Entscheidungsstichwort (Thema)
Lehrgangskosten. Lehrgangsgebühren. Bildungsmaßnahme, berufliche, Teilnahme. Bundeswehrverwaltung. Berufsförderungsdienst. Fachausbildung, ergänzende. Zweckbindung. Antragstellung, fehlende oder verspätete. Anspruchsberechtigung, materiellrechtliche. Herstellungsanspruch, sozialrechtlicher. Fehlverhalten
Leitsatz (amtlich)
- Zuschüsse des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehrverwaltung zu den Lehrgangsgebühren einer ergänzenden Fachausbildung nach den §§ 4, 5 und 5a SVG sind gegenüber Ansprüchen auf Gewährung von Lehrgangskosten nach § 45 AFG vorrangige Leistungen einer anderen öffentlich-rechtlichen Stelle iS des § 37 Abs 1 S 1 AFG.
- Beruht das Fehlen des vorrangigen Anspruchs gegen eine andere öffentlich-rechtliche Stelle allein auf verspäteter Antragstellung, führt dies nicht zur Einstandspflicht der Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 37 Abs 1 S 1 oder § 38 AFG.
Normenkette
AFG § 37 Abs. 1 S. 1, §§ 38, 45 S. 1 Fassung: 1981-12-22; AFuU 1976 § 12 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1987-03-18; SVG §§ 4-5, 5a, 4 Abs. 1 Fassung: 22.10.1970, § 5 Abs. 1 Fassung: 22.10.1970, § 5a DV Abs. 1 Fassung: 22.10.1970, § 11 Abs. 1 Fassung: 22.10.1970
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.11.1992; Aktenzeichen L 1 Ar 89/91) |
SG Speyer (Urteil vom 13.09.1991; Aktenzeichen S 1 Ar 410/90) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 1992 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt für die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme höhere Leistungen nach § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Er ist 1958 geboren und war von Oktober 1977 bis Oktober 1985 Soldat auf Zeit. Während dieser Zeit bewilligte ihm der Berufsförderungsdienst (des Kreiswehrersatzamtes) eine Fachausbildung zum Elektroinstallateur-Meister (24. August 1984 bis 2. Oktober 1985). Nach seiner Entlassung aus der Bundeswehr nahm der Kläger auf Kosten der Bundeswehrverwaltung an einer ergänzenden Ausbildung zum Elektrotechniker teil (25. Juni 1986 bis 24. Juni 1987). Das Arbeitsamt (ArbA) gewährte ihm Arbeitslosengeld (Alg) vom 22. August 1987 bis 16. April 1988. Am 30. September 1987 informierte er sich beim ArbA über eine Fortbildungsmaßnahme zum Steuerungsmechaniker mit IHK-Abschluß. Nachdem er am 1. Oktober 1987 auch mit dem entsprechenden Maßnahmeträger, dem Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein e.V. (DEKRA), ein Informationsgespräch geführt hatte, durchlief er bei der DEKRA vom 5. Oktober 1987 bis 19. April 1988 die Maßnahme “Weiterbildung in der Steuerungstechnik mit dem Ziel des Steuerungsmechanikers” (Ausbildungsvertrag vom 29. Oktober 1987).
Am 23. Dezember 1987 stellte der Kläger beim Berufsförderungsdienst Antrag auf ergänzende Fachausbildung nach den §§ 5 und 5a Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Im Rahmen der Anhörung erklärte er, er sei aufgrund des Gespräches vom 1. Oktober 1987 davon ausgegangen, daß die DEKRA sich selbst um die üblichen Formalitäten beim Berufsförderungsdienst kümmern werde; erst bei einem persönlichen Gespräch beim Berufungsförderungsdienst am 21. Dezember 1987 sei ihm geraten worden, den Antrag selbst zu stellen. Das Kreiswehrersatzamt lehnte den Antrag wegen Verfristung ab; der Antrag hätte vor Maßnahmebeginn gestellt werden müssen; Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht gegeben (Bescheid vom 29. Januar 1988; Widerspruchsbescheid vom 28. März 1988). Die Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) hatte keinen Erfolg (Urteil vom 22. Mai 1990).
Am 30. September 1987 (und nicht, wie es im Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ versehentlich heißt, am 15. Oktober 1987) hatte der Kläger beim ArbA Antrag auf Förderung der Bildungsmaßnahme durch die DEKRA gestellt, der ua den Hinweis enthält, der Bescheid des Berufsförderungsdienstes über einen Leistungsanspruch werde nachgereicht. Das ArbA bewilligte dem Kläger (neben Unterhaltsgeld sowie Kosten für Lernmittel und Fahrkosten) Lehrgangsgebühren in Höhe von 1.100,14 DM, wobei es von Lehrgangsgebühren in Höhe von insgesamt 7.671,72 DM ausging, die es um den Betrag von 6.571,58 DM verminderte, der dem Kläger im Fall der rechtzeitigen Antragstellung beim Berufsförderungsdienst zugestanden hätte (Bescheid vom 30. Mai 1988; Widerspruchsbescheid vom 8. August 1988). Während des Klageverfahrens korrigierte es den in Ansatz gebrachten Betrag von 6.571,58 DM auf 6.407,08 DM, so daß weitere 164,50 DM an den Kläger zur Auszahlung gelangten (Bescheid vom 11. Januar 1989).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die Förderung der Maßnahme “Steuerungsmechaniker” ohne Anrechnung des Leistungsbetrages nach dem SVG zu gewähren, und die Berufung zugelassen (Urteil vom 13. September 1991). Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 24. November 1992). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die allgemeinen Voraussetzungen für eine Förderung der Maßnahme seien erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf Übernahme der vollen Lehrgangskosten ergebe sich aus § 45 AFG. Für die von der Beklagten vorgenommene Kürzung um den Betrag, auf den der Kläger bei rechtzeitiger Antragstellung beim Berufsförderungsdienst Anspruch gehabt hätte, bestehe keine Rechtsgrundlage. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf § 37 AFG berufen, wonach Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung (§§ 40 bis 49) nur gewährt werden dürften, soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Gewährung solcher Leistungen gesetzlich verpflichtet seien. Unter “anderen” öffentlich-rechtlichen Stellen iS dieser Vorschrift seien allein (Sozial-) Leistungsträger (§§ 12 ff Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫), unter “solchen” Leistungen iS derselben Vorschrift lediglich Sozialleistungen (§ 11 SGB I) zu verstehen. Das werde durch andere sozialrechtliche Vorschriften bestätigt (§ 38 AFG; § 16 Abs 2 SGB I; §§ 102 ff Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren –). Der Bund als Träger der Berufsförderung nach dem SVG könne nicht als Leistungsträger, die Leistungen des Berufsförderungsdienstes könnten nicht als Sozialleistungen angesehen werden. Überdies sei der Berufsförderungsdienst wegen der Antragsverfristung nicht zu einer Förderung des Klägers verpflichtet gewesen. Daß der Kläger die Antragsfrist ggf schuldhaft versäumt habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Dies sei von der Beklagten im Rahmen des § 37 AFG hinzunehmen. Von einem Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) könne nicht die Rede sein. Das ArbA habe den Kläger unzureichend beraten. Einerseits hätte es ihn darüber belehren müssen, daß die Leistungen nach dem AFG die Leistungen nach dem SVG allenfalls aufstocken könnten. Andererseits habe es bei dem Gespräch vom 30. September 1987 (Mittwoch) übersehen, daß eine Antragstellung beim Berufsförderungsdienst bis zum 5. Oktober 1987 (Montag) kaum mehr möglich gewesen sei. Es hätte die Bildungsmaßnahme deshalb ggf für eine spätere Zeit bewilligen müssen. Insgesamt laufe die Auffassung der Beklagten darauf hinaus, daß der Kläger seine Fortbildungsmaßnahme weitgehend selbst zu finanzieren habe, obwohl ihm im Grunde zwei Ansprüche auf Förderung zuständen. Das sei mit der Rechtslage nicht zu vereinbaren.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung von § 37 Abs 1 Satz 1 und § 38 AFG. Die Vorschrift des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG komme entgegen der Ansicht des LSG vorliegend zum Tragen. Der Träger des Berufsförderungsdienstes sei eine “andere” öffentlich-rechtliche Stelle. Die in den §§ 5 und 5a SVG vorgesehenen Leistungen zur Durchführung einer ergänzenden Fachausbildung seien “solche” Leistungen iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG (BSGE 42, 203 = SozR 4100 § 37 Nr 2 und § 41 Nr 26). Der Berufsförderungsdienst sei auch zu einer Förderung des Klägers “gesetzlich verpflichtet” gewesen. Insoweit greife nicht eine konkrete, sondern eine abstrakte Betrachtungsweise ein. Dies werde durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) bestätigt. Danach setze der Forderungsübergang nach § 1542 Reichsversicherungsordnung aF weder die vorherige Feststellung der Leistungspflicht des Versicherungsträgers noch einen Antrag des verletzten Versicherten voraus (BGH BB 1959, 42). In der Literatur werde die gleiche Auffassung vertreten (Gagel, Komm zum AFG, § 38 RdNr 5). Dies sei zudem sachgerecht. Denn die Bestimmung der Leistungspflicht der einzelnen Träger dürfe nicht dem Leistungsberechtigten vorbehalten sein. Hier habe der Kläger eine Obliegenheitspflicht in Gestalt einer Schadensminderungspflicht verletzt. Statt den Antrag beim Berufsförderungsdienst kurzfristig selbst zu stellen, habe er leichtfertig darauf gebaut, daß die DEKRA die Antragstellung vornehmen werde. Finde nicht § 37 Abs 1 Satz 1 AFG, sondern § 38 AFG Anwendung, müsse ebenfalls berücksichtigt werden, daß der Kläger den Anspruchsverlust durch eigenes zurechenbares Verhalten herbeigeführt habe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, die Beklagte hätte ihn über die angebliche Nachrangigkeit ihrer Leistungsverpflichtung aufklären müssen (§§ 13, 14 SGB I). Der Verstoß gegen diese Beratungspflicht begründe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf Nichtanrechnung des im Fall der rechtzeitigen Antragstellung gegen den Berufsförderungsdienst erwachsenen Leistungsanspruchs. Im übrigen sei für die Leistungspflicht der Beklagten unerheblich, mit welcher Begründung die andere öffentlich-rechtliche Stelle ihre Leistungspflicht verneint habe. Die von der Beklagten angezogene Literatur vertrete keinen anderen Rechtsstandpunkt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Verfahrenshindernisse stehen einer Entscheidung in der Sache nicht entgegen. Die grundsätzlich statthafte Berufung (§ 143 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist nicht gemäß § 144 Abs 1 oder § 147 SGG in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung ausgeschlossen (vgl hierzu Art 8 Nr 5 und Art 15 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 – BGBl I 49). Denn das SG hat die Berufung im Urteil zugelassen (§ 150 Nr 1 Halbs 1 SGG aF). Die vom Kläger gewählte verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) ist die richtige Klageart. Allein mit ihr, nicht mit der isolierten Anfechtungsklage, kann der Kläger in den Genuß des aus seiner Sicht zu Unrecht vorenthaltenen Differenzbetrages gelangen.
In der Sache selbst kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger höhere Leistungen bis zum geltend gemachten Unterschiedsbetrag in Höhe von 6.407,08 DM (7.671,72 DM minus erbrachter 1.264,64 DM) zustehen.
Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte höhere Geldleistung kommt allein in Betracht § 45 AFG idF des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz – AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497), in Kraft ab 1. Januar 1982 (Art 18), iVm der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) vom 26. März 1976 idF der 15. Änderungsanordnung vom 18. März 1987 (ANBA S 583, 584), die auf § 39 AFG fußt und die am 1. April 1987 in Kraft getreten ist (Art 2). Nach § 45 Satz 1 AFG trägt die BA, sofern die weiteren Zugangsvoraussetzungen für die hier in Rede stehende Fortbildungsmaßnahme erfüllt sind, ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen, insbesondere ua Lehrgangskosten. Es handelt sich – im Unterscheid zu § 45 Satz 1 AFG idF des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343), in Kraft ab 1. Januar 1989 (Art 10) – um eine sog gebundene Entscheidung, dh der Antragsteller hat bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Sachkosten. Gemäß § 12 Abs 1 Satz 1 AFuU werden – neben weiteren Voraussetzungen – Lehrgangsgebühren bis zu einer Höhe von 4,00 DM je Teilnehmer und Unterrichtsstunde getragen. Ob dem Kläger aus diesen Rechtsgrundlagen ein Anspruch auf Gewährung von Lehrgangsgebühren in Höhe von 7.671,72 DM erwachsen ist, läßt sich anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht nachvollziehen.
Das LSG hat sich hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen für die vom Kläger durchlaufene Fortbildungsmaßnahme auf die Feststellung beschränkt, die von der DEKRA angebotene Bildungsmaßnahme sei für die vom Kläger angestrebte berufliche Tätigkeit geeignet und zweckmäßig gewesen (§ 36 Nr 3 AFG; §§ 4, 6 AFuU); ferner habe der Kläger zu den förderungsfähigen Personen gehört (§ 42 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG). Demgegenüber mangelt es an Feststellungen ua dazu, ob der Kläger beabsichtigte, innerhalb von vier Jahren nach Abschluß der Fortbildungsmaßnahme mindestens drei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung auszuüben (§ 36 Nr 1 AFG; § 7 Abs 1 AFuU), ob er selbst für die angestrebte berufliche Tätigkeit geeignet war und voraussichtlich mit Erfolg an der Maßnahme teilnehmen werde (§ 36 Nr 2 AFG), ob die besonderen Voraussetzungen für die Förderleistungen nach § 45 AFG gegeben waren (§ 46 AFG) und auf welche Höhe sich der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 45 Satz 1 AFG belief. Zur Prüfung dieser Fragen bestand Anlaß. Denn es geht dem Kläger letztlich um Gewährung des gesamten Betrages in Höhe von 6.407,08 DM. Schon aus diesem Grund muß das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Denn selbst wenn die Beklagte zu der von ihr vorgenommenen Leistungskürzung berechtigt gewesen sein sollte, könnte sich aus § 45 Satz 1 AFG ggf ein weiterer Leistungsanspruch des Klägers ergeben, nämlich dann, wenn die von der Beklagten bewilligte Leistung (7.671,72 DM) zu Lasten des Klägers nicht korrekt ermittelt worden wäre.
Zu der Frage, ob die Beklagte in bezug auf den aus § 45 Satz 1 AFG resultierenden Anspruch des Klägers einen Teilbetrag in Höhe von 6.407,08 DM gemäß § 37 AFG verweigern durfte bzw im Verhältnis zum Bund nach § 38 AFG in Vorleistung zu treten hatte, fehlen ebenfalls ausreichende Feststellungen des LSG.
Gemäß § 37 Abs 1 Satz 1 AFG dürfen Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung (§§ 40 bis 49 AFG) nur gewährt werden, soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen zur Gewährung solcher Leistungen verpflichtet sind. Ob und ggf in welcher Höhe aufgrund dieser Vorschrift die Einstandspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger entfällt, läßt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen.
Allerdings ist das Kreiswehrersatzamt (Berufsförderungsdienst) eine andere öffentlich-rechtliche Stelle iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG. Denn dieser Begriff ist weit auszulegen. Er erstreckt sich, anders als das LSG meint, nicht nur auf Sozialleistungsträger (§ 12 iVm §§ 18 ff SGB I), sondern auf alle Leistungsträger öffentlich-rechtlicher Art mit Ausnahme der Sozialhilfeträger (§ 37 Abs 1 Satz 2 AFG). Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Regelung wurde schon 1969 geschaffen und konnte folglich die definitorischen Bestimmungen über Sozialleistungsträger iS des erst 1975 geschaffenen SGB I nicht erfassen. Zudem sollte sie die bildungspolitische Wirksamkeit der Berufsförderung seitens der BA gewährleisten und deshalb verhindern, daß die dafür vorgesehenen Mittel durch weitgehende Entlastung anderer öffentlich-rechtlicher Stellen in großem Umfang geschmälert würden (BT-Drucks V/2291, Begründung A III 4 Buchst a, S 55). Folgerichtig wird gemäß § 37 Abs 1 Satz 2 AFG lediglich der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz) nicht berührt. Der Begriff der anderen öffentlich-rechtlichen Stellen iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG umfaßt deshalb neben den Sozialleistungsträgern (§ 12 iVm §§ 18 ff SGB I) vor allem die Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden (Gagel, Komm zum AFG, Stand August 1992, § 37 RdNr 3; Gemeinschaftskomm zum AFG ≪GK-AFG≫, Stand August 1993, § 37 RdNr 4, Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, Stand Januar 1990, § 37 Anm 4; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wissing, Komm zum AFG, 3. Aufl 1993, § 37 Anm 8). Die Kreiswahrersatzämter (Berufsförderungsdienste), die über die Anträge auf ergänzende Fachausbildung nach den §§ 4, 5 und 5a SVG entscheiden, rechnen zu den Behörden des Bundes (Art 87b Abs 1 Satz 1 Grundgesetz).
Des weiteren stellt sich der Ausbildungszuschuß zu den Lehrgangsgebühren, den der Bund den Soldaten auf Zeit im Rahmen einer ergänzenden Fachausbildung gemäß den §§ 4, 5 und 5a SVG iVm der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des SVG vom 26. Oktober 1965 (BGBl I 1746), hier anwendbar idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des SVG vom 22. Oktober 1970 (BGBl I 1448), erbringt, als “Gewährung solcher Leistungen” iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG dar. Hierunter sind Leistungen zu verstehen, die gezielt und ausschließlich zur Förderung beruflicher Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung eingesetzt werden, die also insoweit zweckgebunden sind und andernfalls nicht beansprucht werden können (Hoppe/Berlinger, aaO, § 37 Anm 5). Eine solche Zweckbindung geht zwar den sog Übergangsgebührnissen (§ 11 SVG) und der Übergangsbeihilfe (§ 12 SVG) ab; denn diese Leistungen werden den Soldaten auf Zeit unabhängig von der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme gewährt (BSGE 42, 203, 209 = SozR 4100 § 37 Nr 2 und § 41 Nr 26; vgl auch BSG vom 5. Dezember 1978 – 7 RAr 54/77 – DBIR Nr 2428a zu § 44 AFG; Gagel, aaO, § 37 RdNr 4; GK-AFG, aaO, § 37 RdNr 5; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand September 1993, § 37 Anm 4; Hoppe/Berlinger, aaO, Anm 5). Sie ist jedoch beim Ausbildungszuschuß zu den Lehrgangsgebühren, die den Soldaten auf Zeit vom Bund im Rahmen einer ergänzenden Fachausbildung nach den §§ 4, 5 und 5a SVG iVm der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des SVG zugebilligt werden, zu bejahen. Denn Lehrgangsgebühren, die aufgrund dieser Rechtsvorschriften zugesprochen werden, dienen im wesentlichen demselben Zweck wie die Lehrgangsgebühren, die gemäß § 45 Satz 1 AFG zuerkannt werden. Insbesondere können Lehrgangsgebühren nach der einen wie nach der anderen Rechtsgrundlage nicht ohne tatsächliche Teilnahme an der beruflichen Bildungsmaßnahme beansprucht werden (§ 5 Abs 4 Satz 2, § 5a Abs 3 Satz 2 SVG; § 45 Satz 1 AFG iVm § 12 Abs 1 Satz 1 AFuU).
Dagegen kann der Senat nicht abschließend die Fragen beantworten, ob und ggf in welcher Höhe der Bund hier zur Gewährung eines Ausbildungszuschusses zu den dem Kläger entstandenen Lehrgangsgebühren iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG “gesetzlich verpflichtet” war.
Insoweit ist unerheblich, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des Ausbildungszuschusses zu den Lehrgangskosten teils in den §§ 4, 5 und 5a SVG teils in der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des SVG geregelt sind. Denn “gesetzlich” iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG ist eine Verpflichtung auch dann, wenn die Einzelheiten in einer Verordnung niedergelegt sind, die ihrerseits, wie das vorliegend der Fall ist, eine ausreichende Ermächtigung in einem formellen Gesetz (§ 5 Abs 8, § 5a Abs 4 SVG), aufweist (Gagel, aaO, § 37 RdNr 5; GK-AFG, aaO, § 37 RdNr 7; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 37 Anm 4; Hoppe/Berlinger, aaO, § 37 Anm 6b).
Allerdings ist die materielle Anspruchsberechtigung des Klägers gegen den Bund vorliegend von Bedeutung. Hat nämlich der Kläger gegen den Bund keinen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungszuschuß zu den Lehrgangsgebühren, ist ein Leistungshindernis iS des § 37 Abs 1 Satz 1 AFG nicht vorhanden; die Leistungspflicht der Beklagten besteht dann uneingeschränkt, sofern alle sonstigen Voraussetzungen der §§ 33 ff AFG verwirklicht sind. Steht dem Kläger gegen den Bund hingegen ein entsprechender Leistungsanspruch zu, kommt die Subsidiarität der Leistungspflicht der Beklagten gemäß § 37 Abs 1 Satz 1 AFG nicht zum Tragen. Der Kläger hat dann gegen die Beklagte lediglich Anspruch auf den sog “Spitzenbetrag”, dh auf den die Leistungsverpflichtung der anderen öffentlichrechtlichen Stelle übersteigenden Teil der Ansprüche nach dem AFG (BSG SozR 4100 § 37 Nr 1 = § 47 Nr 1 = § 56 Nr 1; BSGE 40, 185 = SozR 4100 § 47 Nr 13; 41, 241, 245 = SozR 4100 § 57 Nr 2; Gagel, aaO, § 37 RdNr 9; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, aaO, § 37 Anm 4; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wissing, aaO, § 37 Anm 7). Die Eintrittspflicht der Beklagten gerät gemäß § 37 Abs 1 Satz 1 AFG aber auch insoweit in Wegfall, als ein materiell-rechtlicher Anspruch des Klägers gegen den Bund zwar grundsätzlich gegeben, jedoch deshalb nicht zu realisieren ist, weil der Kläger den erforderlichen Antrag nicht oder nicht rechtzeitig gestellt hat. Das leitet sich aus Sinn und Zweck des § 37 AFG ab. Sind nämlich die Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung, zu deren Gewährung eine andere öffentlich-rechtliche Stelle gesetzlich verpflichtet ist, den entsprechenden Leistungsverpflichtungen der BA grundsätzlich vorrangig (Gagel, aaO, § 37 RdNr 1; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wissing, aaO, § 37 Anm 1; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 37 RdNr 4), dürfen die Folgen eines Fehlverhaltens des Leistungsberechtigten keinen Einfluß auf die gesetzlich vorgezeichnete Zuständigkeit haben. Auch entspricht es nicht dem Willen des Gesetzgebers, daß ein Antragsteller durch die Art und Weise seiner Antragstellung die Höhe der ihm zustehenden Leistung beeinflußt.
Vorliegend kann der Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob und in welcher Höhe dem Kläger gegen den Bund ein Anspruch auf Ausbildungszuschuß zu den Lehrgangsgebühren für die Maßnahme “Weiterbildung in der Steuerungstechnik mit dem Ziel des Steuerungsmechanikers” in der Zeit vom 5. Oktober 1987 bis 19. April 1988 zusteht. Die Antwort läßt sich nicht ohne weiteres den §§ 4, 5 und 5a SVG und der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des SVG entnehmen. Dies scheitert schon daran, daß die Fördermöglichkeiten nach diesen Bestimmungen vom Umfang der beiden vorangegangenen Förderungen abhängen und unklar ist, welche Restansprüche dem Kläger aus diesen Förderungen verblieben sind. Der Bescheid der Beklagten enthält hierzu keine Angaben. Auch das LSG hat hierzu – aus seiner Sicht zu Recht – keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Ebensowenig brauchte sich das VG mit diesen Fragen zu beschäftigen; denn es hat die Klage des Klägers gegen den Bund wegen Antragsverfristung abgewiesen (Urteil vom 22. Mai 1990). Schließlich liefert das dem SG übersandte Schreiben des Kreiswehrersatzamtes vom 18. Oktober 1988 keine in tatsächlicher Hinsicht verläßliche Entscheidungsgrundlage. Es ist durch das LSG nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit hin überprüft worden.
Auch für die Vorleistungspflicht der Beklagten aus § 38 AFG ist der Umfang der materiell-rechtlichen Anspruchsberechtigung des Klägers gegen den Bund entscheidungserheblich. Nach dieser Bestimmung hat die BA, soweit und solange eine öffentlich-rechtliche Stelle die ihr gesetzlich obliegenden Leistungen (§ 37 AFG) nicht gewährt, Leistungen nach den §§ 40 bis 49 AFG so zu gewähren, als wenn die Verpflichtung dieser Stelle nicht bestünde. Allgemein ist zu dieser Vorschrift folgendes zu sagen:
Die Vorleistungspflicht der BA gemäß § 38 AFG setzt einen materiell-rechtlichen Anspruch gegen eine andere öffentlich-rechtliche Stelle voraus, der (zu Unrecht) nicht erfüllt wird. Auf der anderen Seite greift die Vorleistungspflicht der BA nicht ein, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch gegen eine andere öffentlich-rechtliche Stelle nicht gegeben ist oder wenn ein solcher zwar besteht, jedoch wegen eines Fehlverhaltens des Antragstellers, zB wegen fehlender oder nicht rechtzeitiger Antragstellung, nicht realisiert werden kann. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 38 AFG.
Durch die Vorschrift des § 38 AFG sollte, wie die Materialien erkennen lassen, verhindert werden, daß ein Antragsteller “von einer Stelle an die andere verwiesen wird und sich möglicherweise ein Streit der beteiligten Stellen um die Zuständigkeit zu seinem Nachteil auswirkt”. Aus diesem Grund verdeutlichte der Ausschuß für Arbeit die vorgesehene Verpflichtung der BA noch dadurch, daß er die im Regierungsentwurf aufgeführte Voraussetzung, “die Teilnahme an der Maßnahme” (müsse andernfalls) “gefährdet” sein (§ 37 Abs 1 des Regierungsentwurfs), streichen ließ (zu BT-Drucks V/4110 S 9 zu § 37 Abs 1). Indes sollte die Vorleistungspflicht der BA nicht den Vorrang der Leistungsverpflichtung der anderen öffentlich-rechtlichen Stelle (§ 36 des Regierungsentwurfs) berühren. Denn der Ausschuß für Arbeit betonte ebenfalls: “Ist für diese (andere Leistung) ein Antrag erforderlich, so muß dieser gestellt werden. Andernfalls wäre der Bundesanstalt der Rückgriff auf diese Leistung (nach § 37 Abs 2 AFG aF) nicht möglich” (zu BT-Drucks V/4110 S 9 zu § 37 Abs 2). Das kann nur bedeuten: Ist der materiellrechtliche Anspruch gegen die andere öffentlich-rechtliche Stelle von einer Antragstellung abhängig und wird dieser Antrag nicht oder nicht rechtzeitig gestellt, geht das zu Lasten des Bildungswilligen; eine Vorleistungspflicht der BA gemäß § 38 AFG besteht in einem solchem Fall nicht (ebenso Hoppe/Berlinger, aaO, § 38 Anm 11; GK-AFG, aaO, § 38 RdNr 1; Hoppe ZfS 1974, 107, 109; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wissing, aaO, § 38 Anm 4; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 38 RdNr 3).
Im Zusammenhang mit der Prüfung der materiellen Anspruchsberechtigung des Klägers gegen den Bund wird das LSG sein Augenmerk ua auf die Frage zu richten haben, welche Bedeutung die verspätete Antragstellung für den materiell-rechtlichen Anspruch des Klägers gegen den Bund hat. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine Leistungspflicht des Bundes – ähnlich wie etwa nach § 20 Abs 1 Satz 3 AFuU vom 26. März 1976 idF der 15. Änderungsanordnung vom 18. März 1987 – ggf vom Zeitpunkt der Antragstellung an in Betracht kommt. Insoweit ist nicht der Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des SVG, sondern die objektive Rechtslage ausschlaggebend.
Der Senat kann die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu den §§ 37 und 38 AFG nicht selbst nachholen. Das angefochtene Urteil muß deshalb auch aus diesem Grund aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Gelangt das LSG zu der Auffassung, daß der Anspruch des Klägers gegen den Bund in der von der Beklagten angenommenen Höhe (6.407,08 DM) zu bejahen, jedoch mangels rechtzeitiger Antragstellung nicht zu verwirklichen ist, verhilft auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch dem Kläger nicht zu einem günstigeren Ergebnis. Dieser setzt ua voraus, daß die Beklagte eine ihr aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14 und 15 SGB I), verletzt hat (BSG vom 3. März 1993 – 11 RAr 101/91 –, demnächst SozR 3-4100 § 105 Nr 1 mwN). Anhaltspunkte für eine solche Pflichtverletzung sind hier nicht erkennbar. Die Beklagte hatte keine Veranlassung, den Kläger auf die Rangfolge der Leistungsansprüche gegen den Bund und die BA sowie auf eine rechtzeitige Antragstellung beim Berufsförderungsdienst hinzuweisen. Der Kläger hatte nämlich im Zusammenhang mit dem Leistungsantrag vom 30. September 1987 auf dem Antragsformular vermerkt, der Bescheid des Berufsförderungsdienstes werde nachgereicht. Die Beklagte durfte deshalb davon ausgehen, daß der Kläger den Antrag beim Berufsförderungsdienst bereits gestellt hatte bzw über seine Rechte und Pflichten nach dem SVG hinreichend informiert war. Damit ist ein Fehlverhalten der Beklagten zu verneinen, so daß offenbleiben kann, ob ein solches überhaupt geeignet wäre, den Klageanspruch zu begründen.
Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 913337 |
BSGE, 204 |