Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Elterngeldverlust durch Heiratsbeihilfe, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld, auch nicht bei pauschalierter Besteuerung
Leitsatz (amtlich)
Auch pauschal versteuerte Einmalzahlungen werden bei der Elterngeldberechnung nicht als Einkommen berücksichtigt.
Leitsatz (redaktionell)
Elterngeld wird durch anlassbezogene oder einmalige Zahlungen wie eine Heiratsbeihilfe, Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld auch dann nicht reduziert, wenn der Arbeitgeber keinen Lohnsteuerabzug vom Arbeitslohn vornimmt, sondern das Einkommen während des Elterngeldbezugs pauschal versteuert.
Normenkette
BEEG § 2c Abs. 1 S. 2 Fassung: 2012-09-10, Abs. 3 S. 1, § 8 Abs. 3; EStG §§ 38a, 39b, 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die endgültige Festsetzung ihres Elterngelds und die damit verbundene Rückforderung bereits ausgezahlter Beträge.
Die Klägerin beantragte im Februar 2014 Elterngeld für den ersten bis 12. Lebensmonat ihrer am 7.1.2014 geborenen Tochter. Im Antrag gab sie an, sie beabsichtige keine Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum.
Der Beklagte gewährte der Klägerin unter Anrechnung von Mutterschaftsleistungen Elterngeld in Höhe von 0 Euro für den ersten Lebensmonat, 82,88 Euro für den zweiten Lebensmonat und 1160,45 Euro für den dritten bis 12. Lebensmonat (Bescheid vom 26.2.2014).
Im April 2014 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie werde nun doch ab dem 12.5.2014 bis zum Ende des Jahres für drei Stunden pro Woche eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Das Steuerbrutto werde im Mai 106,67 Euro und ab Juni 160 Euro monatlich betragen.
Daraufhin hob der Beklagte die Elterngeldgewährung der Klägerin teilweise auf und setzte ihr Elterngeld vorläufig neu fest. Vom monatlichen Nettoerwerbseinkommen im Bemessungszeitraum sei ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 73,04 Euro abzuziehen. Für die Zeit ab dem 7.5.2014 ergebe sich ein Elterngeld in Höhe von 1112,97 Euro im Monat. Eine endgültige Entscheidung erfolge nach Vorlage der Nachweise über das Einkommen im Bezugszeitraum. Zuviel erbrachte Leistungen seien dann zu erstatten (Bescheid von 16.4.2014).
Nach Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate Mai bis Dezember 2014 setzte der Beklagte das Elterngeld der Klägerin endgültig fest. Nach Höhe der jetzt feststehenden Einkünfte in den bewilligten Lebensmonaten sei unter Berücksichtigung der jeweiligen Abzugsmerkmale ein durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen von 370,93 Euro anzurechnen. Das monatliche Elterngeld belaufe sich ab 7.5.2014 auf 945,02 Euro. Das überzahlte Elterngeld von 1290,42 Euro sei von der Klägerin zu erstatten (Bescheid vom 5.2.2015).
Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Anrechnung der "Sonderzahlungen" von 49 Euro Urlaubsgeld im Juni 2014, 1600 Euro Heiratsbeihilfe im Juli 2014 und 745 Euro Weihnachtsgeld im Dezember 2014. Aus den Einmalzahlungen vor dem Elterngeldbezug habe sie auch keinen Elterngeldanspruch erworben. Der Beklagte habe ihr zudem zuvor mitgeteilt, diese Zahlungen würden nicht angerechnet. Es handele sich um Einmalzahlungen, die ihr Arbeitgeber freiwillig und zusätzlich zum normalen Lohn gezahlt habe. Diese freiwilligen Zahlungen hätten nichts mit dem laufenden Lohn zu tun. Dieser werde pauschal beim Minijob versteuert.
Der Beklagte wies den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der auf das Elterngeld anzurechnenden, pauschal versteuerten Einkünfte aus dem Minijob und den Einmalzahlungen im fünften bis 12. Lebensmonat errechne sich nur noch ein monatliches Elterngeld in Höhe von 945,02 Euro (Widerspruchsbescheid vom 13.5.2015).
Auf die Klage hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 5.2.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 aufgehoben. Bei den streitigen Vergütungen im Bezugszeitraum handele es sich um einmaligen Arbeitslohn, weil dieser nicht regelmäßig fortlaufend der Klägerin zugeflossen sei. In einem Lohnsteuerabzugsverfahren würden diese Vergütungsbestandteile als sonstige Bezüge behandelt. Sie seien daher nach § 2c Abs 1 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG idF vom 10.9.2012) nicht bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen.
Seine Berufung hat der Beklagte ausdrücklich nur darauf gestützt, die Heiratsbeihilfe sowie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien auf das Elterngeld anzurechnen.
Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Die im Bezugszeitraum erfolgten Einmalzahlungen in Form von Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien nicht auf das Elterngeld anzurechnen. Entscheidend sei, ob diese Zahlungen bei Anwendung des Lohnsteuerabzugsverfahrens abstrakt-generell als laufender Arbeitslohn oder, wie hier, als sonstige Bezüge zu behandeln wären. Der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität müsse hinter verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, vor allem dem Gleichheitssatz, zurücktreten (Urteil vom 26.10.2016).
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2c Abs 1 S 2 BEEG (idF vom 10.9.2012). Die normative Ausgestaltung dieser Bestimmung spräche dafür, pauschal versteuerte Einnahmen bei der Elterngeldbemessung stets zu berücksichtigen. Andernfalls werde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung verfehlt. Unabhängig davon hätte die Anfechtungsklage wegen verschiedener anderer Unstimmigkeiten bei der Elterngeldberechnung in keinem Fall in vollem Umfang Erfolg haben dürfen.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Oktober 2016 und des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 5.2.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil der Beklagte ihr Elterngeld zu niedrig festgesetzt und zu Unrecht überzahltes Elterngeld zurückgefordert hat. Das SG hat diese Bescheide daher zu Recht aufgehoben und ist darin vom LSG mit dem angefochtenen Berufungsurteil zutreffend bestätigt worden.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die endgültige Festsetzung des Elterngelds im Bescheid des Beklagten vom 5.2.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 (§ 95 SGG), soweit der Beklagte die im Bezugszeitraum erfolgten Einmalzahlungen in Form von Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in die Bemessungsgrundlage des Elterngelds einbezogen und vorläufig gewährtes Elterngeld zurückgefordert hat.
Hiergegen hat die Klägerin zulässig nur eine isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 S 1 SGG erhoben (vgl Senatsurteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 13/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 29 RdNr 11). Denn sie zielt mit ihrem Klagebegehren (vgl § 123 SGG) insoweit auf eine vollständige Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 5.2.2015 und der darin erfolgten endgültigen Elterngeldfestsetzung ab. Ihr Klageantrag zwingt zu keiner anderen Auslegung. Dies widerspricht auch nicht ihrem erkennbaren Rechtsschutzinteresse. Die Klägerin hat den Rechtsstreit allein wegen der drei Einmalzahlungen - Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld - geführt, will aber ersichtlich mit der Anfechtung auch der Verfügung über die endgültige Festsetzung uneingeschränkt zur vorläufigen Elterngeldfestsetzung zurückkehren (zur auch möglichen Teilanfechtung vgl Senatsurteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 10/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 14 RdNr 19).
2. Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist auch begründet. Die endgültige Elterngeldfestsetzung des Beklagten vom 5.2.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.5.2015 (§ 95 SGG) war rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
a) Die Ermächtigung des Beklagten zu einer von der geänderten vorläufigen Elterngeldfestsetzung im Bescheid vom 16.4.2014 abermals abweichenden Regelung ergibt sich aus dem damit verbundenen Vorbehalt der Vorläufigkeit, mit dem der Beklagte den ursprünglichen Bescheid vom 26.2.2014 nachträglich nach § 8 Abs 3 BEEG versehen hat (zu dieser Möglichkeit vgl Senatsurteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 13/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 29 RdNr 14 mwN).
b) Die Klägerin war dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld berechtigt. Wie der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 26.2.2014 zu Recht festgestellt hat, erfüllte die Klägerin vom 7.1.2014 bis 6.1.2015 die Grundvoraussetzungen der Elterngeldgewährung iS von § 1 BEEG.
c) Die Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin berechnet sich gemäß § 2 Abs 3 S 1 iVm Abs 1 und 2 BEEG aus dem Unterschiedsbetrag ihres Einkommens im Bemessungszeitraum vor und im Bezugszeitraum nach der Geburt multipliziert mit der gesetzlich bestimmten Ersatzrate. Die aufgrund der angefochtenen Entscheidungen und ihrer Feststellungen allein streitbefangene Höhe des Einkommens der Klägerin im Bezugszeitraum ergibt sich - ebenso wie diejenige im Bemessungszeitraum - aus § 2c BEEG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012 (BGBl I 1878). Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit ist demnach der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den § 2e und 2f BEEG (§ 2c Abs 1 S 1 BEEG).
Das von der Klägerin im Bezugszeitraum erzielte Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung ist Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 Nr 4 EStG (siehe § 2 Abs 1 S 2 BEEG) und nicht nach § 3 EStG steuerfrei gestellt (vgl Senatsurteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 13/10 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 12 RdNr 32 mwN). Es gehört daher zu den im Inland zu versteuernden Einkünften iS von § 2 Abs 1 S 3 BEEG und damit grundsätzlich zur Bemessungsgrundlage des Elterngelds.
Wie indes § 2c Abs 1 S 2 BEEG als Ausnahme davon bestimmt, werden bei der Berechnung des elterngeldrelevanten Einkommens solche Einnahmen nicht berücksichtigt, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge "behandelt werden". Nach dieser Vorschrift haben die Vorinstanzen zutreffend die drei Einmalzahlungen (Heiratsbeihilfe, Urlaubs- und Weihnachtsgeld) an die Klägerin im Bezugszeitraum von der Bemessungsgrundlage des Elterngelds ausgenommen. Dieser Ausschluss ergibt sich aus Wortlaut (aa) sowie vor allem aus der systematischen Stellung und dem Zweck der Norm (bb), wie er maßgeblich in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt (cc).
aa) Die Formulierung "im Lohnsteuerabzugsverfahren" zusammen mit der Gegenwartsform "behandelt werden" in § 2c Abs 1 S 2 BEEG bezeichnet zum einen solche Einnahmen, von denen der Arbeitgeber tatsächlich Lohnsteuer abzieht. Der Wortlaut lässt darüber hinaus aber Raum für ein weitergehendes normatives Begriffsverständnis. Es umfasst auch solche Einnahmen, die in einem nur gedachten ("fiktiven") Lohnsteuerabzugsverfahren im Sinne einer "Als-ob-Betrachtung" als sonstige Bezüge zu behandeln wären. Die Wendung "im Lohnsteuerabzugsverfahren" ist damit nicht ausschließlich beschränkt auf ein im konkreten Fall tatsächlich durchgeführtes Lohnsteuerabzugsverfahren. Sie kann darüber hinaus auch auf das Verfahren des Lohnsteuerabzugs als solches bezogen werden, also auf die Erhebung der Einkommensteuer durch Vorauszahlung in Form des Abzugs vom Arbeitslohn (vgl § 38 Abs 1 S 1 EStG) und vor allem auf die dafür geltenden materiell-rechtlichen Vorgaben. Für dieses normative Verständnis spricht maßgeblich der Wortlaut der Nachfolgeregelung (in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18.12.2014, BGBl I 2325), mit dem der Gesetzgeber den Inhalt der Norm nicht wesentlich ändern, sondern diesen nur verdeutlichen wollte (vgl Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 24 unter Hinweis auf BT-Drucks 18/2583 S 24 f - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR). Danach werden solche Einnahmen nicht als elterngeldrelevantes Einkommen berücksichtigt, die im Lohnsteuerabzugsverfahren "nach den lohnsteuerlichen Vorgaben" als sonstige Bezüge "zu behandeln sind".
bb) Bestätigt wird die zutreffende Auslegung der Vorinstanzen durch die systematische Stellung sowie den Sinn und Zweck der Norm. Im Lohnsteuerabzugsverfahren dient die Unterscheidung zwischen sonstigen Bezügen und laufendem Arbeitslohn durch §§ 38a, 39b EStG der gleichmäßigen Besteuerung des Arbeitnehmers im Jahresverlauf (vgl Senatsurteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115,198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, RdNr 18 f). Werden Einkünfte dagegen pauschal versteuert, bedarf es dieser Unterscheidung insoweit nicht. Pauschal versteuerte Sonderzahlungen - wie zB Weihnachtsgeld - sind auch ohne Anwendung der genannten Vorschriften über den Lohnsteuerabzug rechnerisch auf die gesamten Lohnzahlungszeiträume zu verteilen, für die sie erbracht worden sind (BFH Urteil vom 21.7.1989 - VI R 157/87 - Juris RdNr 11; Krüger in Schmidt, EStG, 36. Aufl 2017, § 40a RdNr 4 mwN).
Gleichwohl behält die begriffliche Unterscheidung zwischen sonstigen Bezügen und laufendem Arbeitslohn im Steuerrecht selbst dann eine Funktion, wenn kein Lohnsteuerabzug stattfindet. So ermöglicht § 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG dem Arbeitgeber, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz zu erheben, der unter Berücksichtigung des § 38a EStG zu ermitteln ist, soweit der Arbeitgeber sonstige Bezüge in einer größeren Zahl von Fällen gewährt. Er trägt dann nach Abs 3 der Vorschrift diese pauschale Lohnsteuer, während der Arbeitnehmer an diesem Pauschalierungsverfahren nicht beteiligt ist.
cc) Im steuerrechtsakzessorischen Recht des Elterngelds erfüllt die Unterscheidung zwischen sonstigen Bezügen und laufendem Arbeitslohn auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der §§ 38a, 39b EStG beim Lohnsteuerabzug eine zentrale Funktion, wie sich vor allem aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt. Bei der Ausgestaltung des Elterngelds als (teilweiser) Einkommensersatz kam es dem BEEG-Gesetzgeber darauf an, in generalisierender Weise eine Bemessungsgrundlage zu schaffen, die das zukünftig wegfallende Einkommen verlässlich und realitätsgetreu abbildet. Dafür hat er sich - wie bei anderen kurzfristigen Entgeltersatzleistungen - der sogenannten Bezugs- bzw Referenzmethode bedient (vgl Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 59). Sie beschränkt den Einkommensersatz auf solche Einkünfte, welche die vorgeburtliche Lebenssituation geprägt, dh wesentlich beeinflusst haben (Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 65). Spiegelbildlich gilt dies dann auch für den Bezugszeitraum.
Das ausschlaggebende Kriterium zur Feststellung solcher prägender Einkünfte sollte dabei zunächst der Begriff der einmaligen Einnahmen bilden. Nach dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur Einführung des Elterngeldes vom 20.6.2006 (BT-Drucks 16/1889 S 21), der noch vom Einkommensbegriff des SGB II ausgegangen war, sollten einmalige Einnahmen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Prämien sowie Erfolgsbeteiligungen weder im Bemessungszeitraum vor der Geburt noch während des Bezugszeitraums des Elterngelds berücksichtigt werden. Solche Einnahmen prägten laut Entwurf die für das Elterngeld als monatliche Leistung maßgeblichen Verhältnisse nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie das laufende Erwerbseinkommen. Darüber hinaus könne der zufällige Zufluss einmaliger Einnahmen im Bezugszeitraum den Elterngeldanspruch insbesondere teilzeitbeschäftigter Eltern beeinträchtigen (Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 20).
Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist an die Stelle des Begriffs der einmaligen Einnahmen derjenige der sonstigen Bezüge getreten. Er hat damit auch dessen Abgrenzungsfunktion übernommen. Sie bleibt maßgeblich für die Feststellung, welche Einnahmen das vorgeburtliche Einkommen hinreichend sicher geprägt haben und deshalb durch das Elterngeld teilweise zu ersetzen sind. Der Gesetzgeber zielt seit jeher darauf ab, sonstige Bezüge im Sinne des materiellen Lohnsteuerrechts aus der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld nichtselbstständig Erwerbstätiger auszuschließen. Die ursprüngliche Gesetzesfassung hatte zu diesem Zweck ausdrücklich angeordnet, sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG nicht als elterngeldrelevante Einnahmen zu berücksichtigen, ohne das Lohnsteuerabzugsverfahren überhaupt zu erwähnen (vgl Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 20). Der in späteren Fassungen hinzugefügte Verweis auf die Ergebnisse dieses Verfahrens soll die nach den Kriterien des materiellen Steuerrechts ausgeschlossenen Einnahmen zweifelsfrei identifizieren (Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 25). Dieser Verweis ersetzt aber nicht die verbindlichen materiell-rechtlichen Zuordnungsregeln des Steuerrechts, sondern betont und verstärkt nur ihre Verbindlichkeit für das Elterngeldverfahren (Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 34).
Nichts Anderes ergibt sich aus dem von der Revision hervorgehobenen Detail der Entstehungsgeschichte zur Behandlung pauschal versteuerter Einnahmen im Elterngeldrecht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Haushaltsbegleitgesetz 2011 (BT-Drucks 17/3030) hatte zunächst vorgesehen, pauschal versteuerte Einnahmen ebenso wie heute noch sonstige Bezüge vollständig aus der Bemessungsgrundlage des Elterngelds auszuklammern. (aaO, S 19) Dieser Vorschlag ist aber hinsichtlich pauschal versteuerter Einnahmen nicht Gesetz geworden, sondern im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden. Anlass für die Streichung war die Befürchtung, ansonsten insbesondere erwerbstätige Mütter mit geringem Einkommen, das häufig pauschal versteuert wird, zu benachteiligen (BR-Drucks 532/1/10 S 26). Diese Entstehungsgeschichte spricht für das Ziel der gesetzgeberischen Konzeption, Einkommen aus abhängiger Beschäftigung unabhängig vom gewählten Besteuerungsverfahren bei der Elterngeldbemessung denselben Regeln zu unterwerfen. Anders als der Beklagte meint, liegt darin keine gleichheitswidrige Benachteiligung von Müttern mit geringem, pauschal versteuerten Einkommen, sondern deren folgerichtige Gleichbehandlung.
Wegen der geschilderten gesetzlichen Systematik im Lichte der Entstehungsgeschichte bleibt es somit bei der zentralen Bedeutung der materiell-rechtlichen Unterscheidung zwischen sonstigem Bezug und laufendem Arbeitslohn für die Elterngeldberechnung selbst dann, wenn im konkreten Fall kein Lohnsteuerabzug nach §§ 38a, 39b EStG stattfindet. Auch im Fall einer pauschalen Besteuerung kann auf die materiellen Unterscheidungskriterien des Steuerrechts zurückgegriffen werden, um sonstige Bezüge aus der Bemessungsgrundlage des Elterngelds ausschließen (zu diesen Kriterien im Einzelnen Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 26 ff mwN).
Dieser Ausschluss ist auch stets erforderlich. Wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, darf die Elterngeldhöhe nach der gesetzlichen Konzeption nicht allein von der Wahl des Besteuerungsverfahrens abhängen, die bei geringfügiger Beschäftigung im freien Ermessen des Arbeitgebers liegt (vgl BAG Urteil vom 13.11.2014 - 8 AZR 817/13 - Juris RdNr 19). Beide Besteuerungsverfahren unterscheiden sich zwar. So schuldet insbesondere bei der Lohnsteuerpauschalierung im Unterschied zum Lohnsteuerabzugsverfahren (§ 38 Abs 2 EStG) nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber die Lohnsteuer (§ 40a Abs 5 iVm § 40 Abs 3 S 1 und S 2 Halbs 1 EStG). Mit Blick auf Systematik und Zielsetzung des Elterngelds ist dieser Unterschied jedoch ohne Belang. Die pauschale Lohnsteuer ist nicht anders als eine besonders berechnete Lohnsteuer (vgl Krüger in Schmidt, EStG, 36. Aufl 2017, § 40 RdNr 24). Die Bemessungsgrundlage ist in beiden Besteuerungsverfahren im Grundsatz identisch. Maßgeblich ist jeweils der "Arbeitslohn" iS des § 19 Abs 1 Nr 1 EStG und § 2 LStDV (BAG Urteil vom 29.8.2012 - 10 AZR 589/11 - Juris RdNr 23). Und gerade an diese Bemessungsgrundlage knüpft die Höhe des Elterngelds auf dem Weg über § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 BEEG maßgeblich an (vgl Senatsurteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 26). Wollte man trotzdem die Bemessungsgrundlage des Elterngelds von der Wahl des Besteuerungsverfahrens abhängig machen, obwohl diese Wahl im freien Ermessen des Arbeitgebers liegt, so gerieten die Bestimmungen über die Elterngeldhöhe in Gefahr, ihre systembezogene Folgerichtigkeit zu verlieren.
d) Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass ohne ein Lohnsteuerabzugsverfahren die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen nicht bereits im Steuerverfahren getroffen und von dort übernommen werden kann. Gleichwohl bleibt diese Unterscheidung als wesentliches Referenzkriterium unverzichtbar, um die prägenden Einnahmen für die Elterngeldberechnung zu bestimmen. Ist das Lohnsteuerabzugsverfahren daher im Zeitpunkt der Elterngeldfestsetzung ausnahmsweise noch nicht abgeschlossen, müssen die Elterngeldbehörden selbst steuerrechtsakzessorisch überprüfen, ob Einnahmen im laufenden Lohnsteuerabzugsverfahren nach den steuerrechtlichen Vorschriften zu Recht als sonstige Bezüge behandelt worden sind. Findet das Verfahren auf einen Teil oder alle steuerpflichtigen Einkünfte von vornherein keine Anwendung, weil sie pauschal vom Arbeitgeber versteuert werden, müssen die Elterngeldstellen diese Unterscheidung vollumfänglich selbst treffen. Der damit in Einzelfällen verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand ist hinzunehmen und auch zumutbar. Er ist zwangsläufige Folge der vom BEEG-Gesetzgeber angeordneten strengen Steuerrechtsakzessorietät des Elterngeldrechts. Zudem vermeidet er Zufallsergebnisse und damit Ungerechtigkeiten. Allerdings dürften hohe pauschal versteuerte Einmalzahlungen wie im Fall der Klägerin ohnehin eher eine seltene Ausnahme bilden.
e) Nach diesen Vorgaben wären die hier allein streitbefangenen pauschal versteuerten Einmalzahlungen an die Klägerin in einem Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge iS von § 2c Abs 1 S 2 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 10.9.2012 (aaO) zu behandeln. Sie sind deshalb von der Bemessungsgrundlage des Elterngelds auszunehmen. Denn gemäß den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben sind sonstige Bezüge all jene Entgeltzahlungen, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abweichen, weil sie entweder nicht für bestimmte, aufeinanderfolgende Zeiträume erfolgen oder den üblichen Lohnzahlungszeitraum erheblich überschreiten (Senatsurteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - Juris RdNr 31). Im Vergleich zu dem in allen Monaten des Elterngeldbezugs gleichbleibend gewährten Entgelt für die geringfügige Beschäftigung der Klägerin wäre damit das ihr gewährte Weihnachts- und Urlaubsgeld (vgl dazu zuletzt Senatsurteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 5/16 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 32 RdNr 17 ff) ebenso als sonstiger Bezug zu behandeln wie die ihr einmalig gezahlte Heiratsbeihilfe. Denn alle drei Zahlungen erfolgten nicht für bestimmte, aufeinander folgende Zeiträume, sondern einmalig und anlassbezogen.
§ 2c Abs 1 S 2 BEEG schließt daher die drei im Bezugszeitraum gewährten Einmalzahlungen von der Bemessungsgrundlage aus; der Beklagte hat sie deshalb auch im Bezugszeitraum des Elterngelds zu Unrecht elterngeldmindernd als Einkommen berücksichtigt. Dadurch hat er das Elterngeld der Klägerin zu niedrig festgesetzt und zu Unrecht bereits gezahlte Beträge zurückgefordert. Davon kann der Senat bei der Entscheidung über die isolierte Anfechtungsklage der Klägerin auch ohne weitere Feststellungen und Berechnungen des LSG zur konkreten Höhe ihres Elterngeldanspruchs ausgehen. Der Beklagte hat diesen Anspruch allein deshalb abgesenkt und vorläufig gewährtes Elterngeld nach § 26 Abs 2 BEEG iVm § 328 Abs 3 SGB III teilweise zurückgefordert, weil er die drei einmaligen Zahlungen im Bezugszeitraum unzutreffend als Einkommen berücksichtigt hat. Denn lässt man diese außer Betracht, so hat der Beklagte im vorläufigen Bescheid vom 16.4.2014 nach den insoweit bindenden Feststellungen des LSG sogar ein höheres Einkommen im Bezugszeitraum angesetzt als danach in seinem endgültigen Bescheid.
Der Beklagte kann dagegen nicht mit seinem Einwand durchdringen, er habe im Bezugszeitraum einerseits weiteres pauschal versteuertes Einkommen der Klägerin zu Unrecht unberücksichtigt gelassen und andererseits im Bemessungszeitraum zu hohe Einnahmen zugrunde gelegt. Im Berufungsverfahren sind zwischen den Beteiligten nur die drei genannten Einmalzahlungen streitig gewesen. Nur hierüber hat das LSG auch entschieden. Folgerichtig hat es keine gesonderten Feststellungen zu anderen Berechnungsposten des Elterngelds getroffen (und auch nicht treffen müssen). Durchgreifende Verfahrensrügen hat der Beklagte hiergegen nicht erhoben. Den neuen (Tatsachen-)Vortrag des Beklagten im Revisionsverfahren darf der Senat deshalb nicht berücksichtigen. Nichts Anderes gilt für die weiteren von der Revision thematisierten, aber außerhalb der hier allein streitgegenständlichen Anrechnung der im Bezugszeitraum gezahlten Einmalzahlungen liegenden Einzelheiten der Elterngeldberechnung, etwa hinsichtlich steuerfrei gewährter Beiträge zu einer Arbeitnehmerdirektversicherung.
f) Erweist sich damit die vollständige Aufhebung des endgültigen Elterngeldbescheids durch das SG und ihre Bestätigung durch das LSG auf der Grundlage seiner für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (vgl § 163 SGG) als richtig, so verfügt die Klägerin wegen der von ihr beantragten Vollanfechtung weiterhin nur über eine vorläufige Elterngeldbewilligung in der ursprünglichen festgesetzten Höhe. Dem Beklagten bleibt es unbenommen, bei der jetzt wieder ausstehenden endgültigen Elterngeldfestsetzung die von ihm im Revisionsverfahren behaupteten (vermeintlichen) Unstimmigkeiten der Elterngeldberechnung zu berichtigen, solange er dabei die rechtlichen Vorgaben dieses Urteils beachtet.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Fundstellen
Haufe-Index 11773839 |
BFH/NV 2018, 1136 |
BSGE 2019, 162 |