob sie insbesondere vom Erkrankten schuldhaft herbeigeführt ist; vielmehr geht es in der Krankenversicherung darum, dem Versicherten im eigenen und im Interesse der Allgemeinheit Krankenhilfe zu gewähren, damit er wieder arbeitsfähig und gesund wird (BSGE 18, 257, 258). In den Bestimmungen über die Krankenpflege iS des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO findet sich kein Hinweis auf eine Berücksichtigung des Verschuldens; die Krankenkasse kann dem Anspruch des Versicherten auf Krankenpflege nach keiner gesetzlichen Bestimmung entgegenhalten, er habe den anspruchsbegründenden Zustand schuldhaft herbeigeführt. Die Leistungspflicht könnte daher nur aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen eingeschränkt sein. Wenn danach das Verschulden erheblich sein kann, muß dafür aber mindestens der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit verlangt werden (vgl BSG SozR 2200 § 182g RVO Nr 1). Mit Peters (aaO) ist insoweit auf die Bestimmung des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 und 3 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) hinzuweisen. Soweit für die Rücknahme von rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten das Verschulden erheblich ist, wird nach den genannten Bestimmungen mindestens grobe Fahrlässigkeit verlangt. Über das Maß dieser Verschuldensregelung kann jedenfalls nicht hinausgegangen werden. Wenn nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 und 3 SGB X der Betroffene sich bei grober Fahrlässigkeit nicht auf das Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen kann, dann liegt es mangels anderer sozialrechtlicher Regelungen nahe, daß Einwände gegen einen gesetzlichen Anspruch mindestens das gleiche Maß des Verschuldens voraussetzen.
Grobe Fahrlässigkeit des Klägers bei der Zerstörung der Brille hat die Beklagte nicht behauptet; dafür sind auch keine Anhaltspunkte zu erkennen.
Aus allen diesen Gründen ist die Revision des Klägers erfolgreich. Die Kostenentscheidung wird auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes gestützt.
Fundstellen
Haufe-Index 518043 |
BSGE, 85 |
NJW 1988, 1549 |