Entscheidungsstichwort (Thema)
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg. Arzt. Zahnarzt. Prüfung nach Durchschnittswerten. statistischer Vergleich. Einzelfallprüfung. Vergleichsgruppe. offensichtliches Mißverhältnis. Übergangszone. Streubereich. unwirtschaftlicher Mehraufwand. Kürzungshöhe
Leitsatz (amtlich)
Zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bei einem sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnarztlichen Versorgung zugelassenen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen.
Normenkette
SGB V § 106; EKV-Z § 14; Bema Nr. 56c
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zugrunde zu legen hat.
Die Beigeladene zu 1) hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger ist als Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die für die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Behandlung zuständigen Prüfungseinrichtungen kürzten seine Honoraranforderungen für Leistungen nach der Position 56c (Zy3) des Gebührentarifs A der Anlage 1 zum Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrag (EKV-Zahnärzte) im Quartal I/1990 um 45 % (= 3.240,93 DM) und im Quartal III/1990 um 35 % (= 1.763,92 DM). Zur Begründung heißt es in den Bescheiden des Ersatzkassen-Beschwerdeausschusses vom 15. August 1991, der Kläger habe Zystektomien nach dieser Gebührenziffer bis zu 65mal so häufig abgerechnet wie der Durchschnitt der bayerischen Zahnärzte, was auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise schließen lasse. Allerdings sei die Spezialisierung auf zahn- und kieferchirurgische Leistungen als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen gewesen. Das sei in der Weise geschehen, daß man die Abrechnungsfrequenzen der Nr. 56c bezogen auf die damit korrelierenden Leistungen nach den Positionen 47a, 48, 53, 54a bis 54c und Ä736 des Gebührentarifs (Bezugsleistungen) ermittelt und mit den entsprechenden Werten der anderen über die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) abrechnenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen verglichen habe. Dabei habe sich gezeigt, daß der Kläger bei den Bezugsleistungen den Landesdurchschnitt der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen unterschreite, während er die damit in Verbindung stehenden Zystektomien nach Nr. 56c gemessen an der Zahl der Bezugsleistungen in den streitigen Quartalen 1,93mal bzw 1,61 mal so häufig angesetzt habe wie seine diese Leistung ebenfalls abrechnenden Fachkollegen. Auch in Ansehung der besonderen Praxisausrichtung liege somit ein offensichtliches Mißverhältnis vor, welches die vorgenommenen Kürzungen rechtfertige.
Während das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen hat, hat das Landessozialgericht (LSG) die angefochtenen Verwaltungsakte aufgehoben und den an die Stelle des früheren Ersatzkassen-Beschwerdeausschusses getretenen Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet (Urteil vom 10. Februar 1995). Die Kürzungsbescheide seien in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. Da der Kläger vorwiegend oralchirurgisch tätig sei, sage ein Vergleich mit den Abrechnungswerten der Allgemeinzahnärzte über die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise nichts aus. Ob die engere Gruppe der an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen für einen statistischen Vergleich ausreichend groß sei, lasse sich mangels Zahlenangaben aus den Bescheiden nicht ersehen. Auch sei unklar, ob die Prüfgremien insoweit von zutreffenden Abrechnungswerten ausgegangen seien und ob sie diese Werte hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise richtig eingeordnet hätten. Der beklagte Beschwerdeausschuß habe es versäumt, den Gesamtfallwert des Klägers zu dem der übrigen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen in Beziehung zu setzen und so seine Behandlungstätigkeit als Ganzes in die Vergleichsbetrachtung mit einzubeziehen. Ebensowenig habe er untersucht, welche Aussagekraft der Statistik im Hinblick darauf zukomme, daß Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen vielfach über eine Doppelzulassung als Arzt und Zahnarzt verfügten und bestimmte Leistungen möglicherweise in beiden Bereichen abrechnen könnten. Schließlich sei die Höhe der vorgenommenen Honorarkürzungen zu beanstanden. Gemessen an den vom Beklagten mitgeteilten Durchschnittswerten der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen seien dem Kläger lediglich geringfügige Restüberschreitungen um 3,6 % bzw 6,4 % belassen worden. Für derart weitgehende Kürzungen bis unter die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis und sogar bis in den Bereich der normalen Streuung enthielten die angegriffenen Bescheide keine ausreichende Begründung.
Gegen dieses Urteil hat die KZÄV (Beigeladene zu 1) Revision eingelegt. Sie rügt Verfahrensfehler sowie eine Verletzung des § 106 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Ansicht, ein als Vertragszahnarzt zugelassener Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg dürfe bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nur mit anderen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen verglichen werden, sei rechtsfehlerhaft und stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der bei Zahnärzten die Bildung spezieller, engerer Vergleichsgruppen nicht verlangt werden könne. Der Kläger habe zwar einen Behandlungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Oralchirurgie, erbringe ansonsten aber im Rahmen seiner zahnärztlichen Tätigkeit dieselben Behandlungsleistungen wie andere Zahnärzte auch. Durch eine Beschränkung auf die Gruppe der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen werde die Aussagekraft des Vergleichs nicht verbessert, sondern verschlechtert. Von den insgesamt 58 in Bayern als Vertragszahnärzte zugelassenenen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen nähmen nur ca 40 gleichzeitig auch an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Bei einer so geringen Zahl von Betroffenen seien keine aussagekräftigen statistischen Erkenntnisse zu erwarten. Auch bestehe die Gefahr, daß diese kleine Gruppe für sich den Maßstab der Wirtschaftlichkeit weitgehend selbst bestimmen könne. Schließlich sei unklar, inwieweit der Wert einer auf Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen beschränkten Vergleichsstatistik dadurch beeinträchtigt werde, daß sich aus der Doppelzulassung Überschneidungen bei der Abrechnung vertragsärztlicher und vertragszahnärztlicher Leistungen ergeben könnten. Darin, daß das LSG diese von ihm selbst als entscheidungserheblich angesehene Frage nicht geklärt habe, liege eine Verletzung der den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) obliegenden Amtsermittlungspflicht.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Februar 1995 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Oktober 1991 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Einwand, die Gruppe der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen sei für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten zu klein, widerspreche der eigenen Einschätzung des Beklagten und beinhalte, was die Zahlenangaben angehe, neuen Sachvortrag, mit dem die Beigeladene in der Revisionsinstanz nicht gehört werden könne.
Der Beklagte und der zu 2) beigeladene Ersatzkassenverband haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 1) ist nicht begründet,
Ein in der Revisionsinstanz fortwirkender Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müßte, liegt nicht vor. Die Rüge, wegen der Doppelzulassung des Klägers als Arzt und als Zahnarzt und der sich daraus ergebenden Möglichkeit von Überschneidungen im Abrechnungsverkehr habe die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) zum Rechtsstreit beigeladen werden müssen, ist unbegründet. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, daß die Rechtssphäre der KÄV durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis nicht berührt wird und die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 SGG insoweit nicht gegeben sind.
Das LSG hat die Honorarkürzungsbescheide vom 15. August 1991 zu Recht aufgehoben. Die rechtlichen Vorgaben, die es dem Beklagten für seine erneute Entscheidung gemacht hat, können allerdings nicht in allen Punkten aufrechterhalten werden.
Die angegriffenen Entscheidungen basieren auf § 106 Abs. 5 iVm Abs. 7 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477). Danach entscheidet der Prüfungsausschuß bzw im Fall seiner Anrufung der Beschwerdeausschuß auf Antrag der Krankenkasse oder der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung, ob der Vertrags(zahn)arzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Im konkreten Fall haben die Prüfgremien die Wirtschaftlichkeit der vom Kläger angesetzten Leistungen nach Nr. 56c des Gebührentarifs A der Anlage 1 zum EKV-Zahnärzte mit Hilfe eines statistischen Vergleichs geprüft und damit die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehene Regelprüfmethode der arztbezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten angewandt. Daß diese Methode unter der Voraussetzung ausreichender Vergleichbarkeit auch zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes einzelner Leistungspositionen der Gebührenordnung herangezogen werden kann, hat der Senat mehrfach entschieden (BSGE 71, 194, 196 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 15 S 88 f; BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 23 S 124).
Die Durchführung einer Einzelfallprüfung konnte der Kläger nicht verlangen. Zwar bestimmt § 14 Satz 5 EKV-Zahnärzte in der seit 1. Oktober 1963 unverändert geltenden Fassung, daß die Prüfungseinrichtungen die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Behandlung anhand einzelner Behandlungsfälle zu prüfen haben, soweit dies ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten und Aufwendungen möglich ist. In den Bescheiden vom 15. August 1991 ist jedoch überzeugend dargelegt worden, daß und warum eine Einzelfallprüfung keinen zuverlässigen Aufschluß über die Wirtschaftlichkeit des Ansatzes der Nr. 56c des Gebührentarifs geben kann. Danach läßt sich weder anhand des in den Behandlungsunterlagen dokumentierten klinischen und histologischen Befundes noch unter Zuhilfenahme von Röntgenaufnahmen nachträglich mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob im konkreten Behandlungsfall die Indikation für eine Zystektomie nach der Nr. 56c gegeben war und ob die Voraussetzungen für die Abrechnung dieser Ziffer vorgelegen haben oder nicht. Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die Vereinbarung eines Vorrangs der Einzelfallprüfung vor der statistischen Vergleichsprüfung im EKV-Zahnärzte noch der seit Inkrafttreten des SGB V bestehenden Gesetzeslage entspricht. Denn die in § 106 Abs. 3 Satz 4 SGB V idF des GRG geregelte Befugnis der Vertragspartner, in Prüfvereinbarungen festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden, schließt, wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 43/94 – näher dargelegt hat, jedenfalls nicht die Berechtigung ein, den Prüfgremien eine weniger geeignete oder nur eingeschränkt aussagekräftige Prüfmethode vorzuschreiben, wenn eine andere, geeignete und zuverlässige Methode zur Verfügung steht.
Richtig ist freilich, daß eine statistische Vergleichsprüfung im vorliegenden Fall nicht in der Weise erfolgen konnte, daß die relative Häufigkeit der vom Kläger abgerechneten Zystektomien nach Nr. 56c des Gebührentarifs mit dem entsprechenden Landesdurchschnitt der bayerischen Zahnärzte verglichen wurde. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten muß die jeweilige Vergleichsgruppe aus (Zahn-)Ärzten bestehen, die ein annähernd gleichartiges Patientengut versorgen und im wesentlichen dieselben Erkrankungen behandeln, weil nur unter dieser Voraussetzung der durchschnittliche Behandlungsaufwand der Arztgruppe ein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungstätigkeit eines Angehörigen dieser Arztgruppe ist. Beschränkt sich die Prüfung auf einzelne Leistungspositionen, muß die Vergleichsgruppe so gewählt werden, daß aufgrund gemeinsamer Tätigkeitsmerkmale der ihr angehörenden (Zahn-)Ärzte ein vergleichbarer Bedarf gerade bei den in Rede stehenden Leistungen zu erwarten ist. Das bedeutet nicht, daß jede abweichende Behandlungsausrichtung oder sonstige individuelle Besonderheit einer Arztpraxis stets zur Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nötigt. Der Senat hat es namentlich bei einem Gesamtleistungsvergleich als ausreichend angesehen, wenn bei der Vergleichsgruppenbildung an die fachlichen Differenzierungen des ärztlichen Berufsrechts angeknüpft wird und etwaige signifikante Abweichungen von den fachgruppentypischen Leistungsbedingungen als Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden. Speziell bei Zahnärzten ist wegen der hohen Homogenität dieser Gruppe und der Herausnahme eines großen Teils der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Aufteilung in Untergruppen mit bestimmten Behandlungsschwerpunkten nicht als erforderlich angesehen worden (BSGE 62, 24, 28 f = SozR 2200 § 368n Nr. 48 S 160). Auf die Bildung einer besonderen, engeren Vergleichsgruppe kann jedoch dann nicht verzichtet werden, wenn die jeweils maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden sind, daß von einem statistischen Vergleich von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaflichkeit einer Leistung oder eines Leistungskomplexes zu erwarten sind.
Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, ist der Kläger als Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bei seiner zahnärztlichen Tätigkeit auf oralchirurgische Leistungen spezialisiert, was sich daran zeigt, daß er zwar alle im Gebührentarif A der Anlage 1 zum EKV-Zahnärzte aufgeführten zahnärztlichen Behandlungsleistungen erbringt, die für Zahnärzte typischen Leistungen aber weit unterdurchschnittlich abrechnet. Ob dies auch für die anderen an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen in gleicher Weise gilt und ob deswegen eine besondere Vergleichsgruppe auch dann gebildet werden muß, wenn es darum geht, mit Hilfe eines statistischen Vergleichs die Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Tätigkeit eines Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen als Ganzes zu beurteilen, bedarf keiner Entscheidung. Für eine auf die Nr. 56c beschränkte Vergleichsprüfung ist dieser Schritt jedenfalls unerläßlich, wen diese Leistung und die damit in Verbindung stehenden Bezugsleistungen für den entsprechend spezialisierten Kläger im Zentrum seiner zahnärztlichen Behandlung stehen, während sie von Allgemeinzahnärzten nur vergleichsweise selten ausgeführt werden. Daß der Kläger bei der Position 56c den Landesdurchschnitt der bayerischen Zahnärzte im Quartal I/1990 um 5.800 Prozent und im Quartal III/1990 um 6.500 Prozent überschritten hat, zeigt deshalb nur, daß es sich um eine für die Vergleichsgruppe untypische Leistung handelt, erlaubt aber nicht den Schluß auf eine unwirtschaftliche Leistungserbringung.
Der Prüfungsausschuß und der Beschwerdeausschuß haben dies auch erkannt und zur Erfassung der von ihnen angenommenen „Praxisbesonderheit” ergänzend eine Vergleichsprüfung mit der Gruppe der im Bezirk der Beigeladenen zu 1) zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen durchgeführt. Zur weiteren Präzisierung haben sie die Abrechnungshäufigkeiten bei der Nr. 56c nicht isoliert betrachtet, sondern sie in Beziehung gesetzt zu der Zahl der sogenannten Bezugsleistungen nach den Nrn 47a, 48, 53, 54a bis 54c und Ä736 des Gebührentarifs. Dieses Vorgehen findet seine Rechtfertigung darin, daß nach der Nr. 56c definitionsgemäß nur solche Zystektomien abgerechnet werden können, die in Verbindung mit einer Osteotomie oder einer Wurzelspitzenresektion vorgenommen werden. Da es sich andererseits bei der Zystektomie um eine indikationsgebundene Leistung handelt, deren Häufigkeit durch objektive medizinische Erfordernisse bestimmt wird, kann davon ausgegangen werden, daß sich bei Betrachtung einer ausreichend großen Zahl von Behandlungsfällen ein konstantes Verhältnis zwischen der Zahl der Bezugsleistungen und der Zahl der damit in Verbindung stehenden Leistungen nach Nr. 56c des Gebührentarifs ergibt.
Der in dieser Weise durchgeführte statistische Vergleich in der Form einer Häufigkeitsanalyse stellt grundsätzlich ein geeignetes Verfahrer, der Wirtschaftlichkeitsprüfung dar. Die Zystektomie nach Nr. 56c des Gebührentarifs A der Anlage 1 zum EKV-Zahnärzte ist eine für oralchirurgisch tätige Zahnärzte typische und mithin für einen Vergleich geeignete Leistung. Nach den Feststellungen des LSG entfallen bei den an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen statistisch gesehen auf 100 Behandlungsfälle rund 53 Bezugsleistungen (Osteotomien nach den Gebührennummern 47a, 48, 53 und Ä736 oder Wurzelspitzenresektionen nach den Gebührennummern 54a bis 54c) und auf je 100 dieser Bezugsleistungen wiederum ca 26 Zystektomien nach der Gebührennummer 56c. Das bedeutet, daß die streitige Leistung im Durchschnitt bei etwa jeder vierten Osteotomie oder Wurzelspitzenresektion und damit etwa 1 5mal in 100 Behandlungsfällen anfällt.
Um den Aussagewert dieser Zahlen beurteilen zu können, bedarf es allerdings der Kenntnis, wie viele der 58 in der streitigen Zeit in Bayern praktizierenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen gleichzeitig als Vertragszahnärzte zugelassen waren und die entsprechenden Leistungen über die KZÄV abgerechnet haben. Denn der Vergleichsgruppendurchschnitt spiegelt das bei wirtschaftlicher Behandlung zu erwartende zahlenmäßige Verhältnis zwischen Bezugsleistungen und Leistungen nach Nr. 56c nur dann exakt wider, wenn die Zahl der in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Ärzte genügend groß ist. Angaben zur Größe der Vergleichsgruppe finden sich weder in den angefochtenen Bescheiden noch in den vorinstanzlichen Urteilen; die in der Revisionsbegründung genannte Zahl von ca 40 über die Beigeladene zu 1) abrechnenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen kann der Senat, weil es sich um neuen Sachvortrag handelt, seiner Entscheidung nicht zugrunde legen (§ 163 SGG).
Auch wenn die genannte Zahl zutreffen und die Vergleichsgruppe sich damit als groß genug erweisen sollte, kann der Aussagewert der vom Beklagten herangezogenen Abrechnungsstatistiken dadurch beeinträchtigt sein, daß die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen infolge ihrer Doppelzulassung oralchirurgische Leistungen sowohl im Rahmen der vertragsärztlichen als auch im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung erbringen können. Allerdings könnte sich dieser Umstand nur auswirken, wenn Angehörige der Vergleichsgruppe in den streitbefangenen Quartalen in größerem Umfang Osteotomien oder Wurzelspitzenresektionen als ärztliche Leistungen über die KÄV, die damit in Verbindung stehenden Zystektomien dagegen in denselben Behandlungsfällen als zahnärztliche Leistungen über die KZÄV abgerechnet hätten. An der Zulässigkeit einer derartigen Abrechnungspraxis bestehen erhebliche Zweifel, weil sie einen einheitlichen Behandlungsvorgang aufspaltet und eine Überprüfung der Behandlung auf Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und Korrektheit der Abrechnung praktisch unmöglich macht. Indessen kommt es auf die rechtliche Zulässigkeit in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht an, weil unabhängig davon der Vergleichsgruppendurchschnitt als Maßstab für die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung ungeeignet ist, wenn die Abrechnung tatsächlich in der beschriebenen Weise praktiziert und von der KZÄV und der KÄV geduldet worden sein sollte. Auch diese Frage bedarf deshalb, wie das LSG zutreffend erkannt hat, der Klärung, ehe sich beurteilen läßt, ob die von den Prüfgremien zugrunde gelegten Abrechnungswerte hinreichend genaue Aussagen über die Wirtschaftlichkeit der Leistungsansätze nach Nr. 56c des Gebührentarifs ermöglichen oder nicht. Da die angefochtenen Bescheide, wie noch auszuführen ist, jedenfalls aus anderen Gründen rechtswidrig sind, kann es dem Beklagten überlassen werden, die fehlenden Daten zu ermitteln und bei seiner erneuten Entscheidung über die beantragten Honorarkürzungen zu berücksichtigen.
Bestätigt sich die Zuverlässigkeit der in den Bescheiden genannten Verhältniszahlen, so ist es nicht zu beanstanden, daß der Beklagte die festgestellten Überschreitungen des aus der Relation zwischen der Leistung nach Nr. 56c und den Bezugsleistungen gebildeten Vergleichsgruppendurchschnitts um 93 % im Quartal I/1990 und um 61 % im Quartal III/1990 als Beweis für eine Unwirtschaftlichkeit gewertet hat. Im Hinblick auf die Eigenart des vorliegenden Prüfungsgegenstandes kann dem nicht mit dem Einwand begegnet werden, bei einem Einzelleistungsvergleich könne in der Regel erst bei höheren Überschreitungswerten von einem offensichtlichen Mißverhältnis ausgegangen werden. Die auch vom erkennenden Senat wiederholt erhobene Forderung, bei einer auf einzelne Leistungspositionen der Gebührenordnung beschränkten statistischen Prüfung gegebenenfalls höhere Grenzwerte in Betracht zu ziehen, ist damit begründet worden, daß in Anbetracht der unterschiedlichen Diagnose- und Behandlungsmethoden der Ärzte sowie anderer Unsicherheitsfaktoren der Aussagewert eines Einzelleistungsvergleichs tendenziell geringer und die Gefahr einer Fehlinterpretation größer ist als bei einem Gesamtvergleich (BSGE 62, 24, 30 = SozR 2200 § 368n Nr. 48 S 162; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 11 S 57 f). Diese statistischen Risiken werden dadurch, daß die Abrechnungshäufigkeit bei der Nr. 56c nicht isoliert, sondern in Relation zu den damit untrennbar verknüpften Bezugsleistungen betrachtet wird, deutlich vermindert; denn das Verhältnis zwischen der Zahl der Osteotomien und Wurzelspitzenresektionen auf der einen und der Zahl der damit in Zusammenhang stehenden Zystektomien auf der anderen Seite wird im wesentlichen allein durch objektive Behandlungsnotwendigkeiten bestimmt mit der Folge, daß aufgrund statistischer Gesetzmäßigkeiten erwartet werden kann, daß es sich bei einer ausreichend großen Zahl von Behandlungsfällen dem Vergleichsgruppendurchschnitt weitgehend annähert.
Die weiteren Einwände des Berufungsgerichts gegen die Annahme eines offensichtlichen Mißverhältnisses durch die Prüfgremien sind nicht berechtigt. Daß der Gesamtfallwert des Klägers in den Bescheiden nicht dokumentiert und bei der Bewertung der überhöhten Abrechnung der Nr. 56c nicht erkennbar berücksichtigt worden ist, ist unschädlich. Die in der Rechtsprechung erhobene Forderung, bei einem Einzelleistungsvergleich die Gesamtbehandlungstätigkeit des Arztes nicht aus dem Auge zu verlieren, soll der Gefahr vorbeugen, daß aus statistischen Auffälligkeiten in Teilbereichen der (zahn-)ärztlichen Tätigkeit vorschnelle Schlüsse gezogen werden (Senatsurteil vom 28. Oktober 1992 ≪BSGE 71, 194, 199 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 15 S 90 f≫). Das ist jedoch von vornherein ausgeschlossen, wenn nicht die Leistung für sich genommen, sondern die Häufigkeit ihres Ansatzes gemessen an der Zahl einer oder mehrerer zugehöriger Bezugsleistungen statistisch auffällig ist. Soweit das LSG im Zusammenhang mit der Bewertung der festgestellten statistischen Abweichungen auf angebliche rechnerische Unstimmigkeiten und Unklarheiten hinsichtlich der in der, Bescheiden enthaltenen Zahlenangaben verweist, lassen sich seine Ausführungen nicht nachvollziehen. Für die Vermutung, die Prüfgremien seien möglicherweise von falschen Abrechnungswerten ausgegangen, sieht der Senat keinen Anhalt.
Daß die Honoraranforderungen des Klägers für Leistungen nach Nr. 56c des Gebührentarifs vom Beklagten im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gekürzt worden sind, obwohl der Mehraufwand gegenüber der Vergleichsgruppe möglicherweise durch Abrechnungsunrichtigkeiten verursacht worden ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. In den streitbefangenen Bescheiden ist angedeutet, daß der auffallend häufige Ansatz der Nr. 56c darauf zurückzuführen sein könnte, daß der Kläger diese Gebührenziffer auch im Zusammenhang mit der Entfernung kleiner Zysten in einer Extraktions- oder Osteotomiewunde abrechnet, die nach den Abrechnungsbestimmungen zu Nr. 56 des Gebührentarifs nicht gesondert berechnungsfähig ist. Da dies jedoch im nachhinein nicht mehr geklärt werden kann, war der Beklagte nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht gehindert, auch solche möglichen Abrechnungsfehler im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit zu erfassen (Urteil vom 28. Oktober 1992 ≪BSGE 71, 194, 200 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 15 S 92 ≫; Urteil vom 9. März 1994 ≪BSGE 74, 70, 75 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 23 S 129≫).
Wie das LSG mit Recht angenommen hat, sind die Bescheide des Ersatzkassen-Beschwerdeausschusses vom 15. August 1991 aber deshalb rechtswidrig, weil sie keine Feststellungen zum Umfang der unwirtschaftlichen Mehrkosten enthalten und die vorgenommenen Honorarkürzungen nicht in rechtlich nachvollziehbarer Weise begründen.
Die Prüfungsinstanzen sind nicht berechtigt, das Honorar des (Zahn-)Arztes über den Umfang des unwirtschaftlichen Mehraufwandes hinaus zu kürzen (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl bereits BSGE 17, 79, 88; ferner BSGE 62, 24, 31 = SozR 2200 § 368n Nr. 48 S 163; SozR 2200 § 368n Nr. 49 S 168). Der unwirtschaftliche Mehraufwand muß deshalb festgestellt und im Bescheid beziffert werden. Bei der statistischen Vergleichsprüfung geschieht das zunächst durch die Festlegung des Grenzwertes für das offensichtliche Mißverhältnis, also des Überschreitungsgrades, bei dem sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lassen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise als Ursache der erhöhten Aufwendungen geschlossen werden kann. Begnügen sich die Prüfgremien mit einer Kürzung, die sich noch im Bereich der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit hält, wird also der hierfür festgelegte Grenzwert auch nach Kürzung nicht unterschritten, so braucht die Höhe der Kürzung regelmäßig nicht besonders begründet zu werden (Senatsurteil vom 18. Oktober 1992 ≪BSGE 71, 194, 201 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 15 S 93). Anders verhält es sich, wenn das Honorar bis in die sogenannte Übergangszone unterhalb der Grenze des offensichtlichen Mißverhältnisses zum Vergleichsgruppendurchschnitt gekürzt werden soll. In diesem Fall muß besonders nachgewiesen werden, daß und in welchem Umfang auch der Mehraufwand im Bereich der Übergangszone noch unwirtschaftlich ist. Die diesbezüglichen Feststellungen müssen im Bescheid dargelegt und die Honorarkürzung muß entsprechend begründet werden. Eine noch weitergehende Kürzung bis in den Bereich der normalen Streuung ist grundsätzlich unzulässig, weil sich mit Hilfe der statistischen Vergleichsmethode eine Unwirtschaftlichkeit von Mehrkosten im Bereich der normalen statistischen Abweichung nicht feststellen läßt (vgl zu alledem Urteil des Senats vom 3. Juni 1987 ≪SozR 2200 § 368n Nr. 49≫ mwN).
Im vorliegenden Fall hat der Ersatzkassen-Beschwerdeausschuß weder festgelegt, wo die Grenze des offensichtlichen Mißverhältnisses zum Vergleichsgruppendurchschnitt zu ziehen ist, noch wo der Bereich der normalen Streuung endet. Da er die Honoraranforderungen des Klägers für Leistungen nach Nr. 56c des Gebührentarifs bis nahezu auf den Durchschnitt der Vergleichsgruppe gekürzt hat, ist anzunehmen, daß die Kürzung den Streubereich, jedenfalls aber die Übergangszone erreicht. Dafür spricht auch die Aussage in den Bescheiden, „die Streuzone sei nicht mehr zu beachten” gewesen, weil mit der Bildung einer engeren Vergleichsgruppe die Praxisbesonderheit des Klägers ausreichend berücksichtigt worden sei und er bei den Bezugsleistungen den Durchschnitt der bayerischen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen regelmäßig unterschreite. Letzteres vermag die Annahme eines unwirtschaftlichen Mehraufwandes unterhalb der Schwelle zum offensichtlichen Mißverhältnis nicht zu begründen, weil das von den Prüfgremien als Beurteilungsmaßstab gewählte Verhältnis zwischen Bezugsleistungen und Leistungen nach Nr. 56c durch die Häufigkeit mit der Bezugsleistungen erbracht werden, nicht beeinflußt wird Zwar kann der Grenzwert für das offensichtliche Mißverhältnis wegen der bereits aufgezeigten Besonderheiten des Prüfungsgegenstandes unter Umständen sehr niedrig anzusetzen sein. Daß und warum bereits ein Mehraufwand gegenüber dem Vergleichsgruppendurchschnitt in der Größenordnung zwischen drei und sechs Prozent als unwirtschaftlich angesehen wird, läßt sich den angefochtenen Bescheiden jedoch nicht entnehmen.
Bei seiner erneuten Befassung mit den Prüfantragen wird der Beklagte die Vergleichsgrundlagen in der vom Senat aufgezeigten Weise zu klären und einen Grenzwert für das offensichtliche Mißverhältnis festzulegen haben. Danach wird zu entscheiden sein, ob eine Honorarkürzung bis auf den Grenzbetrag ausreicht. Soll eine weitergehende Kürzung erfolgen, muß die Annahme eines unwirtschaftlichen Mehraufwandes im Bereich der Übergangszone nachvollziehbar begründet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1049474 |
SozSi 1997, 436 |