Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung überzahlter Rentenleistungen nach dem Tod des Versicherten. erteilte Einzugsermächtigung. Rechtsschutzbedürfnis zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
- Zu den erstattungspflichtigen Empfängern einer nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht noch auf sein Konto bei einem Geldinstitut überwiesenen Rente gehört auch, wem ein Betrag im Lastschriftverfahren zugeflossen ist, wenn dadurch das Guthaben auf dem Konto unter den für die Rücküberweisung der Rente erforderlichen Betrag gesenkt wurde (Anschluss an BSG SozR 3-2600 § 118 Nr 9, 10).
- Für die zulässig erhobene Leistungsklage des Versicherungsträgers zur Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs gegen den Empfänger einer zu Unrecht gezahlten Leistung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis nicht, wenn der Anspruch aufgrund einer späteren Rechtsänderung mit Verwaltungsakt geltend zu machen ist.
Normenkette
SGB VI § 118 Abs. 3, 4 S. 1; HZvNG Art. 8 Nr. 6; SGB VI § 300; ZPO § 50
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. August 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10. Januar 2001 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 324,16 Euro zu zahlen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag von 634,00 DM (= 324,16 €) wegen überzahlter Rentenleistungen zu erstatten hat.
Die klagende Landesversicherungsanstalt zahlte ihrem Versicherten, W… S…, Regelaltersrente von zuletzt monatlich 1.705,28 DM. Die Rente wurde auf das Konto des Versicherten bei der Sparkasse Düsseldorf überwiesen. Von demselben Konto wurde der monatliche Mietzins von 634,00 DM für die vom Versicherten bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) gemietete Wohnung im Wege des Lastschriftverfahrens abgebucht und auf das Konto der Beklagten als Hausverwalterin der VBL überwiesen. Am 15. Februar 1998 verstarb der Versicherte. Die Rente für März 1998 ging am 25. Februar 1998 auf dem Konto des Versicherten ein. Die Miete für März wurde am 2. März 1998 von seinem Konto auf das Konto der Beklagten überwiesen. Am 3. März 1998 wurde die Rente zurückgefordert. Die Sparkasse überwies auf das Rückforderungsverlangen (zunächst des Postrentendienstes und sodann der Klägerin selbst) nur 910,36 DM und 160,92 DM zurück; wegen des Restbetrags verwies sie auf die Abbuchung der Miete. Die Klägerin machte daraufhin mit Bescheid gegenüber der Beklagten die Erstattung des Mietbetrags geltend; hiergegen wandte die Beklagte ein, sie habe die Miete lediglich für die VBL entgegengenommen, die diese im Übrigen auf Grund des noch bestehenden Mietvertrags auch hätte beanspruchen können. Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin den Bescheid zurückgenommen (S 38 RJ 165/99).
Mit der im Dezember 1999 stattdessen erhobenen Leistungsklage ist die Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 10. Januar 2001; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 14. August 2001). Das LSG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte gehöre nicht zum Kreis der in die Rückabwicklung der Rentenüberzahlung nach § 118 Abs 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) einbezogenen Personen. Dieser Kreis sei nach Sinn und Zweck der Regelung auf diejenigen Personen beschränkt, die die Geldleistung (die Rente) in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt hätten, wobei unter Geldleistung nur die aus dem Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Rentenversicherungsträger und dem Versicherten fließende Geldleistung zu verstehen sei. Mit der von der Bank vorgenommenen Gutschrift des Rentenbetrags auf dem Konto des Versicherten verliere die überwiesene Rente ihren Charakter der sozialen Geldleistung (Hinweis auf BSG Urteil vom 9. Dezember 1998 – B 9 V 48/97 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 4). Demzufolge verfügten Personen, die ihre Verfügungsberechtigung von dem Versicherten ableiten, nicht über eine soziale Geldleistung, sondern nur noch über das auf dem Konto befindliche, ob positive oder negative Vermögen. Die Beklagte habe daher die Rente weder empfangen noch über den entsprechenden Betrag verfügt; sie sei lediglich an einer Verschiebung aus dem mit dieser Nachlassverbindlichkeit belasteten Vermögen der Erben beteiligt gewesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI. Sie trägt vor, als Empfänger könnten nach dieser Vorschrift auch Personen in Anspruch genommen werden, die Gelder aus der Rentenleistung auf Grund einer noch vom Rentenberechtigten stammenden Verfügung, zB einer Einzugsermächtigung oder eines Dauerauftrags erhalten hätten, wenn dadurch der Minderungstatbestand des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI erfüllt werde. Die Auffassung des LSG laufe darauf hinaus, als Empfänger nur denjenigen zu betrachten, der das Geld unmittelbar vom Rentenversicherungsträger – auf Grund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, einer Abtretung oder Abzweigung – erhalten habe, und zusätzlich – über die 2. Alternative – als Verfügende nur gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter sowie die Erben zur Erstattung heranzuziehen. Damit werde aber die Absicht des Gesetzgebers verfehlt, Geldleistungen, die der Versicherungsträger in Unkenntnis des Todes des Berechtigten auf dessen Konto überwiesen habe, als zu Unrecht erbrachte Leistung schnell und vollständig zurückerstattet zu bekommen und die Solidargemeinschaft der Versicherten vor Verlusten zu bewahren. Die Fiktion der Zahlung unter Vorbehalt für die über den Todesmonat hinaus überwiesenen Rentenbeträge nach § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI betreffe als ein öffentliches Sonderrecht gegenüber allen Beteiligten nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen Rentenversicherungsträger und Geldinstitut, sondern auch die Rechtsbeziehungen zu allen Dritten, die sich an den Bewegungen auf dem Konto des verstorbenen Versicherten durch Verfügung oder Empfangnahme beteiligten, wobei der Rückforderungsanspruch gegen einen Dritten nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI nachrangig gegenüber dem Geldinstitut nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI sei. Dass die Beklagte die von ihr entgegengenommenen Beträge bereits an die VBL weitergeleitet habe, sei unerheblich; auf das der Leistung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis komme es nicht an, der Einwand der Entreicherung sei nicht vorgesehen. Für die Leistungsklage bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis, denn die Sparkasse habe auf entsprechende Anfragen im Verwaltungsverfahren schlüssig dargelegt, dass sie sich nicht selbst aus dem Konto des Versicherten “bedient” habe. Das Konto habe nach den Angaben der Sparkasse, an denen zu zweifeln sie keinen Anlass habe, vor Eingang der Rente einen Negativsaldo gehabt, danach jedoch ein Guthaben aufgewiesen (= 1.544,36 DM). Wegen der Abbuchung der Miete am 2. März 1998 sei bei Eingang der Rückforderung am 3. März 1998 nur noch ein Guthaben von 910,36 DM vorhanden gewesen. Die Sparkasse habe den (weiter gehenden) Rückforderungsanspruch daher lediglich insoweit nicht ausschließen können, als sie durch die bei Gutschrift der Rente auf einem Sollkonto vorgenommene Saldierung mit eigenen Forderungen aufgerechnet habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. August 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 324,16 € (= 634,00 DM) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Im Übrigen weisen ihre Prozessbevollmächtigten darauf hin, dass sich die Beklagte inzwischen in Liquidation befinde. Die Widerspruchsfrist gegen die Liquidation laufe laut letzter Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 23. Dezember 2002 ab; es sei beabsichtigt, unmittelbar nach Fristablauf die Beendigung der Liquidation anzumelden und die Löschung der Firma zu beantragen. Angaben über eventuell vorhandenes Restvermögen könnten sie nicht machen.
Auf Anforderung des Senats hat das Amtsgericht – Registergericht – Dortmund einen aktuellen Handelsregisterauszug über die Beklagte übersandt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist die Beklagte zur Erstattung von 324,16 € (= 634,00 DM) verpflichtet.
1. Die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist zulässig.
a) Die Beteiligtenfähigkeit und Prozessfähigkeit der in Liquidation befindlichen Beklagten ist weiterhin gegeben (vgl §§ 70, 71 SGG). Eine Vertretung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erfolgt üblicherweise durch die Geschäftsführer (§ 35 Abs 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ≪GmbHG≫). Nach Auflösung der Gesellschaft vertreten die Liquidatoren die Gesellschaft (§ 70 Abs 1 GmbHG). Ausweislich des Handelsregisterauszugs ist die beklagte Gesellschaft bislang nicht gelöscht; laut Eintrag vom 6. Februar 2001 sind ihre bisherigen Geschäftsführer zu Liquidatoren bestellt worden. Deren Liquidatorenamt ist – trotz beabsichtigter Anmeldung des Abschlusses der Liquidation (vgl § 74 Abs 1 GmbHG) – noch nicht erloschen, sodass auch die Prozessfähigkeit (§ 71 SGG) der Beklagten gegeben ist (vgl OLG Hamm, Urteil vom 3. Juli 1997 – 22 U 92/96 – MDR 1997, 972; BAG Urteil vom 19. März 2002 – 9 AZR 752/00 – AP Nr 1 zu § 60 GmbHG = MDR 2002, 1451 mwN; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Komm zur ZPO, 60. Aufl, § 51 RdNr 16).
b) Für die Leistungsklage besteht auch (weiterhin) ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses entfällt nicht deshalb, weil sich die Klägerin durch Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes (§ 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫) auf einfacherem Wege selbst einen vollstreckbaren Zahlungstitel verschaffen könnte. Denn Rechtsgrundlage für den besonderen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin ist § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI in der bis zum 28. Juni 2002 geltenden Fassung (aF). Art 8 Nr 6 des Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungs-Neuregelungsgesetzes (HZvNG) vom 21. Juni 2002 (BGBl I, 2167) hat zwar § 118 Abs 4 SGB VI neu gefasst und dabei in Satz 2 die Regelung aufgenommen: “Der Träger der Rentenversicherung hat Erstat-tungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen.” Die Neuregelung ist am Tag nach der Verkündung des Gesetzes, dh am 29. Juni 2002, in Kraft getreten (Art 25 Abs 8). Sie findet hier jedoch keine Anwendung. Denn im Zeitpunkt der Entstehung und Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Klägerin galt § 118 Abs 4 SGB VI aF und war, da diese Vorschrift keine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Verwal-tungsaktes enthält, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nur die allgemeine Leistungsklage zulässig (vgl BSG Urteile vom 29. Juli 1998 – B 9 V 5/98 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 2, S 12 und vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 53/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 9, S 57 f).
c) Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob sich die Frage nach der Zulässigkeit der Leistungsklage nach den Grundsätzen des so genannten intertemporalen Prozessrechts oder nach der Grundsatznorm des § 300 SGB VI beantwortet. Denn beide Lösungswege führen insoweit zu demselben Ergebnis.
Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts sind zwar Änderungen des Verfahrensrechts grundsätzlich auch bei bereits anhängigen Verfahren zu beachten. Die nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln führt aber nach Rechtsprechung und Lehre zum Wegfall der Statthaftigkeit bereits eingelegter Rechtsmittel nur, wenn dies durch eine hinreichend deutliche gesetzliche Übergangsregelung angeordnet ist. Anderenfalls gilt abweichend von den allgemeinen Grundsätzen der Grundsatz der Rechtsmittelsicherheit für diejenige Prozesspartei, die die gesetzliche Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer materiell-rechtlichen Position zulässig wahrgenommen hat (vgl BVerfG Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631, 1728/90 – BVerfGE 87, 48, 61, 63 f mwN; BSG Urteile vom 25. Juli 1985 – 7 RAr 33/84 – BSGE 58, 291 = SozR 1500 § 144 Nr 30 und vom 13. März 1997 – 11 RAr 51/96 – SozR 3-4100 § 152 Nr 7 mwN; Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 7. Aufl, vor § 143 RdNr 10e). Dies gilt nicht nur für eine dem Bürger, sondern auch – wie hier – dem Versicherungsträger vorteilhafte Verfahrensposition, zumal im Fall der Anwendbarkeit der in § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI nF vorgesehenen vierjährigen Verjährungsfrist für Erstattungsansprüche deren (erneute) Geltendmachung erschwert sein könnte. Im HZvNG ist keine Übergangsregelung vorgesehen, die eine Erstreckung der geänderten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 118 Abs 4 SGB VI auf anhängige Rechtsstreitigkeiten bestimmt. Hinsichtlich der Neufassung des § 118 Abs 4 SGB VI enthält das Gesetz vielmehr lediglich die Bestimmung ihres Inkrafttretens am Tage nach der Gesetzesverkündung (Art 25 Abs 8).
Dass für den Erstattungsanspruch und dessen – auch verfahrensrechtliche – Geltendmachung das alte Recht, dh § 118 Abs 4 SGB VI in der bis zum 28. Juni 2000 geltenden Fassung, maßgeblich ist, ergibt sich gleichermaßen aus § 300 SGB VI. Nach § 300 Abs 1 SGB VI sind “die Vorschriften dieses Gesetzbuchs” vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn sie bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden haben. Abweichend von dieser Grundregel sieht § 300 Abs 2 Satz 1 SGB VI jedoch vor, dass die alten (aufgehobenen) Rechtsvorschriften noch weiterhin auf einen Anspruch anzuwenden sind, der bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts bestanden hat und bis zum Ablauf von drei Monaten nach Aufhebung des alten Rechts geltend gemacht wird. Ihrem Wortlaut nach beziehen sich § 300 Abs 1 und 2 SGB VI nicht nur auf Ansprüche des Versicherten (so aber Eckstein, SGb 1996, 589, 590; offen gelassen in den Urteilen des 9. Senats des BSG vom 29. Juli 1998 – B 9 V 5/98 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 2, S 13 und – B 9 V 11/97 R – nicht veröffentlicht). Sie differenzieren nicht danach, ob “die Vorschriften dieses Gesetzes” materiell-rechtlicher Art sind oder das Verwaltungsverfahren betreffen (vgl die überwiegende Meinung in der Literatur zur Anwendbarkeit des § 118 Abs 4 SGB VI aF auf sog “Altfälle”, dh Überzahlungen vor dem 1. Januar 1996: Heller, DAngVers 1996, 61, 70; Brähler, NachrLVA HE 1996, 51, 75, 76; Polster in Kasseler Komm § 118 SGB VI, RdNr 21, Stand Dezember 2000,; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI-Komm, § 118, RdNr 4, Stand Oktober 2001; Eicher/Haase/Rauschenbach, SGB VI-Komm, § 118, Anm 16, Stand Januar 2001; Terdenge in Hauck, SGB VI-Komm, § 118, RdNr 16, Stand Januar 2002, Verbands-Komm, § 118 SGB VI, RdNr 7, Stand September 2001). Bestimmungen, die gemäß § 300 Abs 5 SGB VI die Anwendbarkeit von § 300 Abs 1 und Abs 2 einschränken, sind hier nicht einschlägig; solche Bestimmungen lassen sich auch dem HZvNG nicht entnehmen. Soweit gegen die Anwendung des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI aF iVm § 300 Abs 1 SGB VI auf vor 1996 erfolgte Überzahlungen unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden (Eckstein, aaO, 589; Krause in SGb 2002, 287, 290, 291), haben diese für den vorliegenden Fall keine Bedeutung, weil für den vor der Rechtsänderung entstandenen und von der Klägerin rechtshängig gemachten Erstattungsanspruch nach § 300 Abs 2 SGB VI ohnehin altes Recht Anwendung findet.
d) Die Leistungsklage gegen die Beklagte scheitert schließlich auch nicht wegen des Vorrangs des Rücküberweisungsanspruchs nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI gegen die Bank an einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis. Ein vorrangig geltend zu machender Rückforderungsanspruch gegen das Geldinstitut ist – wie im Folgenden unter 2.) näher ausgeführt wird – auszuschließen, sodass der Senat offen lassen kann, ob sein Bestehen bereits der Zulässigkeit der Klage entgegenstünde (bejahend BSG Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 64/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 10 mwN).
2. Die Leistungsklage ist auch begründet.
a) Der von der Klägerin erhobene Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte beurteilt sich – wie oben ausgeführt – nicht nur verfahrensrechtlich, sondern auch materiell-rechtlich noch nach § 118 Abs 4 SGB VI aF. Nach Satz 1 sind – soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind – die Personen, die die Geldleistung in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, “so dass dieser nicht nach Abs 3 von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird”, dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet.
Wenn – wie hier – die Rente im unbaren Zahlungsverkehr auf ein Konto des Versicherten bei einem Geldinstitut überwiesen worden ist, kommt somit ein Rückforderungsanspruch des Versicherungsträgers gegen den Leistungsempfänger nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI nur in Betracht, soweit kein Rücküberweisungsanspruch des Versicherungsträgers gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 SGB VI besteht.
§ 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Postgiroamt oder einem anderen Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten. § 118 Abs 3 Sätze 2 bis 4 SGB VI regeln sodann die Verpflichtung des Geldinstituts zur Rücküberweisung; sie besteht nur dann nicht, wenn über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde und die Rücküberweisung auch nicht aus einem Guthaben erfolgen kann (Satz 3); zur Befriedigung eigener Forderungen darf das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht verwenden (Satz 4).
§ 118 Abs 3 und 4 SGB VI regeln somit die Rückforderung von Renten, die die Versicherungsträger – weil nach § 102 Abs 5 SGB VI die dem Versicherten gewährte Rente mit dem Ablauf des Monats, in dem er verstorben ist, endet, ohne dass es eines Entziehungsbescheides bedarf – für Zeiten nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht geleistet haben.
b) Hier liegt ein solcher Fall einer Überzahlung der Rente für März 1998 nach dem Tod des Versicherten im Februar 1998 vor. Die Beklagte gehört – als Begünstigte aus dem Lastschriftverfahren – nicht zu dem von § 118 Abs 4 Satz 1 Regelung 2 SGB VI erfassten Personenkreis der “Verfügenden” (Regelung 2), sondern zu dem dort gleichrangig (“oder”) herangezogenen Personenkreis der “Empfänger” von Geldleistungen (Regelung 1). Dies bestätigt auch die hier zwar noch nicht direkt anwendbare Neuregelung des § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI idF des HZvNG. Sie lautet: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistung unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder ein sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet.
Entgegen der Auffassung des LSG ist der Rückforderungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht deswegen ausgeschlossen, weil Letztere keine “soziale Geldleistung” vom Versicherungsträger entgegengenommen hat. Das LSG verkennt damit den Regelungszusammenhang von § 118 Abs 3 und Abs 4 SGB VI, aus dem sich gerade ergibt, dass der Kreis der Empfänger in § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI aF auch denjenigen erfasst, der auf Grund einer Verfügung bzw Ermächtigung des Erblassers, wie sie hier zum Einzug der Miete im Lastschriftverfahren vom Konto des Versicherten vorlag und über dessen Tod hinaus rechtswirksam war, die gesamte auf dem Konto gutgeschriebene Leistung oder Teile davon erhält. Erstattungspflichtig ist ein derartiger Empfänger jedoch nur, soweit gerade infolge des ihn begünstigenden Lastschriftvorgangs der Rücküberweisungsanspruch des Versicherungsträgers gegen das Geldinstitut ausgeschlossen ist. Insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der – zeitlich nach der Entscheidung des LSG ergangenen – Rechtsprechung des 4. Senats an (Urteile vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 53/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 9, S 62 und vom 9. April 2002 – B 4 RA 64/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 10, S 70 f – die jeweils Fälle der Zahlung per Dauerauftrag zum Gegenstand hatten). Anderenfalls bestünde in derartigen Fällen zu Lasten der Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung und entgegen der vom Gesetzgeber verfolgten Intention kein besonderer öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (im Ergebnis wie hier auch Eicher/Haase/Rauschenbach, Komm zum SGB VI, § 118 Anm 11, Stand Januar 2001).
c) Bei dem in § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI statuierten “Vorbehalt” handelt sich um eine gesetzliche Fiktion, die im Rahmen des unbaren Zahlungsverkehrs grundsätzlich gegenüber allen wirkt, die an Vermögensverschiebungen auf dem Konto des Versicherten beteiligt sind. Unter den nachfolgend geregelten Voraussetzungen für den Rückforderungs- bzw Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers sind ihnen damit Einwände in ähnlicher Weise abgeschnitten, wie dies bei einer Zahlung unter Vorbehalt gegenüber einem zivilrechtlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung der Fall ist (vgl Rahn, DRV 1990, 518, 520 ff); der Vorbehalt schließt für das Geldinstitut, den Kontoinhaber und Dritte aus, dass rechtlich schutzwürdiges Vertrauen auf die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Geldinstituts entstehen kann, soweit dieses mit der Gutschrift eigene Forderungen befriedigt (ein Debet des Kontoinhabers durch Verrechnung verringert) oder aber danach das Guthaben unter den Wert der Gutschrift senkt (BSG Urteil vom 4. August 1998 – B 4 RA 72/97 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 3, S 25).
§ 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI aF verknüpft die Erstattungspflicht der dort genannten Empfänger und Verfügenden mit der die Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts einschränkenden Verfügung iS des § 118 Abs 3 SGB VI. Dies macht zum einen deutlich, dass es in § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI aF weder bei der empfangenen “Geldleistung” noch bei dem “entsprechenden Betrag”, über den verfügt wurde, notwendig um die soziale Geldleistung des Rentenversicherungsträgers geht; im unbaren Zahlungsverkehr hat die Rentenzahlung ihren Charakter als eine soziale Leistung – wie auch vom LSG zutreffend festgestellt – bereits mit ihrer Gutschrift auf dem Konto des verstorbenen Versicherten verloren. Zum anderen ergibt sich aus dieser Verknüpfung eine Einschränkung der Erstattungspflicht. Sie ist gegenüber dem Rücküberweisungsanspruch gegen das Geldinstitut nachrangig. Der eigenständige Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI aF besteht nur und soweit, als nach § 118 Abs 3 SGB VI kein Rücküberweisungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem kontoführenden Geldinstitut besteht. Erst wenn und soweit wegen einer anderweitigen Verfügung kein ausreichendes Guthaben mehr vorhanden ist, kann derjenige, der durch diese anderweitige Verfügung einen Betrag von dem Konto erlangt hat, zur Erstattung verpflichtet sein.
Indem § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI aF auf § 118 Abs 3 SGB VI bei der Umschreibung des erstattungspflichtigen Personenkreises Bezug nimmt, legt er zugleich fest, dass hierzu auch solche Personen gehören, an die der Betrag, durch den das Guthaben unter den Rückforderungsbetrag gesenkt wurde, durch die anderweitige Verfügung iS des § 118 Abs 3 SGB VI gelangt ist (vgl BSG Urteile vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 53/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 9, S 62 f und vom 9. April 2002 – B 4 RA 64/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 10, S 70 f). Diese Auslegung wird durch die bereits erwähnte Neuregelung des § 118 Abs 1 Satz 1 SGB VI nF bestätigt. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu dem vom LSG zitierten Urteil des 9. Senats des BSG vom 9. Dezember 1998 (B 9 V 48/97 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 4), das im Übrigen einen Anspruch nach § 118 Abs 3 SGB VI zum Gegenstand hatte.
Im Hinblick auf die gesetzliche Fiktion der Zahlung unter Vorbehalt sind im Fall, dass die genannten Voraussetzungen für die Erstattungspflicht des Empfängers gegeben sind, auch dessen Rechtsbeziehungen zu anderen Personen unbeachtlich. Der Erstattungspflicht der Beklagten steht daher auch nicht – wie sie meint – entgegen, dass sie den ihr überwiesenen Betrag nur treuhänderisch als Hausverwalterin für die VBL entgegengenommen hat. Entscheidend ist insoweit nur, ob gerade durch den an sie überwiesenen Betrag das Guthaben auf dem Konto des Versicherten so gemindert wurde, dass es für eine Rücküberweisung des der Rente entsprechenden Betrags nicht mehr ausreichte. Davon ist hier – wie nachfolgend ausgeführt – auszugehen.
d) Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Sparkasse den streitigen Betrag von 634,00 DM nach Gutschrift der Rente, aber vor Eingang der Rückforderung vom Konto des Versicherten abgebucht und (als Miete für März 1998) auf das Konto der Beklagten überwiesen. Aus den vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten (VA) ergibt sich zudem, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren die Sparkasse auf Rückzahlung der Rentenüberzahlung in Anspruch genommen hat und im Zuge dessen Auskünfte (Bl 38, 41, 67 VA) erhielt, laut denen zum einen der Saldo auf dem Konto des Versicherten am 3. März 1998 bei Eingang des Rücküberweisungsverlangens 910,36 DM betrug und es zum anderen in der Zeit vom 25. Februar bis einschließlich 3. März 1998 nur drei Bewegungen auf dem Konto des Versicherten gegeben hat, nämlich den Eingang der Rente (am 25. Februar 1998), die Abbuchung der Miete (am 2. März 1998) und die Überweisung des Betrags von 910,36 DM an das Postrentenzentrum (am 3. März 1998). Unter Berücksichtigung der Höhe des Rentenzahlbetrags von 1.705,28 DM ergibt sich daraus aber für den Kontostand bei Eingang der Rente ein negativer Saldo von 160,92 DM und nach Gutschrift der Rente ein positiver Saldo von 1.544,36 DM. Entsprechendes ist von der Klägerin auch im Revisionsverfahren unter Vorlage einer weiteren Auskunft der Stadtsparkasse Düsseldorf vom 14. August 2002 vorgetragen worden. Anhaltspunkte für einen anderen Saldo bei Gutschrift der Rente und weitere nachfolgende Kontobewegungen vor Eingang der Rückforderung als die Abbuchung der Miete bestehen nicht. In Beachtung des Verrechnungsverbots für das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 Satz 4 SGB VI ist die Sparkasse somit durch die Überweisung von insgesamt (910,36 DM + 160,92 DM = ) 1.071,28 DM ihrer gesetzlichen Rücküberweisungspflicht nachgekommen. Hinsichtlich des der Miete entsprechenden Betrags bestand für sie keine Rücküberweisungspflicht. Demzufolge hat die Klägerin die vor Eingang der Rückforderung mittels Lastschrift erfolgte Abbuchung der Miete zu Recht als anderweitige Verfügung iS des § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI angesehen. Da infolge dieser Verfügung das Guthaben auf dem Konto für eine Rücküberweisung des vollen Rentenbetrags nicht mehr ausreichte, ist die Beklagte als Empfängerin des entsprechenden Minderungsbetrags verpflichtet, ihn der Klägerin zu erstatten.
e) Dieses Ergebnis begegnet nach Auffassung des Senats auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; dies gilt insbesondere im Hinblick auf Art 3 Abs 1 Grundgesetz. Die aus § 118 Abs 4 Satz 1 Regelung 1 SGB VI aF folgende verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung des “Geldleistungsempfängers” rechtfertigt sich aus dem besonderen Schutzzweck der Norm, nämlich dem besonderen Interesse des Versicherungsträgers (als treuhänderischem Sachwalter der Mittel, die ihm seine Mitglieder durch ihre Beiträge zur Finanzierung auch der rentenversicherungsrechtlichen Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben) fehlgeschlagene – unter gesetzlichem Vorbehalt geleistete – Zahlungen rückabzuwickeln (so bereits BSG Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 53/01 R – SozR 3-2600 § 118 Nr 9, S 65 f). Diesem Schutzzweck entsprechend wird die Anwendbarkeit der Norm zugleich begrenzt. Sie kommt nur dann und insoweit in Betracht, als es darum geht, einen der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzuordnenden Geldzufluss rückabzuwickeln. Erfasst werden also nicht alle Geldleistungsempfänger, sondern nur diejenigen, die an den Vermögensverschiebungen auf dem Konto des Versicherten beteiligt sind (BSG aaO).
3. Über einen Zinsanspruch der Klägerin war nicht zu entscheiden. Abgesehen davon, dass die Klägerin einen solchen im Verfahren nicht geltend gemacht hat, fehlt dafür auch die entsprechende Anspruchsgrundlage im Sozialrecht (vgl BSG Urteil vom 10. August 1995 – 11 RAr 91/94 – BSGE 76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 913238 |
NWB 2003, 195 |
NZS 2003, 662 |
SozR 3-2600 § 118, Nr. 11 |
SozVers 2003, 277 |