Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung eines Postfacharbeiters zum Leitberuf des Facharbeiters
Leitsatz (amtlich)
Zur Zuordnung eines Postfacharbeiters zum Leitberuf des Facharbeiters iS des Mehrstufenschemas aufgrund abgelegter Prüfung für den einfachen Postdienst und tarifvertraglicher Eingruppierung wie ein Facharbeiter.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
RKG § 46 Abs. 2 S. 2; SGB VI § 43 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. August 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 1. August 1990 zusteht.
Der 1934 geborene Kläger war von April 1950 bis August 1955 – zuletzt als Lehrhauer – im Bergbau und danach bis November 1958 als Hilfsarbeiter in einem Emaillierwerk beschäftigt. Am 4. November 1958 begann er beim Postamt Ahlen als Postfacharbeiter im Paket-, Telegramm- und Eilzustelldienst; die an sich vierwöchige Einarbeitungszeit für diese Tätigkeit wurde wegen eines personellen Engpasses auf sechs Tage verkürzt. Er erhielt zunächst eine Vergütung nach der Lohngruppe VIII der Anlage 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TVArb), ab dem 5. Dezember 1958 nach der Lohngruppe VII. Wegen seines Einsatzes auf einem Beamtendienstposten erhielt er ab dem 19. April 1959 eine Tätigkeitszulage in Höhe der Differenz zur Lohngruppe V und ab 19. April 1962 in Höhe der Differenz zur Lohngruppe IV. Nachdem er vom 2. Mai bis 1. Juni 1962 an einem Lehrgang zur Vorbereitung auf die Prüfung für den einfachen Postdienst teilgenommen hatte, die er am 25. Juni 1962 erfolgreich ablegte, wurde er ab dem 24. Juni 1962 in die Lohngruppe IV eingruppiert. Zum 1. Dezember 1963 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen und zum 1. Dezember 1973 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Von der Beklagten bezog er ab März 1973 Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Nachdem bereits Rentenanträge aus den Jahren 1973, 1976 und 1977 erfolglos geblieben waren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 1990 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) ab; der Kläger sei noch fähig, die Tätigkeiten ua eines Telefonisten, Pförtners, Hilfsarbeiters im Kraftwerk, Labor oder im Kleinteilemagazin sowie entsprechende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Auch der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. April 1991).
Nachdem der Kläger seinen Antrag vor dem Sozialgericht (SG) Münster auf die Gewährung von BU-Rente beschränkt hatte, hat das SG die Beklagte zur Zahlung von BU-Rente nach einem Versicherungsfall am 11. Juli 1990 verpflichtet (Urteil vom 25. August 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 13. August 1996 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der bisherige Beruf des Klägers sei nicht der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen, denn er habe nur in einem kleinen Teilbereich des später anerkannten Ausbildungsberufs einer Dienstleistungsfachkraft gearbeitet. Aus seiner tarifvertraglichen Eingruppierung sei nicht auf den Facharbeiterstatus iS des Mehrstufenschemas zu schließen; die Eingruppierung habe auf qualitätsfremden Motiven (Bewährungsaufstieg, Zeitablauf) beruht. Sie habe sich an der finanziellen Gleichstellung mit den Beamten des einfachen Postdienstes orientiert, deren Tätigkeit nur der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich zuzuordnen sei. Damit dürfe der Kläger zumutbar auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die er auch noch vollschichtig verrichten könne.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 46 Abs 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG). Er sei Facharbeiter iS des Mehrstufenschemas. Auch ohne die Absolvierung einer geregelten Ausbildung sei er unter den gelernten Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig. Seine tarifvertragliche Eingruppierung habe nicht auf qualitätsfremden Merkmalen beruht und müsse respektiert werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. August 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25. August 1993 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt unter näherer Darlegung,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist in dem Sinne begründet, daß das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen war.
Über den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Knappschaftsrente wegen BU ist noch nach den Vorschriften des RKG zu entscheiden, denn der Rentenantrag ist bereits im Juli 1990 gestellt worden und bezieht sich auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫).
Berufsunfähig ist nach § 46 Abs 2 RKG ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
„Bisheriger Beruf” als Ausgangspunkt der Beurteilung nach dieser Vorschrift ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (vgl das Urteil des Senats vom 27. Februar 1996 – 8 RKn 16/94 – mwN in Kompaß 1997, 37 = MittLVA Rheinpr. 1996, 535). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn diese die qualitativ höchste ist (s Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 29. März 1994, SozR 3-2200 § 1246 Nr 45 mwN). Das LSG ist nach diesen Grundsätzen zutreffend vom bisherigen Beruf eines Postfacharbeiters (Kraftfahrer) im Paket-, Telegramm- und Eilzustelldienst ausgegangen. Diesen kann der Kläger nach den für das BSG bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 SGG) nicht mehr ausüben.
Die zumutbare Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Für die Beantwortung der Frage, wie einerseits die bisherige Berufstätigkeit des Versicherten qualitativ zu bewerten ist und andererseits Berufstätigkeiten, die der Versicherte nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen ausüben kann, zu beurteilen sind, hat das BSG aufgrund seiner Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten der Arbeits- und Berufswelt ein Mehrstufenschema entwickelt. Dieses gliedert die Arbeiterberufe in verschiedene „Leitberufe”, nämlich denjenigen des „Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion” bzw des „besonders hoch qualifizierten Facharbeiters”, des „Facharbeiters” (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des „angelernten Arbeiters” (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des „ungelernten Arbeiters” (vgl zB BSG vom 12. September 1991, SozR 3-2200 § 1246 Nr 17 mwN). Zumutbar iS von § 46 Abs 2 RKG (= § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) sind Versicherten, die ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, alle Tätigkeiten, die zur Gruppe mit einem Leitberuf gehören, der eine Stufe niedriger einzuordnen ist als der von ihnen bisher ausgeübte Beruf.
Ausschlaggebendes Merkmal für die Einstufung in das Mehrstufenschema ist der qualitative Wert der verrichteten Arbeit für den Betrieb (BSG vom 12. Oktober 1993, SozR 3-2200 § 1246 Nr 38). Für die Ermittlung dieser Wertigkeit des bisherigen Berufs hat das BSG neben der Ausbildung auch anderen Merkmalen Bedeutung beigemessen (zB tarifliche Einstufung und damit Höhe der Entlohnung, Dauer der Berufsausübung, Anforderungen und Verantwortlichkeit sowie Bedeutung der bisherigen Tätigkeit für den Betrieb). Erst durch eine Gesamtschau aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist bei freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) eine abschließende Beurteilung möglich (BSG vom 12. Oktober 1993, BSGE 73, 159, 161; 25. Januar 1994, SozR 3-2200 § 1246 Nr 41).
Zwar kann der Kläger – wovon auch das LSG zutreffend ausgegangen ist – mit seinem bisherigen Beruf als Postfacharbeiter aufgrund der Berufsausbildung nicht unmittelbar in das dargestellte Schema eingestuft werden, denn er hat eine dafür erforderliche herkömmliche Ausbildung nicht absolviert, insbesondere keine entsprechende Facharbeiterprüfung abgelegt. Dies schließt die Eingruppierung in eine der höheren Gruppen jedoch nicht von vornherein aus (vgl BSG vom 25. Januar 1994 aaO S 170). Denn ein Versicherter kann auch dann der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet werden, wenn er, ohne die erforderliche Ausbildung durchlaufen zu haben, einen anerkannten Ausbildungsberuf wettbewerbsfähig ausgeübt hat und entsprechend entlohnt worden ist (BSG vom 8. Oktober 1992, SozR 3-2200 § 1246 Nr 27 S 95 mwN). In diesem Sinn muß allerdings eine Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zum voll ausgebildeten Facharbeiter bestehen. Der Versicherte muß nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbracht haben, sondern über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten verfügen, die von einem Facharbeiter gemeinhin erwartet werden (BSG vom 28. August 1991, SozR 3-2200 § 1246 Nr 15 S 60 mwN). Die berufliche Position muß in voller Breite derjenigen des Facharbeiters entsprechen, die bloße Ausübung von Facharbeitertätigkeiten in einem Teilbereich reicht grundsätzlich nur für eine Einstufung als angelernter Arbeiter aus (BSG vom 8. Oktober 1992 aaO S 96 mwN).
Eine solche, an der Wettbewerbsfähigkeit orientierte Einstufung des Klägers in die Gruppe der Facharbeiter ist vom LSG nicht aus zutreffenden Gründen ausgeschlossen worden. Zahlreiche vom LSG festgestellte Tatsachen sind bisher nicht oder nicht von allen Seiten ihrer Bedeutung gewürdigt worden. Gegen die Bewertung des hier zu beurteilenden Berufs als Facharbeitertätigkeit spricht zwar, daß der Kläger nach den Feststellungen des LSG nur in einem kleinen Teilbereich von Tätigkeiten gearbeitet hat, die ua von Postjungboten bzw – seit ihrer Anerkennung als Ausbildungsberuf 1979 – von Dienstleistungsfachkräften ausgeübt wurden. Der Zustelldienst betrifft danach einen kleinen Ausschnitt aus dem Aufgabenbereich einer Dienstleistungsfachkraft. Für diese Tätigkeiten ist er nur sechs Tage angelernt worden und benötigte – als zusätzliche Qualifikation – lediglich noch den Führerschein der Klasse 3. Er hat eine Beamtentätigkeit in der Laufbahn des einfachen Dienstes verrichtet; für diese Laufbahn war seinerzeit nur ein Volksschulabschluß Einstellungsvoraussetzung (§ 13 Ziff 1 Beamtenrechtsrahmengesetz vom 1. Juli 1957, BGBl I 667) und auch der für die Laufbahn vorgesehene Vorbereitungsdienst betrug nur sechs Monate (§ 15 Bundeslaufbahnverordnung vom 2. August 1961, BGBl I 1174), ohne daß eine Prüfung abzulegen war.
Dem stehen jedoch Tatsachen gegenüber, die eine Bewertung der bisherigen Beschäftigung als Facharbeiter iS des Leitberufs rechtfertigen können und die bisher nicht ausreichend gewürdigt worden sind. Der Kläger hat am 25. Juni 1962 die Prüfung für den einfachen Postdienst abgelegt. Die Aussagekraft dieser Tatsache wird nur einseitig und unvollkommen erfaßt, wenn der Ablegung dieser Prüfung – worauf das LSG abhebt – nur Bedeutung dafür beigemessen wird, daß eine Eingruppierung in die Lohngruppe IV – statt in die Lohngruppe VI – möglich war (s S 19 der Urteilsgründe des LSG). Vielmehr hatte der Kläger mit der erfolgreichen Prüfung Kenntnisse unter Beweis gestellt, die denen eines Postjungboten vergleichbar gewesen sind, der wiederum auch nach den Feststellungen des LSG als Facharbeiter einzustufen wäre. Dies folgt aus der bis 1963 gültigen Ausbildungsordnung für Postfacharbeiter (Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen 1961, S 484), wonach der Inhalt des vierwöchigen Lehrganges identisch war mit dem des Abschlußlehrganges am Ende des Vorbereitungsdienstes. Ab März 1963 hatte der Lehrgang der Postfacharbeiter den gleichen Inhalt wie der Abschlußlehrgang für die Postjungboten unmittelbar vor Ablegung ihrer Laufbahnprüfung (Amtsblatt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen 1963, S 212). Darüber hinaus sah die Ausbildungsordnung für Postfacharbeiter vor, daß diese, soweit sie als ständige Kräfte übernommen werden sollten, kontinuierlich weitergebildet wurden, im Abstand von einem Jahr an Lehrgängen teilnahmen und an Fortbildungsmaßnahmen nach Bedarf wie Beamte beteiligt wurden. Zudem sollte auch Postfacharbeitern durch Wechsel der Beschäftigungsstellen Gelegenheit gegeben werden, möglichst viele Tätigkeiten des einfachen Postdienstes kennenzulernen. Das weist auf die grundsätzliche Einstellung der Deutschen Bundespost als Arbeitgeberin hin. Weit über die regelmäßigen Anforderungen des Arbeitsplatzes hinaus wurde für Postfacharbeiter angestrebt, daß sie im Laufe ihrer Beschäftigung außerordentlichen Anforderungen ihres Arbeitsplatzes genügen können, die qualifizierte Kenntnisse erfordern. Auch die Prüfung für den einfachen Postdienst konnte nach den Feststellungen des LSG erst nach dreijähriger Tätigkeit abgelegt werden. Dessen weitere Feststellung, daß „ausgebildete Kräfte des einfachen Postdienstes in der Lage sein mußten, eine Fülle verschiedenartiger Tätigkeiten zu verrichten und von ihnen eine gewisse Flexibilität erwartet wurde”, während „diese Anforderungen an Arbeitnehmer wie den Kläger nicht gestellt worden sind”, ist angesichts der vom Kläger nachgewiesenen Fähigkeiten nicht nachzuvollziehen (zu der durch Ablegung einer Prüfung bedingten Anhebung der Qualität der erbrachten Arbeitsleistung vgl BSG vom 19. Juni 1997 – 13 RJ 73/96 –; s bereits zur Prüfung für den einfachen Postdienst eines Postarbeiters im Zustelldienst: BSG vom 28. Juni 1979, SozR 2200 § 1246 Nr 46 S 139 f).
Die tatsächlichen Umstände einer über dreijährigen Tätigkeitsdauer, der in dieser Zeit vorgesehenen Weiterbildung und der Inhalte des Abschlußlehrganges vor der Prüfung sind vom LSG nicht ausreichend gewürdigt worden. Sie können den Schluß nahelegen, daß die vom Kläger absolvierte Prüfung der Abschlußprüfung der Postjungboten gleichwertig gewesen ist. Zugleich stehen alle diese Tatsachen dem Versuch im Weg (so aber das LSG auf S 22 der Urteilsgründe), von den Einstellungsvoraussetzungen für den einfachen Postdienst (samt anschließender Kurzausbildung) ohne weiteres auf die Qualität der vom Kläger bei Aufgabe seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit zu schließen.
Das LSG wird demgemäß zu prüfen haben, ob es bei Würdigung dieser qualitätsbezogenen Merkmale an seiner Beurteilung des bisherigen Berufs des Klägers festhält. Insbesondere wird es die vorliegenden Auskünfte und Zeugenaussagen neu zu bewerten haben, denen jedenfalls nicht mehr die Einstellungsvoraussetzungen des einfachen Postdienstes ohne Einbeziehung der weiteren Qualifikation des Klägers entgegengesetzt werden dürfen. Diese Betrachtung übersieht im übrigen die bereits festgestellte Vorqualifikation des Klägers. Es ist allgemein bekannt, daß gerade Beschäftigte (wie der Kläger), die über eine Vorqualifikation als Facharbeiter (hier als Lehrhauer) verfügen und eine längere Betriebszugehörigkeit haben, auf qualifizierten und verantwortungsvollen Arbeitsplätzen eingesetzt werden; es handelt sich um Arbeitsplätze, die nach der maßgebenden Auffassung des Arbeitgebers einen höheren Lohn rechtfertigen (vgl Senatsurteil vom 29. September 1997 – 8 RKn 15/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der pauschalen Eingruppierung und Höherstufung nach Zeitablauf durch die Tarifvertragsparteien dürfte danach – entgegen der Auffassung des LSG – eher die Annahme zugrunde liegen, daß Vorqualifizierte auch entsprechend beschäftigt werden und daß im Laufe der Zeit deren Erfahrungsschatz und Verantwortungsbereich zunimmt (in diesem Sinne bereits Urteil vom 3. Oktober 1984, SozR 2200 § 1246 Nr 123 S 390 – Postzusteller Lohngruppe IV).
Bei dem gegebenen Sachstand sieht der erkennende Senat nach wie vor keine Veranlassung, der vom LSG aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob sich die Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers auch aus der tarifvertraglichen Einstufung ergeben könnte. Nach der Rechtsprechung des 5. und 13. Senats des BSG kann, wenn die Tarifvertragsparteien einen bestimmten Beruf im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen – wie das auch hier geschehen ist –, im allgemeinen davon ausgegangen werden, daß die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen, in der Tarifgruppe genannten Berufstätigkeiten auf deren Qualität beruht. Demgemäß läßt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, im allgemeinen den Schluß zu, daß diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrages als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Der Senat hat bisher offengelassen, inwieweit er dieser Rechtsprechung des 5. und 13. Senats folgt oder dabei bleibt, daß die abstrakte, tarifvertragliche Einstufung lediglich als „gutes Indiz” aufgefaßt werden kann (vgl zum Vorstehenden das Senatsurteil vom 12. Dezember 1995 – 8 RKn 11/92 – mwN). Auch der vorliegende Sachverhalt zwingt nicht zu einer Festlegung. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob die Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers – wie das LSG gemeint hat – auf qualitätsfremden Gesichtspunkten der tarifvertraglichen Einstufung (vgl dazu statt vieler BSG vom 17. Dezember 1991, SozR 3-2200 § 1246 Nr 22 S 88 mwN) beruht; letzteres ist schon im Hinblick darauf fragwürdig, daß das LSG die oben ausgeführte Bedeutung der abgelegten Prüfung für den einfachen Postdienst als Eingruppierungsmerkmal ungenügend in Rechnung stellt. Jedenfalls kommt der vorliegend festgestellten Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe IV ab dem 24. Juni 1962 die Bedeutung eines solchen „guten Indizes” zu, daß der Kläger eine dem Leitberuf des Facharbeiters vergleichbare Tätigkeit verrichtet hat.
Anhand der dargelegten Rechtsgrundsätze wird das LSG eine neue Bewertung des bisherigen Berufs des Klägers vorzunehmen haben. Da dem Senat nach allem eine sichere Einordnung des bisherigen Berufs in die Gruppe der Facharbeiter noch nicht möglich ist, weil auch die Zuordnung zum Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich nicht ausgeschlossen ist, vermag er auch nicht zu sagen, welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine für den Kläger zumutbare Verweisungstätigkeit mindestens angehören muß. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten, deren Wertigkeit nicht mehr als eine Stufe unterhalb des bisherigen Berufs liegt. Falls die Feststellungen des LSG daher ergeben, daß der Kläger dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist, kann er sozial zumutbar nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zumindest angelernten Tätigkeiten tarifvertraglich gleichgestellt sind (BSG vom 12. Oktober 1993, SozR 3-2200 § 1246 Nr 38 S 153 mwN; vgl auch Senatsurteil vom 12. Dezember 1995 aaO S 12 des Abdrucks mwN). Aber auch wenn er dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen ist, müßte das LSG dem hinsichtlich der Ermittlung und Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit Rechnung tragen (vgl BSG vom 21. Juli 1987, SozR 2200 § 1246 Nr 143 S 473 mwN). Danach kommen konkret zu benennende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes in Betracht, soweit sie nicht nur von ganz geringem Wert sind.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1174643 |
SozR 3-2960 § 46, Nr.4 |
SozSi 1998, 396 |