Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ausschluss der Verordnung für sogenannte Lifestyle-Arzneimittel kraft Gesetzes. Verordnungsregress setzt eine Bekanntgabe des Ausschlusses in Arzneimittelrichtlinien nicht voraus
Leitsatz (amtlich)
So genannte Lifestyle-Arzneimittel sind kraft Gesetzes von der Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen; die Festsetzung eines Regresses setzt deshalb nicht die Bekanntgabe des Ausschlusses durch die Arzneimittelrichtlinien voraus.
Normenkette
SGB 5 § 31 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 1 Sätze 6-9, § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 3a, § 106 Abs. 2 Fassung: 2003-11-14; AMRL Nr. 17.1 aF, Nr. 18.3 aF; AMRL § 14 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 2. November 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Der als Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie zur vertragsärztlichen Versorgung in P. zugelassene Kläger wendet sich gegen Regresse wegen der Verordnung des Arzneimittels Acomplia im III. und IV. Quartal 2006.
Das Fertigarzneimittel Acomplia war im streitbefangenen Zeitraum zur Behandlung von Adipositas zugelassen, insbesondere bei Patienten mit einem Body-Mass-Index größer als 30 oder ab einem Body-Mass-Index größer als 27, die darüber hinaus einen oder mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes mellitus Typ II oder Dyslipidämie aufwiesen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) nahm mit Beschluss vom 17.10.2006 Acomplia in die Liste der nach Anlage 8 (seit dem 1.4.2009: Anlage II) der Arzneimittel-Richtlinien (idF 16.5.2006, im Folgenden: AMR) ausgeschlossenen Fertigarzneimittel auf. Die zu 2. beigeladene AOK N. beantragte im September 2007 die Feststellung eines sonstigen Schadens wegen der Verordnung von Acomplia durch den Kläger. Die Verordnungen datierten vom 12.9.2006, 15.9.2006, 20.9.2006, 2.11.2006, 10.11.2006, 13.11.2006, 14.11.2006 und 13.12.2006. Nach Nr 20.1.j AMR seien Abmagerungsmittel und Appetitzügler nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Darüber hinaus handele es sich um ein Lifestyle-Arzneimittel iS des § 34 Abs 1 Satz 7 SGB V. Im Rahmen seiner Anhörung verwies der Kläger auf die Zulassung von Acomplia zur Behandlung von Adipositas beim Hinzutreten bestimmter Risikofaktoren. Für diese Indikationen seien auch die Verordnungen erfolgt. Der Beschluss des GBA vom 17.10.2006 zu Acomplia sei erst am 12.1.2007 veröffentlicht worden und damit erst ab dem 13.1.2007 gültig. Bis dahin sei Acomplia zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähig gewesen.
Die beklagte Prüfungsstelle setzte mit Bescheiden vom 23.1.2009 einen Regress in Höhe von 417,56 Euro für das Quartal III/2006 und in Höhe von 1199,30 Euro für das Quartal IV/2006 fest. Acomplia sei aufgrund seines Anwendungsgebietes nicht verordnungsfähig, weil es zur Abmagerung oder Zügelung des Appetits oder zur Regulierung des Körpergewichts eingesetzt werde.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 2.11.2011 hat das SG die Bescheide vom 23.1.2009 aufgehoben. Die Beklagte habe zu Unrecht einen Regress wegen der Verordnung von Acomplia festgesetzt. Dieses Arzneimittel sei vom Zeitpunkt seiner Zulassung ab 19.6.2006 bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses des GBA vom 17.10.2006 am 12.1.2007 zu Lasten der GKV verordnungsfähig gewesen. Zur konkreten Entscheidung darüber, welches Arzneimittel nach § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sei, bedürfe es einer Beurteilung durch den sachverständigen GBA, dessen Beschluss konstitutive Wirkung habe. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V.
Die hiergegen eingelegte Sprungrevision begründet die Beklagte damit, dass für Acomplia ein gesetzlicher Verordnungsausschluss gelte, der sich unmittelbar aus § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 SGB V ergebe. Der GBA habe angesichts des Anwendungsgebietes, für das Acomplia arzneimittelrechtlich zugelassen sei, auch keinen Beurteilungsspielraum oder Ermessen hinsichtlich der Aufnahme in die Liste der ausgeschlossenen Arzneimittel gehabt. Es könne deshalb auch nicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses ankommen. Die Anlage 8 der AMR diene lediglich der Übersicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 2. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Leistungsausschluss könne nicht mit einem simplen Subsumtionsakt nachvollzogen werden. Auch für Acomplia sei der Ausschluss umstritten gewesen, weil es zur Behandlung von Diabetes mellitus bei adipösen Patienten eingesetzt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Bescheide vom 23.1.2009 zu Unrecht aufgehoben.
1. Das SG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es keines Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte. Nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V findet in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist diese Ausnahmevorschrift auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des GBA ergibt (BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, RdNr 19). Ein solcher Fall liegt hier vor. Unabhängig von der Frage, ob der Beschluss des GBA als deklaratorisch oder konstitutiv anzusehen ist, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verordnung materiell entweder aus dem Gesetz oder aus den AMR. Dabei geht es nicht um medizinische Fragen, sondern um die Umsetzung normativer Vorgaben, sodass eine Vorbefassung des mit Vertretern der Ärzte und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschusses nach der Intention des Gesetzgebers nicht geboten erscheint (vgl BSG aaO, RdNr 24 unter Bezugnahme auf den Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138).
2. Das SG hat aber zu Unrecht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind. Rechtsgrundlage für die Bescheide ist § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen idF des GKV-Modernisierungsgesetzes ≪GMG≫ vom 14.11.2003, BGBl I 2190; zur Maßgeblichkeit von § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 und BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14; BSG SozR aaO Nr 30 RdNr 10; BSG SozR aaO Nr 35 RdNr 17). Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der vorliegenden Streitigkeit über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von Arzneiverordnungen um einen Fall des § 106 SGB V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte handelt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 10 f; BSG SozR aaO Nr 28 RdNr 20-26; BSG SozR aaO Nr 29 RdNr 25 f). Es steht nämlich nicht die Fehlerhaftigkeit der Art und Weise der Verordnung in Frage, sondern die Zulässigkeit ihres Inhalts (vgl zur Unterscheidung BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 31 RdNr 16 ff). Nach § 106 Abs 2 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder bei Überschreitung von Richtgrößen nach § 84 SGB V (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder auf der Grundlage von arzt- und versichertenbezogenen Stichproben (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12-14 mwN; BSG SozR aaO Nr 30 RdNr 10). Dies war auch in § 20 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vorgesehen, wie das SG ausgeführt hat, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht zuständig ist (s § 162 SGG und dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 mwN). Danach konnte eine Einzelfallprüfung der Behandlungs- und/oder Verordnungsweise erfolgen. Dem Beschluss der Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.
Die Beklagte hat zu Recht einen Regress wegen der Verordnungen von Acomplia in den Quartalen III und IV/2006 festgesetzt. Das Arzneimittel war zu dieser Zeit unmittelbar durch Gesetz von der Verordnung in der GKV ausgeschlossen. Dass seine Aufnahme in die Anlage 8 der AMR, Übersicht der ausgeschlossenen Fertigarzneimittel, erst im Januar 2007 veröffentlicht wurde, hat nicht zu Folge, dass der Verordnungsausschluss erst ab diesem Datum zu beachten wäre. Nach § 34 Abs 1 Satz 7 SGB V sind Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine erhöhte Lebensqualität im Vordergrund steht. Satz 8 der Vorschrift enthält eine Konkretisierung dahingehend, dass insbesondere Arzneimittel ausgeschlossen sind, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln nach Satz 9 die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V.
Der Ausschluss der in § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 SGB V genannten Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tritt kraft Gesetzes ein. Trotz des dem GBA in § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V erteilten Auftrags zur Regelung des Näheren wirkt die Aufnahme der in den Sätzen 7 und 8 bezeichneten Arzneimittel in die AMR nicht konstitutiv (aA SG Marburg Urteil vom 14.10.2009 - S 11 KA 243/08 - Juris; SG Berlin Beschluss vom 8.6.2007 - S 83 KA 53/07 - Juris). Die Wendung "sind von der Versorgung ausgeschlossen" in § 34 Abs 1 Satz 6, 7 und 8 SGB V zielt auf eine unmittelbare Rechtsfolge und nicht allein auf eine Ermächtigung des GBA, die Rechtsfolge des Verordnungsausschlusses durch entsprechende Regelung in den AMR zu bewirken. Dass im Einzelfall Auslegungsprobleme bestehen können, begründet keine Zweifel am Vorliegen eines gesetzlichen Ausschlusses. Der Einwand, die lediglich deklaratorische Wirkung der Umsetzung der Verordnungsausschlüsse in den AMR nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V sei mit dem Auftrag zur Regelung des "Näheren" an den GBA in § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V nicht zu vereinbaren, greift nicht durch.
Die Richtlinien des GBA sind nach übereinstimmender Auffassung aller damit befassten Senate des BSG untergesetzliche Normen (vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28; BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 22). Das impliziert, dass der GBA mit den Richtlinien auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigungen die Rechtslage gestaltet und nicht nur quasi "notariell" verlautbart, was im Gesetz bereits geregelt ist. Angesichts der sehr unterschiedlichen Regelungstiefe der gesetzlichen Ermächtigungen an den GBA im SGB V wird dieses Normsetzungskonzept aber nicht durch einzelne gesetzliche Bestimmungen in Frage gestellt, die den maßgeblichen Regelungsinhalt bereits in sich tragen. Der Regelungsauftrag des Gesetzgebers an den GBA hängt ganz von der jeweiligen Ermächtigungsnorm ab und hat keinen gleichsam allgemeingültigen Inhalt. Soweit das Gesetz einen Leistungsausschluss für bestimmte Indikationen selbst enthält, beschränkt sich die Aufgabe des GBA auf die Umsetzung dieses Ausschlusses etwa durch ausdrückliche Aufführung bestimmter davon erfasster Arzneimittel oder durch Bewertung von Arzneimitteln, die für unterschiedliche Indikationen zugelassen sind. Gerade in Grenzfällen der Zuordnung von Arzneimitteln zu diesen Ausschlussindikationen kann den AMR, soweit sie auf § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V beruhen, eigenständige rechtliche Bedeutung zukommen. Das schließt aber nicht aus, dass der Gesetzgeber den Kern der Verordnungsausschlüsse selbst vorgibt und diese unabhängig von und - was hier von Bedeutung ist - auch schon vor dem Inkrafttreten der Ausführungsregelung durch den GBA für Vertragsärzte und Versicherte verbindlich sind. Anders als in § 34 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V findet sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis verbunden mit einem positiven Regelungsauftrag an den GBA (vgl dazu BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4) in § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V gerade nicht. Dem GBA kommt vielmehr nur die Aufgabe zu, das "Nähere" zu konkretisieren. Dass § 34 SGB V unmittelbar gesetzlich bestimmte Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit in der GKV ausnimmt, zeigt auch die Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind.
Für einen unmittelbaren Ausschluss kraft Gesetzes streitet insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Einfügung der Sätze 7 bis 9 in § 34 Abs 1 SGB V diente nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum GMG der Rechtssicherheit von Krankenkassen und Vertragsärzten, indem klargestellt werden sollte, dass die Arzneimittel, die nach den AMR des GBA von der Verordnung zu Lasten der GKV ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der GKV sind (BT-Drucks 15/1525 S 86). Es sollten nachträglich die zuvor vom GBA nach Auffassung des BSG ohne Rechtsgrundlage vorgenommenen Leistungsausschlüsse (vgl BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11; BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2; BSG SozR 4-2500 § 137c Nr 1) legitimiert werden. Das BSG hatte zuvor für die Behandlung der erektilen Dysfunktion mittels SKAT entschieden, dass der Bundesausschuss nicht befugt war, im Rahmen der AMR die Behandlung bestimmter Krankheiten oder Krankheitssymptome zu Lasten der GKV gänzlich auszuschließen (BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11), weil eine solche Leistungsbegrenzung dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Als Reaktion hierauf hat der Gesetzgeber den Leistungsausschluss in § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 SGB V in enger Anlehnung an die zuvor in Nr 17.1 der AMR aF geregelten Leistungsausschlüsse formuliert. Wenn er damit der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung von indikationsbezogenen Leistungsausschlüssen nachkam, ist davon auszugehen, dass eine unmittelbare Wirkung der Regelung und nicht nur eine Ermächtigung für Regelungen durch den GBA intendiert war.
Dementsprechend hat der Senat in seiner Entscheidung vom 11.5.2011 zum Ausschluss des Vorverfahrens bei Verordnungsregressen die hier betroffene Regelung des § 34 Abs 1 Satz 7 SGB V neben derjenigen der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V und der Bagatellarzneimittel nach § 34 Abs 1 Satz 6 SGB V als Beispiel für einen gesetzlichen Leistungsausschluss genannt (BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32, RdNr 21). Die Beklagte hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der 1. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 10.5.2005 zu dem Arzneimittel Viagra ausgeführt hat, dass durch Art 1 Nr 22 GMG mit Wirkung ab dem 1.1.2004 sämtliche Arzneimittel, die der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der GKV ausgeschlossen worden seien (BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2, RdNr 23 f; vgl auch BSG SozR 4-1100 Art 3 Nr 69 RdNr 32: "Der gesetzliche Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 SGB V …").
Wenn der Gesetzgeber mit § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V auf die Richtlinien des GBA verweist, wird lediglich die Präzisierung der auslegungsbedürftigen Begriffe und die Entscheidung in Zweifelsfällen einem sachverständigen Gremium übertragen, das in einem formalisierten Verfahren nach § 92 Abs 3a SGB V die Ausschlussgründe für ein Arzneimittel prüft. Die AMR nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzen die gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisieren (BSGE 108, 175 = SozR 4-2500 § 106 Nr 32 RdNr 21). Nach den Vorstellungen des Entwurfs zum GMG ist in den AMR nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V die Abgrenzung zu Arzneimitteln vorzunehmen, bei denen eine medizinisch notwendige diagnostische oder therapeutische Wirkung im Vordergrund steht (BT-Drucks 15/1525 S 87). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Schwierigkeit der Abgrenzung im Einzelfall gesehen hat. Wenn er insoweit feststellt, der Ausschluss gelte grundsätzlich für alle Arzneimittel, die bezogen auf die überwiegende Zahl der Packungen in den genannten Indikationsgebieten angewandt würden, dokumentiert dies zwar, dass die Entscheidung über den Ausschluss nicht immer ohne Weiteres von dem verordnenden Vertragsarzt anhand der ihm zugänglichen Informationen nachvollzogen werden kann, es möglicherweise vielmehr einer umfassenden medizinischen und statistischen Bewertung bedarf. Das spricht jedoch nicht notwendig gegen einen im Grundsatz bestehenden gesetzlichen Ausschluss. Soweit ein Arzneimittel ausschließlich für eines oder mehrere der in § 34 Abs 1 Satz 8 SGB V ausdrücklich genannten Anwendungsgebiete arzneimittelrechtlich zugelassen bzw wirksam ist, ist ein Leistungsausschluss ohne Weiteres erkennbar. Schwierige Abgrenzungsfragen stellen sich in diesen Fällen für den Vertragsarzt nicht. Auch bei Acomplia, das ausschließlich für die Behandlung von Adipositas arzneimittelrechtlich zugelassen war, war für den Arzt anhand seiner Wirkungsweise ersichtlich, dass es der Ausschlussregelung für Arzneimittel unterfiel, die überwiegend zur Zügelung des Appetits dienen.
Allerdings ist die Formulierung des § 34 Abs 1 Satz 7 SGB V "eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht" in besonderem Maße konkretisierungsbedürftig. Der GBA hat dementsprechend in § 14 Abs 1 AMR (2006: Nr 18.1 AMR) eine Präzisierung vorgenommen. Hinsichtlich der in § 34 Abs 1 Satz 8 SGB V genannten konkreten Zweckbestimmungen beschränken sich die AMR in § 14 Abs 2 - abgesehen von der zusätzlichen Erwähnung der "sexuellen Dysfunktionen" - auf die Wiederholung des Gesetzestextes. Dass auch der GBA selbst seine Beschlüsse zu den nach § 34 Abs 1 Satz 8 SGB V ausgeschlossenen Fertigarzneimitteln nicht als konstitutiv ansieht, verdeutlicht der Wortlaut des § 14 Abs 3 AMR (Nr 18.3 aF), wonach die nach Absatz 2 ausgeschlossenen Arzneimittel "in einer Übersicht als Anlage II der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt" sind.
Bei dieser Beurteilung kann offenbleiben, ob sich ein Ausschluss der Verordnungsfähigkeit von Acomplia nicht auch aus Nr 20.1. j der im Jahr 2006 geltenden AMR ergab, wonach Abmagerungsmittel und Appetitzügler nur in Ausnahmefällen verordnet werden durften.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des gesamten Verfahrens. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
Fundstellen
Haufe-Index 3681920 |
BSGE 2013, 251 |