Entscheidungsstichwort (Thema)
Statusfeststellungsverfahren. späterer Beginn der Versicherungspflicht. ausreichende Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit. private (Mindest-)Krankheitskostenversicherung. ausreichende Absicherung zur Altersvorsorge. späterer Beginn der Versicherungspflicht erstreckt sich auch auf das Recht der Arbeitsförderung. Zulässigkeit einer unselbstständigen Anschlussrevision
Leitsatz (amtlich)
1. Die für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung notwendige adäquate Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, liegt bei einer privaten (Mindest-)Krankheitskostenversicherung nach dem Versicherungsvertragsrecht vor, auch wenn ein Anspruch auf eine mit dem Krankengeld vergleichbare Entgeltersatzleistung nicht besteht.
2. Eine die Versicherungspflicht aufschiebende Absicherung zur Altersvorsorge, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, setzt bei der Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung voraus, dass eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht besteht oder wenigstens Beiträge in Höhe des in der freiwilligen Rentenversicherung maßgebenden Mindestbeitrags entrichtet werden.
3. Die Zustimmung zum späteren Beginn der Versicherungspflicht erstreckt sich auch auf das Recht der Arbeitsförderung.
4. Eine unselbstständige Anschlussrevision, die sich allein auf den von der Revision nicht umfassten Beginn der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung bezieht, ist trotz unterschiedlicher Streitgegenstände zulässig.
Normenkette
SGB 4 § 7a Abs. 6 S. 1 Nr. 2; SGB 5 § 46 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1988-12-20; VVG § 193 Abs. 3 S. 1; VVG 2008 § 193 Abs. 3 S. 1; VVG § 193 Abs. 3 S. 2; VVG 2008 § 193 Abs. 3 S. 2; ZPO § 554 Abs. 2; SGG §§ 169, 202
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2017 aufgehoben, soweit es die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung betrifft, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2015 in vollem Umfang zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. im ersten Rechtszug. Im Übrigen tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Kranken- (GKV) und Rentenversicherung (GRV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund einer Beschäftigung für die Klägerin wegen des Zeitpunkts der Bekanntgabe des Statusfeststellungsbescheids nicht eingetreten ist.
Die Beigeladene zu 1. ist Architektin und Mitglied der Bayerischen Architektenversorgung. Sie ist privat krankenversichert und hat Anspruch auf Krankentagegeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit (AU). Daneben ist sie Inhaberin einer dynamischen Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall. Für die Zeit ab 1.4.2009 schloss sie mit der Klägerin einen Dienstleistungsvertrag über Koordinierungs- und Managementleistungen bei einem Bauprojekt. Zum 30.11.2009 hoben die Parteien diesen Vertrag einvernehmlich auf.
Am 17.4.2009 beantragten die Klägerin und die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit separaten an die Klägerin und die Beigeladene zu 1. gerichteten Bescheiden vom 3.12.2009 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Mit ihrem Widerspruch erklärte die Beigeladene zu 1., dass sie dem Beginn der Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe des Bescheids nicht zustimme. Während des Widerspruchsverfahrens änderte die Beklagte die Bescheide dahin ab, dass in der von der Beigeladenen zu 1. ausgeübten Beschäftigung bei der Klägerin Versicherungspflicht in der GKV, GRV und sPV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seit dem 1.4.2009 bestehe (Bescheide vom 31.5.2010). Die Widersprüche der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. wies die Beklagte zurück; § 7a Abs 6 SGB IV finde keine Anwendung, da die Beigeladene zu 1. dem späteren Beginn der Versicherungspflicht nicht zugestimmt habe (Widerspruchsbescheide vom 20.1.2011).
Nachdem die Beigeladene zu 1. während des Klageverfahrens ihre Zustimmung zum Beginn der Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe des Bescheids vom 3.12.2009 erklärt hatte, hat das SG unter Änderung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit bei der Klägerin in der Zeit vom 1.4.2009 bis 30.11.2009 nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei; der Beginn der Versicherungspflicht sei nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV hinausgeschoben gewesen (Urteil vom 8.5.2015). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil abgeändert, soweit es die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung betrifft, und die Klage insoweit abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 14.6.2017). Die Voraussetzungen des § 7a Abs 6 S 1 SGB V seien erfüllt. Eine ausreichende Absicherung zur Altersvorsorge bestehe durch die Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 1. in einem berufsständischen Versorgungswerk. Auch das Risiko von Krankheit sei adäquat versichert. Das erforderliche Schutzniveau entspreche den in § 193 Abs 3 S 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) enthaltenen Mindestanforderungen an eine private Krankenversicherung (PKV). Im Recht der Arbeitsförderung werde der Beginn der Versicherungspflicht hingegen nicht hinausgeschoben. Die mit § 7a Abs 6 S 1 SGB V bezweckte Privilegierung werde ins Gegenteil verkehrt, wenn Beschäftigten durch den späteren Versicherungsbeginn im Bereich der Arbeitslosenversicherung Anwartschaftszeiten vorenthalten würden.
Die Beklagte hat Revision und die Klägerin Anschlussrevision eingelegt. Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 7a Abs 6 S 1 SGB IV. Eine den Leistungen der GKV entsprechende Absicherung gegen das Risiko von Krankheit müsse auch mit dem Krankengeld (Krg) vergleichbare Leistungen enthalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2017 abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2015 in vollem Umfang abzuweisen
und die Anschlussrevision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussrevision beantragt sie,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2017 aufzuheben, soweit es die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung betrifft, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2015 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Voraussetzungen für den späteren Eintritt der Versicherungspflicht seien erfüllt. Der Wortlaut des § 7a Abs 6 S 1 SGB IV differenziere nicht zwischen den einzelnen Versicherungszweigen.
Die Beklagte hält die Anschlussrevision für unzulässig. Das Anschlussrechtsmittel müsse sich auf den gleichen prozessualen Anspruch wie das Hauptrechtsmittel beziehen. Die Revision betreffe jedoch nicht die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Im Übrigen gehe sie - wie die Klägerin - davon aus, dass der Beginn der Versicherungspflicht einheitlich für alle vier Zweige der Sozialversicherung zu beurteilen sei; allerdings seien die Voraussetzungen des § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV nicht erfüllt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg (hierzu A.). Die Anschlussrevision der Klägerin ist hingegen zulässig und begründet (hierzu B.). Eine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. aufgrund Beschäftigung hat in allen Zweigen der Sozialversicherung wegen des erst nach dem Ende der Tätigkeit bekanntgegebenen Statusfeststellungsbescheids nicht bestanden.
A. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
I. Der Senat hat im Rahmen der Revision der Beklagten nur die Frage nach dem Beginn der Versicherungspflicht in der GKV, GRV und sPV zu beantworten. Die Entscheidung der Beklagten, dass bei der Beigeladenen zu 1. in einer Tätigkeit für die Klägerin Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bestand, hat die Klägerin nicht angefochten. Sie ist bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Auch betrifft die Revision nur die Versicherungspflicht in der GKV, GRV und sPV, nicht aber die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl zur Teilbarkeit eines Statusfeststellungsbescheids BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 R 6/15 R - Juris RdNr 11, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 3/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 5 RdNr 11, 18; BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 12/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 6 RdNr 11).
II. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der GKV, GRV und sPV wegen des erst nach der Aufgabe der Tätigkeit bekanntgegebenen Bescheids der Beklagten vom 3.12.2009 nicht bestanden hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe der ersten zum Vorliegen einer "Beschäftigung" ergangenen Entscheidung (BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 3/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 5 RdNr 17).
1. Nach § 7a Abs 6 S 1 SGB IV tritt, wenn der Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Abs 1 S 1 SGB IV innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird und die Beklagte ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt, Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung ein, wenn der Beschäftigte zustimmt (Nr 1) und er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der GKV und GRV entspricht (Nr 2). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Statusfeststellungsantrag wurde am 17.4.2009 und damit innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit am 1.4.2009 gestellt. Die Beigeladene zu 1. hat einem späteren Eintritt der Versicherungspflicht auch zugestimmt. Dass sie ihre Zustimmung erst im Klageverfahren erklärt hat, steht deren Wirksamkeit nicht entgegen (vgl bereits BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 3/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 5 RdNr 14; BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 R 6/15 R - Juris RdNr 15, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Beigeladene zu 1. war schließlich adäquat sowohl zur GKV (dazu 2.) als auch zur GRV (dazu 3.) abgesichert.
2. Zwischen der Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung der Beklagten hat für die Beigeladene zu 1. eine anderweitige adäquate Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit iS des § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV bestanden. Einer solchen anderweitigen Absicherung bedurfte es, weil die Beigeladene zu 1. im maßgeblichen Zeitraum nicht in der GKV versicherungsfrei war (vgl dazu BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 R 6/15R - Juris RdNr 23 ff, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Die Beigeladene zu 1. verfügte nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG) im relevanten Zeitraum über eine PKV nebst einer Krankentagegeldversicherung. Das Schutzniveau der GKV war dadurch zwar nicht vollumfänglich erreicht. Insbesondere entsprach das erst vom 43. Tag der AU an zu leistende Krankentagegeld nicht vollständig dem Krg nach §§ 44 ff SGB V. Denn der Anspruch auf Krg entsteht für Versicherte der GKV - vorbehaltlich seines Ruhens nach § 49 SGB V - gemäß § 46 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V in der für den hier streitigen Zeitraum maßgebenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) grundsätzlich von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt (erst seit 23.7.2015 durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.7.2015 ≪BGBl I 1211≫ vom Tag der ärztlichen Feststellung der AU an). Gleichwohl erfüllt die privatrechtliche Absicherung der Beigeladenen zu 1. die Anforderungen des § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV. Das folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, der ihr zugrunde liegenden Intention des Gesetzgebers und dessen systematischer Mindestabsicherung im Krankheitsfall durch Leistungen der GKV oder PKV.
Bereits nach dem Gesetzeswortlaut, der lediglich eine Absicherung verlangt, die "der Art nach" den Leistungen der GKV entspricht, ist eine private Krankenversorgung, die in Art, Umfang und Höhe deckungsgleich mit den Leistungen der GKV ist, nicht erforderlich. Eine Parallelität mit den Leistungen der GKV war mit der Einführung des § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I 2000, 2) auch nicht bezweckt. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der in den Gesetzesmaterialien Ausdruck findet, genügt für eine adäquate Absicherung, dass ein ausreichender sozialer Schutz besteht (BT-Drucks 14/1855 S 8 zu Abs 6). Systematisch ergibt sich der Umfang des erforderlichen Sicherungsniveaus aus einer Parallelwertung zu § 193 Abs 3 S 1 VVG und dem dort geregelten Mindestschutzniveau der allgemeinen Krankenversicherungspflicht, die eine Entgeltersatzleistung für den Fall der AU nicht vorsieht. Ein ausreichender sozialer Schutz gegen das finanzielle Risiko von Krankheit, der der Art nach den Leistungen der GKV entspricht, ist daher nicht von einem Anspruch auf eine mit dem Krg (zumindest) vergleichbare Entgeltersatzleistung abhängig.
Die allgemeine Krankenversicherungspflicht war Kernziel der Gesundheitsreform 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378; vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Ducks 16/3100 S 86), mit dem die Auffang-Versicherungspflicht in der GKV eingeführt worden ist. Seit 1.4.2007 sind nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und entweder zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen oder bestimmten versicherungsfreien Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Gleichzeitig wurde durch das GKV-WSG für die PKV zum 1.1.2009 eine Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Krankheitskostenversicherungsvertrags in § 178a Abs 5 S 1 VVG aufgenommen. Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007 (BGBl I 2631) inhaltlich unverändert als § 193 Abs 3 S 1 VVG in die ab 1.1.2009 geltende Neufassung des VVG übernommen worden. Danach ist jede Person - die weder gesetzlich krankenversichert ist noch einem anderen Sicherungssystem im Sinn des § 193 Abs 3 S 2 VVG angehört - mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5000 Euro begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Eine Absicherung gegen den krankheitsbedingten Ausfall von Arbeitsentgelt wird danach nicht verlangt.
Nach der gesetzlichen Systematik wird der angestrebte Versicherungsschutz aller in Deutschland lebenden Menschen (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/3100 S 94 zu Art 1 Nr 2 Buchst a Doppelbuchst bb und cc; Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 zu Art 43 ≪VVG≫ Nr 01 ≪§ 178a≫ Abs 5) - sofern nicht bereits eine hinreichende Absicherung besteht - je nach rechtlicher Zuordnung entweder durch die Auffang-Versicherungspflicht in der GKV oder durch eine Krankheitskostenpflichtversicherung in der (deutschen) PKV gewährleistet (BSG Urteil vom 12.1.2011 - B 12 KR 11/09 R - BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 16 unter Bezugnahme auf den Allgemeinen Teil der Begründung zum GKV-WSG, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, aaO, S 86 f unter A.II.1.). Damit stehen beide Sicherungssysteme gleichwertig nebeneinander. Auch wenn der vorgegebene Umfang der Mindestabsicherung in der PKV hinter dem Leistungskatalog der GKV zurückbleibt, genügt das versicherungsvertragliche Sicherungsniveau dem Gesetzgeber für eine ausreichende Versorgung privat Versicherter im Bedarfsfall (Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66 f zu Art 43 ≪VVG≫ Nr 01 ≪§ 178a≫ Abs 5). Infolgedessen werden an einen "anderweitigen Anspruch auf Absicherung" im Krankheitsfall im Sinn des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V keine höheren Anforderungen gestellt als an die Krankheitskostenpflichtversicherung nach § 193 Abs 3 S 1 VVG (BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 KR 14/11 R - BSGE 113, 160 = SozR 4-2500 § 5 Nr 18, RdNr 16). Es wäre widersprüchlich, ein den Anforderungen nach § 193 Abs 3 S 1 VVG entsprechendes Sicherungsniveau in der deutschen PKV als gleichwertig zur Versicherungspflicht in der GKV zu akzeptieren, nicht aber als ausreichende artgleiche Eigenvorsorge nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB V anzuerkennen.
3. Die Beigeladene zu 1. verfügte für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung der Beklagten zur Statusfeststellung auch über eine ausreichende Absicherung zur Altersvorsorge im Sinn von § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV. Diese war nicht entbehrlich, denn die Beigeladene zu 1. war nicht von der Versicherungspflicht in der GRV befreit (vgl für den Bereich der GKV BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 R 6/15 R - Juris RdNr 22, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Die anderweitige adäquate Altersvorsorge kann wahlweise öffentlich-rechtlich (etwa durch eine freiwillige Versicherung nach § 7 SGB VI oder als Pflicht- oder freiwillige Versicherung bei einer berufsständischen Altersversorgung) oder privatrechtlich (etwa durch eine private Lebens- bzw Rentenversicherung für den Fall des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres) sichergestellt werden (BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 R 6/15 R - Juris RdNr 20, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Sie ergibt sich indes nicht bereits aus der Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Eine den Leistungen der GRV entsprechende berufsständische Altersvorsorge setzt vielmehr voraus, dass eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht besteht oder anderenfalls tatsächlich Beiträge in Höhe des in der freiwilligen GRV zu zahlenden Mindestbeitrags entrichtet werden. Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Auch ist aus den vom LSG in Bezug genommenen Gerichts- und Verwaltungsakten nicht ersichtlich, ob von der Beigeladenen zu 1. aufgrund § 22 Abs 2 der Satzung der Bayerischen Versorgungskammer (Bayer Staatsanzeiger Nr 50, in der Fassung vom 23.6.2008 und 8.8.2009, Bayer Staatsanzeiger Nr 26 und Nr 33) lediglich der auf die Hälfte ermäßigte Mindestbeitrag gezahlt worden ist, der unter dem Mindestbeitrag in der freiwilligen Rentenversicherung gelegen hätte.
Die Höhe der berufsständisch gezahlten Beiträge kann allerdings wegen der von der Beigeladenen zu 1. abgeschlossenen Kapitallebensversicherung offenbleiben. Bei einer privatrechtlichen Absicherung liegt eine ausreichende Altersvorsorge jedenfalls dann vor, wenn die hierfür aufgewandten Prämien der Höhe nach dem Mindestbeitrag in der freiwilligen Rentenversicherung entsprechen (BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 R 6/15 R - Juris RdNr 20, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das ist bei den von der Beigeladenen zu 1. für ihre zum 31.12.2017 und damit nach Erreichen des 60. Lebensjahres abgelaufene Lebensversicherung ausweislich des Versicherungsscheins ab 1.1.2009 gezahlten Prämien von monatlich 94,93 Euro der Fall.
B. Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig und begründet.
I. Die Anschlussrevision war nicht als unzulässig zu verwerfen. Eine nach Ablauf der Revisionsfrist eingelegte - mithin unselbstständige - Anschlussrevision darf einerseits zwar grundsätzlich nicht einen Teil der Entscheidung betreffen, den die Revision selbst nicht erfasst, und damit einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren einführen (vgl BSG Urteil vom 13.10.1992 - 4 RA 40/91 - SozR 3-5050 § 15 Nr 5; BSG Urteil vom 23.6.1998 - B 4 RA 33/97 R - Juris; BSG Urteil vom 19.6.1996 - 6 RKa 24/95 - Juris RdNr 16; BSG Urteil vom 10.2.2005 - B 4 RA 48/04 R - Juris RdNr 34 - jeweils zu einer Anschlussberufung). Sie muss sich andererseits aber auch nicht stets auf denselben Streitstoff beziehen. Vielmehr kann im Einzelfall ein unmittelbarer rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Lebenssachverhalt des Streitgegenstands der Revision ausreichen (BGH Urteil vom 22.11.2007 - I ZR 74/05 - BGHZ 174, 244 = NJW 2008, 920; BGH Urteil vom 21.6.2001 - IX ZR 73/00 - BGHZ 148, 156 = NJW 2001, 3543; BGH Urteil vom 19.2.2002 - X ZR 166/99 - NJW 2002, 1870; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 3a; Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160 RdNr 7). Die Anschlussrevision ist daher zulässig, wenn sie sich - wie hier - "im Rahmen des gesamten Streitgegenstandes bewegt" (BSG Urteil vom 24.5.2006 - B 3 KR 15/05 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 4 RdNr 16).
Zwar sind Statusfeststellungsbescheide im Hinblick auf die Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen teilbar (hierzu A. I.), doch besteht vorliegend ein enger Zusammenhang zum Streitgegenstand der Revision. Im Rahmen der Anschlussrevision stellt sich die Frage, ob der Beginn der Versicherungspflicht für das Recht der Arbeitsförderung ebenso wie für die anderen Sozialversicherungszweige und damit einheitlich zu beurteilen ist, wenn die von der Revision bestrittenen Voraussetzungen des § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB IV vorliegen. Die Möglichkeit eines Anschlussbegehrens soll die prozessuale Waffengleichheit und Billigkeit im Falle einer infolge der Revision ohnehin gebotenen Überprüfung wahren (vgl BGH Urteil vom 21.6.2001 - IX ZR 73/00 - BGHZ 148, 156 = NJW 2001, 3543). Daher ist es geboten, der Klägerin die Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln bezogen auf die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung im Wege der Anschlussrevision zu ermöglichen.
II. Die Anschlussrevision ist begründet. Der spätere Beginn der Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung bezieht sich auch auf das Recht der Arbeitsförderung.
Der Wortlaut des § 7a Abs 6 S 1 SGB IV lässt es für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht ausreichen, dass für die Risiken Krankheit und Alter ein bestimmtes Sicherungsniveau erreicht wird, und formuliert als Rechtsfolge, dass "die Versicherungspflicht" erst mit Bekanntgabe der Entscheidung eintritt, ohne zwischen den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu differenzieren. Offenbleiben kann, ob der spätere Eintritt der Versicherungspflicht in jedem der Zweige der Sozialversicherung stets davon abhängt, dass für beide Risiken - Krankheit und Alter - eine mit der GKV und GRV artgleiche Absicherung vorgenommen wurde.
Eine einschränkende, das Recht der Arbeitsförderung vom Anwendungsbereich des § 7a Abs 6 S 1 SGB IV ausnehmende Auslegung dieser Vorschrift aus anderen Gründen ist nicht geboten. Die Regelung beruht auf einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber- und Beschäftigtenbelangen (vgl hierzu im Einzelnen BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 3/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 5 RdNr 19f; BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 12/14 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 6 RdNr 21 f). Einerseits sollen die finanziellen Risiken durch Beitragsnachzahlungen für gutgläubige Arbeitgeber beschränkt werden (vgl Abschlussbericht der Kommission "Scheinselbständigkeit", NZA 1999, 1260, unter II. 2. d). Andererseits sollen mit den Anforderungen an eine zeitgleiche anderweitige adäquate Absicherung entstehende Versicherungsschutzlücken reduziert werden. Gerade im Hinblick darauf, dass sich aufgrund eines späteren gewillkürten Versicherungsbeginns Nachteile im Versicherungsschutz Betroffener realisieren können, ist der spätere Eintritt der Versicherungspflicht von der Zustimmung des Beschäftigten abhängig gemacht worden (vgl dazu näher Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ≪11. Ausschuss≫, BT-Drucks 14/2046 S 1 unter A., S 2 unter B., S 5 unter II., S 10 ≪BDA, DAG≫ und S 13 ≪Fraktionen≫). Allein der Beschäftigte - und gerade nicht der Arbeitgeber - hat damit entsprechend seiner Interessenlage erweiterte Handlungsspielräume in Bezug darauf, ob der sozialversicherungsrechtliche Schutz vorübergehend nicht in Anspruch genommen werden soll (vgl BT-Drucks 14/1855 S 6 unter A., S 8 zu Abs 6).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
D. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 11799724 |
BSGE 2019, 56 |
DStR 2018, 14 |