Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beiladung bei Erstattungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Erstattungsansprüche einer Krankenkasse gegen einen Rentenversicherungsträger, die darauf beruhen, daß einem Versicherten anstatt gezahlten Krankengeldes Übergangsgeld oder Rente zugestanden hätte, richten sich nach § 103 SGB 10. Das gilt auch für vor Inkrafttreten der Vorschrift entstandene Ansprüche aus noch nicht abgeschlossenen Verfahren.
2. Das Gebot der engen Zusammenarbeit der Leistungsträger verpflichtet den Rentenversicherungsträger, seine Leistungsentscheidung auf Anforderung der Krankenkasse zu überprüfen und bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit zu korrigieren.
Orientierungssatz
In der durch § 103 SGB 10 geregelten Rechtsbeziehung stehen dem Versicherten keine Mitwirkungsrechte zu, weil es sich lediglich um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern handelt; demgemäß bedarf es im Falle eines Rechtsstreits auch keiner Beteiligung des Versicherten (§ 75 SGG).
Normenkette
SGB 10 § 86 Fassung: 1982-11-04, § 103 Fassung: 1982-11-04; RVO § 183 Abs 6; SGB 10 Art 2 § 21 Fassung: 1982-11-04; SGG § 75; RVO § 1240 S 2
Verfahrensgang
SG Regensburg (Entscheidung vom 10.02.1983; Aktenzeichen S 6 Ar 239/82) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Erstattungsanspruch.
Die Beklagte gewährte dem Versicherten H S, der von der Klägerin seit dem 30. Juni 1978 Krankengeld bezog, auf dessen Antrag vom 3. Januar 1979 eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation für die Zeit vom 3. April bis zum 8. Mai 1979; für die Dauer der Maßnahme bewilligte sie dem Versicherten durch Bescheid vom 11. April 1979 Übergangsgeld in Höhe von täglich 54,14 DM. Bei der Entlassung aus dem Heilverfahren wurde dem Versicherten eine Schonungszeit von 14 Tagen verordnet. Aufgrund eines weiteren Antrags vom 19. September 1979 gewährte die Beklagte dem Versicherten in der Zeit vom 7. Februar bis zum 6. März 1980 eine weitere medizinische Maßnahme zur Rehabilitation und zahlte ihm dazu Übergangsgeld.
Am 25. Juni 1980 - bei der Beklagten eingegangen am 27. Juni 1980 - beantragte der Versicherte die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1980 gewährte die Beklagte dem Versicherten unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls vom 27. Juni 1979 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, beginnend mit dem 7. März 1980. Durch einen weiteren Bescheid vom 5. Juli 1981 bewilligte sie dem Versicherten für die Zeit ab 1. Juli 1979 bis zum Beginn des zweiten Heilverfahrens am 7. Februar 1980 Übergangsgeld, weil der Anspruch auf Rente bereits ab 1. Juli 1979 zustehen würde, anstelle der Rente aber bis zum Beginn der stationären Heilbehandlung (vorgezogenes) Übergangsgeld gewährt werde. Der Versicherte ist am 10. Mai 1982 verstorben.
Mit Schriftsatz vom 2. Februar 1981 bat die Klägerin die Beklagte um Überprüfung, ob angesichts der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten vom 19. Mai 1978 bis zum 31. Mai 1979 und der Gewährung von Übergangsgeld vom 24. August 1978 bis zum 19. September 1978 (Tuberkulosehilfe wegen stationärer Tbc-Behandlung) als Tag des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit nicht der 19. Mai 1978 anzunehmen sei. Eine Vorverlegung des Versicherungsfalldatums lehnte die Beklagte jedoch ab. Daraufhin begehrte die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 1981, den Rehabilitationsantrag des Versicherten vom 3. Januar 1979 in einen Rentenantrag "umzuwandeln". Dem hielt die Beklagte entgegen, der Versicherte habe von seinem Dispositionsrecht Gebrauch gemacht und damals keinen Rentenantrag gestellt; es müsse daher bei dem Versicherungsfall 27. Juni 1979 und dem Rentenbescheid vom 18. Oktober 1980 bleiben. Eine Zahlung vorgezogenen Übergangsgeldes für die Zeit vor dem 1. Juli 1979 sei nicht möglich.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin Erstattung für das dem Versicherten für die Zeiten vom 1. Februar bis zum 2. April 1979 und vom 5. Mai bis zum 31. Mai 1979 gezahlte Krankengeld bis zur Höhe des Übergangsgeldes. Das Sozialgericht (SG) Regensburg hat die Klage durch Urteil vom 10. Februar 1983 mit der Begründung abgewiesen, der Krankenkasse stehe keine Rechtsgrundlage für die selbständige Geltendmachung von Übergangsgeld zur Seite. Die Möglichkeit, ein Rentenverfahren einleiten zu lassen oder Einfluß auf den Gang des Verfahrens zu nehmen, bestehe für die Krankenkasse lediglich im Rahmen des § 183 Abs 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Diese Vorschrift zeige nicht nur den Umfang der Rechte der Krankenkasse, sondern auch die Begrenzung ihrer Befugnisse auf. Auch der Tod des Versicherten erweitere nicht die Möglichkeit der Einflußnahme der Krankenkasse, da die Ehefrau sowie die Kinder des Versicherten als Sonderrechtsnachfolger vorhanden seien.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision, der die Beklagte zugestimmt hat, rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie verweist auf das rechtskräftig gewordene Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Juli 1978 14/Ar 119/77 - in einem ähnlichen Fall und äußert im Vergleich zum Versorgungsrecht und zum Recht der Unfallversicherung die Ansicht, auch im vorliegenden Fall müsse dem Träger der Krankenversicherung ein selbständiges gerichtliches Abwehrrecht gegenüber dem Handeln des Rentenversicherungsträgers zustehen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Februar 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für das vom 1. Januar 1979 bis 2. April 1979 und vom 9. bis 31. Mai 1979 gezahlte Krankengeld Erstattung bis zur Höhe des Übergangsgeldes zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet.
Der Erstattungsanspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des 3. Kapitels des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) vom 4. November 1982 (BGBl I 1450), insbesondere nach den §§ 102 ff. Hierbei ist es unerheblich, ob nach früherem Recht ein besonderer Erstattungsanspruch bestand oder ob ein Leistungsanspruch des Versicherten nach § 183 RVO oder in entsprechender Anwendung dieser Norm auf die Klägerin überging. Zur Zeit der Klageerhebung bestanden die Vorschriften des 3. Kapitels SGB X noch nicht. Mit den durch Art I des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) mit Wirkung vom 1. Juli 1983 eingeführten §§ 102 ff SGB X hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt und damit das bisherige Recht abgelöst. Dieses neue Recht hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Nach Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Diese Vorschrift erfaßt noch nicht zu Ende geführte Gerichtsverfahren, in denen Leistungsträger Erstattungsansprüche geltend machen. Daß die §§ 102 ff SGB X auch in anhängigen Gerichtsverfahren anzuwenden sind, folgt einmal aus einem Umkehrschluß aus Art II § 22 des Gesetzes vom 4. November 1982; denn dort ist abweichend von Art II § 21 angeordnet, daß die Erstattungs- und Ersatzansprüche der Leistungsträger gegen Dritte regelnden §§ 116 bis 119 SGB X nur auf Schadensfälle anzuwenden sind, die sich nach dem 30. Juni 1983 ereignen. Der Wortlaut des Art II § 21 stimmt zudem überein mit der Vorschrift des Art II § 37 Abs 1 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469), die für die §§ 1 bis 85 SGB X gilt. Die Frage, ob Art II § 37 Abs 1 dieses Gesetzes lediglich für noch laufende Verwaltungsverfahren oder darüber hinaus auch für noch anhängige Rechtsstreitigkeiten aufgrund früherer Verwaltungsverfahren gilt, hat der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 16. September 1981 (4 RJ 107/78 = BSGE 52, 98, 1OO = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 25 ff und 4 RJ 63/80) und vom 1. November 1983 (4 RJ 91/82) dahin beantwortet, daß nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung das in der Überleitungsvorschrift zum SGB X - 1. und 2. Kapitel - erwähnte Verfahren nicht schon mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes, sondern erst mit dem Eintritt der Bindungswirkung (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) abgeschlossen ist. Diese Auffassung vertritt auch der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Beschluß vom 15. Dezember 1982 (GS 2/80 = BSGE 54, 223, 226 = SozR 1300 § 44 Nr 3).
Diese für Art II § 37 Abs 1 des Gesetzes vom 18. September 1980 entwickelten Auslegungsgrundsätze müssen auch für die Anwendung des hier maßgebenden Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 gelten. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats war zwar noch nicht im Zeitpunkt des Regierungsentwurfes (BR-Drucks 526/80), jedoch im Zeitpunkt der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (BR-Drucks 256/82 vom 16. Juli 1982) bekannt. Im Vermittlungsverfahren wurden verschiedene Vorschriften des Gesetzes geändert, die wörtliche Übereinstimmung des Art II § 21 SGB X 3. Kapitel mit Art II § 37 Abs 1 SGB X 1. und 2. Kapitel blieb jedoch erhalten.
Hiernach ist der eigenständige Erstattungsanspruch der Klägerin, den sie mit der Klage geltend machen kann, nach den §§ 102 ff SGB X zu beurteilen (so auch BSG Urteil vom 24. Mai 1984, 7 RAr 97/83). Im vorliegenden Fall stützt die Klägerin ihren Anspruch gegen die Beklagte auf die Begründung, daß sie dem Versicherten Krankengeld für einen Zeitraum gezahlt habe, für den die Beklagte Übergangsgeld hätte zahlen müssen. Aufgrund dieser Leistungspflicht der Beklagten sei der Krankengeldanspruch ganz oder teilweise entfallen. Die Klägerin macht damit einen Anspruch nach § 103 Abs 1 SGB X geltend.
Schon nach dem bis zum Inkrafttreten der Erstattungsvorschriften des SGB X bestehenden Rechtszustand sah das Gesetz vor, daß der Bezug von Übergangsgeld den Anspruch auf Krankengeld zum Ruhen bringt (§ 183 Abs 6 RVO). Welche Rechtsfolgen einzutreten hätten, wenn dem Versicherten zunächst Krankengeld gewährt wurde und sich erst danach herausstellte, daß ihm für die gleiche Zeit Übergangsgeld zustand, hatte das Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Rechtsprechung hatte diese Lücke dahingehend ausgefüllt, daß für solche Fälle die Regelung des § 183 Abs 3 Satz 2 RVO aF entsprechend anzuwenden war und der Anspruch auf Übergangsgeld auf den erstattungsberechtigten Träger der Krankenversicherung überging (BSGE 48, 142; 49, 71). Diese Erstattungsregelung ist, wie bereits dargelegt, seit dem Inkrafttreten des SGB X 3. Kapitel nicht mehr anwendbar, zumal auch seit diesem Zeitpunkt die Vorschrift des § 183 Abs 3 Satz 2 RVO aufgehoben ist (Art II § 3 Nr 1a des Gesetzes vom 4. November 1982 - BGBl I 1450). Nunmehr findet kein Übergang des dem Versicherten zustehenden Anspruchs mehr statt, sondern § 103 SGB X spricht dem erstattungsberechtigten Träger einen originären Anspruch gegen den erstattungspflichtigen Träger zu.
Demgegenüber greift § 104 SGB X für den Erstattungsanspruch der Klägerin nicht ein. Einmal ist die Anwendung dieser Vorschrift, wie der Gesetzestext deutlich macht, schon dann ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 103 SGB X erfüllt sind und zum anderen wollte der Gesetzgeber die Ansprüche der Krankenkassen aus § 183 Abs 3 Satz 2 RVO ausdrücklich durch § 103 SGB X ersetzen (so auch Clausing/Dörr/Herrmann/Schöning, SGB X § 103 Anm 8.2; Verbandskommentar SGB X § 103 Anm 6.2.4). Das kommt in den Gesetzesmaterialien deutlich zum Ausdruck (vgl BT-Drucks 9/95 S 24 Begründung zu § 108 des Gesetzentwurfs). Auch seinem Inhalt nach erfaßt § 104 SGB X nicht die vorliegenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Rentenversicherungsträger. Die Vorschrift ist in erster Linie für die Fälle bestimmt, in denen für den gleichen Zeitraum ein Anspruch auf mehrere Sozialleistungen besteht, für die das Gesetz eine materiell-rechtliche Regelung der Rangfolge getroffen hat. Hinsichtlich des Anspruchs auf Krankengeld und des auf Übergangsgeld besteht aber keine materiell-rechtliche Regelung, die den einen Anspruch als vorrangig und den anderen als nachrangig deklariert. § 103 SGB X setzt hingegen voraus, daß durch die Erfüllung des entsprechenden (zweiten) Leistungsanspruchs der erbrachte (erste) Leistungsanspruch zum Wegfall kommt. Eine solche Regelung trifft das materielle Recht in § 183 Abs 6 RVO.
Die Klägerin hat dem Versicherten ua für die Zeit vom 1. Februar bis zum 2. April 1979 und vom 9. Mai bis zum 31. Mai 1979 Krankengeld gezahlt und fordert für diese Zeiträume von der Beklagten Erstattung. Dieser Anspruch könnte dann gegeben sein, wenn die Beklagte für die Zeiträume zur Zahlung von Übergangsgeld verpflichtet wäre. Unter dieser Voraussetzung ruhte nach § 183 Abs 6 RVO der Krankengeldanspruch, die Leistungspflicht der Klägerin aus dem Krankenversicherungsverhältnis entfiele im Umfange seines Anspruchs gegen die Beklagte. Da die Klägerin jedoch schon an den Versicherten gezahlt hat, würde der Anspruch des Versicherten gegen die Beklagte als erfüllt gelten (§ 107 Abs 1 SGB X) und die Beklagte wäre verpflichtet, den Betrag der Leistung an die Klägerin zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs zu zahlen.
Da dem Versicherten während der strittigen Zeiträume keine Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation gewährt worden sind, kann eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Übergangsgeld nur nach § 1240 Satz 2 oder § 1241 Abs 4 RVO in Betracht kommen; § 1241e RVO scheidet als Anspruchsgrundlage aus, da der Versicherte berufsfördernde Maßnahmen nicht erhalten hat.
Der Anspruch auf (vorgezogenes) Übergangsgeld setzt voraus, daß der Versicherte bei Abschluß von Maßnahmen der Rehabilitation berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist (§ 1241d Abs 4 RVO) oder daß ihm eine Schonungszeit ärztlich verordnet worden ist (§ 1240 Satz 2 RVO). Ob einer dieser Sachverhalte vorliegt, muß grundsätzlich vom Rentenversicherungsträger geprüft und entschieden werden, weil das Übergangsgeld eine Leistung aus dem Rentenversicherungsverhältnis ist. Insoweit diese Entscheidung den Versicherten berührt, ist sie durch Verwaltungsakt (Übergangsgeldbescheid) zu konkretisieren (§ 31 SGB X); dieser richtet sich an den Versicherten und legt fest, in welchem Umfang sein Anspruch besteht (§ 39 SGB X). Er kann demgemäß auch nur von dem Versicherten angefochten werden, wenn er sich in seinen Rechten verletzt glaubt. Zwar werden durch den Bescheid auch die Interessen des Krankenversicherungsträgers berührt, weil der Krankengeldanspruch in dem Maße ruht, in dem das Übergangsgeld zugesprochen wird, doch ist die Krankenkasse weder (Mit-)Adressat des Bescheides noch steht ihr die Möglichkeit zu Gebote, den Bescheid anzufechten, weil er, jedenfalls dem Krankenversicherungsträger gegenüber, keine Bindungswirkung iS des § 39 SGB X oder § 77 SGG entfalten kann. Zwischen den beiden Versicherungsträgern herrscht kein Über- und Unterordnungsverhältnis, das durch Verwaltungsakt zu regeln wäre. Dennoch bestehen zwischen den Versicherungsträgern Rechtsbeziehungen, weil beide dem Versicherten gegenüber nach materiellem Recht leistungspflichtig sind und die Leistungen sich gegenseitig ausschließen. In dieser durch § 103 SGB X geregelten Rechtsbeziehung stehen wiederum dem Versicherten keine Mitwirkungsrechte zu, weil es sich lediglich um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen beiden Versicherungszweigen handelt; demgemäß bedarf es im Falle eines Rechtsstreits auch keiner Beteiligung des Versicherten (§ 75 SGG).
Die Rechtsbeziehungen zwischen den Trägern der beiden Versicherungszweige sind eine Folge des durch die RVO geregelten Sozialversicherungssystems, das eine gegliederte und auf dem Prinzip der Aufgabenteilung beruhende Sozialversicherung vorsieht. Aus ihr ergibt sich, daß zunächst einmal jeder Versicherungsträger zuständig ist für die Regelung der zu ihm bestehenden Versicherungsverhältnisse. Diese Zuständigkeit hat nicht nur eine formale Bedeutung, sondern zeitigt auch materiell-rechtliche Folgen. Die anderen Versicherungsträger haben die Regelungsbefugnis des zuständigen Trägers - auch inhaltlich - zu akzeptieren; eine Mitwirkungsbefugnis bei der Regelung jener Rechtsverhältnisse steht ihnen grundsätzlich nicht zu, sofern nicht das Gesetz ausdrücklich etwas anderes anordnet. Daraus folgt, daß jeder Versicherungsträger primär die Entscheidungen des anderen Versicherungsträgers zu respektieren hat und seinen eigenen Entscheidungen zugrunde legen muß.
Dieser Grundsatz erfährt indes eine Modifizierung in den Fällen, in denen das Gesetz vorsieht, daß sich die Leistungen der beiden Versicherungsträger beeinflussen. In solchen Fällen bedarf es regelmäßig eines Zusammenwirkens der Versicherungsträger, damit die Interessen des Versicherten in sachgerechter Weise erfüllt werden können. Der Gesetzgeber hat die erforderliche Zusammenarbeit der Leistungsträger im 3. Kapitel des SGB X geregelt und dabei in § 86 als Grundsatz festgelegt, daß die Leistungsträger verpflichtet sind, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng zusammenzuarbeiten. Das Erfordernis der engen Zusammenarbeit wird zwar für den Fall der sich gegenseitig beeinflussenden Leistungspflichten im Gesetz nicht durch Einzelvorschriften näher konkretisiert, doch kann kein Zweifel daran bestehen, daß es zumindest die Verpflichtung umfaßt, bei widerstreitenden gegenseitigen Interessen auch die Belange des anderen Versicherungsträgers angemessen zu berücksichtigen.
Diese Verpflichtung bewirkt jedenfalls in den Fällen, in denen der andere Versicherungsträger die Leistungsgewährung des zuständigen Versicherungsträgers beanstandet, daß dieser in eine nochmalige Überprüfung der Sachlage eintreten muß. Das bedeutet nicht, daß der zuständige Versicherungsträger erneut ein Verwaltungsverfahren beginnen und eine neuerliche Sachaufklärung über den Anspruch des Versicherten durchführen müßte, jedoch ist es andererseits dem zuständigen Träger auch nicht erlaubt, sich lediglich auf die ihm zustehende Regelungsbefugnis zu berufen und den anderen Versicherungsträger auf die getroffene Entscheidung zu verweisen. Der zuständige Träger muß vielmehr unter Verwendung der vorhandenen tatsächlichen Feststellungen überprüfen, ob eine Änderung der Leistungsgewährung geboten ist; dabei steht ihm im Hinblick auf seine Regelungsbefugnis ein weiter Beurteilungsspielraum zur Verfügung. Das Beharren auf seiner früheren Leistungsgewährung ist ihm allerdings dann versagt, wenn sich die frühere Entscheidung als offensichtlich fehlerhaft erweist und dem anderen Versicherungsträger zum Nachteil gereicht. Ein solches die formale Rechtsposition ausnützendes Verhalten verletzte das gesetzliche Gebot der engen Zusammenarbeit. Die Frage, ob eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit vorliegt, ist unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen.
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte dem Versicherten vom 3. April bis zum 8. Mai 1979 ein Heilverfahren gewährt. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht wurde dem Versicherten im Anschluß an das Heilverfahren noch eine Schonungszeit vom 14 Tagen zugebilligt. Hiernach stand dem Versicherten ein Anspruch auf Übergangsgeld für die Dauer der Schonungszeit zu (§ 1240 Satz 2 RVO). Tatsächlich hat die Beklagte diese Leistung aber nicht gewährt, vielmehr zahlte die Klägerin dem Versicherten für die Zeit Krankengeld. Da die Rechtsfolge - Gewährung von Übergangsgeld - vom Gesetz zwingend vorgeschrieben wird und die Verordnung einer Schonungszeit von 14 Tagen aus dem ärztlichen Entlassungsbericht, der anläßlich der Beendigung des Heilverfahrens am 8. Mai 1979 erstellt worden ist, klar hervorgeht, erweist sich die Nichtgewährung von Übergangsgeld an den Versicherten für die Zeit vom 9. Mai bis zum 22. Mai 1979 als offensichtlich fehlerhaft, weil bei der gegebenen Sachlage keine andere Entscheidung als die Zahlung von Übergangsgeld möglich war. Die Beklagte konnte diese offensichtliche Fehlerhaftigkeit auch erkennen, denn der ärztliche Entlassungsbericht befand sich in ihren eigenen Verwaltungsakten. Da bei ordnungsgemäßem Verhalten der Beklagten der Anspruch des Versicherten gegen die Klägerin auf Zahlung von Krankengeld in Höhe des Übergangsgeldes zum Wegfall gekommen wäre, ist die Beklagte nach § 103 SGB X verpflichtet, der Klägerin insoweit Erstattung zu leisten. In diesem Umfang ist die Revision der Klägerin begründet.
Die weitergehenden Revisionsansprüche der Klägerin erweisen sich hingegen nicht als begründet. Ihr Vorbringen, daß der Versicherte bereits vor dem von der Beklagten angenommenen Datum des Versicherungsfalles - dem 27. Juni 1979 - erwerbsunfähig gewesen sei, läßt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des vorliegenden Sachverhalts nicht entnehmen. Der Hinweis der Klägerin, der Gesundheitszustand des Versicherten sei unverändert geblieben, reicht dafür ebensowenig aus wie die Tatsache, daß sie dem Versicherten aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit Krankengeld gezahlt hat. Die rechtlichen Unterschiede zwischen der Arbeitsunfähigkeit einerseits und der Erwerbsunfähigkeit andererseits sind so erheblich, daß sich allein aus dem Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit noch kein Schluß auf das Vorhandensein der Erwerbsunfähigkeit ziehen läßt. Es erscheint zwar nicht als völlig ausgeschlossen, daß der Versicherte schon zu einem früheren Zeitpunkt berufsunfähig geworden sein könnte, jedoch lassen sich insoweit weder aus den tatsächlichen Feststellungen sichere Erkenntnisse entnehmen, noch trägt die Klägerin dazu Sachdienliches vor. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß die Beklagte im Hinblick auf die Erwerbsunfähigkeit des Versicherten keine offensichtlich fehlerhafte Entscheidung getroffen hat; sie hat demgemäß auch nicht gegen ihre Verpflichtung zur engen Zusammenarbeit mit der Klägerin verstoßen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß sie für den Versicherten für die Zeit vor dem 1. Juli 1979 kein Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld nach § 1241d Abs 4 RVO anerkannt und demzufolge insoweit auch keine Erstattung geleistet hat. In diesem Umfange ist die Revision der Klägerin unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1662897 |
BSGE, 146 |