Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Berücksichtigung des Nutzungsentgelts für Kücheneinrichtung. Verfassungsmäßigkeit. Angemessenheitsprüfung bei Verwandten in Wohngemeinschaft. widersprüchliches Verhalten des Grundsicherungsträgers im Kostensenkungsverfahren. kein Beginn des 6-Monats-Zeitraumes
Leitsatz (amtlich)
Das Nutzungsentgelt für eine Kücheneinrichtung ist im Rahmen der angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn die Wohnung nur mit dem Küchenmöbelzuschlag anmietbar ist.
Orientierungssatz
1. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.
2. Zur Angemessenheitsprüfung iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 bei Verwandten, die nicht eine Bedarfsgemeinschaft bilden, sondern in einer Wohngemeinschaft leben.
3. Kann - unter Berücksichtigung der Warn- und Aufklärungsfunktion der Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aF - aufgrund widersprüchlichen Verhaltens des Grundsicherungsträgers nicht davon ausgegangen werden, dass der Hilfebedürftige die erforderliche Kenntnis von der Obliegenheit zur Senkung der Unterkunftskosten hatte, so sind die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft bis zum Ablauf eines einzuräumenden Übergangszeitraums weiter zu übernehmen.
Normenkette
SGB 2 § 22 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2003-12-24, S. 2 Fassung: 2003-12-24, § 20 Abs. 1, § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006, insbesondere über die Berücksichtigung eines Entgelts für die Benutzung einer Kücheneinrichtung als Kosten der Unterkunft (KdU) nach § 22 SGB II.
Die 1950 geborene Klägerin lebte im streitigen Zeitraum mit ihrem 1972 geborenen Sohn in einer 67 qm großen Wohnung. Die Miete von insgesamt 537 Euro setzte sich zusammen aus einer Kaltmiete in Höhe von 367 Euro, einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 65 Euro, einer Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 75 Euro und einer Vergütung für die Benutzung der Kücheneinrichtung in Höhe von 30 Euro.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 der Klägerin Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 246,75 Euro. Sie berücksichtigte dabei die Kaltmiete, die Nebenkostenvorauszahlung sowie die um 18 % reduzierte Heizkostenvorauszahlung (61,50 Euro). Den Gesamtbetrag in Höhe von 493,50 Euro teilte die Beklagte sodann durch zwei. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, dass zu Unrecht die monatliche Nutzungsentschädigung für die Küche nicht berücksichtigt worden sei. Die Beklagte half mit Bescheid vom 1. Juni 2005 dem Widerspruch der Klägerin in vollem Umfang ab.
Im November 2005 beantragte die Klägerin die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 17. November 2005 Leistungen in Höhe von insgesamt 591,75 Euro, davon wiederum 246,75 Euro als KdU. Mit einem Schreiben vom 24. November 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihre KdU würden das angemessene Maß in einem derartigen Umfang überschreiten, dass sie uU zur Senkung ihrer KdU aufgefordert werden müsse. In einem weiteren Schreiben vom 12. Januar 2006 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Aufwendungen für ihre Wohnung zu senken. Angemessen sei ausgehend von einer Wohnfläche von 60 qm eine Kaltmiete in Höhe von 292,20 Euro. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles von einer Wohngemeinschaft statt einer Haushaltsgemeinschaft ausgehe. Es sei ein Zuschlag bei der Wohnfläche von 15 qm vorzunehmen, was eine Mietobergrenze von 361,50 Euro ergebe. Die Mietüberschreitung der Klägerin liege damit noch im tolerablen Bereich, sodass eine Umzugsnotwendigkeit nicht vorliege. Die Senkungsaufforderung sei als gegenstandslos zu betrachten.
Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. November 2005, mit dem sie erneut die Berücksichtigung der Nutzungsentschädigung für die Kücheneinrichtung begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2006 zurück. Im Regelsatz nach § 20 SGB II seien anteilig Beträge zur Bildung von Rücklagen für zukünftige Ersatzbeschaffungen hinsichtlich der Wohnungseinrichtung enthalten. Eine gesonderte Übernahme der Vergütung für die Nutzung der Kücheneinrichtung komme daher nicht in Betracht.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat mit Urteil vom 22. Januar 2007 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 606,75 Euro zu zahlen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 13. Dezember 2007 die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Die Klägerin könne von der Beklagten die Übernahme ihrer Aufwendungen für die Nutzung der Kücheneinrichtung in Höhe von 15 Euro monatlich beanspruchen. Es handele sich dabei um Aufwendungen für die Unterkunft gemäß § 22 SGB II. Die Vergütung sei zivilrechtlich Bestandteil der Miete, die die Klägerin auf Grund des Mietvertrages zu zahlen habe. Von § 22 Abs 1 SGB II werde der gesamte Mietzins erfasst, den der Hilfebedürftige an den Vermieter zu entrichten habe.
Diese Auffassung verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Da der Grundsicherungsträger stets nur die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft tragen müsse, sei es für ihn unerheblich, ob in diesen Aufwendungen auch Miete für Mobiliar enthalten sei. Würden im Einzelfall durch die Leistungen für Unterkunft nach § 22 SGB II Bedarfe befriedigt, die bereits von der Regelleistung des § 20 SGB II abgedeckt würden, sei dies als Konsequenz der Typisierung nicht zu korrigieren, sondern als Abweichung im Einzelfall hinzunehmen. Eine Aufspaltung der Regelleistung in eine Vielzahl von Einzelbedarfen habe der Gesetzgeber des SGB II nicht gewollt. Es sei zweifelhaft, ob die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterkunft angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II seien. Insofern sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Mietspiegel der Stadt Bochum zu Grunde gelegt habe. In der bis zum 31. März 2004 gültigen Fassung weise der Mietspiegel für einfach ausgestattete Wohnungen der Baujahre 1950 bis 1969 bei einer Wohnungsgröße von 60 bis 80 qm einen Quadratmeterpreis von 4,82 Euro, in der vom 1. April 2006 bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung einen Quadratmeterpreis von 4,79 Euro aus. Unter der Voraussetzung, dass derartiger Wohnraum auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich verfügbar sei, dürfte eine Mietobergrenze von 361,50 Euro für zwei Personen nicht zu beanstanden sein.
Ob die Aufwendungen der Klägerin angemessen seien, müsse der Senat jedoch nicht abschließend entscheiden, weil es der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht zumutbar gewesen sei, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen für ihre Unterkunft zu senken. Es fehle nämlich an einer Kostensenkungsaufforderung der Beklagten. Ohne eine solche könne der Hilfebedürftige regelmäßig nicht erkennen, dass nach den heranzuziehenden Maßstäben seine Unterkunft nicht angemessen sei. Nachdem die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2004 abgeholfen habe, habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass das Thema der Nutzungsentschädigung "vom Tisch sei". Erst dem Bescheid vom 17. November 2005 habe sie dann entnehmen können, dass die Beklagte ihre Rechtsauffassung mittlerweile geändert habe. Ob ihr eine Kostensenkung auch rechtlich möglich gewesen wäre, könne in dieser Situation offenbleiben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, zu deren Begründung sie vorträgt, die Regelleistung nach § 20 Abs 1 SGB II umfasse auch den Hausrat. Sie setze sich aus der Summe der regelsatzrelevanten Verbrauchsausgaben zusammen. In der Abteilung 05 der EVS seien auch Möbel, Apparate und Haushaltsgeräte enthalten. Da die Kosten für Möbel von der Regelleistung abgedeckt seien, könnten sie nicht dauerhaft zusätzlich als Unterkunftskosten berücksichtigt werden. Der Hilfebedürftige beziehe ansonsten eine Doppelleistung. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Februar 2008 zu den Kosten für Warmwasserbereitung und Haushaltsenergie ergebe sich, dass eine Aufspaltung der Regelleistung möglich und auch sachgerecht sei. Es komme ansonsten zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Die Klägerin würde im Vergleich mit anderen Hilfebedürftigen, die für ihre Wohnungseinrichtung selbst sorgen müssten, in ungerechtfertigter Weise begünstigt. Ihr sei zumutbar, den monatlichen Anteil von 15 Euro aus dem vorgesehenen Anteil für Hausrat von 8 % der Regelleistung zu tragen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 2007 und des Sozialgerichts Dortmund vom 22. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein Abzug für die Möblierung sei bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil ihr ansonsten nur 12,60 Euro für die übrige Möblierung der Wohnung übrig bleiben würden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin hatte im streitigen Zeitraum einen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II unter Berücksichtigung des Nutzungsentgelts für die Kücheneinrichtung.
1. Die geltend gemachten Ansprüche betreffen die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006. Auf diesen Zeitraum bezieht sich der angefochtene Bewilligungsbescheid.
Die Leistungsansprüche der Klägerin sind unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BSG sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16; Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R - RdNr 18; Urteil vom 5. September 2007 - B 11b AS 49/06 R - RdNr 19). Die Beklagte hat ihre Revision auch nicht auf die Kosten der Unterkunft beschränkt, sondern die Aufhebung der angefochtenen Urteile insgesamt beantragt. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 606,75 Euro verurteilt und damit erkennbar über die Regelleistung und die KdU entschieden. Die auf Änderung des erstinstanzlichen Urteils und Klageabweisung gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen.
2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1 SGB II (idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (1) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
a) Die Beklagte hat den Bedarf der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 grundsätzlich zutreffend dergestalt ermittelt, dass sie gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) 345 Euro als monatliche Regelleistung zugrunde gelegt und hierzu jeweils die Hälfte der Unterkunftskosten addiert hat.
b) Die Klägerin hat einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) in der von ihr beanspruchten Höhe von 261,75 Euro. Die Summe setzt sich zusammen aus der Kaltmiete in Höhe von 397 Euro einschließlich des Nutzungsentgelts für die Kücheneinrichtung, den Nebenkosten in Höhe von 65 Euro sowie der Heizkostenvorauszahlung in der von der Klägerin nicht mehr angegriffenen Höhe von 61,50 Euro.
aa) Das Nutzungsentgelt für die Kücheneinrichtung gehört zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung, die nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind. Die Aufwendungen hierfür sind nicht aus der Regelleistung nach § 20 Abs 1 SGB II zu bestreiten. Der Senat hat bereits ausgeführt, dass ein solcher "Zuschlag" dann zu übernehmen ist, wenn die Wohnung nur mit dem Küchenmöbelzuschlag anmietbar war und der Mietpreis sich auch unter Einschluss des Zuschlags noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den maßgeblichen Wohnort hält (SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 34). Hieran hält der Senat fest.
Nach dem Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind maßgeblich die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft bis zur Grenze der Angemessenheit. In diesem Rahmen besteht damit grundsätzlich ein Anspruch auf Übernahme der vollständigen tatsächlichen Kosten. Diese umfassen alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl zur Einzugsrenovierung BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R; Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R zum Breitbandkabelanschluss). Dazu zählt hier auch das Nutzungsentgelt für die Kücheneinrichtung, weil die Wohnung der Klägerin nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG nur mit der Kücheneinrichtung vermietet wurde.
Der Hilfebedürftige kann in einem Fall, in dem das Nutzungsentgelt notwendiger Bestandteil des Mietzinses ist, den Aufwendungen regelmäßig nicht ausweichen. Eine gesonderte Kündigung der Kücheneinrichtung kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat hier rechtsirrig die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach der Kaltmiete ohne den Küchenzuschlag beurteilt und bejaht, wie sie in ihrem Schreiben vom 30. Januar 2006 zum Ausdruck gebracht hat, und gleichzeitig erklärt, dass eine Umzugsnotwendigkeit nicht bestehe. Damit entstand für die Klägerin die Situation, dass ihr einerseits ein Umzug und dem folgend die in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II vorgesehenen Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten vorenthalten wurden, sie aber andererseits in der bisherigen Unterkunft mietvertraglich weiterhin zur Zahlung des Nutzungsentgelts verpflichtet war. Sind aber Aufwendungen mit der Unterkunft rechtlich und tatsächlich derartig verknüpft, sind sie auch als Leistungen nach § 22 SGB II zu erbringen (vgl zum Kabelanschluss BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R; zur Garage BSG, Urteil vom 7. November 2008 - B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 28).
(1) Das Nutzungsentgelt ist nicht deswegen von den Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auszunehmen, weil in der Regelleistung gemäß § 20 SGB II ein Anteil für Möbel, Apparate und Haushaltsgeräte enthalten ist. Zwar ist zutreffend, dass sich die Höhe der Regelleistung an der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 mit Hochrechnung auf den Stand 2003 sowie an der Regelsatzverordnung orientiert (vgl zum Verfahren BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 50) und der Abteilung 05 der EVS entnommen werden kann, dass Anteile für Möbel, Apparate, Haushaltsgeräte sowie deren Instandhaltung in die Bemessung des Regelsatzes nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und damit auch der Regelleistung nach § 20 SGB II eingeflossen sind (vgl BR-Drucks 206/04). Das LSG hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass es dem Sinn und Zweck der pauschalierten Regelleistung widerspricht, sie in ihre einzelnen Bestandteile aufzulösen und deren konkrete Verwendung zu prüfen. Es ist geradezu das Wesen einer pauschalierten Regelleistung, dass sie dem Leistungsempfänger in ihrer Gesamtheit zur selbstverantwortlichen Gestaltung seines Lebens zur Verfügung gestellt wird (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 5 RdNr 22; Urteil des Senats vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 22/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 11 RdNr 24). Dabei müssen sich die individuellen Ausgaben nicht unbedingt an den abstrakt ermittelten Bedarfen ausrichten. Eine Aufspaltung der Regelleistung in Einzelbedarfe widerspricht dieser Konzeption des Gesetzgebers (vgl Berlit, Wohnung und Hartz IV, NDV 2006, 5, 15). Stellt der Gesetzgeber unter Verzicht auf eine individuelle Bedarfsbestimmung einen pauschalierten Betrag zu Gewährleistung des Existenzminimums zur Verfügung, würde ein Wertungswiderspruch entstehen, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise aus der Regelleistung "herausgerechnet" würde.
Eine vergleichbare Situation wie bei den Kosten der Warmwasserbereitung, die von den Kosten für Heizung in Abzug zu bringen sind (vgl dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 5; vgl auch Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, DSGT Praktikerleitfäden, 2009, S 33 ff), liegt nicht vor. Die Warmwasserbereitung stellte bereits im Referenzsystem der Sozialhilfe einen Sonderfall dar. Zum Zeitpunkt der Schaffung des SGB II bestand für die Sozialhilfe kein Zweifel daran, dass die Kosten der Warmwasserbereitung dem Regelsatz und nicht der KdU zuzuordnen waren (BSG aaO RdNr 21 mwN). Der Gesetzgeber hat, wie die Klarstellung in § 20 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) zeigt, erkennbar hieran angeknüpft. § 20 Abs 1 Satz 1 SGB II wurde dahingehend geändert, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasst. Es sollte klargestellt werden, dass insbesondere die Kosten der Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten und nicht Bestandteil der KdU sind (vgl BT-Drucks 16/1410 S 23).
Ein Unterschied zu den Kosten der Warmwasserbereitung zeigt sich hier auch schon darin, dass allenfalls eine Teilidentität der bei der Bemessung der Regelleistung berücksichtigten Aufwendungen für Möbel und Haushaltsgeräte mit dem Nutzungsentgelt für eine Kücheneinrichtung bestehen kann. Bereits aus der Höhe des Betrages - allenfalls ca 8% der Regelleistung = 27,60 Euro im streitigen Zeitraum (vgl Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl 2005, § 20 RdNr 29) - folgt, dass damit nicht die Erstausstattung mit Möbeln und Haushaltsgeräten, sondern nur ihre Instandhaltung und ggf die Ersatzbeschaffung einzelner Teile bestritten werden kann. Dementsprechend treten Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II als gesonderte Leistung neben die pauschale Regelleistung. Würde die Klägerin nach einer entsprechenden Zusicherung der Beklagten eine gänzlich unmöblierte Wohnung beziehen, hätte sie auch Anspruch auf Leistungen für eine Erstausstattung der Küche. Eine "Doppelleistung", wie die Beklagte sie beanstandet, kommt damit von vornherein nicht hinsichtlich der Anschaffungskosten - insofern kann eher von einer "Ersparnis" bei der Beklagten die Rede sein -, sondern nur hinsichtlich der Aufwendungen für die Instandhaltung und die Ersatzbeschaffung von Küchenmöbeln und Haushaltsgeräten in Betracht. Ein abstrakt hierauf entfallender Anteil der Regelleistung kann - anders als bei der Warmwasserbereitung (vgl hierzu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 5 RdNr 26) - der EVS nicht entnommen werden.
Anders als der Anteil der Regelleistung, der für die Zubereitung von Warmwasser gewährt wird, ist ein in der Regelleistung enthaltener Anteil für die Instandhaltung und Ersatzbeschaffung von Küchenmöbeln und -geräten nicht quantifizierbar. Es fehlt insoweit an hinreichenden Anknüpfungspunkten für eine Bestimmung des in der Regelleistung enthaltenen Betrages. Während Kosten für die Warmwasserbereitung stets anfallen, der Warmwasseranteil anhand des für die Haushaltsenergie angesetzten Betrages ermittelt und bei den KdU pauschal in Abzug gebracht werden kann, stellt sich hier die Frage, welcher Kostenansatz im konkreten Fall die Nutzung einer Kücheneinrichtung, die nur einen nicht näher zu spezifizierenden Teil der in der Abteilung 05 der EVS enthaltenen Aufwendungen betrifft, abdeckt. Es handelt sich um eine Einzellfallkonstellation, die einer Typisierung wie bei den Kosten der Warmwasserbereitung nicht zugänglich ist. Die Abteilung 05 der EVS umfasst nicht nur Küchenmöbel und -geräte, sondern sämtliche für eine Innenausstattung erforderlichen Güter, von Bodenbelägen bis zu Glaswaren und Geschirr. Anhaltspunkte für eine sachgerechte Differenzierung innerhalb dieses Bereiches sind nicht ersichtlich. Insbesondere erlauben die Untergruppen der Abteilung 05 der EVS keine eindeutige betragsmäßige Zuordnung.
(2) Diese Beurteilung führt auch nicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung der Klägerin und damit einem Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 116, 229, 238; 112, 368, 401 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 53 f stRspr). Das ist hier nicht der Fall. Zwar muss die Klägerin, anders als ein Hilfebedürftiger, der seine Küche selbst ausgestattet hat, keine Aufwendungen für ihre Kücheneinrichtung aus ihrer Regelleistung bestreiten. Dies rechtfertigt sich jedoch aus der besonderen Situation, dass eine mietvertragliche Verpflichtung zur Zahlung des Nutzungsentgeltes besteht. Begrenzt wird die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers in beiden Fällen durch das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit in § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Im übrigen ist bei denjenigen, die bei Eintritt in den Leistungsbezug bereits über eine Kücheneinrichtung verfügen, der entsprechende Bedarf gedeckt, während bei denjenigen, die eine Kücheneinrichtung mieten, der Bedarf jeweils aktuell im Bewilligungszeitraum zu decken ist. Dies müsste ggf durch Leistungen für eine Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II erfolgen, die aber gerade nicht in Anspruch genommen werden. Im Hinblick auf die Pauschalierung der Regelleistung ist es gerechtfertigt, nicht jede im Einzelfall eintretende Ersparnis bei der Leistungsgewährung zu berücksichtigen (vgl Urteil des Senats vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 22/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 11 Verpflegung im Krankenhaus). Dies gilt auch für Schnittmengen von Regelleistung einerseits und KdU andererseits.
bb) Ob die Kosten der Unterkunft hier unter Berücksichtigung des Nutzungsentgelts für die Küche als Bestandteil der Kaltmiete angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Der Grundsicherungsträger hat die Mietkosten dann in vollem Umfang zu übernehmen, wenn das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (vgl zur Produkttheorie BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19 ff). Das LSG hat hierzu keine abschließenden Feststellungen getroffen. Es hat in seinen Entscheidungsgründen zwar ausgeführt, dass der bis zum 31. März 2004 gültige Mietspiegel der Stadt Bochum für einfach ausgestattete Wohnungen des Baujahres 1950 bis 1969 bei einer Wohnungsgröße von 60 bis 80 qm einen Quadratmeterpreis von 4,82 Euro und der ab dem 1. April 2006 gültige Mietspiegel insoweit einen Quadratmeterpreis von 4,79 Euro ausweise. Abgesehen davon, dass dabei offen bleibt, was dem in der Zwischenzeit für den überwiegenden Teil des streitigen Zeitraums geltenden Mietspiegel zu entnehmen ist, ist weder die hier maßgebliche Wohnungsgröße noch der für diese Größe nach dem Mietspiegel geltende Quadratmeterpreis festgestellt. Allerdings spricht viel dafür, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zu den KdU für Hilfebedürftige, die in einer Wohngemeinschaft wohnen (Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12), die tatsächlichen Mietkosten der Klägerin angemessen waren. Von einer Wohngemeinschaft ist auch dann auszugehen, wenn Verwandte, die keine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB II bilden, eine Wohnung gemeinsam nutzen. Bereits unter Zugrundelegung einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm und einem Quadratmeterpreis von 4,79 Euro ergibt sich eine angemessene Kaltmiete von 215,55 Euro und damit mehr als die tatsächlich auf die Klägerin entfallenden hälftigen Kosten in Höhe von 198,50 Euro. Die Vorinstanzen wie die Beklagte sind zutreffend davon ausgegangen, dass die tatsächlichen Wohnkosten anteilig pro Kopf zwischen der Klägerin und ihrem Sohn aufzuteilen waren (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28 mwN; BSG, Urteile vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 7/07 R - FamRZ 2008, 688, vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9, vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 und vom 13. November 2008 - B 14/7b AS 4/07 R).
cc) Das LSG hat letztlich zu Recht entschieden, dass die Frage der Angemessenheit der KdU offenbleiben kann, weil für den hier streitigen Zeitraum die tatsächlichen KdU nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) zu übernehmen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie danach als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Angesichts des widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten, die dem Widerspruch der Klägerin für einen vorangegangenen Bewilligungszeitraum abhalf, im angefochtenen Bewilligungsbescheid wiederum anders entschied und der Klägerin mit Schreiben vom 24. November 2005 mitteilte, dass sie sie unter Umständen zur Senkung ihrer Kosten auffordern müsse, sie sodann tatsächlich zur Kostensenkung aufforderte und eine Kaltmiete von insgesamt 292,20 Euro als angemessen nannte (Schreiben vom 12. Januar 2006) und schließlich mit Schreiben vom 30. Januar 2006 erklärte, dass die Senkungsaufforderung als gegenstandslos zu betrachten sei, ist die erforderliche Kenntnis der Obliegenheit zur Senkung der Kosten der Unterkunft zu verneinen. Ohne diese Kenntnis können Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden (vgl BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R). Die tatsächlichen Aufwendungen waren daher jedenfalls für den streitigen Zeitraum weiter zu übernehmen.
Zwar enthält § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht das Erfordernis einer sog Kostensenkungsaufforderung (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 13). Der Hinweis auf die Rechtslage nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hat allein Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft erhält (vgl BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 29; SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20 ff). Hier hat die Klägerin aber erstmals durch das Schreiben vom 24. November 2005 erfahren, dass nach Auffassung der Beklagten die KdU nicht angemessen waren. Da im Schreiben vom 30. Januar 2006 die zwischenzeitlich ergangene Kostensenkungsaufforderung als gegenstandslos bezeichnet wurde, kann von einer Aufklärung der Klägerin nicht die Rede sein. Sie durfte vielmehr davon ausgehen, dass die KdU in vollem Umfang übernommen würden. Eine andere Beurteilung ergibt sich - insbesondere im Hinblick auf den erfolgreichen Widerspruch für den vorausgegangenen Bewilligungsabschnitt - auch nicht aus der Ablehnung der Übernahme des Küchennutzungsentgelts im angefochtenen Bescheid.
Soweit die Beklagte für die Warmwasserbereitung einen Betrag von 6,75 Euro (anteilig) von der Heizkostenvorauszahlung in Abzug gebracht hat, ergibt sich bei Anwendung der Rechtsprechung des Senates (SozR 4-4200 § 22 Nr 5) kein Unterschiedsbetrag zu ihren Gunsten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen