Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten deren Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger nimmt als Zahnarzt in Dortmund an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Im Jahre 1993 erbrachte er unter zeitweiser Mithilfe von Ausbildungsassistenten in allen Bereichen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema-Z) Leistungen im Umfang von insgesamt 622.987 Punkten.
Mit Bescheiden vom 18. April 1994, 20. Juli 1994, 14. Oktober 1994 und 20. Januar 1995 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 8. Dezember 1994 und 4. Juli 1995 kürzte die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) das Honorar des Klägers für das Jahr 1993 wegen der gemäß § 85 Abs 4b bis Abs 4e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) idF des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) angeordneten Punktwertdegression um 50.205,87 DM. Dabei ermittelte sie die Degression quartalsbezogen für das Quartal IV/1993 und legte die abgerechnete Punktzahl in voller Höhe zugrunde. Der Kürzung unterzog sie allein die von ihr vergüteten Punkte, nicht aber die auf die Eigenanteile der Versicherten entfallende Punktmenge.
Neben den Bestimmungen des SGB V legte die Beklagte ihrer Honorarberechnung die am 12. Januar 1994 im Bereich Westfalen-Lippe abgeschlossene gesamtvertragliche Vereinbarung nach § 85 Abs 4b Satz 5 SGB V zugrunde. Diese schrieb vor, daß auf dem für jeden Zahnarzt zu führenden Punktekonto die Punkte aus den Abrechnungen für vertragszahnärztliche Behandlungen gemäß § 73 Abs 2 Nr 2 SGB V voll erfaßt werden, daß diese Punkte dem Punktekonto leistungsquartalsbezogen zugeordnet werden und daß die Vergütungsminderung nur für die über die KZÄV abgerechneten Punkte erfolgen soll. Ferner wurden Regelungen zur Vergütungsminderung durch einen sogenannten einheitlichen Prozentsatz vereinbart (§§ 1, 3, 5 der Vereinbarung).
Klage und Berufung, die im wesentlichen mit der Begründung geführt wurden, die gesetzlichen Regelungen zur Degression seien verfassungswidrig, sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Münster vom 26. Oktober 1995; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 1997).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger einen Verstoß der Vorschriften über die Punktwertdegression gegen das Grundgesetz (GG), insbesondere gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG geltend. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung verstoße die Berücksichtigung der Eigenanteile der Versicherten für Zahnersatzleistungen und kieferorthopädische Leistungen gegen Verfassungsrecht. Keine andere KZÄV verfahre insoweit in derselben Weise wie die Beklagte, was zu einer Benachteiligung der westfälisch-lippischen Zahnärzte gegenüber anderen Vertragszahnärzten führe. Im Hinblick auf das Senatsurteil vom 14. Mai 1997 – 6 RKa 25/96 – ist der Kläger der Auffassung, die Ausführungen des Senats beträfen nur Kieferorthopäden und beanspruchten für die übrigen Zahnärzte keine Geltung. Bei der kieferorthopädischen Tätigkeit fielen trotz der Vergütung im Wege der Kostenerstattung in der Regel aber keine Eigenanteile der Patienten an. Dagegen müßten die Versicherten im Bereich des Zahnersatzes regelmäßig 50 bzw 40 % der Behandlungskosten tatsächlich selbst tragen. Die darauf entfallenden Beträge dürften bei Anwendung der Degressionsbestimmungen in die Punktmenge des jeweiligen Zahnarztes nicht eingerechnet werden, weil die Kassen die darauf entfallenden Punkte von vornherein nicht zu bezahlen hätten.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 1997 und des Sozialgerichts Münster vom 26. Oktober 1995 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18. April 1994 und 20. Juli 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1994 sowie die Bescheide vom 14. Oktober 1994 und 20. Januar 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den einbehaltenen Betrag von 50.205,87 DM auszuzahlen.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 6) und 7) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich dem angefochtenen Urteil auch insoweit an, als darin die Berechnung der degressionspflichtigen Punktmenge und des Kürzungsbetrages als rechtmäßig beurteilt worden sind. Sie weist darauf hin, daß die Degression dem Zweck diene, eine übermäßige Punkteanforderung zu vermeiden, was der Situation bei der Kontingentierung, die Gegenstand des Senatsurteils vom 3. Dezember 1997 – 6 RKa 21/97 – gewesen sei, entspreche. Dem Sinn und Zweck einer solchen Kontingentierung oder Degression entsprechend sei es erforderlich, sämtliche zur Abrechnung generell zugelassenen Punkte einzubeziehen. Sei es Ziel der Degression, eine Erhöhung der Punktmenge zu begrenzen, könne es nicht darauf ankommen, wer die einzelnen Punkte bezahle, sondern nur darauf, wie viele Punkte in Rechnung gestellt würden. Würde man die Eigenanteile der Patienten herausrechnen, müßte im Einzelfall geprüft werden, inwieweit solche Eigenanteile tatsächlich vom Patienten getragen oder doch von der Krankenkasse übernommen worden seien. Auch der Hinweis des Klägers, daß in den Gebühren der Nrn 126 und 127 Bema-Z zahntechnische Kosten enthalten seien, führe nicht weiter. Im zahnärztlichen Honorar seien in jedem Fall verschiedene Komponenten enthalten, zB die allgemeinen Praxiskosten, die durchaus schwanken könnten.
Die Beigeladenen zu 1), 6) und 7) schließen sich diesem Vorbringen an.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Die Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig.
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Punktwertdegression in § 85 Abs 4b SGB V sind verfassungsgemäß. Das hat der Senat durch die Urteile vom 14. Mai 1997 (- 6 RKa 25/96 – BSGE 80, 223 = SozR 3-2500 § 85 Nr 22, – 6 RKa 29/96, 30/96, 49/96 und 50/96 – jeweils nicht veröffentlicht; ebenso Urteil vom 3. Dezember 1997 – 6 RKa 79/96 – nicht veröffentlicht) entschieden. Die zur Umsetzung des § 85 Abs 4b Sätze 1 bis 4 und Abs 4e SGB V in Westfalen-Lippe am 12. Januar 1994 gemäß § 85 Abs 4b Satz 5 und Abs 4e Satz 4 SGB V geschlossene gesamtvertragliche Vereinbarung (Vereinbarung) steht mit dem Gesetz in Einklang und ist – mit den übrigen unmittelbar geltenden gesetzlichen Regelungen – im angefochtenen Bescheid zutreffend angewendet worden.
Die Rüge des Klägers, daß nach der genannten Vereinbarung bei der Ermittlung der degressionspflichtigen Punktmengen zu Unrecht alle vom jeweiligen Zahnarzt abgerechneten Punkte und nicht nur die über die KZÄV abgerechneten und vergüteten Punkte zu berücksichtigen sind, greift nicht. Die genannte gesamtvertragliche Regelung steht nicht im Widerspruch zu § 85 Abs 4b bis Abs 4e SGB V, wie sich aus der Auslegung der Vorschrift nach ihrem Wortlaut, ihrer Systematik sowie den gesetzgeberischen Motiven ergibt.
Hinsichtlich der Erfassung der Punktmengen schreiben § 85 Abs 4b Satz 1 und Abs 4c SGB V die Zugrundelegung der „Gesamtpunktmenge” vor. § 85 Abs 4b Satz 12 SGB V stellt auf die Punktmengen aller vertragszahnärztlichen Leistungen iS des § 73 Abs 2 SGB V ab. Damit ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur die über die KZÄV abgerechnete Punktmenge der vertragszahnärztlichen Leistungen gemeint, sondern die Gesamtpunktmenge schlechthin, also unter Einbeziehung der auf die Eigenanteile der Versicherten entfallenden Punktzahlen. § 85 Abs 4c SGB V bestimmt insoweit speziell, daß die „Gesamtpunktmenge” nach Abs 4b zu ermitteln ist aus den zahnprothetischen und kieferorthopädischen Rechnungen im Leistungsquartal, den nach § 28 Abs 2 Satz 1 SGB V abgerechneten Leistungen (also insbesondere den kurativen konservierend-chirurgischen Leistungen) und den von den Kassen gemeldeten Kostenerstattungen nach § 13 Abs 2 SGB V (also den Zahlungen an kostenerstattungsberechtigte freiwillige Mitglieder und deren Familienangehörige). Damit erfaßt § 85 Abs 4c SGB V alle Leistungen des Zahnarztes im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon, in welcher Form und durch wen deren Vergütung an den Zahnarzt erfolgt ist. Dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen ist somit kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß bei der Ermittlung der degressionspflichtigen Punktmengen die auf die Eigenanteile der Versicherten entfallenden Punktzahlen nicht zu berücksichtigen sind.
Dies schon vom Wortsinn der genannten Bestimmungen her anzunehmende Verständnis wird in systematischer Sicht durch § 85 Abs 4e SGB V bestätigt, der mit der durchzuführenden Punktwertminderung nur die über die KZÄV abgerechneten Punktmengen erfaßt; denn die KZÄV kann die Vergütungsminderung aufgrund der Degression nach § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V nur bei den Punkten vornehmen, deren Vergütung durch sie erfolgt. Hätte das Gesetz auch beim ersten Schritt des Degressionsvorganges, der Erfassung der abgerechneten Punktmengen, nur die über die KZÄV abgerechneten Punkte einbeziehen wollen, hätte es auch in Abs 4b einer dem § 85 Abs 4e SGB V entsprechenden Regelung bedurft.
Nur diese Gesetzesauslegung entspricht auch dem gesetzlichen Anliegen, mit der Regelung das als Sofortmaßnahme zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringende Einsparvolumen auf die umsatzstarken Praxen zu konzentrieren und zugleich iS der Verbesserung der Qualität der zahnärztlichen Versorgung Anreize für überdurchschnittliche Umsätze zu verringern (vgl hierzu im einzelnen Urteile des Senats vom 14. Mai 1997 – 6 RKa 25/96 – = BSGE 80, 223, 225 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 22, – 6 RKa 29/96, 30/96, 49/96 und 50/96 – jeweils nicht veröffentlicht). Um die so formulierte gesetzliche Absicht, die Krankenkassen an den Kostenvorteilen in umsatzstarken Praxen zu beteiligen, zu realisieren, muß die gesamte vertragszahnärztliche Tätigkeit, unabhängig von der Vergütungs- bzw Abrechnungsstruktur, erfaßt werden (zur Berücksichtigung der im Rahmen der knappschaftszahnärztlichen Versorgung abgerechneten Punktmengen bei der Degression – Urteil des Senats vom heutigen Tage – B 6 KA 53/97 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Demgegenüber argumentiert das dem Senat bekannte Urteil des SG Düsseldorf (aaO) allein damit, daß die Vergütungen von Zahnersatz und kieferorthopädischen Leistungen gemäß § 85 Abs 3a Satz 3 SGB V aus der Gesamtvergütung ausgenommen und gemäß § 29 Abs 2 und § 30 Abs 3 SGB V außerhalb der Gesamtvergütung von den Kassen an die KZÄVen zu bezahlen waren (Kassenanteile). Diese Sichtweise greift indessen zu kurz, denn nur bei Erfassung der gesamten zahnärztlichen Tätigkeit können die „Kostenvorteile” in umsatzstarken Praxen (vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GSG, BT-Drucks 12/3608 S 88, zu § 85 Abs 4b idF des Entwurfs) abgeschöpft werden. Daß das Gesetz sich in § 85 Abs 4e SGB V auf die Degression der von den KZÄVen vergüteten Punkte beschränkt hat, kann nicht dazu führen, daß auch bei der Erfassung der abgerechneten Punktmengen allein auf die von den KZÄVen vergüteten Punkte abzustellen wäre.
Soweit in anderen Revisionsverfahren die gesetzliche Regelung und die ihr folgende Vereinbarung angegriffen wird, weil der Zeitpunkt des Erreichens des Degressionsgrenzwertes nicht zuverlässig zu ermitteln sei, ist dem nicht zu folgen. Die Auffassung, die KZÄV sei verpflichtet gewesen, den Zahnarzt „punktgenau”, dh an dem Tag der Überschreitung des Grenzwertes, zu warnen, trifft nicht zu. Die Vorschriften des § 85 Abs 4b bis Abs 4f SGB V enthalten keine Verpflichtung der KZÄV – oder der Krankenkassen –, den einzelnen Zahnarzt in diesem Sinne zu informieren. Nach § 85 Abs 4c SGB V melden die Kassen den KZÄVen die von ihnen nach § 13 Abs 2 SGB V vergüteten Punktmengen. Abs 4d Satz 1 aaO verpflichtet die KZÄVen, den Krankenkassen bei jeder Rechnungslegung mitzuteilen, welche Vertragszahnärzte die Punktmengengrenzen nach Abs 4b aaO überschreiten. Nach Abs 4d Satz 2 aaO ist dabei der Zeitpunkt anzugeben, ab dem die Überschreitung der Punktmengengrenzen eingetreten ist. Aus dieser Vorschrift und aus § 85 Abs 4e SGB V über die Durchführung der Vergütungsminderung ergibt sich, daß der Zeitpunkt der Überschreitung der Punktmengengrenze(n) nicht punkt- bzw datumsgenau, sondern nur abrechnungsbezogen, also in der Regel quartalsbezogen, zu ermitteln ist. Etwas anderes ist vom Gesetz nicht vorgeschrieben und auch faktisch nicht möglich. Eine datumsgenaue Erfassung der Überschreitung des Degressionsgrenzwertes würde nämlich entgegen der bisherigen Sach- und Rechtslage die kalendertägliche Abrechnung der Zahnärzte gegenüber der KZÄV voraussetzen. Im übrigen schreibt § 85 Abs 4e Satz 1 SGB V die Vergütungsminderung „ab dem Zeitpunkt der jeweiligen Grenzwertüberschreitungen” vor. Da die vertragszahnärztlichen Leistungen quartalsweise vergütet werden, kann die Vergütungsminderung auch nur quartalsweise erfolgen, so daß Abs 4e Satz 1 aaO mit seinem Abstellen auf den „Zeitpunkt” sich nur auf das Quartal beziehen kann, in dem der Grenzwert oder die Grenzwerte überschritten worden war(en). Dem entspricht § 5 Nr 2 der Vereinbarung.
Der Revision des Klägers verhilft auch seine Behauptung nicht zum Erfolg, andere KZÄVen verführen anders als die Beklagte. Ungeachtet der Frage, welche rechtlichen Auswirkungen dieser Sachverhalt hätte, kann sich der Senat schon deshalb hiermit nicht auseinandersetzen, weil der Kläger dies erstmals im Revisionsverfahren behauptet hat, ohne zugleich darzulegen, daß das LSG die tatsächliche Feststellung dieser Behauptung verfahrensfehlerhaft unterlassen hätte.
Schließlich kann der Kläger mit seinen weiteren Revisionsvorbringen nicht durchdringen. Zwar betraf das Urteil des Senats vom 14. Mai 1997 – 6 RKa 25/96 – das Verfahren eines Kieferorthopäden. Indessen hat der Senat am gleichen Tag in den Parallelverfahren 6 RKa 29/96, 6 RKa 30/96, 6 RKa 49/96 und 6 RKa 50/96 entsprechend entschieden. Unter den dortigen Klägern waren nicht nur Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, sondern auch Zahnärzte. Es besteht keine Veranlassung, diese Rechtsprechung in dem Sinne zu differenzieren, daß die Degressionsregelungen nur auf Fachzahnärzte für Kieferorthopädie anzuwenden gewesen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen