Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Prüfungsausschuß V im Bereich der zu 4. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) kürzte die Honorarabrechnungen des Klägers, eines seit dem 1. Quartal 1984 zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Frauenarztes, für die Quartale II bis IV/84 im Primärkassenbereich wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise. Den Widersprüchen des Klägers gab der Prüfungsausschuß teilweise statt (Bescheide vom 14. März 1985 für das Quartal II/84 und jeweils vom 11. Dezember 1986 für die Quartale III und IV/84). Mit Bescheiden vom 25. Mai 1987 wies der beklagte Beschwerdeausschuß die Widersprüche des Klägers, soweit ihnen nicht abgeholfen worden war, zurück. Durch rechtskräftiges Urteil vom 6. Juli 1988 hob das Sozialgericht (SG) Mainz die Bescheide des Prüfungsausschusses (vom 14. März 1985 und 11. Dezember 1986) und die Bescheide des Beschwerdeausschusses auf.
Mit dem hier streitigen Bescheid vom 31. Mai 1989 (zur Post gegeben am 15. August 1989) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses erneut zurück.
Die Klage hiergegen hat das SG abgewiesen (Urteil vom 10. Oktober 1990). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und den Bescheid des Beklagten vom 15. August 1989 (gemeint ist der Bescheid vom 31. Mai 1989) in der Gestalt des während des Berufungsverfahrens ergangenen weiteren Bescheides vom 17. April 1991 aufgehoben (Urteil vom 19. Dezember 1991). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil der Beklagte zur Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers nicht funktionell zuständig gewesen sei. Gemäß § 95 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden habe. Das SG habe mit Urteil vom 6. Juli 1988 die Bescheide des Prüfungsausschusses in der Gestalt der Bescheide des Beklagten aufgehoben. Als Folge dieses rechtskräftigen Urteils liege keine Verwaltungsentscheidung mehr vor. Daher müsse in jedem Fall zunächst wieder der Prüfungsausschuß entscheiden. Daran ändere sich auch nichts dadurch, daß es sich bei den angefochtenen Entscheidungen des Prüfungsausschusses um Abhilfebescheide gehandelt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, das Berufungsurteil sei schon deshalb fehlerhaft, weil es auch seinen “Bescheid” vom 17. April 1991 aufgehoben habe. Bei diesem handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt; denn in ihm seien die Verfügungssätze des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1989 nur wiederholt und lediglich eine weitere Begründung nachgeschoben worden. In der Sache weiche das LSG mit seinem Urteil, nachdem bei rechtskräftiger Aufhebung der Bescheide des Prüfungsausschusses zunächst wieder dessen Entscheidung herbeigeführt werden müsse, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ vom 2. Juni 1987 – 6 RKa 23/86 – BSGE 62, 24 = SozR 2200 § 368n Nr 48) ab. Aus dieser ergebe sich, daß der Beschwerdeausschuß mit seiner Anrufung für die umstrittene Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließlich zuständig werde und diese Zuständigkeit bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens behalte.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1991 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Oktober 1990 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, das SG habe in dem rechtskräftigen Urteil vom 6. Juli 1988 sämtliche Prüfbescheide, also auch die des Prüfungsausschusses, aufgehoben. Das Prüfverfahren sei damit rechtsverbindlich erledigt. Für eine erneute Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses sei ein neues Prüfverfahren und seine Anrufung gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses erforderlich. Das Gesetz gehe von einer Zweistufigkeit des Prüfverfahrens aus. Dem entspreche auch die Rechtsprechung des BSG, in der der Beschwerdeausschuß als zweite Verwaltungsinstanz bezeichnet werde, was die Tätigkeit einer ersten Verwaltungsinstanz voraussetze. Zu Recht habe das LSG auch den Bescheid des Beklagten vom 17. April 1991 aufgehoben. Dieser sei aufgrund neuer Sachprüfung durch den Beklagten ergangen und von diesem auch als Widerspruchsbescheid bezeichnet worden. In der Rechtsmittelbelehrung sei auf § 96 Abs 1 SGG hingewiesen worden. Dies ergebe nur einen Sinn, wenn es sich bei dem Bescheid um einen Verwaltungsakt handele.
Die Beigeladene zu 4. hält das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft. Die Beigeladenen zu 1. und 2. schließen sich dem Vorbringen des Beklagten an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
Der Senat hat gemäß § 168 Satz 2 SGG die Landwirtschaftliche Krankenkasse Rheinhessen-Pfalz mit deren Zustimmung zum Verfahren beigeladen. Nach der Rechtsprechung des BSG sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Kassen, die die Rechtsstellung eines Landesverbandes haben, iS des § 75 Abs 2 SGG notwendig zu den Verfahren beizuladen, in denen über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- oder Verordnungsweise eines Kassenarztes (seit dem 1. Januar 1993: Vertragsarztes) gestritten wird (vgl zuletzt BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12). Gemäß § 74 Abs 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) vom 10. August 1972 in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung (§ 36 Satz 1 KVLG in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung) nahmen die Landwirtschaftlichen Krankenkassen die Aufgaben der Landesverbände der Krankenkassen in dem hier maßgebenden Bereich wahr. Sie waren damit, weil auch ihnen gegenüber die Entscheidung nur einheitlich ergehen kann, gemäß § 75 Abs 2 SGG zu den Verfahren über die Wirtschaftlichkeitsprüfung im damaligen RVO-Kassenbereich beizuladen.
In der Sache ist dem LSG zu folgen. Der Beklagte war nicht befugt, ohne eine vorherige Entscheidung des Prüfungsausschusses erneut zu entscheiden.
Nach § 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ (nunmehr: § 106 Abs 5 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) entscheidet der Prüfungsausschuß darüber, ob ein Kassenarzt bei seiner Behandlungs- und Verordnungsweise gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot ( § 368e RVO; § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V) verstoßen hat. Gegen die Entscheidungen des Prüfungsausschusses können ua die betroffenen Ärzte den Beschwerdeausschuß anrufen (§ 368n Abs 5 Satz 5 RVO; § 106 Abs 5 Satz 4 SGB V).
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, der sich der zeitweilig für das Kassenzahnarztrecht zuständig gewesene 14a Senat des BSG angeschlossen hat (BSG SozR 3-1300 § 35 Nr 5), ist Gegenstand des Rechtsstreits grundsätzlich allein der vom Beschwerdeausschuß erlassene Verwaltungsakt. Sofern er rechtswidrig ist, ist nur er – von Ausnahmen abgesehen – aufzuheben, nicht dagegen auch ein ihm vorausgegangener – ebenfalls rechtswidriger – Bescheid des Prüfungsausschusses (BSGE 55, 110, 115 = SozR 2200 § 368n Nr 27 S 85; SozR aaO Nr 36 S 118; SozR aaO Nr 44 S 148; BSGE 62, 24, 31f = SozR aaO Nr 48 S 164; SozR aaO Nr 49 S 165; BSG USK 84248 S 1252; vgl auch BSG USK 85118 S 626; zur alleinigen Befugnis des Beschwerdeausschusses zur Verteidigung des von ihm erlassenen Verwaltungsaktes s bereits BSG SozR Nr 15 zu § 70 SGG). Das hat zur Folge, daß eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses in der Regel unzulässig ist. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn der Beschwerdeausschuß etwa aus formalen Gründen gehalten wäre, den angefochtenen Bescheid des Prüfungsausschusses aufzuheben, zB weil eine Zuständigkeit der Prüforgane nicht gegeben war (vgl BSGE 60, 69, 74 = SozR 2200 § 368n Nr 42) oder der für die Einleitung des Prüfverfahrens erforderliche Prüfantrag fehlte (vgl BSG SozR 3-1300 § 35 Nr 5).
Zutreffend hat das LSG in seiner Begründung aber auch darauf abgestellt, daß das SG – im Widerspruch zur aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung – bei seiner ersten Befassung mit der Streitsache durch rechtskräftiges Urteil vom 6. Juli 1988 nicht nur die – früheren – Bescheide des Beschwerdeausschusses, sondern auch die ihnen zugrundeliegenden Bescheide des Prüfungsausschusses aufgehoben hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus diesem Urteil nicht seine Verpflichtung zur Neubescheidung. Soweit in den Entscheidungsgründen von einer erneuten Überprüfung durch den Beklagten gesprochen wird, enthalten diese Ausführungen nur Hinweise darauf, was der Beklagte zu beachten haben werde, falls er abermals angerufen würde.
Mit der rechtskräftigen Aufhebung der Bescheide sowohl des Prüfungs- als auch des Beschwerdeausschusses war das Prüfungsverfahren – jedenfalls zunächst -beendet. Eine erneute Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses hätte einen erneuten Bescheid des Prüfungsausschusses und die Anrufung des Beschwerdeausschusses durch einen der Beteiligten vorausgesetzt. Dies ist hier nicht geschehen, so daß – wie das LSG zu Recht ausgeführt hat – eine funktionelle Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses nicht mehr gegeben war. Insofern unterscheidet sich das Verfahren auch von den Fällen, in denen die Rechtsprechung des BSG ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 des Grundgesetzes ≪GG≫) eine Anfechtungsklage als zulässig angesehen hat, wenn allein die Widerspruchsstelle den “ursprünglichen Verwaltungsakt” erlassen hat (vgl BSG SozR 1500 § 54 Nr 45).
Der Beklagte kann sich für sein Vorgehen nicht auf das Urteil des Senats vom 2. Juni 1987 (BSGE 62, 24, 31f = SozR 2200 § 368n Nr 48) berufen. In dem damaligen Verfahren ergab sich eine Verpflichtung (nur) des Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Widerspruch des Klägers aufgrund der Rechtskraft einer vorausgegangenen erstinstanzlichen Entscheidung. Das SG hatte in einem rechtskräftigen Urteil die Bescheide des Prüfungs- und des Beschwerdeausschusses aufgehoben, zugleich aber den Beschwerdeausschuß zur Neubescheidung verurteilt. Aufgrund der Rechtskraft dieser Entscheidung (§ 141 Abs 1 SGG) durfte das SG bei seiner Befassung mit der erneuten Entscheidung des Beschwerdeausschusses nunmehr nicht mehr den Prüfungsausschuß zur Neubescheidung verurteilen, so daß schon aus diesem Grunde die vom SG ausgesprochene Verpflichtung des Prüfungsausschusses aufzuheben war.
Der Beklagte kann auch mit seinem weiteren Vorbringen, wonach sein Bescheid vom 17. April 1991 keinen Verwaltungsakt darstelle, so daß er auch nicht aufgehoben werden konnte, keinen Erfolg haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er sich zulässigerweise darauf berufen kann, daß der von ihm als Bescheid erlassene Widerspruchsbescheid vom 17. April 1991 kein Verwaltungsakt sei. Die von ihm für seine Auffassung herangezogene Entscheidung des BSG vom 17. April 1991 (BSGE 68, 228, 230 = SozR 3-2200 § 248 Nr 1) ist nicht einschlägig. Der Bescheid vom 17. April 1991 hat nämlich klarstellende Funktion und schiebt eine weitere Begründung für den ursprünglichen Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 1989 nach, so daß auch der Bescheid vom 17. April 1991 wegen der fehlenden funktionellen Zuständigkeit des Beklagten aufzuheben war.
Die Revision des Beklagten war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen